Gerhard Roth: Im Irrgarten der Bilder . Die Gugginger Künstler
Über/Zeitgefährten
Gugginger Kunstschaffende
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Online-Publikation: Juni 2012 im Internet-Journal <<kultur-punkt>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
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324 Seiten; 254x280; Hardcover; ISBN: 9783701732722; EUR 39,90 / sFr 53,90
Residenz Verlag, A-3100 St. Pölten, http://www.residenzverlag.at; http://www.gugging.org; http://www.gugging.org/index.php/de/museum;
Inhalt
Die Künstler von Gugging: ein faszinierender Einblick in eine fantastische Bilderwelt mit bisher unveröffentlichtem Fotomaterial.
1976 fuhr Gerhard Roth zum ersten Mal nach Gugging, in die Landesnervenheilanstalt nahe Wien, um den Leiter Leo Navratil und den Dichter Ernst Herbeck zu besuchen. Herbeck lebte in Gugging, mit anderen Patienten, die wie er an chronischen psychischen Erkrankungen litten, später wurde dort das so genannte „Haus der Künstler“ eingerichtet. Es war der Auftakt für eine tiefgreifende Auseinandersetzung, die bis heute anhält und Gerhard Roth stark geprägt hat. In der Folge besuchte er sie alle und immer wieder: August Walla, Johann Hauser, Oswald Tschirtner, heute ohne Ausnahme Künstler von Weltruf, aber auch die Vertreter der „zweiten Generation“ wie Arnold Schmidt, Karl Vondal, Leonhard Fink u.a. Roth war nicht nur von ihrer Kreativität beeindruckt, sondern auch von den Persönlichkeiten der Künstler und der Einheit von Leben und Werk, die er in ihnen erkannte.
Dieses Buch dokumentiert eine bereits 35 Jahre dauernde Begegnung: mit zahlreichen Abbildungen der Künstler und ihrer Werke sowie Texten von Gerhard Roth über ihr Leben und ihre Bilder. Mehr als 300 seiner Fotografien zeigen sein tiefes Verständnis für das Leben und Schaffen dieser aussergewöhnlichen Menschen.
Autor
Gerhard Roth
1942 in Graz geboren, lebt als freier Schriftsteller in Wien und der Südsteiermark. Er veröffentlichte zahlreiche Romane, Erzählungen, Essays und Theaterstücke, darunter den 1991 abgeschlossenen siebenbändigen Zyklus „Die Archive des Schweigens“. Anschließend erschienen die acht Bände des „Orkus“-Zyklus, u.a. mit literarischen Essays über Wien sowie den beiden Erinnerungsbänden „Das Alphabet der Zeit“ und „Orkus – Reise zu den Toten“. Für sein Werk wurde Gerhard Roth mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet.
Fazit
Der Schriftsteller Gerhard Roth hat sich "Im Irrgarten der Bilder" den Gugginger Künstlern bedachtsam und einfühlend dem Wahnbegriff und dem Sinn genähert. Er zeigt ein Wunderland mit Schattenbildern, optischen Täuschungen, Hellsichtigkeit im Dunkeln, Schrecken, Zittern, Fliessen und schmerzliches Dasein im Hörlosen. ES zeigt das Zerrissensein und die Gebärdensprache, Kopffüssler und andere Wesen, im Eismeer des Schweigens, nein und doch zeigt sich zwischen all dem Eingekesselten Poesie:"Der Morgen / Im Herbst da sich im Schnee die / Mähnen treffen / Amseln pfeifen heer / im Wind und Fressen (Herbeck)". Es geht auch um Ethnologie und individuelle Mythologie / Erinnerungszettel und Relativitätsmathemathik. Auch der Horror vacui hat seinen markanten Platz. Das Buch enthält aus der Sammlung Hans Prinzhorns die "Bildnerei der Geisteskranken". Gründer Leo Navratil und sein Nachfolger Feilacher werden präsentiert, auf Augenhöhe mit den bildschaffenden Art brut*Künstler-Portraits. Es ist so ein "Haus der schlafenden Vernunft" mit teils zerissenem "Ariadnefaden" wie die Kapitel heissen. Das Gugginger Künstlerbuch bietet ein Kaleidoskop in die Welt des Anders- und Aussersich-Seienden. m+w.p12-6
*)Art brut
(franz. für ‚unverbildete, rohe Kunst‘) ist ein Sammelbegriff für autodidaktische Kunst von Laien, Kindern und Menschen mit geistiger Behinderung. Die Bezeichnung ging vom französischen Maler Jean Dubuffet aus, der sich eingehend mit einer naiven und antiakademischen Ästhetik beschäftigte.
Art brut ist weder eine Kunstrichtung noch eine Stilbezeichnung, sondern beschreibt eine Kunst jenseits etablierter Kunstformen und -strömungen[1]. Im anglo-amerikanischen Sprachraum ist stattdessen der Begriff Outsider Art („Außenseiter-Kunst“) gebräuchlich.
In der Schweiz veröffentlichte der Psychiater Walter Morgenthaler bereits 1921 sein Buch über Adolf Wölfli " Ein Geisteskranker als Künstler", das erstmals einen an Schizophrenie leidenden Patienten als Künstler ernst nahm.
Einher mit diesem kulturellen Anerkennungsprozess ging in den letzten Jahrzehnten die intensive und erfolgreiche Förderung von künstlerischem Arbeiten zu therapeutischen Zwecken, etwa durch den Psychiater Leo Navratil in der ehemaligen Landesnervenheilanstalt, nun im Künstlerhaus Gugging in Klosterneuburg bei Wien oder durch La Tinaia – Centro di Attività Espressive in Florenz. http://de.wikipedia.org/wiki/Art_brut