Ia Urknall; Prof. Harald Lesch: „Am Anfang war der Big Bang- die Geschichte des Weltalls
SWR2 AULA; Redaktion: Ralf Caspary, Susanne Paluch
Sendung: Sonntag, 15. Januar 2006, 8.30 Uhr
Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt.
Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
ÜBERBLICK Teil 1
Prof. Dr. Harald Lesch* lehrt theoretische Physik an der Ludwig-Maximilians-Universität München; seine Forschungsschwerpunkte sind: Schwarze Löcher, Neutronensterne und kosmische Plasmaphysik. Lesch ist Fachgutachter für Astrophysik bei der DFG und Mitglied der astronomischen Gesellschaft.
Die Urknall-Theorie ist heute in der Zunft der Astrophysiker allgemein anerkannt, weil man mit ihrer Hilfe viele kosmologische Phänomene beschreiben und erklären kann. Wobei man auch hinzufügen muss, dass diese Theorie nicht perfekt ist. Sie gilt nicht als der Weisheit letzter Schluss, sondern als vorläufiges Modell, mit dem man im Moment ganz gut auskommt.
Die Urknall-Theorie ist für Laien äußerst schwierig nachzuvollziehen, sie basiert auf der Relativitätstheorie und operiert mit unvorstellbaren Größen und mit paradoxen Erscheinungen wie dunkler Materie. Professor Harald Lesch, Astrophysiker aus München und Träger des Communicator-Preises, schildert in drei Teilen die faszinierende Geschichte des Universums vom Big Bang bis zu den ersten Galaxien.
Ansage:
Mit dem Thema: „Am Anfang war der Big Bang- die Geschichte des Weltalls, Teil 1.“
Heute und an den zwei folgenden Sonntagen geht es um die Geschichte des Universums, um die Fragen, wie hat das alles angefangen, wie hat es sich weiterentwickelt. Die moderne Astrophysik konnte in den letzten Jahrzehnten neue faszinierende Antworten auf diese Fragen geben, wobei man gleich sagen muss, dass die meisten dieser Antworten den Alltagsverstand und unsere Erfahrungswirklichkeit weit hinter sich lassen. Wer kann sich schon vorstellen, wie das Universum kurz nach dem Urknall ausgesehen hat? Es war extrem klein, der Astrophysiker nennt eine Kleinheit von 10 hoch minus 33 Zentimeter, es war extrem heiß, 10 hoch 32 Grad Kelvin, und es herrschte eine unvorstellbare Dichte. Hinzu kommt noch, dass dieses heiße Stadium äußerst kurz war, man spricht von 10 hoch minus 44 Sekunden. Also, das kriegt kein menschliches Vorstellungsvermögen mehr auf die Reihe.
Der Münchner Astrophysiker Professor Harald Lesch wird im Folgenden zeigen, wie die moderne Astrophysik zu diesen Zahlen gekommen ist, welche Theorien da wichtig sind, wie das Universum kurz nach dem Big Bang ausgesehen hat, es erinnert irgendwie an eine heiße Ursuppe. Und keine Angst, Lesch ist ein genialer Vermittler, der auch komplexe Zusammenhänge anschaulich und unterhaltsam erklären kann.
Hören Sie nun also Teil 1 der Reise zum Anfang des Universums.
Harald Lesch:
Wie hat unser Universum begonnen? Diese Frage wird auch nach dieser Sendung nicht restlos beantwortet sein, aber ich werde versuchen, Ihnen zu erläutern, warum wir Naturwissenschaftler glauben, immerhin etwas Greifbares über den Anfang des gesamten Universums liefern zu können.
Die Frage nach dem Anfang geht mindestens bis in die Zeit des Philosophen Aristoteles zurück. Aristoteles hat sich mit solchen „Gedankenspielchen“ beschäftigt wie: Alles hat eine Ursache. Das heißt, man kann sich immer weiter „zurückhangeln“ in der Zeit, bis man letztendlich an eine Ursache kommt, die selber keine Ursache mehr haben kann. Aristoteles nannte das den „unbewegten Erstbeweger“. Das ist ein Prinzip, das selber nicht in Bewegung gehalten werden muss, sondern das seinerseits dafür verantwortlich ist, dass alles in Bewegung bleibt. Wenn man sich mit dem Anfang beschäftigt, stößt man unweigerlich auf solche Mysterien, an solche Grenzen des Verstandes.
Eine Textpassage aus dem Roman von Thomas Mann „Josef und seine Brüder“ verdeutlicht, was ich meine:
„Tief ist der Brunnen der Vergangenheit. Sollte man ihn nicht unergründlich nennen? Dies nämlich dann sogar und vielleicht eben dann, wenn nur und allein das Menschenwesen es ist, dessen Vergangenheit in Rede und Frage steht. Da denn nun gerade geschieht es, dass je tiefer man schürft, je weiter hinab in die Unterwelt des Vergangenen man dringt und tastet, die Anfangsgründe des Menschlichen, seine Geschichte, seine Gesittung sich als gänzlich unerlotbar erweisen und vor unserem Senkblei, zu welcher abenteuerlichen Zeitenlänge wir seine Schnur auch abspulen, immer wieder und weiter ins Bodenlose zurückweichen. Denn mit unserer Forscherangelegenheit treibt das Unerforschliche eine Art von foppendem Spiel. Es bietet ihr Scheinhalte und Wegesziele, hinter denen, wenn sie erreicht sind, neue Vergangenheitsstrecken sich auftun, wie es dem Küstengänger ergeht, der des Wanderns kein Ende findet, weil hinter jeder lehmigen Dünenkulisse, die er erstrebte, neue Weiten zu neuen Vorgebirgen vorwärts locken.“
So ähnlich wird es uns auch gehen: Je mehr wir über den Anfang wissen, desto mehr Rätsel werden wir lösen müssen. Zunächst aber müssen wir uns fragen, wozu wir überhaupt kosmologische Fragen stellen, ob wir sie überhaupt beantworten können und ob die Antworten überhaupt noch mit uns etwas zu tun haben. Denn der Anfang des Kosmos ist eine vollkommen „unmenschliche“ Angelegenheit.
Das Universum hatte einen Anfang, soviel ist sicher. Woher wissen wir das? Naturwissenschaft ist ja prinzipiell ein Wechselspiel von Theorie und Experiment, in der Astrophysik vor allen Dingen das Wechselspiel von Theorie und Beobachtung. Das ist ein großer Unterschied. Wir können in der Astrophysik keine Experimente machen in dem Sinne, dass wir einen Teil des Universums präparieren im Labor, sondern wir sind auf Beobachtungen angewiesen. Eine der wichtigsten Entdeckungen, die der Mensch jemals gemacht hat, ist, dass Dinge im Kosmos sich offenbar von uns weg bewegen, und zwar egal, welchen Teil des Universums wir gerade beobachten. Und: Je weiter Galaxien von unserer Erde entfernt sind, desto schneller bewegen sie sich weg von uns. Das war die Entdeckung, die Edwin Powell Hubbel in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts gemacht hat. Er stellte fest: Das Universum expandiert fortwährend.
Was hat das zu bedeuten? Zunächst einmal, ohne ein bestimmtes kosmologisches Modell als Grundlage zu nehmen, können wir uns folgendes überlegen: Wenn tatsächlich alles auseinander strebt, dann muss das ja früher mal näher zusammen gewesen sein, das Universum muss also früher kleiner gewesen sein, und Galaxien, die wir heute kennen, hatten ein wesentlich geringeres Volumen. Und was passiert, wenn man Gas in ein kleineres Volumen „einsperrt“? Es wird heißer. Daraus können wir zunächst folgern: Das Universum war früher kleiner und heißer. Infolge dessen muss das Universum auch einen Anfang gehabt haben. Zusammengefasst kann man also sagen: Die Expansion des Universums ist der Grund für unsere Überlegungen, dass es auch einen Anfang gegeben haben muss.
Ansonsten müsste man ja z. B. der Meinung sein, das Universum sei schon immer da gewesen, dann wäre die ganze Diskussion über einen Anfang natürlich obsolet. Dass wir einen Anfang annehmen und denken, hat vielleicht nur etwas mit der Struktur unseres Denkens zu tun: Als endliche Lebewesen können wir auch nur Endliches denken, Unendlichkeiten sind für uns nicht vorstellbar. Wir denken eigentlich immer Anfänge; das kann dann solche Ausmaße annehmen, dass wir uns fragen, was war eigentlich vor dem Anfang des Anfangs usw. Das schließt wieder an das aristotelische Prinzip des Erstbewegers an. Aber es muss nicht unbedingt so sein, dass der Anfang des Universums auch eine Notwendigkeit wäre. Das ist nicht der Fall. Denken wir an die Steady State-Kosmologie, die in etwa meint, das Universum war schon immer da und über die Anfänge können wir sowieso nichts aussagen, also warum sollen wir uns mit ihnen beschäftigen.
Aber seitdem man weiß, dass das Universum expandiert und der Raum sich ausbreitet, muss man auch über den Anfang des Universums nachdenken. Wenn es einen Anfang gegeben hat - und davon sind wir Astrophysiker ziemlich überzeugt, denn die Expansion impliziert logisch auch einen Beginn -, stellt sich die nächste Frage: Ist von diesem heißen Anfang noch etwas übrig geblieben? Sehen wir noch etwas davon? Unser Universum, wie wir es heute sehen, ist „voll“ entwickelt und existiert in seiner Strukturiertheit schon seit 13, möglicherweise seit 14 Milliarden Jahren. Aber wie hat es vor dieser Entwicklungsgeschichte ausgesehen?
Das Anfangsstadium war der „heiße Urknall“, das ist der Begriff aus der Kosmologie. Dieses Stadium zu beschreiben, ist gar nicht so einfach. Das Stadium muss nämlich gleichzeitig auch der Anfang von allen physikalischen Gegebenheiten gewesen sein, in dem alles, was sich nachher gebildet hat, also ein Elektron, ein Proton, ein Neutron, ein Atomkern, viele Atomkerne, Sterne, Planeten, Galaxien, Galaxienhaufen, Galaxien-Superhaufen, leuchtende Materie, dunkle Materie, baryonische Materie, nicht-baryonische Materie, schon angelegt gewesen sein muss.
Das Universum, wie es sich uns heute darstellt, ist fast völlig leer. Wenn Sie z. B. ein Elektron am Rande eines Galaxienhaufens wären, müssten Sie 25 bis 100 Millionen Jahre warten, bis Sie auf ein anderes Elektron treffen. Das ist eigentlich auch logisch, denn das Universum ist alt, und weil es ja die ganze Zeit expandiert, hat sich die Dichte der Materie verringert. Am Anfang muss das aber ganz anders gewesen sein.
Außerdem haben wir die Zusammenballungen von Materie. Das sind entweder die Galaxien oder in den Galaxien die Sterne, um manche wiederum drehen sich Planeten, auf manchen Planeten gibt es möglicherweise intelligente Lebensformen, die sich z. B. gerade jetzt Gedanken darüber machen, wie wohl das Universum entstanden sein könnte.
Das ist der Zustand heute. Aber so kann das damals nicht ausgesehen haben, sondern es muss, wie gesagt, sehr heiß und sehr klein gewesen sein, und es gab noch keine makroskopischen, also großen greifbaren Strukturen.
Zur astrophysikalischen Erklärung des Anfangs brauchen wir noch einige zusätzliche Theorien: Die Geschwindigkeiten der Teilchen waren damals durch die Hitze sehr hoch, maximal Lichtgeschwindigkeit. Damit haben wir den Bereich der Relativitätstheorie bereits erreicht. Das heißt, es spielen Effekte eine Rolle, die den Alltagsverstand und unsere empirische Erfahrungswirklichkeit übersteigen. Weiterhin müssen wir über die berühmte Formel nachdenken: e = mc2, also Energie und Masse sind äquivalent. Aber die spezielle Relativitätstheorie reicht nicht aus, wir brauchen zusätzlich noch die Quantenmechanik und die allgemeine Relativitätstheorie. Die Quantenmechanik ist eine letztlich nicht verstehbare Theorie, denn sie ist nicht mehr hinterfragbar und universell gültig. Ich kann Ihnen aber eines schon sagen, bleiben Sie dran, das ist alles nicht so schwierig!
Stellen Sie sich vor: Es gibt in der allgemeinen Relativitätstheorie einen Radius, eine Ausdehnung. Der sagt etwas darüber aus, wie stark man einen Körper komprimieren muss, damit aus ihm keine Information mehr rauskommt. Also nehmen wir z. B. einen Stern wie die Sonne: Wie schwer müsste der Stern sein, damit ihn kein Licht mehr verlassen kann? Das hat etwas zu tun mit dem Verhältnis von Masse zu Radius. Eine Sonnenmasse muss man auf 3 km zusammenpressen, dann bekommt man ein schwarzes Loch. Die Erde ist 300.000 Mal leichter als die Sonne, entsprechend kleiner ist auch ihr „Schwarzschildradius“ (benannt nach Karl Schwarzschild, Entdecker der Lösung der Einsteinschen Feldgleichung der allgemeinen Relativitätstheorie). Wenn ein Körper auf einen so kleinen Radius zusammengepresst wird, dann wird er zum schwarzen Loch und es kommt keine „Information“ mehr heraus.
Angewendet auf unser Universum lautet die Frage also, wie groß oder klein ist der Schwarzschildradius unseres Universums am Anfang? Um das zu berechnen, müssten wir eigentlich die Masse des Universums kennen, die kennen wir aber nicht genau. Wir können aber sagen: Der Schwarzschildradius ist der kleinste Radius, auf dem unser Universum am Anfang zusammengepresst gewesen sein könnte. Also: Die allgemeine Relativitätstheorie gibt uns den möglichen Schwarzschildradius vor.
Nun kommen wir zur Quantenmechanik. Aus ihr resultieren die Gesetze in der Welt der Atome, also auch innerhalb von Atomen. Atome sind sehr klein, wenn ein Atom so groß wäre wie das Allianz-Stadium in München, dann ist das Innerste des Atoms, der Atomkern, so groß wie ein Reiskorn am Anstoßkreis. Dazwischen gibt es noch Struktur, selbst innerhalb des Atomkerns, und all diese Dinge, die sich im Inneren abspielen, werden von der Quantenmechanik erfasst.
Nur sind in diesem Bereich die Teilchen keine Teilchen mehr, so wie wir uns das vorstellen - Billardkugeln oder so ähnlich -, sondern sie verhalten sich eher wie Pudding, sie sind also keine festen Kugeln, sondern sie schwingen sehr stark. Da stellt sich natürlich die Frage: Wie kann man von einem schwingenden Teilchen überhaupt noch die Größe berechnen? Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Pudding vor sich, der schwingt. Sie könnten gar nicht sagen, wie groß er ist, denn je nach dem, wie er schwingt, variiert die Größe.
Dieses Schwingungsverhalten von atomaren Teilchen in der Quantenmechanik beschreibt man mit der „Heisenbergschen Unschärferelation“ (nach Werner Heisenberg). Die Heisenbergsche Unschärferelation bedeutet in etwa: „Willst du wissen, wo sich ein Elektron gerade aufhält, dann musst du es messen. Wenn du es aber messen willst, dann wirst du das Elektron stören, du wirst auf das Teilchen einwirken. Auf diese Art und Weise wirst du nicht genau erkennen können, wo es sich befindet. Denn wenn du es genau lokalisiert hast, wo es ist, dann wird es sehr schnell sein. D. h. du hast keine Ahnung, welche Geschwindigkeit es hat. Weißt du aber seine Geschwindigkeit, dann weißt du nicht, wo es ist.“ Unterhalb einer gewissen Längenskala kann man demnach keine Aussagen mehr machen, wo sich Elektronen genau befinden.
Jetzt haben wir also zwei Längenskalen: Den Schwarzschildradius (wenn etwas kleiner ist als ein Schwarzschildradius, kommt keine Information mehr heraus) und die Heisenbergsche Unschärferelation (wenn etwas kleiner ist als eine bestimmte Skala, habe ich keine Information mehr, wie schnell das Teilchen ist). Jetzt setzen wir diese beiden Skalen in eine Relation, verbinden sie mit der Masse, und kriegen dann tatsächlich als Ergebnis: Die kleinste, kausal sinnvolle Struktur im Universum.
A propos „kausal“: „Kausalität“ ist der Begriff für den Zusammenhang von Ursache und Wirkung, er ist für unser Erkenntnisvermögen von grundlegender Bedeutung. Ohne Kausalität würden wir wahrscheinlich überhaupt nichts verstehen und völlig verrückt werden. Kausalität ist zugleich eine fundamentale Eigenschaft eines für uns vernünftigen Universums. Und jetzt gehen wir zurück in unsere sehr kleine Welt, in die sogenannte Planck-Welt, benannt nach Max Planck. Also die kleinste, kausale Struktur - kleiner kann das Universum für uns niemals werden, es sei denn, wir geben alle Prinzipien der Kausalität auf- ist eine Längenskala von 10-33 cm, also 1 geteilt durch 1033. Das ist eine unglaublich kleine Zahl. Sie ist 20 Größenordnungen kleiner als die Größe eines Protons. Und Sie wissen, ein Proton ist Teil eines Atomkerns, ein Atomkern ist ein Teil von einem Atom. Und ich habe Ihnen ja vorhin erklärt, wie klein ein Atomkern ist im Vergleich zu einem Atom. Und die kleinste, sinnvolle kausale Struktur unseres Universums, nämlich der Anfang unseres Universums, muss auf einer Skala passiert sein, die noch 20 Größenordnungen unterhalb der Größe eines Protons liegt.
Jetzt kann man noch die Zeitskala ausrechnen. Das macht man, indem man die Länge durch die Lichtgeschwindigkeit teilt. Da kommt heraus: 10-44 Sekunden. Merken Sie etwas? Da ist nicht T = 0. Wir reden auch nicht über Länge oder Radius = 0. Ich als Physiker kann Ihnen nur sagen, wir wissen gar nicht, wie der Anfang tatsächlich gewesen ist. Der wirkliche Anfang ist naturwissenschaftlich gar kein Thema. Weil wir nämlich keine Ursache-Wirkung-Struktur haben. Ich kann Ihnen nur dazu etwas sagen, was mit 10-43 oder 10-44 Sekunden angefangen hat. Was davor ist, weiß ich nicht. Das weiß überhaupt niemand. Was wir hier machen, und darüber müssen wir uns im klaren sein, ist Spekulation. Wir extrapolieren Theorien, von denen wir wissen, dass sie nicht völliger Unsinn sein können - vorsichtig formuliert -, wir stützen uns auf die Quantenmechanik und die Relativitätstheorie. Dass Sie mich z. B. jetzt hören können, das ist ein Resultat der technischen Umsetzung theoretischer Vorstellungen der Quantenmechanik. Und falls Sie z. B. diese Sendung gerade im Auto hören und Sie schauen auf Ihr General Positioning System, um herauszufinden, wo Sie eigentlich sind, dann spielt die Relativitätstheorie eine Rolle. Beide Theorien helfen uns im Alltag.
Natürlich kommt noch hinzu, dass wir Astrophysik machen können, weil die Relativitätstheorie offenbar ganz wichtige Vorhersagen gemacht hat über den Energieinhalt des Universums, die Energieproduktion, die Energiefreisetzung in Sternen, die Ausbreitung von Teilchen, von Licht usw.
Wir gehen hier also mit Theorien um, von denen wir wissen, dass sie nicht ganz falsch sein können. Das ist eine der chauvinistischsten Extrapolationen, die man überhaupt machen kann. Chauvinismus, das wissen Sie, ist der Glaube an die Überlegenheit der eigenen Gruppe. Und was Physiker und Kosmologen hier machen ist: Sie gehen von dem aus, was sie wissen, und sie gehen mit diesem Wissen bis an den Anfang des Universums. Das ist eine Art von Chauvinismus.
Die allgemeine Relativitätstheorie ist ja im Grunde genommen die Theorie der großen Massen und der großen Ausdehnungen, die Quantenmechanik wiederum liefert die Theorie für das ganz Kleine, den atomaren Bereich. Mit diesem Handwerkszeug gehen wir an den Anfangszustand des Universums. Und der Anfangszustand des Universums ist physikalisch damit wohl definiert, nämlich: 10-33 cm und 10-44 Sekunden, das ist die Raum-Zeit- Definition. Dann könnten wir noch die Temperatur ausrechnen. Die Quantenmechanik sagt uns ja, Energie und Temperatur hängen miteinander zusammen. Das sind 1032 Kelvin, eine unglaublich hohe Temperatur. Die Dichte kann man noch ausrechnen: 1094 g/qcm, also sehr sehr dicht.
Aber in der nächsten Sendung werde ich Ihnen sagen: die Dichte war praktisch 0, denn de facto war die Temperatur so hoch, dass die Teilchen und die Antiteilchen sich gegenseitig ständig vernichtet haben. Am Anfang war einfach alles nur Energie, einfach nur heiß. Darüber aber mehr in der nächsten Sendung.
Das Universum hat also in einem Zustand begonnen, den wir zumindest im Prinzip mittels Quantenmechanik und Relativitätstheorie beschreiben können. Das ist doch gar nicht schlecht für den öffentlichen Dienst. Wir kommen also tatsächlich so ganz langsam inhaltlich an einen Punkt, wo man mittels Physik etwas über den Anfangszustand des Universums aussagen kann. Ich weiß nicht, ob Ihnen aufgefallen ist, dass wir nur die Expansion des Universums als Grundlage unserer Überlegungen genommen haben. Wir haben das Universums sozusagen geometrisch auf seinen Anfangszustand zurückgeführt. Wir wissen jetzt also, wie heiß es gewesen sein muss und wie dicht es gewesen sein könnte.
Aber was „drin“ war, welche Teilchen am Anfang vorhanden waren, das wissen wir noch nicht. Das wird Thema der nächsten Sendungen werden, wir werden uns durch die ersten 400.000 Jahre des Universums arbeiten.
Fazit: Was vor dem Urknall gewesen ist, ist keine naturwissenschaftliche Frage, weil keine Kausalität gegeben ist. Wir können darauf keine Antwort geben. Die Frage nach dem Anfang des Universums jedoch können wir heute naturwissenschaftlich behandeln. Wir können sogar fragen, ob irgendetwas von diesem Anfang übrig geblieben ist, also wir können so etwas wie kosmologische Archäologie betreiben. Gibt es irgendwelche Hieroglyphen am Himmel, woraus wir ablesen können, wie es damals vielleicht gewesen ist, abgesehen von der Expansion? Ist z. B. eine Reststrahlung übrig geblieben von diesem Anfang? Ist vielleicht eine Fluktuation übrig geblieben? Sind wir vielleicht nur ein „Dreckeffekt“? Oder wie verbindet sich die Kosmologie, also die Wissenschaft des gesamten Kosmos, des ganz Großen, mit der Wissenschaft des ganz Kleinen, der Elementarteilchen? Daran werden wir arbeiten.
Beenden möchte ich diese Sendung mit einem Zitat aus Immanuel Kants „Kritik der reinen Vernunft“:
„Die menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal, dass sie durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann. Denn sie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch nicht beantworten kann, denn sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft.“
Ich hoffe, dass diese Sendung im Zwischenbereich geblieben ist. Wir hören uns wieder!
*****
* Zum Autor:
Prof. Dr. Harald Lesch lehrt theoretische Physik an der Ludwig-Maximilians-Universität München; seine Forschungsschwerpunkte sind: Schwarze Löcher, Neutronensterne und kosmische Plasmaphysik. Lesch ist Fachgutachter für Astrophysik bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und Mitglied der astronomischen Gesellschaft. 2005 erhielt Lesch den Communicator-Preis der DFG.
Bücher:
- Kosmologie für Fußgänger. Goldmann.
- Big Bang. Zweiter Akt. Bertelsmann.
- Physik für die Westentasche. Piper
I b; Urknall;Manfred Spitzer, Friedemann Schrenk, Harald Lesch : Big Bang . Vom Urknall zum Bewusstsein
Online-Publikation: Mai 2011 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
3 CDs mit Beiheft, Laufzeit 210 Minuten ; ISBN 978-3-902533-28-9 ; 29,90 €
Galila Verlag, A-3492 Etsdorf am Kamp; www.galila.at;
Inhalt
In diesem Hörbuch erzählen die angesehenen Wissenschaftler die Geschichte vom Urknall bis zur Entstehung des menschlichen Bewusstseins: Der Astrophysiker Harald Lesch, der Paläontologe Friedemann Schrenk und der Hirnforscher Manfred Spitzer.
Mit Witz und Charme und im lockeren Plauderton gehen sie darauf ein, wie und wann sich das Universum, die Sterne und die Erde gebildet haben. Wann im Laufe der Evolution Leben an sich sowie Pflanzen und Tiere entstanden sind. Warum es überhaupt Menschen gibt und wann diese ein großes Gehirn, Sprache und Bewusstsein entwickelt haben.
Autorenteam
Manfred Spitzer
ist ärztlicher Direktor der Universitätsklinik in Ulm. Darüber hinaus leitet er das Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen, das sich vor allem mit Neurodidaktik beschäftigt. Spitzer ist durch seine zahlreichen Fernsehauftritte und Vorträge weithin bekannt.
Friedemann Schrenk
ist Professor für Paläobiologie der Wirbeltiere der Universität Frankfurt. Seit Mitte der 80er Jahre unternimmt er Grabungen im südlichen und östlichen Afrika. Schrenk ist Autor mehrerer populärer Bücher. Seit vielen Jahren hält er Vorträge vor großem Publikum, wofür er auch den „Communicator-Preis“ erhielt.
Harald Lesch
ist Professor für Theoretische Astrophysik an der Universität München und Professor für Naturphilosophie an der Hochschule für Philosophie in München. Als Fernseh- Moderator der ZDF-Sendung „Abenteuer Forschung“ ist er einem breiten Publikum bekannt.
Fazit
Das Triumvirat der Naturwissenschaft, das wir auch von den Aulasendungen des SWR2 bereits kennen und schätzen gelernt haben : Manfred Spitzer, Friedemann Schrenk und Harald Lesch geben auch hier ihr Bestes in ihrem neu erschienen Hörbuch "Big Bang . Vom Urknall zum Bewusstsein". Ihr Gesprächston ist nur vordergründig plaudernd, hinter diesem entbirgt sich das neueste tief forschende Wissen zu den transdisziplinären Themenfeldern Astrophysik, Paläobiologie, Neurowissenschaft und ihre Wirkungszusammenhänge. Erfrischend und geradezu abenteuerlich reisen Interessiert bis in die äusserste Vergangenheit des Universums als auch zu den aktuellsten Erkenntnissen der Hirnforschung. Ein Bravissimo den Protagonisten. m+w.p11-5
Vertiefende Hinweise:
http://archiv.kultur-punkt.ch/akademie4/diskurs/pa-05-9-spitzer-zeit-freiheit.htm
http://archiv.kultur-punkt.ch/akademie4/diskurs/suhrkamp-mh08-10spitzerbertram-braintertainment.htm
http://archiv.kultur-punkt.ch/akademie4/kooperation-swr2/swr2-fischerlesch-wissenschaftgeburt09-1.htm
http://archiv.kultur-punkt.ch/akademie4/diskurs/pa4-07-4natur-kunstwissen-imaginaererdiskurs.htm
http://archiv.kultur-punkt.ch/akademie4/kooperation-swr2/swr2-lesch-weltall1-06-1.htm
http://archiv.kultur-punkt.ch/akademie4/kooperation-swr2/swr2-lesch-weltall2-06-1.htm
http://archiv.kultur-punkt.ch/auszeichnung/az-lesch-weltallgeschichte06-1.htm
II Chaos-Ordnung: Prof. Harald Lesch: „Vom Chaos zur ersten Ordnung - Die Geschichte des Weltalls
Prof. Harald Lesch: „Vom Chaos zur ersten Ordnung - Die Geschichte des Weltalls, Teil 2“.
SWR2 AULA; Redaktion: Ralf Caspary, Susanne Paluch
Sendung: Sonntag, 22. Januar 2006, 8.30 Uhr
Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt.
Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
Überblick Teil 2:
Prof. Dr. Harald Lesch* lehrt theoretische Physik an der Ludwig-Maximilians-Universität München; seine Forschungsschwerpunkte sind: Schwarze Löcher, Neutronensterne und kosmische Plasmaphysik. Lesch ist Fachgutachter für Astrophysik bei der DFG und Mitglied der astronomischen Gesellschaft.
Nach der Lesart des Urknall-Modells lässt sich die Entwicklung des Universums als Abfolge von eigenständigen Perioden und Epochen beschreiben, die jeweils auf bestimmten Ereignissen und Eigenschaften beruhen. Es gab zum Beispiel die Quark-Ära, in der sich die ersten Bausteine der heute schweren Teilchen bildeten, dann folgte die Hadronen-Ära, in der die Protonen und Neutronen das Licht des Universums erblickten.
Auf diese Weise verwandelte sich das Chaos des Urknalls nach und nach in eine faszinierende Ordnung. Professor Harald Lesch, Astrophysiker aus München und Träger des Communicator-Preises, schildert im zweiten Teil seiner Geschichte des Universums die Entstehung von Materie kurze Zeit nach dem Big Bang.
Ansage:
Heute mit dem Thema: „Vom Chaos zur ersten Ordnung - Die Geschichte des Weltalls, Teil 2“.
Wir haben in der letzten Sendung den Urknall, die Ur-Explosion, hinter uns gelassen und befinden uns nun in einer ersten „Ruhephase“. Ja, natürlich, das ist äußerst unscharf ausgedrückt, unphysikalisch, unwissenschaftlich, aber manchmal helfen Wörter aus dem Alltag, um das Unbegreifliche zu beschreiben. Mit „Ruhe“ ist Folgendes gemeint: Das Ur-Universum kühlt sich langsam ab, gleichzeitig expandiert es, und gleichzeitig bilden sich in dem Materie- Strahlungs-Brei die ersten Teilchen und die ersten subatomaren Strukturen aus, also z. B. Quarks und Nukleonen.
So, und was da genau passierte, welche Gesetze eine Rolle spielen, erklärt jetzt der Münchener Professor für Astrophysik Harald Lesch im zweiten Teil seiner insgesamt dreiteiligen Geschichte des Universums. Und Achtung: Jetzt wird es wirklich schwierig, denn Lesch wird zeigen, warum sich das Ur-Universum mit Überlichtgeschwindigkeit ausdehnte, warum man es in dieser Phase mit Effekten zu tun hat, die mit Rationalität gar nicht mehr zu erfassen sind.
Harald Lesch:
„Wundere dich also nicht, wenn wir in vielen Dingen, über vieles wie die Götter und die Entstehung des Weltalls nicht imstande sind, durchaus und durchgängig mit sich selbst übereinstimmende und genau bestimmte Aussagen aufzustellen. Wir müssen vielmehr zufrieden sein, wenn wir sie so wahrscheinlich wie irgendein anderer geben.“
Diese Sätze stammen aus Platons „Timaios-Dialog“, in dem der Philosoph versucht darzustellen, wie seiner Meinung nach die Welt entstanden ist. Seiner Ansicht nach gab es eine ideale Welt, und alles, was man über die Welt der Erscheinungen feststellen kann, ist immer nur etwas Wahrscheinliches. Wir wollen nun sehen, ob wir es auch als Astrophysiker in bezug auf die Geschichte und den Beginn des Universums mit solchen Wahrscheinlichkeiten zu tun haben.
Was passierte in den ersten Minuten des Universums, das ist die zentrale Frage. Wir wissen ja schon aus der ersten Sendung, die kleinste relevante Struktur im Universum ist die Planck-Welt: 10-33 cm in der räumlichen Ausdehnung, 10-44 Sekunden in der zeitlichen Ausdehnung. Der Zustand des Universums war allem Anschein nach sehr heiß (1032 Grad) und sehr dicht (1094 g/qcm). Und dann? Ich werde jetzt versuchen Ihnen zu erklären, warum es dann zu einer schlagartigen Explosion gekommen ist, zu einer Expansion des Universums, in deren Verlauf sich die ersten subatomaren Teilchen bildeten.
Stellen Sie sich vor, Sie schauen in den Ofen eines Glasbläsers. Die Temperaturen in dem Ofen bewegen sich um die 1000 Grad. Was sehen Sie? Nichts, es ist einfach zu hell. Und warum ist es so hell? Weil es heiß ist. So verhielt es sich auch zu Beginn des Universums: Wegen der hohen Temperaturen war es sehr sehr hell. Nun war das nicht eine Helligkeit, wie wir sie kennen, wie wir sie wahrnehmen können; denn „unsere“ Helligkeit hat ja etwas mit dem Energiebereich des Lichtes zu tun, den wir mit unseren Augen empfangen können. Das ist das sichtbare Licht. Bei 1032 Grad aber – so heiß war es ja damals - gibt es kein sichtbares Licht mehr, sondern Gamma-Strahlung, da spielt sehr hohe Energie eine Rolle.
Was ist damals also aufgrund dieser Energie passiert? Wir wissen, wenn wir wieder unsere „irdischen Theorien“ zugrunde legen, dass e = mc2 ist, das bedeutet: Die Arbeit von etwas kann sich z. B. dadurch äußern, dass Teilchen spontan entstehen. Nun ist ja Energie weder positiv noch negativ geladen, d. h. Energie kann sich immer in ein Teilchen, z. B. in ein Elektron, und in sein Antiteilchen, das Positron, verwandeln. Sie kann sich aber auch, wenn sie heiß genug ist, z. B. in ein Proton und ein Antiproton verwandeln. Und ein Proton ist immerhin schon fast 2000 Mal schwerer als ein Elektron. D. h. diese Energien müssen höher sein, als wenn ein Elektron oder ein Positron erzeugt wird. Und so kann man mithilfe dieser Gesetzmäßigkeiten und Zusammenhänge immer weiter und weiter zurückgehen, und man kommt im frühen Universum tatsächlich an einem Punkt an, an dem die ersten Teilchen entstanden sein müssen. Da hat das Universum schon ein gewisses Alter hinter sich, es ist von 10-43 Sekunden auf 10-35 Sekunden „gealtert“, hat sich entsprechend abgekühlt, und damals müssen die ersten Teilchen aufgetaucht sein.
Das waren allerdings Teilchen, die wir heute in keinem Energiezustand auf der Erde mehr feststellen können. Wir können sie nur „theoretisieren“ und über sie spekulieren, wir können sie nur „wahrscheinlich“ annehmen.
Das ist nicht einfach zu verstehen, denn was wir hier ins Spiel kommt, ist die Verbindung von Elementarteilchenphysik mit Kosmologie, von Mikro- und Makrokosmos. Die frühen Phasen im Kosmos und damit die Erzeugung sämtlicher Neutronen und Protonen im Kosmos – all das fußt auf der Vorstellung, dass die Theorien der Elementarteilchenphysik, die wir im Labor heute nachprüfen können, zu extrapolieren sind zu sehr hohen Energien, die wir nicht ohne weiteres im Labor herstellen können. Aber wie gesagt, wir müssen, wenn wir unsere Theorien beweisen wollen, die Kosmologie mit den Beobachtungen und Experimenten, die wir im Labor machen, zusammen bringen können. Das ist das Wichtige. Es gehört zu den großen intellektuellen Herausforderungen in der Naturwissenschaft, diese Verbindung herzustellen.
Wie fangen wir das an? Sie erinnern sich noch: Aus dem ungeheuer intensiven dichten Anfangszustand von 1032 Kelvin zu einer Zeit von 10-43 Sekunden dehnt sich das Universum aus und kühlt sich dabei ab. Was passiert genau?
Nehmen wir ein Beispiel: Was passiert mit Wasser in der Luft, wenn die Luft warm wird und aufsteigt? Die Luft steigt auf, und in einer bestimmten Höhe kondensiert das Wasser, es bildet sich eine Wolke. Während des Kondensationsvorgangs wird Energie frei. Diese sogenannte „latente Wärme“ führt dazu, dass die Wolke nach oben schießt, dabei kondensiert immer mehr Wasser. So können Wolken schlagartig entstehen und auch riesengroß werden.
Vielleicht kennen Sie auch folgendes Phänomen: Normalerweise gefriert Wasser zu Eis bei 0 Grad Celsius. Wenn es aber sehr sehr langsam abgekühlt wird, kann Wasser selbst bei Minustemperaturen flüssig bleiben. Zur Zeit liegt der Rekord bei ca. – 22 Grad Celsius. Wenn Sie aber bei dieser Temperatur dem Wasser nur „Guten Tag“ sagen, gefriert es sofort, schlagartig. Dieses Phänomen nennt man einen „spontanen Phasenübergang“. Das passiert deswegen so abrupt, weil das Wasser während der ganzen Zeit, als die Temperatur unter 0 Grad absank, in einem „falschen“ Zustand war. Denn eigentlich müsste es ja bei 0 Grad gefrieren. Und bei diesem Gefrieren, genau wie beim Kondensieren von Wasser in der Luft, wird Energie frei. Das müssen wir im Auge behalten, wenn wir uns jetzt die Ausbreitung des Universums in den ganz frühen Phasen anschauen:
Es muss etwas ganz Ähnliches stattgefunden haben, nämlich eine schlagartige Expansion. Das Universum ist in einer Zeit von 10-35 auf 10-33 Sekunden um 26 Größenordnungen gewachsen! Angefangen hat das Universum bei 10-25 cm, und am Ende dieser ersten Phase ist es 1 Meter groß! Das war eine sogenannte „inflationäre Expansion“, die da stattgefunden haben muss. Es muss so stattgefunden haben, weil wir sonst bestimmte Effekte, die wir heute noch beobachten können, gar nicht verstehen würden. Das Universum muss sich mit Überlichtgeschwindigkeit ausgebreitet haben. Darauf führt uns die Schwankung der kosmischen Hintergrundstrahlung.
Ein Widerspruch zur Relativitätstheorie, die besagt, dass die Lichtgeschwindigkeit absolut ist, ist das nicht. Denn die Relativitätstheorie trifft genau wie die Quantentheorie nur Aussagen über innere Eigenschaften, nicht aber über äußere. Alle Aussagen, die ich treffe zum Kosmos, beziehen sich nur auf innere Eigenschaften. Über die äußeren Bedingungen kann ich nichts sagen, die kennen wir nicht. Ich kann Ihnen nicht sagen, was etwa vor dem Anfang des Kosmos, des Big Bang war oder was außerhalb des Kosmos ist. Wir reden also eigentlich nur von der Innenarchitektur.
Aber zurück zu der inflationären Expansion: Die muss also in den frühen Phasen stattgefunden haben, bis irgendwann die Energie verbraucht war. Und seitdem expandiert das Universum ganz normal weiter. Warum muss das so gewesen sein?
Um Ihnen das zu verdeutlichen, muss ich etwas vorgreifen: Das Universum war ja heiß, Strahlung tauchte auf, von dieser Strahlung ist etwas übrig geblieben, die sogenannten „kosmische Hintergrundstrahlung“.
Die kosmische Hintergrundstrahlung, auch das „Echo des Urknalls“ genannt, ist überall im Universum gleichmäßig, homogen und isotrop (etwa 400 Photonen pro cqm). In dieser Hintergrundstrahlung sehen wir die Bewegung der Milchstraße relativ zum Hintergrund. Die Milchstraße bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von ein paar hundert Kilometern pro Sekunde auf den Virgo-Haufen zu, der Virgo-Haufen ist schwerer als die Gruppe, zu der die Milchstraße gehört, und da die Massen sich anziehen, bewegt sich die Milchstraße auf den Virgo-Haufen zu. In der Hintergrundstrahlung können wir diese Bewegung beobachten, das stellt sich in der einen Richtung blau verschoben, in der anderen Richtung rot verschoben dar. Wenn wir diese Effekte abziehen, dann stellen wir fest, die Hintergrundstrahlung ist in jeder Richtung im Universum gleich, vollkommen gleich.
Aber: Es gibt allerwinzigste Temperaturschwankungen in dieser Hintergrundstrahlung. Die Strahlungstemperatur sagt, das Universum hat eine Temperatur von – 271 Grad Celsius. Das ist im Vergleich zu früher sehr kalt. Früher war es zwar viel heißer, aber das Universum ist ja schon 13,7 Milliarden Jahre alt und hat sich entsprechend abgekühlt. Man kann also aus der Strahlung sowohl die Temperatur ablesen, aber auch die Temperaturschwankungen. Das sind ganz minimale Schwankungen (etwa 1 zu 100.000), aber das Entscheidende ist: Am ganzen Himmel kann man diese Schwankungen messen. Wir könnten, wenn unsere Augen empfindlich genug wären für diesen Bereich, den Radio-Bereich z. B., diese Schwankungen mit bloßem Auge am Himmel beobachten, so wie wir auch einen Stern sehen können.
Und jetzt kommt das Interessante: Als diese Strahlung entstand, war das Universum gerade mal 4000 Grad heiß, etwa 400.000 Jahre alt, und alle Teilchen hatten sich bereits zu Atomen formiert, und die Strahlung konnte sich jetzt endlich frei bewegen. Sie wurde nämlich nicht mehr gestoppt durch Elektronen. Jetzt frage ich Sie: Welche Struktur im Universum konnte kausal mit sich „in Beziehung stehen“, als das Universum 400.000 Jahre alt war? Wie groß kann das sein?
Die maximale Geschwindigkeit im Universum ist die Lichtgeschwindigkeit. Also sind die größten Strukturen, die in jeder Temperatur gleichmäßig sein können, höchstens 400.000 Lichtjahre groß. Mehr geht nicht! Nochmal: Wenn das Universum gleichmäßig mit Lichtgeschwindigkeit expandiert wäre, wäre die größte räumliche Ausdehnung der Temperaturfluktuation in der Hintergrundstrahlung 400.000 Lichtjahre gewesen. Es gab also eine bestimmte Erwartung, wie groß die Schwankungen am Himmel waren. Mit einer bestimmten Winkelgröße konnte man das dann auch nachmessen.
Was soll ich Ihnen sagen – die Schwankungen sind viel größer gewesen, als man angenommen hatte! Aus der Tatsache, dass wir Astrophysiker etwas Größeres gesehen hatten, als erwartet, mussten wir darauf schließen, dass das Universum eine Expansionsphase durchgemacht hat, die viel schneller war als die Lichtgeschwindigkeit. Es muss in den ganz frühen Phasen um 26 Größenordnungen innerhalb kürzester Zeit angewachsen sein.
Das wiederum bedeutet, dass das Universum, das wir heute „sehen“, ein „Witz“ ist. Das ist noch gar nichts. Das Universum ist de facto viel viel größer als das, was wir mit unserem Sensorium jemals wahrnehmen können! Die schnelle Abkühlung in den ersten 10-35 Sekunden hat dazu geführt, dass das Universum wahnsinnig schnell gewachsen ist. Und nach diesem Akt war die Materie da.
Ich habe vorhin über Kondensation und Ausfrieren am Beispiel der Wolkenbildung und des gefrierenden Wassers gesprochen. Die schnelle Ausdehnung des Universums hat aufgrund dieser beiden Prinzipien praktisch zur „Kristallisation“ der Materie geführt. Vorher gab es die noch gar nicht. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem sogenannten „Symmetriebruch“. Ein Symmetriebruch ist folgendes:
Symmetrisch ist etwas, was völlig gleich, nicht mehr unterscheidbar ist. Mit Symmetrie hat man es zu tun, wenn es völlig egal ist, in welche Richtung Sie schauen, zu welcher Zeit oder wie Sie schauen.
Und ein Symmetriebruch hat etwas mit Kräften zu tun. Nehmen Sie mal an, wir wären magnetische Lebewesen, die in einer magnetisierten Welt lebten. Wir könnten uns entlang bestimmter magnetischer Feldlinien bewegen, von Norden nach Süden, von Süden nach Norden, was anderes kennen wir nicht. Wenn wir jetzt versuchen würden, uns nur ein bisschen nach rechts oder links zu bewegen, würden wir durch die magnetische Kraft sofort wieder auf die Feldlinien zurückgezogen werden. Auf diese Art und Weise wüssten wir immer ganz genau, wo es lang geht. Wir könnten uns ganz leicht nach vorne und hinten bewegen, nach rechts und links dagegen fiele es uns schwer. Das wäre eine unsymmetrische Welt. Jetzt stellen Sie sich weiter vor, der Magnetismus würde durch Erhitzung aufgehoben – dieses Phänomen kennen wir ja von ferromagnetischen Materialien: die Eigenschaft des Magnetismus verschwindet zum Beispiel bei Eisen oberhalb einer bestimmten Temperatur. Sofort wären wir, an den Magnetismus gewöhnte Lebewesen, völlig orientierungslos, denn nun könnten wir in alle Richtungen laufen. Unsere Welt wäre symmetrischer geworden.
Wenn nun unsere Welt wieder abkühlt, kehrt plötzlich auch wieder der Magnetismus zurück, und alles wäre wie vorher. Das nennt man einen Symmetriebruch: Eine vorher symmetrische Situation (alles war gleichmäßig) wird durch die unsymmetrische, nämlich die Existenz einer neuen Kraft, in unserem Fall der magnetischen Kraft, gebrochen. Soviel zum Symmetriebruch.
Kommen wir nun wieder zurück zum Universum. Denn der Symmetriebruch (die plötzliche Expansion) sorgte dafür, dass die Materieteilchen nacheinander auftauchten, die wir heute kennen: Quarks, die die Nukleonen aufbauen, dann erschienen die Teilchen, die die Wechselwirkungen verursachen, z. B. das Photon, das zwar vorher schon vorhanden war, aber jetzt in stärkerem Maße auftauchte, dann die Teilchen, die dafür sorgen, dass die Atomkerne zusammen bleiben. Denn wie kann es sein, dass in den Atomkernen zwei Protonen, beide positiv geladen, in einem Kern zusammenhängen. Normalerweise würden sich ja gleichnamige Ladungen abstoßen. Was für eine Kraft ist da wirksam, die die Protonen zusammenhält? Diese Kraft wird durch, das wissen wir heute, Kluonen verursacht.
Dann gibt es noch die Leptonen, das sind die leichten Teilchen, also Elektronen z. B. Diese Teilchen entstanden noch die ganze Zeit auf Grundlage des Prinzips des Gleichgewichts, denn die Energie war immer hoch genug, so dass Teilchen- und Antiteilchen-Paare entstehen konnten. Ständig entstanden neue Paare, vernichteten sich wieder, wurden wieder zur Strahlung, das Universum expandierte, wurde kühler – und irgendwann war es für eine bestimmte Familie von Teilchen nicht mehr möglich, neu zu entstehen, weil die Temperatur zu niedrig geworden war.
Und jetzt wird es spannend: Unterhalb einer bestimmten Temperatur war es für bestimmte Teilchen nicht mehr so einfach, im Gleichgewicht mit der Strahlung zu sein. Es bleiben Teilchen- und Antiteilchenpaare übrig. Wenn nun damals genauso viele Teilchen wie Antiteilchen existiert hätten, dann wären wir Menschen zum Beispiel gar nicht da. Denn die Teilchen hätten sich ja gegenseitig vernichtet. Wir können heute mit hoher Präzision messen, wie viel Antimaterie es im Universum gibt, nämlich so gut wie keine. Die entsteht meistens bei Sternexplosionen, aber vom frühen Kosmos ist keine Antimaterie übrig. Das heißt aber, in den ganz frühen Phasen des Universums muss es eine winzige Asymmetrie gegeben haben, die übrig geblieben ist und die dafür gesorgt hat, dass heute noch Materie übrig geblieben ist. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das: 5 Milliarden Teilchen haben ihre Partner gefunden, sie haben sich gegenseitig vernichtet. Da blieb nichts mehr übrig. Und auf 5 Milliarden Paare ist ein Single-Teilchen gekommen. Eine winzigste Asymmetrie also in den Naturgegebenheiten hat dafür gesorgt, dass am Ende dieser Vernichtungsphase noch Teilchen übrig geblieben sind.
Sie erinnern sich noch daran, was ich eben gesagt habe: Nach der inflationären Expansion brach die Phase der Materie-Entstehung aus. Die war ja auf einmal da. Aber das Universum entwickelte sich weiter, kühlte ab. Es muss also nach diesem Symmetriebruch zu einem weiteren Symmetriebruch gekommen sein. Nämlich zu dem Symmetriebruch, der darin bestand, dass irgendwelche Teilchen sich nicht so verhalten haben wie die anderen, dass es also nicht egal ist, ob ein Teilchen ein Teilchen oder ein Antiteilchen ist, dass es nicht egal ist, ob es sich links herum oder rechts herum dreht. Es muss einen bestimmten „Vorteil“ für einige Teilchen gegeben haben. Und so können wir sagen, dass in den Frühphasen des Kosmos die Entscheidung getroffen wurde durch die Naturgesetze, die es damals schon gab, dass in diesem Kosmos überhaupt noch etwas übrig bleibt.
Wenn damals eine Symmetrie geherrscht hätte, eine zahlenmäßige Gleichheit zwischen Teilchen und Antiteilchen, bräuchten wir uns gar nicht darüber unterhalten. Die Tatsache, dass überhaupt irgendetwas in unserem Universum da ist, verdanken wir gewissen Asymmetrien in den Anfangsphasen des Universums. Fast könnte ich sagen, das sind „Dreckeffekte“. Wenn unsere Welt vollkommen perfekt und sauber mathematisierbar wäre, dann gäbe es uns gar nicht, dann wäre keine Materie entstanden. Oder anders ausgedrückt: Wir sind das Ergebnis von ein paar netten „Fehlern“.
Also, wir haben jetzt gesehen: Das Universum hat seine erste inflationäre Phase hinter sich, die ersten Teilchen sind da, sie sind übrig geblieben, weil die Naturgesetzlichkeiten am Anfang zu einer winzig kleinen Asymmetrie geführt haben.
Bis jetzt haben wir nur von einem „Licht-Materie-Brei“ gesprochen. Was wir aber immer noch nicht wissen, ist, wie es im Universum überhaupt zu den Strukturen, zu den Galaxien gekommen ist oder auch nur zu Atomen oder Atomkernen. Denn das ist es ja, was wir heute sehen, wenn wir den Kosmos beobachten: Das leere Universum, in dem es hie und da eine Sterneninsel, also eine Galaxie gibt, die sich zu immer größeren Galaxienhaufen zusammen getan haben, und die wiederum zu Galaxiensuperhaufen. Wie ist es dazu gekommen? Wir müssen uns aber auch noch fragen, wie entstand der Wasserstoff, das Helium, wo kommen die anderen Elemente her. Die Antworten darauf gebe ich in der nächsten Sendung.
*****
* Zum Autor:
Prof. Dr. Harald Lesch lehrt theoretische Physik an der Ludwig-Maximilians-Universität München; seine Forschungsschwerpunkte sind: Schwarze Löcher, Neutronensterne und kosmische Plasmaphysik. Lesch ist Fachgutachter für Astrophysik bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und Mitglied der astronomischen Gesellschaft. 2005 erhielt Lesch den Communicator-Preis der DFG.
Bücher:
- Kosmologie für Fußgänger. Goldmann.
- Big Bang. Zweiter Akt. Bertelsmann.
- Physik für die Westentasche. Piper
III Ausserirdische Intelligenz: Prof. Harald Lesch: Begegnungen mit der Dritten Art –Gibt es außerirdische Intelligenz? Oder: Leben im Universum bedingt Ozon;
SWR2 AULA
Redaktion: Ralf Caspary, Susanne Paluch;
Sendung: Sonntag, 16. Januar 2005, 8.30 Uhr, SWR 2. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
Sind wir allein im Universum? Das ist eigentlich so eine klassische Frage, auf die es natürlich erst dann eine Antwort geben kann, wenn man tatsächlich mal irgendwo außerirdisches Leben entdeckt hat. Bis heute ist es eine der interessantesten Fragen, die es überhaupt in der Astrophysik gibt. Aber bis jetzt haben wir einfach keine Antwort. Wir können nur spekulieren. Wir können nur versuchen, einigermaßen plausible Argumente dafür zu erdenken, warum wir möglicherweise nicht allein sind im Universum. Mit anderen Worten: Wir können uns überlegen, unter welchen Bedingungen auf einem anderen Planeten irgendwo im Universum noch Leben entstanden sein könnte. Und hat sich dieses Leben – das ist ja das allerwichtigste – tatsächlich bis zur Intelligenz entwickelt?
Denn was uns interessiert, sind ja nicht die kleinen grünen Würmer oder irgendwelche Pflanzen. Sondern am besten wäre es natürlich, wir hätten es mit Außerirdischen zu tun, die mindestens so schlau sind wie wir – was immer das zu bedeuten hat -, und die natürlich die Probleme, die wir heute haben, - hoffentlich – alle schon gelöst haben. Das Tollste wäre der Kontakt zu einem Außerirdischen, wie man das von den Science Fiction-Geschichten her kennt, der über die ganze Weisheit dieses Universums verfügt und uns damit klar macht, a) wie dumm wir sind als Menschen und b) wie wunderbar einfach die schwierigsten Probleme des Universums zu lösen sind. Sie merken schon, ich drifte hier ab in eine romantische Vorstellung, die überhaupt nichts mit Wissenschaft zu tun hat.
Denn in der Tat ist es so: Das Thema „Sind wir alleine im Universum“ ist eigentlich ein Thema, das gehört in den Bereich der Science Fiction, also zu einer Literaturgattung, in der man versucht, sich mit Hilfe von wissenschaftlichen Thesen und Modellen etwas auszudenken, wie es denn sein könnte. Dadurch ist unsere Vorstellung vom Außerirdischen schon stark geprägt worden. Wir haben heute Vorstellungen vom Außerirdischen, die gehen mehr oder weniger auf die mehr oder weniger abstrusen Vorstellungen von Regisseuren zurück, die Science Fiction-Filme gedreht haben oder Science Fiction-Serien. Es gibt Science Fiction-Filme, da fliegen die Außerirdischen erst Billionen von Kilometern hierher und positionieren ein riesengroßes Raumschiff mit einer Viertel Mondmasse in einem Abstand von etwa 40.000 km zur Erde. Von diesem riesengroßen Raumschiff wiederum entfernen sich kleinere Raumschiffe, die aber immer noch kilometergroß sind, und die positionieren sich über den Machtzentren der Welt, also Washington, Moskau, London, Paris, Peking usw. und dann zerstören diese Außerirdischen aus unerfindlichen Gründen die ganze Welt. Das ist also eine massive Bedrohung. Aber in diesem Film gelingt es einem Erdling, einem Menschen, mit Hilfe eines Laptops - und daran merkt man schon, wie abstrus das ist - ein Virus in den Computer der Außerirdischen zu schleusen.
Nehmen Sie es mir nicht übel, aber Außerirdische, die nicht weiter gekommen sind als Microsoft und Apple, sind für mich momentan überhaupt keine Gesprächspartner. Ich will, wenn ich schon über Außerirdische spreche, die echten „Superbringer“ sehen, die absolut Unbezwingbaren. Das ist das, was uns von den Science Ficition-Filmen in gewisser Weise nach wie vor nicht präsentiert wird, nämlich Außerirdische, die so gut sind, dass wir vor Ehrfurcht vergehen müssten.
Das Thema „Außerirdische“ ist jedenfalls ein Thema, das man eigentlich gar nicht in der Nähe von seriösen Naturwissenschaften vermutet. Sondern es ist doch eher ein schlüpfriges Thema, zu dem sich die Naturwissenschaftler im allgemeinen überhaupt nicht äußern.
Trotzdem ist es so, dass die Frage „Sind wir allein im Universum?“ zu den zentralen Themen der Astrophysik gehört. Wenn heutzutage irgendwo ein astronomisches Programm aufgelegt wird, dann gibt es neben den kosmologischen Themen („Wie ist das Universum entstanden?“) nur eine einzige große Frage, die uns interessiert: Gibt es noch andere Planeten im Universum, die so ähnlich funktionieren wie die Erde? Also auf denen die Bedingungen für die Entstehung vonLeben so ähnlich sind wie auf der Erde, und ist auf diesen anderen Planeten möglicherweise Leben entstanden? Das ist tatsächlich ein zentrales Thema der modernen Astrophysik. Begonnen haben wir damit vor etwa 10 Jahren, nachdem es zum ersten Mal gelungen war, Planeten um einen anderen Stern herum zu finden. Seit 1994 ist bekannt– das werden wir noch in aller Ruhe betrachten -, es gibt tatsächlich Planeten um andere Sterne herum. Und diese Sterne sind alle sonnenähnlich, d. h. sie haben ungefähr die gleiche Temperatur an der Oberfläche, sie haben ungefähr das gleiche elektromagnetische Spektrum. Davon wird noch zu sprechen sein. Der eine oder andere Planet mag vielleicht tatsächlich die Bedingungen bieten, dass es da Leben gibt. Aber wir werden sehen.
Zunächst einmal ist folgendes festzuhalten: Allgemeines Credo ist, der Außerirdische – wir haben ihn noch nicht gefunden – ist auch nur ein Mensch. Das meine ich völlig ernst. Es geht nämlich schlicht und ergreifend darum, dass der Außerirdische genau wie wir Teil dieses Universums ist. Und in diesem Universum herrschen gewisse Naturgesetze. Wir haben inzwischen einige dieser Naturgesetze entdeckt und wissen, wie die Natur funktioniert – zumindest soweit wir das bis heute feststellen konnten. Und jetzt kommt der Punkt: Eine der wichtigsten Voraussetzungen in der modernen Astrophysik überhaupt ist die Annahme, dass die Naturgesetze, die hier auf der Erde gelten, überall im Universum gültig sind. D. h. die Naturgesetze, die wir kennen, bilden das Minimalprogramm. Es mag noch mehr geben, die die Naturgesetze, die wir kennen, enthalten. Aber sie dürfen ihnen nicht widersprechen. Mit anderen Worten: Wenn der Außerirdische ein Lebewesen ist, dann hängt es extrem davon ab a) wie weit sein Planet von dem entsprechenden Stern entfernt ist, b) ob sein Planet die entsprechenden Bedingungen bietet für Leben. D. h. all diese Bedingungen, die für unser Leben wichtig sind und die wir möglicherweise als Zentraleuropäer längst vergessen haben, weil wir mit der Natur kaum noch im Kontakt sind, sind von grundlegender Bedeutung.
Ein paar dieser Bedingungen möchte ich hier kurz erläutern:
Nehmen wir mal irgendeinen Planeten irgendwo im Universum und gucken uns seinen Tagesablauf an. Denn dass es einen Tagesablauf gibt, ist völlig klar. Es muss auch eine Nacht geben. Ein Planet, der sich nicht um einen Stern herumdreht, ist eine Katastrophe. Es muss einen Tag und eine Nacht geben. Warum muss es eine Nacht geben? Weil der Planet sich drehen muss. Wenn es eine Nacht gibt, wird natürlich ein Lebewesen sich auch erholen während der Nacht. Es wird nicht rund um die Uhr aktiv sein.
Weiterhin ist wichtig: Dieses Lebewesen besteht vor allen Dingen aus Materie, aus Atomen. Und für alle, die schon mal Kartendienst in der Schule gehabt haben und sich noch daran erinnern, die wissen natürlich, wovon jetzt die Rede sein wird. Es geht um das Periodensystem der Elemente. Wo kommen die chemischen Elemente eigentlich her, die in diesem Periodensystem angegeben sind: Wasserstoff, Helium, Lithium, Beryllium, Bor, Stickstoff, Sauerstoff, Kohlenstoff usw.? Daran sieht man schon, dass die Frage „Sind wir allein im Universum?“ sofort astrophysikalische Fragen nach sich zieht: Woher kommen eigentlich diese Elemente? Wie ist das mit den Naturgesetzen? Ist das Periodensystem die Grenze, die wir nicht verlassen dürfen und können? Ist die Annahme, dass die Naturgesetze, die wir hier auf der Erde finden, überall im Universum gelten, gerechtfertigt? Oder ist das alles Quatsch?
Um das jetzt mal alles zu sortieren, fangen wir mit folgendem an: Wie ist das Thema „Sind wir allein im Universum?“ eigentlich in die Wissenschaft gekommen? Denn bis etwa 1960 war das Thema im wesentlichen etwas für Science -Fiction-Autoren. Da wurden die tollsten Geschichten erfunden. Ufos wurden „entdeckt“, darüber wollen wir in diesem Zusammenhang überhaupt nicht reden. Das ist ja alles Quatsch – jetzt mal unter uns gesagt. Stellen Sie sich doch mal vor: Da fliegen Außerirdische mit Untertassen, warum das Untertassen sein sollen, habe ich bis heute nicht verstanden; denn es gibt keinen Grund, im Universum eine bestimmte Form anzunehmen, denn es gibt keine Luft, also kein Trägermedium im Universum. Eine Scheibenform ist nur dann interessant, wenn man in der Atmosphäre fliegt. Aber die Untertassen fliegen ja meistens durch das Universum, also die Raumschiffe der Außerirdischen können alle möglichen Formen haben, das spielt überhaupt keine Rolle. Und dann – denken Sie vor allem daran: die Außerirdischen verfügen über eine Technologie, die sie befähigt, Lichtjahre zu fliegen. Mehrere hunderttausend Lichtjahre möglicherweise. Wissen Sie, wie weit ein Lichtjahr ist? Das können Sie mal ausrechen, das ist wahnsinnig: 9 Billionen Kilometer. Das ist irrsinnig weit. Die verfügen also über Technologien, so weit zu fliegen. Und dann sind sie nicht in der Lage, eine Untertasse in der Wüste, wo kein Baum und kein Strauch ist, exakt zu landen? Also nehmen Sie es mir nicht übel, dass wir hier immer nur die Untertassen kriegen, wo ein „L“ für „Learner“ hinten drauf steht, das kann doch nicht sein. Spaß beiseite – über Ufos wird hier nicht gesprochen werden, und wir wollen auch nicht über die Science Fiction-Vorstellung reden, sondern darüber, was ist eigentlich naturwissenschaftlich an der Frage „Sind wir allein im Universum?“ dran?
Das Ganze hat damit begonnen, dass Ende der 50-, Anfang der 60-er Jahre zwei berühmte Physiker – Giuseppe Cocconi und Philip Morrison – einen Artikel in einer Zeitschrift veröffentlicht haben mit dem Titel: „Searching for interstellar communications“ (Suche nach interstellaren Kommunikationsmöglichkeiten). Die beiden Herren haben damals das Feld SETI – so heißt das heute – „Search for extraterrestrial intelligence“ (Suche nach außerirdischen Intelligenzen) gegründet, indem sie folgendes gesagt haben: Wenn es die anderen geben sollte und wenn die anderen mindestens so clever wie wir sind, dann wissen die anderen auch, dass Wasserstoff das häufigste Element im Universum ist. Und dann wissen sie auch, dass Wasserstoff in einem ganz bestimmten Bereich der elektromagnetischen Strahlung, nämlich im Radio-Bereich – um es genau zu sagen: bei 1,4 GHz, also bei einer Wellenlänge von 21 cm – eine ganz besondere Form von Strahlung abgibt. Und wenn die anderen so clever sind wie wir, werden sie auch so denken wie wir und sie werden denken: Wenn es die anderen – also uns – gibt, dann wird eine interstellare Kommunikation natürlich genau in der Bandbreite stattfinden, in der diese besondere Strahlung von Wasserstoff auftaucht. Also schlossen die beiden damals ihren Artikel mit dem Vorschlag, wir sollten riesengroße Radioteleskope bauen und den Himmel absuchen nach besonderen Signalen, die am Himmel möglicherweise darauf hindeuten, dass es sich dabei nicht um natürliche Emissionen handelt, sondern um künstlich hervorgebrachte Strahlung. Das war der Beginn der Suche nach außerirdischen Intelligenzen.
Bis dahin hatten sich offenbar schon mehrere Wissenschaftler Gedanken gemacht, denn nachdem Cocconi und Morrison in der Zeitschrift „nature“, einer ziemlich wichtigen Zeitung für alle Naturwissenschaftler, diesen Artikel veröffentlicht hatten, kamen etliche Kollegen „aus ihren Löchern heraus“ und sagten, sie haben sich auch schon ihre Gedanken gemacht. Und so kam es zu einer Konferenz, der sogenannten Green Bank Conference. Und auf dieser Konferenz 1960 hat man zum ersten Mal versucht auszurechnen, wie viele kommunikationsbereite Zivilisationen es im Universumgeben könnte? Oder, um es kleiner zu machen, in der Milchstraße?
Bevor ich weiterrede, machen wir mal eine kurze Reise ins Universum, nur damit Sie wissen, in welch wahnsinnig tollem und großem Universum wir leben. Weißt du, wie viele Sternlein stehen? Ja, wenn wir nachts nicht so eine starke Beleuchtung hätten, würden wir ungefähr 6.000 Sterne am Himmel sehen. Das ist noch nicht besonders viel, das sind nur die in unseren näheren Umgebung. Wie viele Sterne hat die Milchstraße? 100 Milliarden. Wie viele Milchstraßen gibt es? 100 Milliarden. Also haben wir im gesamten Universum 100 Milliarden mal 100 Milliarden Sterne. Das ist schon mal ganz ordentlich. Aber wir werden sehen, die Zahl 1022, also eine 1 mit 22 Nullen, ist zwar ordentlich groß, aber nicht wirklich groß. Wir werden sehen, was davon übrig bleibt.
Das andere: Wie groß sind die Entfernungen? Nun, erst mal müssen wir festhalten: alle Information im Universum kann sich höchstens mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Deswegen werden in der Astrophysik sämtliche Entfernungen in Lichtgeschwindigkeit gemessen. Nehmen wir mal ein Beispiel: die Entfernung Erde – Mond ist 400.000 km, d. h. das Licht mit 300.000 km pro Sekunde braucht etwas mehr als eine Sekunde, um von der Erde zum Mond zu kommen. Jede elektromagnetische Welle kann sich höchstens mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. D. h. wenn ein Astronaut auf dem Mond steht und einfach nur „guten Tag“ sagt, dann kommt diese Nachricht erst 1,1 Sekunden später bei uns an. Die Sonne ist 150 Million Kilometer von uns entfernt, und das Licht von ihr zu uns braucht 8 Minuten. D. h. wir sind 8 Lichtminuten von der Sonne entfernt. Der Jupiter ist fünf Mal so weit von der Sonne entfernt wie die Erde, d. h. ein Astronaut, der gerade den Jupiter umkreist, bekommt erst 40 Minuten später einen Lichtblitz von der Sonne. D. h. also, wenn die Sonne jetzt ausginge – nur mal spekulativ, dann würden wir das 8 Minuten später erst merken. Also das Sonnensystem insgesamt ist im Bereich von einem halben Lichttag, also die Entfernung, die das Licht ungefähr in einem halben Tag zurücklegt. Aber das ist immer noch nichts. Als Astronom würde man sagen, da ist man noch nicht mal aus dem „Haus rausgegangen“.
Die Entfernungen zum nächsten Stern betragen vier Lichtjahre. Die Milchstraße, eine große Scheibengalaxie, hat einen Durchmesser von 100.000 Lichtjahren. D. h. also, eine Pizzabestellung von einem Ende der Galaxie zum anderen dauert 100.000 Jahre. Das ist übrigens etwas – nur mal am Rande bemerkt -, was mich bei vielen Science Fiction-Geschichten so aufregt: Da fliegt ein Raumschiff irgendwo an einen Rand der Milchstraße, dann gibt es an Bord eine Krise und der Captain sagt zu seinem Leutnant „verbinden Sie mich mal mit der Zentrale“. Also eigentlich, auch bei einer 45-Minuten-Sendung, müsste das ewig und drei Tage dauern, bis die miteinander verbunden sind. Aber nein, die Zentrale ist sofort da. Also man sieht schon, mit den Science Fiction-Geschichten ist das alles nicht so einfach.
Kommen wir wieder zurück zur Ausdehnung des Universums: Also unsere Milchstraße misst 100.000 Lichtjahre, der Abstand zur nächsten großen Milchstraße, zu Andromeda, ist 2,2 Millionen Lichtjahre. D. h. wenn Sie jetzt mit einem Feldstecher z. B. fast genau über Ihnen im Norden die Andromeda-Galaxie am Himmel betrachten, dann sehen Sie etwas, was vor 2,2 Millionen Jahren existiert hat. Ob die jetzt noch existiert, das können Sie gar nicht wissen. Astrophysik ist immer Archäologie. Wir sehen immer nur Vergangenheit – immer! Es gibt nichts anderes.
Man sieht schon, das Universum basiert auf riesigen Entfernungen. Das ist also alles sehr sehr groß, und deswegen werden wir uns zunächst mal darauf beschränken, die Anzahl der kommunikationsbereiten Zivilisationen in der Milchstraße zu berechnen, um wieder zurück auf Green Bank zu kommen. Vergessen Sie nicht, wir waren ja eben noch bei der Konferenz von 1960. Und es geht offenbar auch nicht um Leben an sich. Wir werden weder über Pflanzen noch über Würmer noch über Rauhaardackel noch über sonst irgendwas sprechen können, noch nicht mal über Zivilisationen, die bis zu einer Dampfmaschine gekommen sind. Sondern wir können nur über Zivilisationen sprechen, die auf einem Planeten entstanden sind, die selber elektromagnetische Strahlung in erheblicher Menge erzeugen, um sich damit – entweder gewollt oder ungewollt – dem Universum bekannt zu machen. Wir tun das erst seit ungefähr 50 bis 60 Jahren durch unsere elektromagnetischen Strahlungsgeber, also Sender von Radio, Fernsehen usw. Möglicherweise ist das ja auch tatsächlich ein Grund, weshalb wir noch keinen Kontakt zu Außerirdischen bekommen haben; wenn es denen nämlich gelungen sein sollte, einige unserer Fernsehprogramme zu entziffern, dann sagen die sich möglicherweise, mit denen wollen wir gar keinen Kontakt haben. Wer weiß?
Also wir werden nicht über Leben an und für sich sprechen können, weil wir gar nicht wissen können – zumindest ist das momentan der Stand der Dinge -, ob auf einem Planeten irgendwo Leben entstanden ist. Aber möglicherweise können wir eine nicht-natürliche Strahlungsquelle am Himmel dadurch herausfiltern, indem wir z. B. Schmalbandigkeit von Radiostrahlung usw. feststellen. D. h. wenn ein sehr sehr intensiver Strahlungspuls kommt, dann könnte es sich dabei um eine Quelle handeln, die von Außerirdischen zusammengebaut wurde, nur um uns mitzuteilen: „Hey, wir sind hier“.
Zurück zur Konferenz:Wie haben die das damals im Rahmen dieser Konferenz gemacht, wie haben die versucht auszurechnen, wieviel kommunikationsbereite Zivilisationen in der Milchstraße existieren? Na ja, man sagt sich zunächst einmal, auf welchen Himmelskörpern kann überhaupt Leben entstehen? Auf Planeten. Der Planet braucht eine Energiequelle, und das ist ein Stern. Also müssen wir erst mal darüber reden, wie viele Sterne bilden eigentlich so eine Galaxie? Und wenn ein solches Planetensystem tatsächlich auch Planeten hat, entwickelt sich auf jedem Planeten Leben? Entwickelt sich dieses Leben immer zur Intelligenz? Wenn sich intelligentes Leben entwickelt hat, ist das immer kommunikationsbereit? Und wie lange kann eine solche kommunikationsbereite Intelligenz eigentlich tatsächlich existieren auf einem Planeten? Und da kamen ganz verschiedene Zahlen heraus. Es ist ganz interessant wenigstens einigen dieser Faktoren nachzugehen. Die Milchstraße z. B. hat ein Alter von 10 Milliarden Jahren. Gehen wir mal davon aus, dass wir eine typische Sternentstehungsrate haben von ungefähr einer Sonnenmasse pro Jahr, d. h. die Milchstraße macht aus Gaswolken – das kann man auch in aller Ruhe betrachten – Sterne. Sagen wir mal, sie macht eine oder zehn Sonnenmassen pro Jahr. Und sagen wir, alles andere lesen wir mehr oder weniger aus unserem Sonnensystem ab. Denn – und jetzt kommt der gesunde Menschenverstand bei aller Fantasie, die man sich leisten kann – der gesunde Menschenverstand sagt: Wenn wir überhaupt etwas lernen wollen, dann dürfen wir uns selbst weder an die Spitze noch ans Ende der Tabelle stellen. Wir sind weder die Besten im Universum noch die Schlechtesten, sondern wir sind Otto-Normalverbraucher. So wie wir sind die Außerirdischen im Durchschnitt. Wenn das aber so ist, dann können wir aus den Eigenschaften unseres Sonnensystems ablesen: Was sind die durchschnittlichen Eigenschaften jedes anderen Sonnensystems.
Wir haben einen Planeten in der bewohnbaren Zone. Was das ist, werden wir noch klären. Diese bewohnbare Zone wird von einem Planeten besetzt, auf dem Leben entstanden ist. Denn offenbar ist ja auf so einem Planeten, wenn er die richtige Entfernung zur Sonne hat, Leben überhaupt kein Problem. Dieses Leben entwickelt sich immer zu Intelligenz. Das ist Diskussionsgrundlage, obwohl man das nicht so genau weiß. Kommunikationsbereitschaft ist auch nicht immer da. Es gibt einfach Menschen, mit denen kann man nicht reden. Und das kann man sogar auf Zivilisationen übertragen. Und wie lange lebt eine solche kommunikationsbereite Zivilisation?
Diese Überlegungen fanden im Rahmen der Konferenz statt. Das war 1960. 1960 war der Kalte Krieg. Wie lange lebt eine kommunikationsbereite Zivilisation auf einem Planeten? Es gab durchaus einige Wissenschaftler bei der Green Bank-Konferenz, die gesagt haben, länger als 100 Jahre wird eine Hochtechnologie auf einem Planeten nicht überleben, dann kommt der atomare Schlag und es ist Feierabend. Und die anderen haben gesagt, ach was, diese Auseinandersetzung zwischen den politischen Blöcken wird schon vergehen, und wir werden es schaffen, mindestens so lange zu leben wie die Sonne, nämlich im Bereich von Milliarden Jahren. D. h. wir haben da eine unglaubliche Bandbreite. Aber was die astrophysikalischen bzw. sogar die soziokulturellen Faktoren dieser Formeln betrifft, ist was ganz Interessantes aufgetaucht. All diese Probleme führten letztlich zu der Frage, wieviele kommunikationsbereite Zivilisationen werden tatsächlich auf einem Planeten entstehen?
Wieviele sind denn bis jetzt auf der Erde entstanden? Die Antwort ist relativ einfach. Es sind, wenn wir großzügig sind, 10 Hochkulturen auf diesem Planeten da gewesen. Und nur eine einzige Hochkultur hat es geschafft, den gesamten Planeten von Norden bis Süden und von Osten nach Westen zu beackern. Und das ist die abendländische. Die Chinesen z. B. haben riesengroße Dschunken gebaut, unglaublich große Schiffe, sind bis nach Saudi Arabien gefahren, haben sich aber dann aus irgendwelchen Gründen überlegt, wir fahren wieder nach Hause. Und haben nie wieder Entdeckungsreisen unternommen. Aber die Europäer haben den gesamten Planeten wirklich komplett durchforstet. Was im übrigen damals auch schon zu der Auffassung führte, dass wir aufpassen sollten mit den Vorschlägen, Sender zu bauen, um uns den Außerirdischen mitzuteilen. Denn wenn die anderen so sind wie wir, dann wissen sie natürlich auch, dass es ein erheblicher Unterschied ist, ob man Entdecker ist oder Entdeckter, also zu den Gewinnern gehört oder zu den Verlierern. Das kann man an der Menschheitsgeschichte ablesen. Es stellte sich also heraus, dass die Wahrscheinlichkeit, dass eine Hochkultur auf einem Planeten tatsächlich kommunikationsbereit ist in dem Sinne, dass sie neugierig ist auf das Weltall, dass sie anfängt, Raumfahrt zu betreiben, Technologien zu entwickeln usw., dass diese Wahrscheinlichkeit nicht besonders groß ist ist. Sondern dass es durchaus Zivilisationen gegeben hat, die alles mehr oder weniger für den Schreibtisch oder die Schublade entwickelt haben und nur an bestimmten rituellen Festen freigelassen haben, diese Kulturen haben sich abgeschottet. Daran muss man denken.
Also die Anzahl der kommunikationsbereiten Zivilisationen lag für die einen Experten in der Gegend von mehreren Millionen und für die anderen in der Gegend von 1. Die entscheidende Zahl, die dieses Konferenz-Ergebnis am deutlichsten beeinflusst hat, war die Anzahl der Jahre, die eine solche kommunikationsbereite Zivilisation sich dem Universum überhaupt mitteilt. Wenn nämlich die Zivilisation relativ schnell wieder verschwindet, also schon nach 100 Jahren, dann hätte eine nachfolgende Generation überhaupt keine Chance mehr festzustellen, dass es diese Kultur mal gegeben hat. Die Kulturen müssen also lange genug leben, damit wir überhaupt eine Chance haben, sie im Universum zu bemerken. Ansonsten wird überhaupt nichts passieren.
Das Resultat dieser Green Bank-Konferenz war dann, dass man angefangen hat, Radioteleskope zu verwenden, um nach außerirdischen Zivilisationen zu suchen. Man hat also gesucht und gesucht, aber dabei ist nichts heraus gekommen! Gar nichts! Möglicherweise muss man Tausende von Jahre das Universum abhorchen, um überhaupt mal ein Signal von einer außerirdischen Zivilisation zu finden. So war zumindest die Meinung einiger Experten, die nach 20 Jahren vergeblichen Bemühens gemeint haben, möglicherweise müsste man nach unseren Rechnungen 5000 bis 6000 Jahre suchen, bis man überhaupt eine vernünftige Chance hat, die anderen zu finden. Wie dem auch sei – es ist nichts entdeckt worden.
Aus dieser Nicht-Entdeckung haben einige schon geschlossen, es gibt keine anderen Zivilisationen im Weltall. In diesem Zusammenhang gibt es überhaupt interessante Argumente, wie sie zuerst von Enrico Fermi in den 50-er Jahren schon entwickelt worden sind. Der hat sich folgendes überlegt, und daran müssen wir immer denken, wenn wir jetzt in Zukunft in der Astrophysik über die Frage „Sind wir allein im Universum?“ überhaupt sprechen: Wenn es die anderen gibt und die sind schon seit Milliarden Jahren da, dann verfügen sie über ein Wissen und eine Erkenntnis und Weisheit, die ungeheuerlich sind. Dann ist es ihnen sicherlich auch gelungen, interstellare Raumfahrt zu betreiben, also sich mit annähernd Lichtgeschwindigkeit durch den Weltraum zu bewegen und andere Planeten zu kolonisieren usw. Und da kann man ausrechnen, wenn man dieses Modell annimmt, dass sich eine außerirdische Intelligenz quasi wie ein Virus über die Milchstraße verteilt hat. Das dauert ungefähr 30 bis 40 Millionen Jahre, bis die Milchstraße komplett kolonisiert ist, indem Generationen in Raumschiffen auf den Weg geschickt werden, die treffen auf einen Planeten, und verbreiten sich auf diese Art und Weise über die gesamte Milchstraße. Wenn man sich jetzt überlegt, dass die Milchstraße 10 Milliarden Jahre alt ist und eine Kolonisationsphase etwa 30 Millionen Jahre dauert, dann sind schon mehrere Kolonisationsphasen über die gesamte Milchstraße gegangen. Eigentlich müsste der interstellare Raum nur so wimmeln von Zivilisationen, und zwar von solchen, die gerade dabei sind sich zu entwickeln, solche die auf ihrem Höhepunkt stehen und viele, die gerade dabei sind zu zerfallen.
Leider ist bis heute überhaupt nichts von irgendwelchen Zivilisationen bemerkt worden. Und um dieses Problem zu umgehen, haben einige Leute gesagt, ja vielleicht sind wir in einem galaktischen Zoo. Vielleicht gucken die Außerirdischen nur immer mal von draußen und möchten uns in Ruhe lassen, damit wir uns entwickeln können. Das ist natürlich eine interessante, sehr fantasievolle Erklärung, aber was soll man damit anfangen? Wir müssen aufpassen, dass wir bei der Frage „Sind wir alleine im Universum?“ mit unseren Argumenten nicht übers Ziel hinausschießen.
Also – Resultat: Es wurde gesucht und es wurde nichts gefunden! Gar nichts. Es wird heute noch gesucht. „SETI at home“ ist ein großes wichtiges Programm, an dem sich Menschen mit ihrem Personal Computer zuhause sogar beteiligen können, d. h. wir haben wirklich jede Menge Rechenleistung auf dem Planeten Erde zur Zeit, die dazu verwendet wird, Außerirdische zu suchen. Aber es wurde nichts gefunden.
Wie kann das sein? Damals in Green Bank gab es drei verschiedene Klassen von Teilnehmern: Es gab die Optimisten, die sagten, wir werden Hunderte von Millionen von außerirdischen Zivilisationen treffen; es gab die Pessimisten, die sagten, nein, wir sind mehr oder weniger allein; und es gab diejenigen, die eine zurückhaltend optimistisch-pessimistische Meinung hatten, na ja, vielleicht finden wir ja doch ein paar. Kann es sein, dass selbst die Pessimisten damals noch viel zu optimistisch gewesen sind? Denn wenn man sich die Zahlen anschaut, die damals verwendet worden sind, dann könnte es sein, dass das astronomische und astrophysikalische Know-how einfach noch nicht gut genug war, um tatsächlich einigermaßen verlässliches Datenmaterial zusammen zu stellen, um der Frage „Sind wir allein im Universum?“ nachzugehen.
--------------------------------------------
<<Prof. Harald Lesch: Begegnungen mit der Dritten Art –Gibt es außerirdische Intelligenz? Teil 2 Warum es die Erde nur einmal gibt>> SWR2 AULA Redaktion: Ralf Caspary, Susanne Paluch;
Sendung: Sonntag, 16. Januar 2005, 8.30 Uhr, SWR 2. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
Sind alle Sterne im Universum dazu geeignet, die Entwicklung von Leben zu ermöglichen? Sterne entstehen aus Gaswolken. Wenn eine Gaswolke unter ihrem eigenen Gewicht zusammenbricht, dann entstehen Sterne. Es gibt große und kleine Sterne. Die großen Sterne fusionieren, also verschmelzen; ihre Prozesse im Inneren verlaufen sehr sehr viel schneller als die Prozesse bei den kleinen Sternen. Warum? Weil ein Stern ein Gleichgewicht-Gebilde ist. Also: Die Schwerkraft des Sterns zieht alles nach innen, und während der Verschmelzung von Atomkernen wird Energie frei. Dadurch wird wiederum ein Druck aufgebaut, der nach außen drückt. Das Gleichgewicht dieser beiden Kräfte, der Schwerkraft nach innen und der Druckkraft nach außen, lässt den Stern in einer gewissen Balance. Und solange diese Balance in Ordnung ist, wird der Stern einfach nur scheinen und strahlen. Das ist genau das, was die Sonne seit 4 ½ Milliarden Jahren tut und auch noch mindestens weitere 4 ½ Milliarden Jahr tun wird. Also wir können ganz beruhigt sein, die Sonne ist in einem hervorragenden Zustand.
Das, was ich eben erläutert habe, bedeutet aber auch, dass ein sehr schwerer Stern einen sehr viel höheren Druck in seinem Inneren hat als ein leichter Stern. Ein höherer Druck heißt eine höhere Temperatur, und bei höherer Temperatur verlaufen die Fusionsprozesse sehr viel schneller als bei niedrigen Temperaturen. Auf diese Art und Weise verbrennt ein Stern von 50 Sonnenmassen seinen Wasserstoff innerhalb von wenigen Millionen Jahren, während unsere Sonne eine Lebensdauer von 10 Milliarden Jahren hat. Das heißt also: Ein großer Stern ist heiß, ein kleiner Stern ist kühl, ein großer Stern lebt kurz, ein kleiner Stern lebt lang.
Die Kernfusion ist die entscheidende Energiequelle. Allerdings hört dieser Fusionsprozess irgendwann auch auf, und zwar genau dann, wenn in einem Stern gewisse Elemente entstanden sind. Die ganz großen Sterne - und darauf will ich zunächst mal kommen - sind wichtig, denn sie explodieren und geben dem Universum die Möglichkeit, in einem großen Materie-Kreislauf überhaupt erst mal wieder Planeten zu machen, Planeten mit einer festen Oberfläche so wie unsere Erde. Wir stehen ja hier auf der Erde auf Silizium, Magnesium, Aluminium, Eisen und Nickel. Ich bin hier in einem Studio, mir gegenüber sitzt jemand, eine Kohlenstoffeinheit müsste man als Physiker sagen. Menschen sind nichts anderes als Kohlenstoffeinheiten. Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff, ein bisschen Phosphor, Fluor in den Zähnen, Jod in der Schilddrüse, Kalzium in den Knochen usw. Das ist eigentlich alles. Und noch viele andere Spurenelemente. Aber all diese Elemente müssen ja irgendwo her kommen. Sie sind nicht von Anfang an hier gewesen. Sie sind enstanden durch mindestens eine, möglicherweise mehrere Explosionen von Sternen.
Und was passiert eigentlich, wenn eine Super Nova explodiert? Die Hüllen, die mit den schweren Elementen angereichert sind, werden mit Geschwindigkeiten von bis zu 20.000 km pro Sekunde ins Universum geschossen. Auf Aufnahmen kann man sehen, dass tatsächlich die gesamte Bandbreite der chemischen Elemente des Periodensystems von den Sternen geliefert wird. Diese Super Novae haben eine sehr sehr kurze Lebensdauer. Dieser Materie-Kreislauf in unserer Milchstraße, den ich eben beschrieben habe, pumpt mit einem Schlag-Rhythmus von 30 Millionen Jahren immer wieder schwere Elemente ins Universum zurück.
Und jetzt kommt’s: Sie können sich vorstellen, wenn so ein Stern explodiert, bleibt in der Nähe „kein Auge trocken“. Auf einem Planet in der Nähe einer Super Nova wird sicherlich nie Leben entstehen können. Warum nicht? Weil dieser Stern so wahnsinnig heiß war, dass er sein Maximum an Leuchtkraft im UV-Bereich hat. Und diese Strahlung verhindert, dass sich Moleküle zusammenbauen, dass sie zu komplexen Molekül-Strukturen werden, wie wir Menschen das z. B. darstellen. Wir sind eine außerordentlich komplexe Molekül-Ansammlung und wir könnten nicht in einer Welt leben, die ständig unter Ultraviolett-Beschuss steht. Aber davon einmal abgesehen: eine Super Nova ist eine absolut tödliche Angelegenheit für komplexes Leben in einem Radius von 30 Lichtjahren, denn bei einer Super Nova-Explosion wird auch Gamma-Strahlung frei. Und dieser Gamma-Blitz wäre enorm. Für die Erde würde das bedeuten, dass nicht nur erhebliche Schäden des organischen Materials da wären, sondern z. B. auch große Teile der Ozonschicht abgebaut werden und dadurch Lachgas in großen Mengen entsteht.
Summa summarum: Super Novae haben zwei Seiten einer Medaille. Eine Seite ist die positive: Sie haben dafür gesorgt, dass es überhaupt schwere Elemente im Universum gibt, dass neue Gaswolken zur Verfügung stehen, um zu Sternen zu werden. Auf der anderen Seite sind Super Novae aber auch echte Killer. Vor allen Dingen aber sind sie völlig ungeeignet für die Entstehung von Leben, weil sie sich viel zu kurz entwickeln. Wenn wir auf der Erde - nach dem Prinzip der Durchschnittlichkeit - der Durchschnitt sind, dann dauert die Entwicklung bis zum intelligenten Lebewesen auf einem Planeten 4 ½ Milliarden Jahre.
Das heißt also, wir können bei der Frage, ob es außerirdische Intelligenz gibt, keine Sterne berücksichtigen, die nicht mindestens 4 ½ Milliarden Jahre leben. Das heißt, dass man die Sterne, die schwerer sind als 1,2 Sonnenmassen, komplett „ausschalten“ muss. Diese sind für unsere Diskussion völlig uninteressant, denn sie entwickeln sich viel zu schnell, können also, wenn das Prinzip der Durchschnittlichkeit angewendet wird, überhaupt nicht berücksichtigt werden.
Es gibt noch eine andere Schranke: Sterne, die kleiner sind als 0,8 Sonnenmassen, können ebenfalls nicht berücksichtigt werden, weil deren Strahlung zu schwach ist. Die sind so kühl, dass sie hauptsächlich im Rot- bzw. Infrarot-Bereich strahlen. Und Sie wissen ja, wenn Sie Hunger haben, können Sie sich nicht in eine Mikrowelle legen, obwohl Sie möglicherweise durch die Mikrowellenstrahlung jede Menge Kalorien durch Ihre Haut aufnehmen würden, Sie werden nicht satt. Warum nicht? Weil wir Menschen darauf angewiesen sind, Energien in einer ganz bestimmten Art und Weise aufzunehmen. Es nützt überhaupt nichts, einen Stern um einen Planeten herum anzubieten, der eben nur im Infrarot-Bereich strahlt. Außerdem werden wir sehen, dass ein Planet so nah an den Stern herankommen muss, dass er in seinen Eigenschaften außerordentlich dramatisch beeinflusst wird.
Unsere Betrachtung zeigte bereits, dass man bei der Anzahl der Sterne im Universum schon Einschränkungen machen kann, die naturwissenschaftlich absolut seriös sind. Das ist kein Science Fiction, sondern wir können klipp und klar sagen: Da die Naturgesetze im Universum überall gültig sind, werden auch die Sterne überall so funktionieren, wie wir es bisher gekannt haben. Es wird keine Sterne geben, die diesen Naturgesetzen, die wir kennen, widersprechen. Sondern sie werden tatsächlich als Fusionsreaktoren so funktionieren, wie ich das Ihnen erzählt habe. Dann ist klar, dass alle schweren Elemente aus diesen Sternen kommen, aber dass irgendwann für einen Stern auch mal Schluss ist und seine Lebenserwartung extrem davon abhängt, wie schwer er ist. Wenn er zu schwer ist, stirbt er zu schnell und kann nach dem Prinzip der Durchschnittlichkeit auch nicht die Entwicklung von Leben ermöglichen.
Übrigens habe ich Ihnen gerade den ersten Chauvinismus „unter die Großhirnrinde gejubelt“, und zwar mit der Geschichte, dass wir der Durchschnitt sind. Sie wissen ja, Chauvinismus ist der Glaube an die Überlegenheit der eigenen Gruppe. Und wenn wir als Naturwissenschaftler über das Thema „Sind wir allein im Universum?“ sprechen, müssen wir gewissen Annahmen machen. Und die erste Annahme war, dass wir der kosmische Durchschnitt sind. Wenn wir der kosmische Durchschnitt sind, dann gibt es den sogenannten G-Stern-Chauvinismus: Es muss sich nämlich, wenn wir nach den Bedingungen von Leben suchen, um einen Stern handeln wie unsere Sonne, ein sogenannter G-Stern. Diese Sterne sind die einzigen Sterne, die wahrscheinlich Leben tragen können, weil sie genau die richtige elektromagnetische Strahlung abgeben. Die Sonne ist ein Stern, der heute mit 4,5 bis 4,6 Milliarden Jahren eine Oberflächentemperatur von 6.000 Grad hat. Sie hat eine Masse von 300.000 Erdmassen. Ihr Radius ist 700.000 km. Darunter kann man sich kaum etwas vorstellen, deshalb vielleicht eine andere Zahl: Wenn man mit einer Boeing 747 die Sonne umkreisen wollte, müsste man zwei Monate fliegen. Eines Tages wird die Sonne sterben, nämlich dann wenn sie im Inneren ihren Wasserstoff zu Helium verbrannt hat bzw. ihr Helium zu Kohlenstoff und vielleicht zu etwas Sauerstoff. Die Sonne wird als kleiner weißer Zwerg, der ungefähr so groß ist wie die heutige Erde, also ein paar Tausend Kilometer im Radius hat, für immer verglühen.
Es stellt sich die Frage, welche Eigenschaften hat denn unser Planetensystem? Wenn Sie sich vorstellen: Die Milchstraße ist 10 Milliarden Jahre alt, also fast so alt wie das Universum. Und in dieser Milchstraße haben sich ständig Sterne in chemische Elemente verändert. Diese chemischen Elemente sind teilweise an das interstellare Medium, also an das Material zwischen den Sternen, zurückgegeben worden. Und es braucht natürlich erst mal eine gewisse Zeit, bis eine Milchstraße genügend schwere Elemente hat, damit in ihr genügend Planeten-Systeme entstehen können. Am Anfang bestanden alle Sterne nur aus Wasserstoff und Helium, da konnten überhaupt keine Planetensysteme existieren. Und möglicherweise sind wir heutzutage, das ist eine der Thesen, die in der Astrophysik ernsthaft diskutiert werden, die Ersten in der Milchstraße, die zu lebendigen Wesen geworden sind, weil vorher noch gar nicht genügend Elemente da waren, um überhaupt auf einem Planeten Leben erzeugen zu können.
Aber kommen wir zurück zu unserer Sonne. Was könnte an unserer Sonne besonders interessant sein? Nun, unsere Sonne ist einer von vielen G-Sternen. Es gibt etwa 100 Millionen G-Sterne, allerdings sind ungefähr 75 Prozent davon Doppel- oder Dreifach-Systeme, d. h. da drehen sich Sterne umeinander. Da kann man sich schon vorstellen, dass es verdammt schwierig ist für Planeten, in einem Doppel-System zu existieren, weil die Teilchen entweder auf den einen Stern fallen oder auf den anderen. Auf jeden Fall gibt es so gut wie keine Möglichkeit, dass ein Planeten-System wie unseres in einem Doppel-System aufgebaut werden kann. Also können wir diese Doppel-Systeme aus unseren Überlegungen herausnehmen.
Unsere Sonne hat als Begleiter die Planeten. Die Planeten bieten nur 1 Prozent der Gesamtmasse an, 99 Prozent der Masse des Sonnensystems ist in der Sonne. Allerdings haben die Planeten 99 Prozent des Drehimpulses, also der Rotationsenergie, während die Sonne so gut wie überhaupt keine Drehenergie mehr hat. Sie dreht sich sehr langsam, am Äquator mit 25 Tagen, am Pol mit 30 Tagen. Die interessante Frage lautet nun: Wie hat die Sonne es geschafft, ihre Rotationsenergie an die Planeten abzugeben? Denn es gilt der Drehimpuls-Erhaltungssatz. Denken Sie an Eiskunstlauf: Wenn sich ein Eiskunstläufer auf dem Eis dreht und die Arme anzieht, wird er schneller. Das hat damit zu tun, dass der Drehimpuls tatsächlich nicht verloren gehen kann. Der bleibt da. Der Drehimpuls hat etwas damit zu tun, wie groß so ein System wird.
Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Gaswolke, die ganz langsam rotiert. Und diese Gaswolke schrumpft unter ihrem eigenen Gewicht zusammen. Was macht der Drehimpuls? Die Rotationsgeschwindigkeit wird immer größer. Wenn aber so eine Gaswolke tatsächlich zum Stern werden soll, dann ist eine zu große Drehung ein Hemmnis. Das kennen alle, die mal Karussell gefahren sind. Wenn das Karussell sich richtig dreht, dann tritt eine Kraft auf, die uns nach außen reißt. D. h. also, der Kollaps eines Sterns, einer Gaswolke würde behindert werden, wenn die Wolke sich zu schnell dreht. Also irgendwie muss der Stern bzw. die Wolke es geschafft haben, den Drehimpuls auf die Planeten außen herum zu verteilen. – Und denken Sie immer daran: Der Außerirdische ist auch nur Mensch. Bei dem ist es ganz genauso gelaufen. Ein Planetensystem um einen Stern herum wird immer in einer Scheibe sein, und wenn jetzt der Drehimpuls um diese Planeten zu gering ist, dann hat man ein Riesenproblem. Denn die Bahn eines Planeten um seinen Stern hängt ab von seiner Drehgeschwindigkeit um seinen Stern. Wenn ein Planet sich zu langsam dreht, muss er näher ran, denn die Planetenbahn in unserem und in jedem anderen Sonnensystem ist wieder eine Gleichgewichtssituation: Die Zentrifugalkraft nach außen, die Schwerkraft nach innen. Wenn der Stern nicht in der Lage ist, seinen Drehimpuls an die Umgebung abzugeben und die Planeten sich zu langsam drehen, dann werden sie alle sehr sehr nah an ihrem Stern sein. Und wenn sie alle sehr nah an ihrem Stern sind, wird es sehr heiß. Sehr heißt bedeutet: Es gibt kein Leben.
Also: eine unbedingte Voraussetzung für die Entwicklung von Leben in einem Planetensystem ist, dass es dem Stern gelungen ist, seinen Drehimpuls an die Umgebung abzugeben. Aber nicht nur das. Der Planet selbst muss sich auch noch schnell genug um seine eigenen Achse drehen, so dass die eine Seite nicht immer „durchgeglüht“ wird und die andere Seite eiskalt ist. Jetzt können Sie natürlich sagen, es gibt ja immer noch den Übergangsbereich. Aber gerade der Übergangsbereich ist eine absolute Katastrophe, weil die Druck- und Temperaturverhältnisse dafür sorgen, dass dort wahnsinnige Winde wehen. Also wir brauchen Planeten, die sich schnell genug um ihre eigene Achse drehen, aber auch schnell genug um ihren Stern, damit sie weit genug von ihrem Stern weg sein können. Das ist der Punkt, auf den ich eigentlich hinaus will: Die Leuchtkraft der Sonne entscheidet darüber, in welchem Abstand von ihr es eine Zone gibt, die man als bewohnbare Zone definiert.
Die Sonne ist etwas Besonderes in dem Sinne, dass sie es geschafft hat, ihren Drehimpuls an ihre Umgebung abzugeben. Die Sonne ist etwas Besonderes, weil sie in einer Umgebung in der Milchstraße aufgetaucht ist, in der es offenbar keine Explosion von anderen Sternen gegeben hat. Alle Gesteinsuntersuchungen weisen darauf hin, dass es, seitdem die Erde existiert, keine großen Sternexplosionen mehr in der Nähe gegeben hat. Und die Sonne ist etwas Besonderes, weil offenbar ihre Position in der Milchstraße außerordentlich bemerkenswert ist. Denn eigentlich sollte sie alle 100 bis 200 Millionen Jahre immer mal wieder in die Nähe einer Gaswolke kommen, in der Sterne entstehen, und damit auch solche, die explodiert sind. Aber das ist eben nicht passiert. Wir sind also in einem System – ich sage immer in einem galaktischen Hinterhof -, der außerordentlich angenehm und ruhig ist.
Aber die Leuchtkraft der Sonne war und ist nicht konstant. Früher war die Sonne viel kühler. Als sie etwa 1 Milliarde Jahre alt war, hatte sie nur drei Viertel der Leuchtkraft von heute. Und trotzdem hat der Planet Erde es geschafft, dass seine mittlere Temperatur von ungefähr 15 - 20 Grad Celsius ziemlich gut und konstant gehalten wird. Was ist da passiert?
Worauf ich eigentlich hinaus möchte, ist der Begriff der „habitablen“ Zone, der bewohnbaren Zone. Dazu müssen wir uns die Kandidaten im Sonnensystem mal anschauen, die möglicherweise am Rand der bewohnbaren Zone stehen, damit Sie wissen, was ich mit dem Begriff der bewohnbaren Zone meine. Das ist nämlich der Temperaturbereich um die Sonne herum, in der Wasser nicht mehr gefroren ist und noch nicht gasförmig ist, also zwischen 0 und 100 Grad Celsius auf der Planetenoberfläche. In unserem Fall gibt es genau drei Planeten. Das sind: Venus (innen), Erde (Mitte) und Mars (außen).
Die Venus ist ein interessantes Beispiel dafür, was mit einem Planeten passiert, der Pech gehabt hat. Anders kann man es nicht formulieren. Denn sie ist eigentlich ein ziemlich guter Zwilling der Erde. Sie hat fast die gleiche Masse und die gleiche Größe. Aber sie dreht sich so gut wie nicht. Mit ihr ist also etwas passiert, von dem wir nicht wissen, was es war. Möglicherweise ein Zusammenstoß mit einem anderen Himmelskörper. Auf jeden Fall dreht sich die Venus fast gar nicht. Bis in die 60-er Jahre hinein war die Venus eigentlich der beliebte Kandidat für die Science Fiction-Autoren, die meinten, dort würden Venusianer und Venusianerinnen ein wunderbares Leben führen, dort sei es schön warm wie zu Zeiten der Dinosaurier. Aber leider – alles Blödsinn! Die Russen haben Sonden (Venera-Sonden) hingeschickt, die die Temperaturen gemessen haben: 450 Grad Celsius Oberflächentemperatur, 90 Atmosphären-Druck, Schwefelsäurewolken, kein flüssiges Wasser, die ganze Atmosphäre ist voller Kohlendioxid. Was ist da passiert? Womöglich ein galoppierender Treibhauseffekt. Dieser galoppierende Treibhauseffekt hat die mittlere Gleichgewichts-Temperatur der Venus von 450 Grad Celsius aufgeheizt. Da gibt es kein Leben.
Der Mars wiederum ist ein Planet, der viel zu klein ist, um eine Planetenatmosphäre zu halten. Der hat nämlich nur ein Zehntel Erdmasse, er ist also in gewisser Weise „Atmosphären-inkontinent“. Er hat so gut wie kein Wasser, auf keinen Fall jedoch flüssiges Wasser, weil der Druck an seiner Oberfläche so niedrig ist wie bei uns in 48 km Höhe. Nur mal als Beispiel: Wenn ein Marsianer atmet und mit einem Atemzug so viele Atome aufnehmen würde wie wir, dann müsste dieser arme Marsianer einen Brustkorb haben so groß wie ein ICE-Waggon. Deswegen habe ich schon mal vorgeschlagen, immer mal wieder zu gucken, ob sich nicht große Mengen von ICE-Waggons auf der Marsoberfläche gerade hin- und herbewegen, wenn sie dort oben z. B. fußballspielen. Stellen Sie sich mal vor: 50000 ICE-Waggons sind gerade auf dem Weg zum Münchener Olympia-Stadion! Dass man die noch nicht gefunden hat, bedeutet wohl, dass es so große Marsianer nicht gibt. Aber Spaß beiseite: Der Mars hat offenbar keine Anzeichen von Leben. Er ist sehr kalt, mittlere Temperaturen von 60 bis 70 Grad Celsius unter Null sind normal. Wenn Sie sich überlegen, dass auf unserem Planeten die mittlere Temperatur 15 Grad Celsius ist – und welche Spannbreite haben wir! Von minus 70 bis plus 70 Grad. Da können Sie sich vorstellen, was eine mittlere Temperatur von minus 70 Grad Celsius bedeutet. Das muss unglaublich kalt sein. Und genau das ist der Fall.
Man kann ein nettes Spiel spielen und sich fragen: Wie weit kann man die Erde weiter nach innen zur Sonne bringen, so dass sie zur Venus wird, oder wie weit kann ich die Erde nach außen bringen, um sie zum Mars werden zu lassen? Dann stellt man fest, dass dieser Bereich sehr sehr klein ist. Das sind nur wenige Prozent. Wenn die Erde zu nah an der Sonne wäre, hätte sie einen galoppierenden Treibhauseffekt erlebt. Sie wäre sehr heiß geworden. Wenn sie zu weit weg gewesen wäre, wäre sie sehr kalt geworden, möglicherweise komplett vergletschert.
De facto ist festzustellen: Wenn wir der kosmische Durchschnitt sind, dann bräuchte ein Planet einen Trabanten, wie die Erde ihn hat. Wir haben einen außerordentlich großen Trabanten, nämlich den Mond. Ich behaupte, es gäbe uns nicht, wenn es keinen Mond gäbe. Ganz einfach. Wenn der Mond nicht da wäre, würde die Erde sich heute mit 9 bis 10 Stunden um die eigene Achse drehen. Warum? Weil der Mond durch die Gezeitenreibung die Erde in ihrer Eigenrotation von den zunächst 6 bis 7 Stunden auf die heutigen 24 Stunden abgebremst hat. Wenn der Mond nicht da wäre, würde nur die Gezeitenreibung der Sonne auf die Erde wirken, dann hätten wir heute nur 9 bis 10 Stunden. Sie werden sagen, na ja gut, dann wäre der Tag kürzer, so what? Das Wetter auf einem Planeten, meine Damen und Herren, hängt extrem davon ab, wie schnell er sich dreht. Wenn wir den Mond nicht hätten, würde sich die Erde mit 9 bis 10 Stunden drehen und wir hätten hier Winde zwischen 300 und 400 km/h. D. h. wenn es Lebewesen auf unserem Planeten gäbe, wären sie in jeder Hinsicht sehr flach. Und wir wären sicherlich nicht da. Wenn der Mond nicht da wäre, gäbe es uns nicht – und außerdem würde auch die Rotationsachse der Erde schwanken.
Was braucht ein Planet wie die Erde noch, damit dort überhaupt Leben entstehen kann? Wir brauchen einen Jupiter. Der Jupiter ist Ihnen vielleicht bis jetzt noch gar nicht weiter aufgefallen. Der Jupiter ist fünf Mal so weit von der Sonne entfernt wie die Erde. In einer Simulation am Computer im Jahr 1998 hat man den Jupiter aus dem Sonnensystem herausgenommen und sich gefragt, was passiert eigentlich mit all den Gesteinsbrocken, die von außen ins Sonnensystem eindringen, wenn der Jupiter nicht da ist? Wenn der Jupiter nicht da wäre, hätten wir alle 100.000 bis 200.000 Jahre den Einschlag eines 10 km großen Brockens auf der Erde.
Jupiter ist doppelt so schwer wie alle anderen Planeten zusammen, und er ist in der Tat ein Schutz für die Erde. Denn er „saugt“ praktisch alle Eindringlinge von außen durch seine Schwerkraft auf.
Also man muss tatsächlich ein System haben, in dem ein sehr schwerer Planet – ich sage es noch einmal, Jupiter ist doppelt so schwer wie alle anderen Planeten zusammen (um Haaresbreite wäre er ja ein eigener Stern geworden) – weit genug von dem Stern entfernt ist, damit ein kleiner Planet in der bewohnbaren Zone, also näher am Stern dran, sich entwickeln kann. Natürlich werden Sie sagen, ein Einschlag von einem Asteroiden bedeutet ja nicht automatisch das Ende von Leben auf einem Planeten. Aber es bedeutet doch eine erhebliche Veränderung. Es kann zu einer Beschleunigung führen oder zu einem völligen Zusammenbruch der kosmischen Evolution.
Weiter: Der Treibhauseffekt auf einem Planeten ist ganz wichtig. Der Planet darf nicht zu schwer sein, sonst ist die Schwerkraft zu stark und der Druck auf die Gesteinsschichten so hoch, dass möglicherweise zu viel CO2 ausgegast wird und damit hätte man wieder die Möglichkeit, dass sich ein galoppierender Treibhauseffekt entwickelt. Der Planet darf aber auch nicht zu klein sein. Sonst kann er keine Atmosphäre halten. Eine Atmosphäre ist natürlich eine ganz wichtige Voraussetzung. Ohne Atmosphäre kann kein Lebewesen entstehen und existieren. Der Planet muss eine kreisförmige Umlaufbahn um einen Stern herum haben.
In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass die Erde einem galoppierenden Treibhauseffekt wahrscheinlich nur deswegen entgangen ist, weil auf sie, kurz nachdem sie entstanden ist und ihre Oberfläche noch ziemlich flüssig war, ein Asteroid eingeschlagen ist, der doppelt so schwer war wie der Mars, also ungefähr 20 Prozent Erdmasse hatte. Er ist streifend eingeschlagen und hat sich dadurch mehr oder weniger völlig zerstört. Große Teile der Erdkruste wurden herausgeschleudert, und es entstand in einem Abstand von 60.000 km, also 10 Erdradien, der Mond. Das wissen wir aus den Gesteinsproben, die die amerikanischen Astronauten vom Mond mitgebracht haben. Wenn dieser Einschlag nicht gewesen wäre, hätte die Erde heute zuviel Kohlendioxid. Das zumindest ist die Vermutung etlicher Planetologen. Außerdem hat der Einschlag von damals der Erde soviel Energie im Inneren „injiziert“, dass die Konvektionsbewegungen der tektonischen Platten bis heute dadurch angetrieben werden.
Summa summarum können wir eine ganze Reihe von Bedingungen angeben, die letztlich die Existenz von Außerirdischen in bestimmten Bereichen gar nicht mehr so wahrscheinlich erscheinen lassen. Man kann tatsächlich zeigen, dass die Strahlung von Sternen, die kleiner sind als die Sonne - und das sind fast 99 Prozent -, zu schwach ist. Will man einen Planeten in die habitable Zone bringen, dann ist die Entfernung zu diesem kleinen Stern so gering, dass er in seiner Eigendrehung gnadenlos abgebremst wird und dem Stern immer die gleiche Seite zeigt. D. h. wir haben bei der überwiegenden Anzahl aller Planetensysteme im Universum fast überhaupt keine Möglichkeit, einen Planeten in einer habitablen Zone zu haben.
Der Hammer kommt aber jetzt: Als die Sonne vor 4,5 Milliarden Jahren entstanden ist, war die große Stern-Entstehungsparty im Universum schon lange vorbei. Die fand nämlich etwa 2 Milliarden Jahre nach dem Urknall statt. Damals, 2 Milliarden Jahre nach dem Urknall, sind Sterne entstanden. Das wissen wir. Wir können heute, von der Erde aus,in diese Zeit zurückblicken und sehen, dass damals die Galaxien Gasscheiben waren, in denen Hunderte von Sonnenmassen pro Tag in Sterne verwandelt worden sind. Als die Sonne entstanden ist, waren 99 Prozent aller Sterne im Universum bereits gemacht. Wenn wir also tatsächlich der Meinung sind, dass es ein G-Stern sein muss, um den herum sich ein Planet im richtigen Abstand drehen soll, haben wir schon sehr große Einschränkungen bei der Frage, wann überhaupt Leben in der Milchstraße entstanden sein kann.
Das hört sich jetzt alles sehr negativ an, aber im Grunde genommen hat es zunächst mal nur den Rahmen gesetzt für die wissenschaftliche Forschung über eine Frage, die zu den interessantesten gehört, die es überhaupt in der Wissenschaft zu stellen gibt, nämlich: Sind die Naturgesetze, die wir hier kennen, nicht nur die physikalischen, sondern auch die Gesetze, die zu biologischen Strukturen geführt haben (Entstehung von großen Molekülen, Reproduktion von großen Molekülen bis hin dazu, dass Evolutionsprozesse auf einem Planeten angeregt werden), überall die gleichen?
Wenn Lebewesen auf einem anderen Planeten existieren, dann werden sie auf einem Planeten existieren, der eine Atmosphäre hat. Deswegen ist es völlig normal, dass Lebewesen auf einem anderen Planeten genau wie wir Schallsensoren haben. Denken Sie an Ihre Ohren. Wenn Lebewesen auf einem anderen Planeten existieren und das in der Nähe eines anderen Sterns, dessen Maximum irgendwo im grün-gelben Licht liegt, dann werden diese Lebewesen auch Sensoren haben für dieses Licht. Deswegen ist es kein Wunder, dass wir Augen haben. Und die anderen (Außerirdischen) werden ebenfalls solche Öffnungen und Sensoren haben.
Ein Lebewesen definiert sich vor allen Dingen dadurch, dass es sich abgrenzt von seiner Umgebung. Ein Lebewesen braucht eine sehr gute Schutzhülle. D. h. die Außerirdischen werden auch nicht irgendwelche wabernden Wesen sein, sondern sie werden eine ganz klipp und klare Oberfläche haben wie unsere Haut. Sie werden Körperöffnungen haben, um Nahrung aufzunehmen. Und sie werden Körperöffnungen haben, um die verbrannte Nahrung abzugeben. Sie werden möglicherweise ihre zentrale Prozessoreneinheit, die CPU, also ihr Großhirn oder was immer bei ihnen denkt, möglichst weit weg von der Oberfläche des Planeten haben. Deswegen tragen wir den Kopf oben, denn da unten ist es zu gefährlich. Wie sie sich bewegen, wissen wir nicht. Eines ist aber klar: Es werden keine Wasserwesen sein. Denn Wasserwesen entwickeln keine Hochspannungstechnologie. Das machen sie ein Mal und dann nie wieder. Denn die elektrischen Ströme im Wasser sind so dramatisch, dass jedes Lebewesen daran sterben wird. Das ist sicher. Die Gleichungen, die die Elektrodynamik und Elektrotechnik betreffen, gelten überall im Universum. Da können wir sicher sein.
Aber wir können vielleicht andere Überlegungen anstellen auf einem etwas niedrigeren Niveau. Warum reden wir nicht mal einen Moment von den Zeichen, die die biologische Entwicklung auf der Erde tatsächlich abgibt an das Universum? Was ist denn das wesentliche Zeichen, dass auf unserem Planeten Leben existiert? Wie könnte ein Lebewesen in einem Abstand von 5-, 6- oder 7-tausend Lichtjahren feststellen, dass um den Stern, den wir Sonne nennen, ein Planet existiert? Es muss nach einer bestimmten Strahlung suchen, die es nicht vom Stern bekommt. Es muss sich um etwas handeln, das nur von einem Planeten kommen kann mit einer gewissen biologischen Aktivität.
Ich will Sie nicht auf die Folter spannen. Das entscheidende Molekül ist Ozon. Ozon entsteht auf der Erde, weil ein riesengroßer globaler Prozess, nämlich die planetare Photosynthese, ständig freien Sauerstoff in die Atmosphäre jagt, dieser Sauerstoff in der Hochatmosphäre durch die UV-Strahlung zerlegt wird in Ozon. Ozon kann nur dann in nennenswerter Menge bestehen bleiben, wenn immer Sauerstoff nachgeliefert wird.
Deshalb versuchen wir Astrophysiker also im Universum nach Ozonlinien zu fahnden, wo das Licht eines Sterns, wenn es durch die Atmosphäre eines solchen Planeten geht, in dem Bereich der Ozonabsorptionslinie tatsächlich absorbiert wird. Wenn wir eines Tages Ozon gefunden haben, dann bin ich mir völlig sicher, können wir sagen, wir sind nicht allein im Universum. Dann gibt es mindestens noch einen weiteren Planeten, auf dem sich eine große biologische Transformation von Materie vollzogen hat, bei der aus toter Materie lebendige Materie geworden ist.
* Zum Autor:
Prof. Dr. Harald Lesch lehrt theoretische Physik an der Ludwig-Maximilians-Universität München; seine Forschungsschwerpunkte sind: Schwarze Löcher, Neutronensterne und kosmische Plasmaphysik. Lesch ist Fachgutachter für Astrophysik bei der DFG und Mitglied der astronomischen Gesellschaft.
Bücher:
- Kosmologie für Fußgänger. Goldmann.
- Big Bang. Zweiter Akt. Bertelsmann.
- Physik für die Westentasche. Piper.