Christian Geyer : Niklas Luhmann. Die Knappheit der Zeit und die Vordringlichkeit des Befristeten

Diskurs Aktuell
Knappheit der Zeit
kadmos13-10luhmann-knappheit
http://www.kultur-punkt.ch/akademie4/diskurs/kadmos13-10luhmann-knappheit.htm
Online-Publikation: Oktober  2013  im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Christian Geyer : Niklas Luhmann. Die Knappheit der Zeit und die Vordringlichkeit des Befristeten  >>
160 Seiten; 12 x 19 cm, broschiert, ISBN: 978-3-86599-120-1; 14.90 €
Kulturverlag Kadmos, Berlin; http://www.kv-kadmos.com;

Inhalt
»Im Zeitalter großer Organisationen ist Zeit knapp geworden. Zeitdruck ist eine verbreitete Erscheinung. Der Blick auf die Uhr und der Griff zum Terminkalender in der Tasche sind Routinebewegungen geworden. Die Verabredungsschwierigkeiten treiben die Telefonkosten in die Höhe. Schlichte rote Mappen (mit längst nicht mehr eiligem Inhalt), Eilt-Mappen, Eilt-sehr-Mappen bevölkern den Schreibtisch und seine Umgebung. Einige drängen sich durch ihre Lage mitten auf dem Schreibtisch und durch einen besonderen Zettel ›Terminsache!‹ vor im Wettbewerb um Aufmerksamkeit. Die Orientierung an Fristen und fristbedingten Vordringlichkeiten bestimmt den Rhythmus der Arbeit und die Wahl ihrer Thematik.«
Mit diesen Worten beginnt der fulminante Aufsatz von Luhmann, der 1971 erschien und zu einem der eindrücklichsten Texte über das Phänomen Zeit zu zählen ist. Geyer arbeitet zunächst heraus, dass Luhmann selbst die Zeit als Medium der Kontingenzbewältigung sieht, Fristen in ihrer Unvermeidlichkeit nicht etwa verteufelt, sondern als Grenzen setzende Lebens- und Schaffensbedingungen stark macht (nach dem Motto ars longa, vita brevis). Zugleich wird über Luhmann hinaus die Kontingenz als zentrale Frage des spätmodernen Lebensgefühls weitergedacht. Geyer fragt: Mit welchen biographischen Herausforderungen und psychopathologischen Gefährdungen hat man es zu tun, wenn alles immer auch anders möglich ist?
Wie lässt sich im Blick auf die virtuelle Unendlichkeit potentieller Gegenwarten so etwas wie Stand und Haltung gewinnen? Mit anderen Worten: Wie kann es gelingen, in der Vielfalt der Optionen jemand Bestimmter zu sein?

Der Protagonist
Niklas Luhmann (* 8. Dezember 1927 in Lüneburg; † 6. November 1998 in Oerlinghausen) war ein deutscher Soziologe und Gesellschaftstheoretiker. Als einer der Begründer der soziologischen Systemtheorie zählt Luhmann zu den herausragenden Klassikern der Sozialwissenschaften im 20. Jahrhundert.
Luhmann studierte von 1946 bis 1949 Rechtswissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, mit einem Schwerpunkt auf römischem Recht. Es folgte bis 1953 eine Referendarausbildung in Lüneburg. 1954 bis 1962 war er Verwaltungsbeamter in Lüneburg, 1954 bis 1955 am Oberverwaltungsgericht Lüneburg Assistent des Präsidenten. In dieser Zeit begann er auch mit dem Aufbau seiner Zettelkästen. 1960/1961 erhielt Luhmann ein Fortbildungs-Stipendium für die Harvard-Universität, das er nach seiner Beurlaubung wahrnehmen konnte. Dort kam er in Kontakt mit Talcott Parsons und dessen strukturfunktionaler Systemtheorie. Nach seiner Tätigkeit als Referent an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer von 1962 bis 1965 und als Abteilungsleiter an der Sozialforschungsstelle an der Universität Münster in Dortmund von 1965 bis 1968 (1965/66 daneben ein Semester Studium der Soziologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster (Westfalen)) wurde er dort 1966 zum Dr. sc. pol. (Doktor der Sozialwissenschaften) promoviert mit dem bereits 1964 erschienenen Buch Funktionen und Folgen formaler Organisation. Fünf Monate später habilitierte er sich bei Dieter Claessens und Helmut Schelsky mit Recht und Automation in der öffentlichen Verwaltung. Eine verwaltungswissenschaftliche Untersuchung. Mit seiner Berufung 1968 wurde Luhmann der erste Professor der Universität Bielefeld. Dort trug er zum Aufbau der ersten soziologischen Fakultät im deutschsprachigen Raum bei, lehrte und forschte bis zu seiner Emeritierung 1993
http://de.wikipedia.org/wiki/Niklas_Luhmann

Autor
Christian Geyer, Feuilletonredakteur bei der F.A.Z., Herausgeber der Suhrkamp-Bände »Biopolitik«, »Hirnforschung und Willensfreiheit«. Lebt in Frankfurt am Main und Anzhausen, verheiratet, drei Töchter.

Fazit
Der Protagonist Niklas Luhmann (1) kann im Diskursbuch "Die Knappheit der Zeit und die Vordringlichkeit des Befristeten" von Christian Geyer und darüber hinaus als ein soziologisch weltweit wirkender Wissens- und Medientheoretiker gesehen werden, aufgrund seiner Systemtheorie Diese versteht Gesellschaft nicht als eine Ansammlung von Menschen mit Blutkreisläufen und sonstigen, nicht-sozialen Systemen, sondern als einen operativ geschlossenen Prozess sozialer Kommunikation (1).
Im Kern dieses Buch entlarvt  Luhmann , laut Geyer, die aktuelle Zeitgeburt 'Verplantheit (Anm.d.Rez.)' der 'Entgrenzten Menschen' und stellt klar:  "Verschlimmbesserung heisst der Dämon jeder Planungstheorie". Geyer  sieht die Gefährdung im Begriffsfeld Arbeit zur 'real time' zurecht in den von Luhmann definierten entgrenzend und fragmentierend (2)  wirkenden Lebens- und Schaffensbedingungen. Da sind durchschauende Standfestigkeit mit entsprechender Haltung gefragt. Gut so, dass Luhmann 'wiederbelebend' so im aktuellen Problemfeld mit diesem Buch weiterwirkt. m+w.p13
(1) http://de.wikipedia.org/wiki/Niklas_Luhmann
(2) www.kultur-punkt.ch/galerie/fragmentierung-figuration13-1.htm

***
Luhmanns Systemtheorie
versteht Gesellschaft nicht als eine Ansammlung von Menschen mit Blutkreisläufen und sonstigen, nicht-sozialen Systemen, sondern als einen operativ geschlossenen Prozess sozialer Kommunikation.
Beispielhafte Systeme
mit ihren Codes, strukturelle Kopplung
Die Systemtheorie thematisiert selbstreferenzielle soziale Operationen (Kommunikation). Selbstreferenziell soll heißen, dass sich Systeme nur auf ihre internen Operationen beziehen und trotzdem kognitiv offen sind. Die Leitdifferenzen von gesellschaftlichen Funktionssystemen bezeichnet Luhmann als Codes (im Beispiel „Recht/Unrecht“ für das Rechtssystem). Die meisten Funktionssysteme orientieren sich an symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien, die Wirtschaft etwa an Geld.
Luhmanns Systemtheorie basiert auf der Gleichsetzung von Gesellschaft mit Kommunikation. Er behandelt Evolution von Kommunikation – von Oralität (mündlicher Kommunikation) über Schrift bis hin zu elektronischen Medien – und parallel auf der Evolution von Gesellschaft durch funktionale Ausdifferenzierung (siehe auch soziale Differenzierung). Daraus ergeben sich drei Stränge:
Systemtheorie als Gesellschaftstheorie,
Theorie der Interaktion (face-to-face-Kommunikation) und
Evolutionstheorie, die sich durch sein gesamtes Werk ziehen.
Seit den 1980er Jahren bezieht sich Luhmann grundlegend auf die Differenzlogik der Laws of Form des britischen Mathematikers George Spencer-Brown.
Luhmanns Systemtheorie basiert auf der Gleichsetzung von Gesellschaft mit Kommunikation. Er behandelt Evolution von Kommunikation – von Oralität (mündlicher Kommunikation) über Schrift bis hin zu elektronischen Medien – und parallel auf der Evolution von Gesellschaft durch funktionale Ausdifferenzierung (siehe auch soziale Differenzierung). Daraus ergeben sich drei Stränge:
1 Systemtheorie als Gesellschaftstheorie,
2 Theorie der Interaktion (face-to-face-Kommunikation) und
3 Evolutionstheorie, die sich durch sein gesamtes Werk ziehen.[12]
Seit den 1980er Jahren bezieht sich Luhmann grundlegend auf die Differenzlogik der Laws of Form des britischen Mathematikers George Spencer-Brown.