Dubuffets Liste . Ein Kommentar zur Sammlung Prinzhorn von 1950 . Ingrid von Beyme , Thomas Röske
Kultur Ereignis
Dubuffets Liste
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Online-Publikation: Januar 2016 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Herausgeber: Ingrid von Beyme , Thomas Röske >>
144 Seiten, gebunden; ISBN: 978-3-88423-523-2 ; 29,80 EUR
Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg; http://www.wunderhorn.de
Über dieses Buch
Im September 1950 besuchte der französische Maler Jean Dubuffet die Sammlung Prinzhorn in Heidelberg – nur fünf Jahre, nachdem er den Begriff »Art brut« für eine rohe, ungeschliffene, nichtakademische Kunst geprägt hatte.
In einer handschriftlichen und später ergänzten maschinengeschriebenen Liste protokollierte und bewertete er die Werke, die er vor Ort gesehen hatte. Die Aufstellung versetzt uns in die Lage, annähernd genau rekonstruieren zu können, welche Werke Dubuffet gesehen hat. Seine Liste orientiert sich an Prinzhorns Publikation Bildnerei der Geisteskranken (1922). Mit seiner Beurteilung versucht er sich allerdings von seinem großen Vorbild Prinzhorn abzusetzen, bei weitem jedoch nicht so abwertend, wie aufgrund seiner retrospektiven Angaben lange Zeit vermutet wurde. Dass seine Einschätzung von Prinzhorns »Meistern« mitunter kritisch, die Bewertung der Sammlung im Großen und Ganzen aber sehr positiv ausfiel, ist ein überraschendes Ergebnis. Die Heidelberger Schau, die vom St. Gallener Museum im Lagerhaus übernommen wird, ermöglicht der kunstgeschichtlichen Forschung erstmals, Dubuffets Vorstellung von »Art brut« anhand von Werken der Sammlung Prinzhorn im historischen Kontext zu konkretisieren. Das war bisher nur am Beispiel von Dubuffets eigener »Collection de l’Art brut« möglich, die sich heute in Lausanne befindet und neben der Sammlung Prinzhorn das international wichtigste Museum für »Outsider Art« darstellt. Mit Textbeiträgen von Ingrid von Beyme, Baptiste Brun und Thomas Röske. Diese Publikation erscheint anlässlich der Ausstellung »Dubuffets Liste« in der Sammlung Prinzhorn in Heidelberg,.Dubuffets Liste; Ausstellung bis 10. April 2016
Ausstellungsinhalt
Am 11. und 12. September 1950 besuchte der französische Maler Jean Dubuffet (1901–1985) die Sammlung Prinzhorn in Heidelberg – nur fünf Jahre, nachdem er den Begriff „Art brut“ für eine rohe, ungeschliffene, nichtakademische Kunst geprägt hatte. In einer Liste protokollierte und bewertete er die gesehenen Werke – meist in knappen Worten (z. B. „extrêmement intéressant“ „pas bien“ oder „mediocre“). Die Ausstellung rekonstruiert möglichst umfassend Dubuffets Blick auf die Sammlung.
Prinzhorns Buch Bildnerei der Geisteskranken war für Dubuffet wie auch für viele andere Künstler ein wichtiger Wegweiser für die Möglichkeiten in der Kunst. Mit seiner Beurteilung der Sammlung versuchte Dubuffet sich von seinem großen Vorbild abzusetzen, sein Eindruck war jedoch bei weitem nicht so abwertend, wie es in der kunstgeschichtlichen Forschung lange Zeit vermutet wurde. Dass seine Einschätzung von Prinzhorns „Meistern“ mitunter kritisch, die Bewertung der Sammlung im Großen und Ganzen aber sehr positiv ausfiel, ist ein überraschendes Ergebnis der Ausstellung. Zu sehen sind 120 Werke darunter berühmte Klassiker wie Bühlers Fabeltier (für Dubuffet nur „mittelmäßig“) Natterers Weltachse
mit Hase („keine große Sache“). Gezeigt werden aber auch Künstler, die bei Prinzhorn unberücksichtigt blieben und aufgrund von Dubuffets Bewertung nun erstmals ins Licht der Öffentlichkeit rücken, z. B. ein anonymer Zeichner (Fall 419), der auf Tabakeinwickelpapier einen faszinierenden Figurenkosmos entstehen ließ („extrem interessant“).
In einem der Kabinette stellt die Künstlerin Janet Grau in ihrem Videoprojekt „extrem interessant“ Dubuffets historische Rezeption in einen aktuellen Kontext. Eine Gruppe von Betrachtern geht in Bildbeschreibungen auf die von Dubuffet beurteilten Arbeiten ein und schildert ihre persönlichen Eindrücke. Im Video wird die Beschreibung dokumentiert, nicht aber das zu beschreibende Werk selbst. Der Besucher ist somit gezwungen, sich anhand der gehörten Beschreibungen sein eigenes Bild zu machen.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit wissenschaftlichen Texten von Ingrid von Beyme, Baptiste Brun und Thomas Röske und zahlreichen Abbildungen: Dubuffets Liste. Ein Kommentar zur Sammlung Prinzhorn von 1950, hrsg. von Ingrid von Beyme und Thomas Röske, Sammlung Prinzhorn Heidelberg.
HerausgeberIn-Team
Dr. phil. Ingrid von Beyme,
geboren 1962, ist seit August 2009 Ausstellungskuratorin der Sammlung Prinzhorn der Psychatrischen Universitätsklinik Heidelberg. Sie hat in Berlin Kunstgeschichte und Neuere Deutsche Literatur studiert und 2003 mit der Arbeit Der Einfluss von Art Brut auf Richard Lindner promoviert. Anschließend arbeitete sie an der Recherche und Katalogpublikation der kriegsbedingten Verluste der Kunstsammlung der Akademie der Künste in Berlin sowie als Kuratorin und Archivarin an der Staatlichen Münze Berlin.
Dr. phil. Thomas Röske
(geboren 1962) ist seit November 2002 Leiter der Sammlung Prinzhorn der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg. Er hat Kunstgeschichte, Musikwissenschaft und Psychologie in Hamburg studiert und 1991 mit einer Arbeit über Hans Prinzhorn promoviert (1995 unter dem Titel „Der Arzt als Künstler. Ästhetik und Psychotherapie bei Hans Prinzhorn [1886-1933]“ als Buch erschienen). Von 1993 bis 1999 war er Wissenschaftlicher Hochschulassistent am Kunstgeschichtlichen Institut der Universität Frankfurt, von 1996 bis 1999 Stellvertretender Sprecher des dort angesiedelten Graduiertenkollegs „Psychische Energien bildender Kunst“. Daneben hat er immer wieder als freier Ausstellungskurator für verschiedene Institutionen gearbeitet.
Fazit
Das Graduiertenkolleg „Psychische Energien bildender Kunst“ des Kunstgeschichtlichen Institut der Universität Frankfurt bringt es auf den Punkt, wenn es von grösstenteils geistig-vegetativ-energetischen Wirkkräften spricht, wenn es um Art Brut geht. Und um "Dubuffets Liste . Ein Kommentar zur Sammlung Prinzhorn von 1950".
'Der Begriff "Art Brut" ist eine Wortkreation des Malers Jean Dubuffet (1901-1985). Im Jahr 1945 skizzierte Dubuffet in einem Brief an Charles Ladame seine Gedanken zur Art Brut: "Zeichnungen, Gemälde, Kunstwerke aller Art, die von Unbekannten, von Besessenen geschaffen wurden, die durch spontane Impulse entstanden, die von Phantasie und Tollheit beseelt sind und sich nicht in den alten Gleisen der katalogisierten Kunst bewegen." Im Laufe der folgenden Jahre entwickelte Jean Dubuffet seine theoretische Grundlage: Er bezeichnete ein Werk als Art Brut-Kunst, wenn sein Schöpfer als Autodidakt ohne akademisch-künstlerische Schulung jenseits bestehender Kunstströmungen und Künstlergruppen nicht für ein Publikum, sondern in erster Linie für sich selbst arbeitete. Zu dieser Künstlergruppe zählten demzufolge Außenseiter wie psychisch Kranke und Strafgefangene.
Art Brut
ist weder eine Kunstrichtung noch eine eindeutige Stilbezeichnung sondern beschreibt eine Kunst jenseits etablierter Kunstformen und -strömungen. Im angloamerikanischen Sprachraum ist dafür der Begriff Outsider Art ("Außenseiter-Kunst") gebräuchlich.
Die Art Brut-Sammlung Dubuffets
fand 1947 im "Foyer de l'Art Brut" in der Galerie René Drouin in Paris seine erste Heimstätte und legte den Grundstein für den 1948 gegründeten Verein "Compagnie de l'Art Brut", dessen Initiatoren neben Jean Dubuffet unter anderem André Breton und Michel Tapié waren. Die Compagnie widmete sich der Erforschung und Sammlung der Art Brut. Daraus entstanden ist die "Collection de l'Art Brut", die Dubuffet der Stadt Lausanne schenkte und dort seit 1976 im Museum Château de Beaulieu zu sehen ist. '
http://www.artbrut-sammlung.de/
Quintessenz
Art Brut eröffnet, wie bereits gesagt geistig-vegetativ-energetischen Wirkkräfte, die abseits von geschultem Trainings- Stilformen, in überaus sich in individualistischer und oft in selbstentblösend-kindhafter Weise geradezu eruptiv äussern können. Und meist Bild und Schrift (wie es seit eh und je in der chinesischen Kultur üblich war) auf inhärenter Weise kombiniert. Darüber hinaus zeigt sich dennoch eine grosse Wahlverwandtschaft im europäischen Kulturraum, wie es die folgende Quelle deutlich markiert*- m+w-p16-1
*) Quelle zu Art brut im deutsprachigen Raum
Museum Gugging - Ausstellung: navratils KÜNSTLER-GÄSTEBUCH.!
Art brut
begann im 20.Jahrhundert im deutschsprachigen Kulturraum mit dem Schweizer Psychiater Walter Morgenthaler und seinen an Schizophrenie leidenden Adolf Wölfli, einem Geisteskranker als Künstler...
Fortgesetzt wurde die Art brut -Sichtweise in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vom österreichischen Psychiater Leo Navratil* in Gugging
Art brut in Niederösterreich
mit seiner Bezeichnung von „zustandsgebundener Kunst“...
Aktuell setzt der Autor Johann Feilacher mit seinem bibliophilen Bildband " gugging meisterwerke.! " einen neuen Akzent den er mit 100 Meisterarbeiten in einem Buch betitelt. So reiht er die zustandsgebundene in die 'zustandsoffene Kunst ' und setzt sie marktoffen in die Auktionsgüter ein. Es ist damit ein demokratischer Werk- und Wertbegriff entstanden, der Beachtung gebührt, besonders wenn wir die jahrhunderte währende Leidengeschichte solcher talentierter 'Patienten-Künstler' einbeziehen. m+w.p
Art brut im deutschsprachigen Raum
veröffentlichte der Psychiater Walter Morgenthaler** bereits 1921 sein Buch über Adolf Wölfli Ein Geisteskranker als Künstler, das erstmals einen an Schizophrenie leidenden Patienten als Künstler ernst nahm.
*)Leo Navratil (* 3. Juli 1921 in Türnitz; † 18. September 2006 in Wien) war ein österreichischer Psychiater. Navratil hat sich um die Erforschung, Förderung und Würdigung der so genannten „zustandsgebundenen Kunst“ in den künstlerischen Ausdrucksformen der Patienten psychiatrischer Heilanstalten verdient gemacht, deren Werke häufig unter dem Begriff Art Brut subsumiert werden.
**)Walter Morgenthaler (* 15. April 1882 in Ursenbach, Kanton Bern; † 1. April 1965 in Muri bei Bern) war ein Schweizer Psychiater und Psychotherapeut.
http://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Morgenthaler
http://www.kultur-punkt.ch/kultur-kunst-ereignisse-reisen/kunst-ereignisse-nach-topoi-az/gugging-navratils-kuenstler-ausstellung.html