Michael Opielka: Grundrente in Deutschland
Online-Publikation: November 2008 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Hrsg. Michael Opielka: Grundrente in Deutschland . Sozialpolitische Analysen >>
Aus der Reihe: Perspektiven der Sozialpolitik Bd. 6
270 S. Br. ISBN: 978-3-8100-4049-7, EUR: 24,90
VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004; www.gwv-fachverlage.de
Inhalt
Reform der Sozialen Sicherung: die Grundrente
Der Band versammelt die wichtigsten wissenschaftlichen VertreterInnen und KritikerInnen einer Reform des deutschen Alterssicherungssystems in Richtung auf eine Grundrente. Soziologische, ökonomische, juristische und politologische Aspekte werden umfassend erörtert. In der Diskussion um einen Umbau des Sozialstaats in Deutschland nimmt die Idee der Grundrente seit vielen Jahren einen zentralen Platz ein. Die Idee besagt, dass jeder Bürgerin und jedem Bürger unabhängig von der Erwerbs- und Familienbiographie im Alter ein Recht auf Einkommen zukommt.
Der Band "Grundrente in Deutschland" versammelt die wichtigsten wissenschaftlichen Autorinnen und Autoren in der Diskussion um die Weiterentwicklung des Alterssicherungssystems in Richtung Grundrente. Dabei werden verschiedene Finanzierungsmodelle diskutiert und zum Teil durchgerechnet. Prominente BefürworterInnen und KritikerInnen kommen zu Wort. Bemerkenswert sind die Beiträge über die Erfahrungen mit Grundrentensystemen in anderen europäischen Staaten; exemplarisch stehen hierfür Länderanalysen aus Schweden, der Schweiz und den Niederlanden. Sie berücksichtigen auch die teils historisch weiter zurückliegenden Probleme des Übergangs zu einer Grundrente.
Inhaltsfolge
Die Grundrente denken - Zu Fragen der Finanzierung einer Grundrente für das Alter - Grundrente und Grundsicherung im Alter - Übergang zu einem Grundrentensystem - Volkswirtschaftliche Aspekte eines Grundrentensystems - Renten in Schweden - auf dem Weg zur Grunddrente? - Die 'heimliche Revolution'. Struktur, Entwicklung und Zukunft des holländischen Rentensystems - Grundrenten in der Schweiz - Auswirkungen eines Grundrentensystems auf die internationale Sozialpolitik
Zielgruppe
Studierende und Lehrende der Soziologie, Wirtschaftswissenschaften, Sozialpolitik und LeserInnen mit allgemeinem Interesse an der Reform sozialer Sicherungssysteme
Über den Autor
Prof. Dr. rer- soc. Michael Opielka lehrt Sozialpolitik im Fachbereich Sozialwesen an der Fachhochschule Jena und ist Geschäftsführer des Instituts für Sozialökologie (ISÖ), Königswinter.
Fazit
Dem Herausgeber und sozialpolitischer Analyst Michael Opielka gibt in seinem Diskursbuch " Grundrente in Deutschland"
einen umfassenden Überblick und zeigt so realisierfähige Visionen auf, die der Grundsicherung unserer Zukunft ein praktisches und diskursives Gegenbild zur Fratze des Neo-liberalismus wie -konservatismus präsentieren.
Weitere vertiefende Hinweise:
http://archiv.kultur-punkt.ch/akademie4/kooperation-swr2/swr2-opielka-soziales-buergergeld05-12.htm
http://archiv.kultur-punkt.ch/akademie4/diskurs/pa-06-1-spiritualitaet-zukunft-buergergeld.htm
Götz W. Werner : Ein Grund für die Zukunft - Das Grundeinkommen
W+B Agentur-Presseaussendung Januar 2008
Buchbesprechung
<< Götz W. Werner : Ein Grund für die Zukunft - Das Grundeinkommen - Interviews und Reaktionen>>
Mit einem Vorwort von Jean-Claude Lin
5.Auflage 2007, 128 Seiten, kartoniert; WG: 2973; EUR(D) 5,00/ EUR (A) 5,20 / CHF 9,30
ISBN-10: 3-7725-1789-7; ISBN-13: 978-3-7725-1789-1
Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart;
www.geistesleben.de; http://www.unternimm-die-zukunft.de/; http://archiv.kultur-punkt.ch/akademie4/;
Inhalt
Ein Bürgergeld für alle Der Gründer der dm-drogerie märkte, Götz W. Werner, tritt in vielen Vorträgen und Interviews für ein bedingungsloses Grundeinkommen ein, das alle Bürger erhalten sollen.
Die Einführung eines solchen Einkommens geht das Problem der Arbeitslosigkeit auf völlig neue Weise an und ermöglicht ein anderes Verhältnis zur Arbeit.
Wie lässt sich ein Bürgergeld finanzieren, welche Auswirkungen hätte es?
Auf diese und viele weitere Fragen gibt Götz Werner überraschende, aber einleuchtende Antworten. Die Idee des voraussetzungslosen Grundeinkommens ist ein elementar wichtiger Beitrag zur Gestaltung
unserer künftigen Wirtschaft und Gesellschaft.
Ein Bürgergeld für alle wird seit kurzem auch in der politischen Öffentlichkeit diskutiert, selbst Bundespräsident Horst Köhler regte an, über «eine Art Grundeinkommen» nachzudenken. Der weitest gehende Ansatz wird dabei von dem Unternehmer Prof. Götz Werner vertreten. In Interviews und Textbeiträgen
wird seine Idee des Grundeinkommens hier vorgestellt. Auch andere bekannte Persönlichkeiten aus Kultur und Wirtschaft, die für ein Bürgergeld werben, kommen im ergänzenden Teil des Buches zu Wort.
INHALT der Kapitelfolge
INTERVIEWS UND TEXTE VON UND MIT GÖTZ W.WERNER
- Ein Grund für die Zukunft: das Grundeinkommen
- Immer am Säen
- Radikalreform satt Banalreform
- »Wir leben in paradiesischen Zuständen«
- »Das manische Schauen auf Arbeit macht ns alle krank«
- »Man muss radikal denken und schrittweise handeln«
AUSWIRKUNGEN - WEITERE TEXTE UND INTERVIEWS
- Wolf Lotter: »der Lohn der Angst«
- Thomas Straubhaar: »Trennung von Arbeitsmarkt und Sozialmarkt«
- Wolfgang Eichhorn: »Arbeitslohn steuerfrei«
- Benediktus Hardorp: »Die Steuern reformieren heißt neu teilen lernen«
- Sascha Liebermann: »Freiheit ermöglichen, das Gemeinwesen stärken«
REAKTIONEN
- Antworten von Götz Werner und Benediktus Hardorp auf ihr Interview im Bankspiegel
- Leserbriefe aus der Stuttgarter Zeitung
- Weitere Zuschriften und Reaktionen
Über den Autor
Götz W. Werner, geb. 1944 in Heidelberg, machte nach der mittleren Reife in Konstanz eine Lehre zum Drogisten. 1973 gründete er seinen ersten Laden in Karlsruhe. Heute umfasst seine Drogeriemarktkette dm europaweit rund 1500 Filialen, in denen 21.000 Mitarbeiter 3,1 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaften.
Bei seiner Unternehmensführung stellt er den Menschen in den Mittelpunkt.
Er ist Vorsitzender der dm-Geschäftsführung und leitet zudem als Professor das Interfakultative Institut für Entrepreneurship der Universität Karlsruhe (TH). Werner ist in zweiter Ehe verheiratet und hat sieben Kinder.
Fazit
verschiedener Meinungen:
Das bedingungslose Grundeinkommen ist ein Betrag, der an jeden Bürger vom Staat ausbezahlt wird, ohne von ihm eine Gegenleistung dafür zu erwarten. Das bedingungslose Grundeinkommen ist somit die Grundsicherung, die dem Menschen seine Würde lässt.
Warum brauchen wir das bedingungslose Grundeinkommen?
Die Produktivitätssteigerungen seit Beginn der industriellen Revolution haben sich im 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch einmal wesentlich verstärkt, was zu leistungsfähigeren Volkswirtschaften und zu einem höheren Lebensstandard ihrer Bevölkerungen geführt hat. Die Produktivität, die in Gesellschaften materieller Unterversorgung den Effekt zunehmenden Wohlstands hat, führt in Volkswirtschaften mit gesättigten Märkten zu struktureller Arbeitslosigkeit und zu einer ‚Befreiung des Menschen von der Arbeit’. Zwar ist dies das Ergebnis derselben Optimierungen, die zu einer immer besseren Versorgung der Menschen mit Gütern und Dienstleistungen mit immer geringerem Arbeitsniveau geführt hat und führt, jedoch haben Gesellschaften mit gesättigten Volkswirtschaften noch nicht gelernt, damit umzugehen und beklagen deshalb die zunehmende Arbeitslosigkeit, ohne die darin liegenden Chancen zu erkennen.
Um eine Gefühl dafür zu bekommen, worum es bei dem "bedigungungslosen Grundeinkommen" geht und wie es wirkt, empfehlen wir Ihnen den Videoclip "Das bedingungslose Grundeinkommen" (16 MB).
Wie wirkt ein bedingungsloses Grundeinkommen auf unsere individuelle Lebensgestaltung?
Der Vorschlag, ein allgemeines Grundeinkommen in Verbindung mit einer Umstrukturierung des Steuerwesens - von der Ertrags- zur Konsumbesteuerung - einzuführen, hat in der breiten Öffentlichkeit sowohl Zustimmung als auch Ablehnung hervorgerufen. Was sind die Gründe für dieses geteilte Echo?
Bedingungsloses Grundeinkommen bedeutet: für jeden einzelnen gibt es Freiraum zur Selbstbestimmung. Eine solche Idee macht Mut: ist es an der Zeit, einen solchen Schritt zu wagen?
Die Ausgangslage
Mit dem auf innovativem Geist beruhenden technischen Fortschritt haben wir im wirtschaftlichen Leben einen enormen Zuwachs an Produktivität erzielt. Die Folgen des technischen Fortschritts scheinen jedoch paradox: trotz gestiegener Produktions- und Versorgungsfähigkeit nehmen Armut und soziale Ungleichheit zu. Erwerbsarbeit wird zunehmend einkommenslos - die ökonomische Entwertung der Arbeit -, gleichzeitig werden Einkommen in Form steigender Kapitalerträge zunehmend ohne Arbeit erzielt.
Grundeinkommen. Der neue Weg?
Die Politik reagiert auf diese paradoxe Faktenlage und Entwicklung, indem sie gebetsmühlenartig neue "Jobs" fordert. Die Lösung der Probleme wird jedoch immer teurer. Die Kosten der sozialen Ungleichheit wie ihrer Verwaltung und die Zerstörung von Leistungsbereitschaft nehmen weiter zu. Bekommen wir den Blick auf im Grunde nahe liegende Lösungen frei?
Die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens zeigt einen Weg, auf dem erste Schritte in die erforderliche Richtung möglich sind. Die bestehenden sozialen Transfersysteme gehören bereits heute zu diesen Grundeinkommenselementen. 720 Mrd. € werden bereits jährlich bewegt. Wäre mit dieser Finanzmasse der Einstieg in das Grundeinkommen finanzierbar?
Was folgt daraus?
Mit einem solchen Grundeinkommen würden die Bürger unseres Landes enorme Freiraumzuwächse für von ihnen selbst gewählte Tätigkeiten erhalten. Mit der ergänzenden Umstellung des Steuersystems - von der Einkommens- und Ertragsbesteuerung hin zur Konsumbesteuerung - würden Leistungsentfaltung und Arbeit nicht mehr belastet. Wären dann nicht gesellschaftliche Wohlfahrtsgewinne durch freigesetzte Initiative zu erwarten?
Prof. Gerd-Günter Voß: “Autark, selbstbestimmt und motiviert - Der Mitarbeiter der Zukunft
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Prof. Günter G. Voß : Ohne Lohn - der arbeitende Kunde
SWR2 Wissen: Aula - Prof. Günter G. Voß : Ohne Lohn - der arbeitende Kunde - ( u.v.a. im Web 2.0 *)
Abschrift eines frei gehaltenen Vortrags. Anmerkung :( kultur-punkt)
Ohne Lohn – der arbeitende Kunde
Autor und Sprecher: Professor G. Günter Voß *
Redaktion: Ralf Caspary
Erst-Sendung: Sonntag, 1. Mai 2011, 8.30 Uhr, SWR2
Wiederholung: Dienstag, 1. Mai 2012, 8.30 Uhr, SWR2
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt.
Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen
Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
ÜBERBLICK
Sie sitzen an Ihrem PC und stellen sich bei einer Firma Ihren Traumschuh zusammen: Farbe, Größe, Form, eventuelle Muster - das alles können Sie selbstständig bestimmen. Oder Sie werden via PC von einer anderen Firma dazu aufgefordert, bestimmte Produkte zu beurteilen und eventuell zu verbessern. Beide Beispiele zeigen nicht nur die schöne neue digitale Konsumwelt, sondern auch, welche Gefahren diese Welt mit sich bringt. Sie als Konsument leisten nämlich in den genannten Fällen für bestimmte Firmen unbezahlte Arbeit. Und das ist ein Problem. Professor Günter Voß, Industrie- und Techniksoziologe an der TU Chemnitz, zeigt die Ursachen und Wirkungen dieser Entwicklung. (Produktion 2011)
Autor
Gerd-Günter Voß studierte Soziologie (mit Psychologie und Politischer Wissenschaft) an der Universität München und ist seit 1994 Professor an der Universität Chemnitz. Er leitet dort die Professur Industrie- und Techniksoziologie. Seine aktuellen Forschungsschwerpunkte sind u. a.: Wandel des Verhältnisses von Produktion und Konsumtion; neue Formen des (technisch vermittelten) betrieblichen Zugriffs auf private Arbeit und Kompetenzen ("Arbeitende Kunden"), vor allem auf Basis 'neuer Medien', wie etwa den web2.0; Wandel des Verhältnisses von Arbeit und Leben, Beruf und Familie ("Lebensführung").
Bücher (Auswahl):
Wie Surfen zu Arbeit wird. Crowdsourcing im Web 2.0. (zus. mit Christian Papsdorf). Campus-Verlag. 2010.
Der arbeitende Kunde. Wenn Konsumenten zu unbezahlten Mitarbeitern werden (zus. mit Kerstin Rieder). Campus-Verlag. 2005.
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INHALT
Das ist ein Wunschtraum der Unternehmen: Sie haben lauter Kunden, die für sie Arbeit verrichten, die man nicht bezahlen muss. Diese Kunden designen sich zum Beispiel selbst die Produkte, die sie kaufen wollen, Taschen, Schuhe, T-Shirts etc.; oder diese Kunden versorgen die Firma mit neuen Ideen in Bezug auf Werbestrategien.
Der Trend ist seit langem zu bemerken, er hat einen neuen Kick durch das Internet erfahren, vor allem durch das neue Web 2.0. Günter G. Voß ist Professor für Industrie- und Techniksoziologie an der TU-Chemnitz, und er beschäftigt sich mit neuen Formen unbezahlter und quasi auch unsichtbarer Kundenarbeit im Internet. In der SWR2 Aula beschreibt Voß diese Formen und erklärt, warum das ein gefährlicher Trend ist.
Günter Voß:
Mein Thema ist, dass es im Web 2.0 in einer zunehmenden Weise neue Formen von Arbeit gibt, die nicht Erwerbsarbeit ist, sondern informell und nicht reguliert – und vor allen Dingen, die nicht bezahlt wird. Bevor ich darauf näher eingehe, möchte ich darauf hinweisen, dass dieses neue Internet oder Web 2.0 auch eine Sphäre von erwerbsförmiger Arbeit ist. Alle möglichen Selbstständigen sind präsent im Internet, es gibt, glaube ich, keinen Arzt, Handwerker oder Anwalt, der nicht eine Web-Seite hat. Es entstehen ganz neue Typen von Selbstständigen, die nur im Internet unterwegs sind: Übersetzer, Designer, Journalisten, Händler, die etwa auf Ebay einen eigenen Shop haben und etwas verkaufen.
Es entstehen auch noch ganz neue Formen von Selbstständigen, nämlich solche, deren Geschäftsmodell ausschließlich über das World Wide Web funktioniert, die ganz besondere Produkte anbieten. Das könnte eine Web-Seite sein, die Informationen über den Sicherheitsstandard von Airlines verbreitet (gleichzeitig aber Werbung der Airlines aufnimmt, worüber man noch einmal gesondert nachdenken kann); oder wenn jemand seine privaten Fotos als semiprofessioneller Hobby-Fotograf ins Netz stellt und glaubt, sie vermarkten zu können – was tatsächlich gelegentlich funktioniert; oder wenn jemand wie ich seine alten Bücher im Internet verkauft; oder wenn jemand eine Seite entwickelt, die berühmt geworden ist für die individuelle Gestaltung von T-Shirts und damit ziemlich viel Geld verdient.
Das sind neue Geschäftsmodelle, die eigentlich nur im Internet funktionieren. Und es gibt noch eine neue Erwerbsform, nämlich Internet-Tagelöhner oder Mini-Jobber. Das sind zum Beispiel Personen, die von großen Unternehmen den Auftrag bekommen, minimale Arbeiten zu übernehmen, etwa von einem großen Buchversender die Bilder in den Büchern zu verschlagworten, weil das eine Software noch nicht übernehmen kann. Für jedes Stichwort bzw. jedes Schlagwort, das sie eingeben, bekommen sie eine Minimalbezahlung (Micro-Pay). Man nennt diese Menschen Klick-Worker oder Micro-Tasker. Inzwischen gibt es große Internet-Portale, die nur diese Form von Mini-Jobs verteilen und vermarkten.
Aber wie gesagt, ich will eigentlich gar nicht über die Erwerbsarbeit reden, sondern über die andere Arbeit im Internet – die informelle, nicht sichtbare, die unbezahlte Arbeit. Ich behaupte, dass das eine wichtige Entwicklung ist, sie wird, so meine ich, breiteste Folgen haben und ist deshalb nicht zu unterschätzen. Hier entsteht eine ganz neue Sphäre, eine ganz neue Qualität gesellschaftlicher Arbeit von großer Dynamik. Und wir sind mitten in dieser Entwicklung beziehungsweise ich glaube fast, wir sind erst am Anfang dieser Entwicklung. Ich werde einige Beispiele nennen, um die Dimension zu verdeutlichen.
Ich möchte vier Felder dieser neuen Arbeit unterscheiden und lehne mich damit einigen Kategorien an, die in der Soziologie der Arbeit – das ist mein wissenschaftliches Fach – durchaus gängig sind.
Das erste Feld ist eine neue Form von Freiwilligen-Arbeit im Internet, manche würden vielleicht auch von ehrenamtlicher Arbeit sprechen, was hier aber nicht so ganz passt. Die berühmteste Form ist die so genannte Wiki-Bewegung. Die ist den meisten Internet-Usern bekannt, gemeint ist die Online-Enzyklopädie Wikipedia. Hier nehmen viele User die Aufgabe auf sich, ganze Artikel zu schreiben oder Artikel zu überarbeiten. Das ist eine sehr aufwändige, kollaborative und kooperative Arbeit von vielen Menschen, oft Laien, die viel Mühe investieren, aber dafür nichts bekommen außer der Ehre, daran beteiligt zu sein. Eine Variante der Wiki-Bewegung ist die so genannte Open-Source-Bewegung. Das sind mehr oder weniger etablierte Programmierer, die an Software arbeiten, Betriebssysteme entwickeln, allen voran das berühmte Linux, ein Hauptkonkurrent des Marktführers.
Es haben sich eine Fülle von Selbsthilfeaktivitäten und Selbsthilfenetzwerken im Internet gebildet zu allen möglichen Themen. Um es ein bisschen ironisch zu sagen: das geht von Blinddarm bis Backrezept, von Hundehaltungen bis zu Ratschlägen für den Hausbau. Daneben gibt es Tauschbörsen für eigentlich alles, unter anderem Tauschbörsen für soziale Kontakte, nämlich Partner-Tauschbörsen aller Art, mehr oder weniger solide oder seriös. Es gibt eine große Sphäre von Aktivitäten, die sich mit Kultur und Politik beschäftigen. Das ist der Bereich von aktiven Bürgern, den sogenannten Bloggern oder Twitterern. Ich bin selber aktiver Twitterer. Das sind Menschen, die sich öffentlich äußern wollen zu allen möglichen Themen, so genannte Bürger-Journalisten (citizen journalists).
Berühmt ist auch der Wiki-Plug, das ist die Wiki-Seite, wo viele Menschen kollaborativ die Dissertation eines berühmten Politikers auseinander genommen haben. Wie man weiß, waren sie sehr erfolgreich damit. Und auch aktuell ist immer noch das kollektive Strahlenmess-System in Japan rund um Fukushima, das entstanden ist, weil die japanische Regierung nicht in der Lage ist, ihre Bürger mit angemessenen Daten über die Verstrahlung ihrer Wohngebiete zu versorgen.
Ein weiteres Beispiel sind die citizen scientists: Bürger, die als Wissenschaftler arbeiten. Entstanden ist diese Idee bei der Nasa, die eine große Anzahl von Aufnahmen wahrscheinlich von irgendwelchen Sternen und kosmischen Erscheinungen hatte, aber nicht genügend Gelegenheiten, diese auszuwerten. So hat die Nasa die Bilder kurzerhand ins Internet gestellt und vergibt kleine Aufträge an interessierte Bürger, vielleicht Krater zu vermessen oder Krater zu suchen oder
Ähnliches. Bezahlt werden die Menschen nicht, sie sind einfach nur stolz darauf, am großen Geschäft der Wissenschaft beteiligt zu sein. (click-worker)
Ein letztes, ganz aktuelles Beispiel: Etliche Museen haben Dinge in ihren Befunden, von denen sie nicht genau wissen, was diese Dinge darstellen oder symbolisieren. Sie stellen die Bilder ins Netz und fragen: „Wisst Ihr, was das ist? Das ist ein seltsames Instrument, wir haben es in unserem Technikfundus, aber wir wissen nicht, was es ist.“ Und das scheint zu funktionieren.
Es gibt also eine große, unüberschaubare, vielfältige und irgendwie auch amüsante und gesellschaftlich nützliche Sphäre von Arbeit, die die meisten gar nicht als Arbeit wahrnehmen, die nicht bezahlt wird, die aber eine große gesellschaftliche Bedeutung hat. Das sind alles freiwillige Tätigkeiten im Internet in unterschiedlichsten Ausmaßen.
Eine zweite Sphäre würde ich Eigenarbeit im Internet nennen, also eine Arbeit, die man für sich macht und nicht wie im Beispiel vorher für irgendwelche gesellschaftlichen Bedürfnisse. Wir alle, die wir im Internet unterwegs sind, beschaffen uns fast selbstredend Informationen im Internet über Dinge, die uns interessieren oder betreffen, sei es eine Krankheit oder ein Artikel, den wir kaufen wollen, ein Reise etc. Das haben wir zwar auch vor dem Internet-Zeitalter getan, aber bei weitem nicht in einer solchen Intensität wie heute. Gerade die jüngere Generation geht kaum noch in einen Laden, ohne vorher Preisvergleiche im Internet angestellt zu haben. Man findet Partner im Internet, man pflegt seine Freundschaften, entwickelt neue Freundschaften und macht das, was Soziologen schlicht Beziehungsarbeit nennen. Das ist die Sphäre der klassischen social networks: Facebook, StudiVZ, Xing und vieles andere mehr.
Und natürlich ist das Internet eine Sphäre der Selbstdarstellung. Das meine ich gar nicht mal nur negativ. Fast jeder Profi braucht eine eigene Website als Teil der Selbstvermarktung. Ein paar Zahlen zu Facebook, um die Dimension zu verdeutlichen: Facebook hat 700 Millionen Mitglieder, der tägliche Zuwachs beträgt eine Million neuer Mitglieder. Innerhalb von 20 Minuten werden drei Millionen Fotos werden hochgeladen. Facebooks Top-Seite ist die eines großen Softdrinks-Anbieters, nämlich Coca-Cola, mit 24 Millionen sogenannten „Freunden“. Im Jahr 2010 wurden auf Youtube 13 Millionen Stunden Video hochgeladen und 700 Milliarden Videos angeschaut. Das sind keine Peanuts, das sind gigantische Ausmaße.
Eine dritte Sphäre sind die arbeitenden Kunden im Internet, und jetzt wird es ökonomisch spannend. Das sind Kunden, die Arbeiten im Internet verrichten, die nicht nur zu ihrem eigenen Nutzen, sondern auch zum Nutzen der Unternehmen sind. Sie arbeiten den Unternehmen zu. Hier möchte ich zwei Formen unterscheiden. Die erste Form ist eine erweiterte Selbstbedienung. Selbstbedienung gibt es schon seit den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts, als man begann, sich die gewünschten Artikel selbst aus dem Regal zu nehmen. Inzwischen hat das neue Formen angenommen. Es ist inzwischen fast normal, dass wir, nämlich 27 Millionen Deutsche, Online-Banking betreiben, dass wir Bahntickets online kaufen, 31 Millionen Deutsche tun das in einem Jahr. Wir betreiben Online-Shopping, viele Menschen kaufen nur noch über das Internet. Der größte Online-Versand von
Büchern vermarktet inzwischen alles Mögliche von Schrauben bis Unterhosen – und natürlich auch Bücher. Alle, die sich im Internet bewegen, wissen, wie mühsam es sein kann, sich eine Software selbst zu installieren und immer wieder zu aktualisieren und dass das ständig schiefgeht. Selbst wenn wir eine Hardware installieren, müssen wir ins Internet gehen. Wenn wir einen Kühlschrank kaufen, müssen wir ihn vorher online prüfen, und wahrscheinlich wird er sogar irgendwann online vernetzt. Das ist viel Arbeit, die wir erbringen müssen, denn es ist niemand mehr da, der uns berät. Man kann ja mal versuchen, eine Hotline anzurufen, um Hilfe zu erbitten – meistens kommt man da nicht durch.
Daneben müssen wir noch Selbstberatung betreiben, denn auch professionelle Beratung ist selten geworden. Handbücher, die wir bekommen, sind oft kaum zu verstehen, so dass sie meist in der Ecke landen. Ich denke, das ist bei den meisten Menschen so.
Hervorheben möchte ich nun das Mass-Customization, eine eigenartige Wortschöpfung. Unter Mass-Customization versteht man ein Produkt, dass zwar ein Massenprodukt ist, es wird jedoch individuell konfiguriert. Ich kann mir wie schon erwähnt ein T-Shirt nach meinen persönlichen Wünschen erstellen lassen, ich kann mir ein Müesli oder eine Schokolade zusammen basteln und dabei unter den verschiedensten Zutaten, mitunter ganz absurden Zutaten wählen und sie, individuell verpackt, meiner Frau schenken. Ich kann mir Schuhe designen lassen und ich kann mir sogar, was ich mir gar nicht vorstellen kann, ein individuelles Parfum mischen lassen. Im Internet finde ich ein Tool dafür, es gibt 20 Ingredienzen, ich stelle mir meinen eigenen Duft zusammen und der wird zu mir nach Hause geliefert in einem Flakon, den ich mir auch gestalten kann. Das ist Mass-Customization. Dass ich mein Auto maß-konfigurieren kann, ist fast schon selbstverständlich. Das ist wunderbar! Ich bekomme meine ganz eigene Schokolade – die Arbeit erledige aber ich. Nebenbei freut sich das Unternehmen sehr, wenn ich ein neues interessantes Rezept entwickele, das es gesondert vermarkten kann.
Ein zweites, ökonomisch äußerst interessantes Feld möchte ich hervorheben, bei dem es um viel Geld geht. Es geht um Kunden, die Arbeiten im Internet nicht für sich selbst ausführen im Sinne von Selbstbedienung, sondern sie arbeiten Unternehmen zu. Die Unternehmen fahren dadurch mitunter immense Gewinne ein – wenn das Geschäftsmodell funktioniert, was nicht immer der Fall ist. Auf den ersten Blick wirken diese Arbeiten jedenfalls harmlos:
Wir alle haben uns daran gewöhnt, dass wir nach einem Kauf im Internet Rückmeldungen abgeben, in Form von Sternchen, die wir vergeben, Kommentare und Bewertungen, die wir hinterlassen. Damit sind wir Teil der betrieblichen Qualitätskontrolle. Das hat eine hohe Bedeutung für Unternehmen, denn bisher mussten sie das selbst erledigen, jetzt haben ihre Kunden das übernommen. Für jeden Einzelnen ist das nur ein kleiner Schritt, für das Unternehmen hat das eine große Bedeutung.
Aber es geht weiter: Kunden entwickeln an ganz vielen Stellen Ideen. Systematisch wird versucht, Ideen der Kunden für alles Mögliche abzurufen. Große Kampagnen sind damit berühmt geworden, zum Beispiel „Starbucks Idea“. Starbucks hat weltweit dazu aufgerufen, Ideen für die Gestaltung ihrer Angebote zu machen. Und es hat
funktioniert: Tausende von Design-Ideen gingen ein, die Starbucks auswerten konnte. Gekostet hat das das Unternehmen erst mal fast nichts. Dell hat das nachgeahmt, in Deutschland macht es Tchibo, Lego lässt von Vätern neue Lego-Schachteln entwickeln und vermarktet das.
Das sind Produktideen von größter Bedeutung, weil sie direkt vom Kunden kommen und nichts kosten. Sogar gesamte Inhalte von Unternehmen werden von Kunden entworfen und geliefert. Wir hatten schon Youtube angesprochen. Youtube lebt von nichts anderem als von den Inhalten, die die Konsumenten oder User produzieren, und verdient damit eine Menge Geld. Man nennt das user generated content (nutzergenerierter Inhalt), eine gängige Formulierung für ganz viele Anbieter im Internet. Dazu gehören zum Beispiel auch Ebay und Facebook, letztere Firma lebt nur davon, dass Millionen Menschen Inhalte einstellen, und dieses Portal versucht damit, Geld zu verdienen.
Auch konventionelle Medien greifen darauf zurück, dass die Menschen, die Zuhörer, Zuschauer und Leser sich an allen möglichen Diskussionen beteiligen, im Internet ihre Meinung hinterlassen und Kommentare abgeben. Das macht inzwischen einen großen Teil der Print-Journale aus.
Es gibt eine Fülle von Beratungs- und Info-Seiten, von Bewertungsseiten für fast jedes Produkt, aber auch für Lebensfragen aller Art, zum Beispiel die Seite „Frag Oma“. Diese Seite funktioniert so, dass ein Nutzer eine Frage stellt, vielleicht wie ein bestimmter Fleck aus meiner Hose entfernt werden kann, und ein anderer User hat möglicherweise eine Antwort darauf. Dieses Angebot besteht ausschließlich aus Fragen und Antworten der Nutzer.
Ein wichtiger Begriff an dieser Stelle ist das sogenannte Crowdsourcing. Dieser Begriff ist abgeleitet von dem Wort Outsourcing, das besagt, dass eine Firma Aufgaben nicht selbst erledigt, sondern sie woanders einkauft. Crowdsourcing ist ein tausendfach genutztes Mittel im Internet, es geht darum, Möglichkeiten zu finden, wie User dazu gebracht werden können, etwas zu generieren, das vermarktet werden kann. Dabei geht es um viel Geld. Und das sind Portale, die nur funktionieren, weil User etwas hochladen.
Die Geschichte weitet sich aus. Inzwischen gibt es das E-Government. Bürger werden an vielen Stellen aufgefordert, über das Internet alle möglichen Dinge selbst zu erledigen. Bekanntes Beispiel ist die elektronische Steuererklärung Elster, die wir in Zukunft alle selbst machen müssen und dabei nicht nur unsere Daten eintragen müssen, sondern wir müssen auch selbst kontrollieren, ob die Berechnungen stimmen. Sie werden, abgesehen von Stichproben, nicht mehr überprüft. Ich muss also selbst die Berechnungen nachvollziehen und trage entsprechend die Verantwortung für die Richtigkeit meiner Steuererklärung, nicht mehr der Bearbeiter im Finanzamt. Ähnlich funktionieren viele Bereiche: die Gewerbeanmeldung, Fahrzeuganmeldung, vielleicht irgendwann sogar die Anmeldung eines neugeborenen Kindes. Außerdem gibt es die Möglichkeit, im Internet Strafanzeige zu stellen. Bürger erbringen aktiv Leistung, manchmal sogar als Hilfspolizisten. Bei uns ist das noch nicht so gängig, aber die US-Border-Patrol an der Grenze zu Mexiko hat überall Videokameras aufgestellt, im Internet kann man die Videos buchen und dann damit auf Fang gehen und Leute melden, die dann von der US-Border-Patrol
festgenommen werden. Das mag uns außergewöhnlich erscheinen, ist aber ein Vorgeschmack auf das, was uns noch passieren kann.
Bürgermeister starten Umfragen, um ihre Bürger zu befragen, ob das örtliche Schwimmbad geschlossen werden soll oder nicht, weil die Kommune kein Geld mehr hat. Die Obama-Regierung ist berühmt dafür, dass sie systematisch ihre Bürger befragt, nicht nur um Meinungen herauszufinden, sondern auch um Ideen zu bekommen, was man anders machen kann, vor allen Dingen, wo man Einsparungen vornehmen kann.
Manche Kommunen betreiben ein sogenanntes crowdfunding. Darunter versteht man das Besorgen von Kapital über die Masse von Usern. Ein Fußballclub hat Fans dazu aufgefordert, kleine Summen zu spenden, um eine interessante Mannschaft zusammen zu stellen. Im Gegenzug dürfen sich die Fans an der Mannschaftsaufstellung beteiligen.
Ein weiterer Begriff ist E-health. Zunehmend werden im Medizinbereich Kosten auf Patienten abgewälzt. E-health oder Tele-Medizin sind Stichworte dazu. Das ist eine ambivalente Angelegenheit. Jeder ist froh, wenn die Oma ein Gerät bekommt, das ihren Blutdruck misst, die Werte werden ins Internet gestellt und der Arzt kann, wenn nötig, schnell reagieren. Inzwischen verlangen Krankenkassen in anderen Ländern, dass man erst übers Internet sich mit einem Experten bespricht, bevor man einen realen Arzt aufsuchen darf. Der Experte stellt eine Ferndiagnose und macht eventuell eine Fernbehandlung. Wenn das Internet dazu genutzt wird, dass ich zuerst eine Selbstdiagnose stellen muss, dann wird es gefährlich.
Aber immerhin: Jährlich kontaktieren 15 Millionen Deutsche regelmäßig Gesundheitsportale aller Art, um sich zu informieren. Das sind Portale wie netdoktor.de, sprechzimmer.de oder netgate.ch mit dem besonderen Angebot „doc around the clock“, was bedeutet, „unser Arzt ist immer für Sie da“. Ich finde das gar nicht so schlecht. Aber schauen Sie sich mal medgle.com an, dort können Sie Symptome eingeben und bekommen einen Diagnose-Vorschlag – und natürlich Werbung, welche Medikamente Sie benutzen können. Spätestens bei solchen Beispielen wird es unseriös.
Auch der Bildungsbereich ist ins Internet gewandert. Ein Stichwort dazu ist E-Learning. Ich warte schon darauf, wann es die ersten virtuellen Professoren gibt und ich meinen Job verliere. Virtuelle Universitäten gibt es, das muss ja nicht schlecht sein, die Konsequenz ist trotzdem, dass die Studierenden immer mehr Arbeit machen müssen.
Und noch etwas Absurdes: Es gibt auch E-Churches. Gehen Sie mal auf beichte.de. Dort können Sie online eine Beichte ablegen mit Glockengeläut, Weihrauch können Sie zwar noch nicht riechen, aber – man ahnt es schon – Sie bekommen auch online eine Absolution, natürlich mit der Auflage, drei Vater Unser zu beten.
Erste Frage: Was steckt eigentlich dahinter, wer sind die Akteure und was sind ihre Interessen? Zum einen sind es natürlich – ich denke, das ist deutlich geworden – die Organisationen oder Unternehmen, die schlicht ihre Kosten senken, denen es aber auch über Crowdsourcing gelingt, produktive Leistungen ihrer Nutzer, also ihrer
Kunden, Patienten etc., abzurufen und direkt in ihre Wertschöpfung einzuspeisen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Dinge, die die Kunden machen, verbunden sind mit Werbeauftritten oder dem Abzocken von Daten aller Art. Damit werden Millionen-Gewinne gemacht. Das betriebswirtschaftliche Stichwort der Wertschöpfungspartner, dass nämlich der Kunde oder User neuerdings ein Partner des Betriebes bei der Herstellung von Gewinn ist, ist ein Euphemismus, denn das sind keine Partner auf gleicher Augenhöhe.
Warum machen die User das mit? An vielen Stellen haben sie gar keine andere Wahl. Sie können ja mal versuchen, eine Bank zu finden, die noch einen Schalter hat. Wenn Sie Ihr Bahnticket am Schalter kaufen, müssen Sie einen Aufschlag bezahlen gegenüber dem Online-Ticket. Manchmal hat man online tatsächlich einen kleinen Preisvorteil, aber Sie ahnen es, sobald sich das Online-Verfahren etabliert hat, werden die Preise angehoben. Nicht selten ist es aber auch so, dass Online-Arbeiten Spaß machen – wenn man es kann und es funktioniert. Manchmal spart man auch Zeit oder Aufwand. An vielen Stellen hat man sich aber schlicht daran gewöhnt wie zum Beispiel beim Online-Banking. Wir machen es, obwohl wir es stressig finden. Und wenn man sich auskennt, kann man vielleicht die eine Bank gegen die andere ausspielen, um zum Beispiel höhere Zinsen zu bekommen oder bessere Konditionen für den Kredit.
Nicht zuletzt gibt es eine neue Generation von jungen Menschen, die ins Internetzeitalter hineingewachsen ist und die es gar nicht anders kennt, die es völlig selbstverständlich findet, dass wir überall im Internet die Arbeit machen.
Eine letzte Bemerkung zum Thema Arbeitsgesellschaft, mit dem ich angefangen habe. Über das Internet wird die Arbeitsgesellschaft ausgeweitet. Es entsteht eine ganz neue Form von Gesellschaft, die systematisch auf Selbsterledigung umgestellt wird. Und diese Selbsterledigung bedeutet in jeglicher Hinsicht Arbeit, eine Arbeit, die in fast allen gesellschaftlichen Sphären ausgeführt wird. Ein paar absurde Beispiele hatte ich ja genannt.
Die berühmte Informations- und Wissensgesellschaft basiert in diesem Sinne auf zunehmend aktiven, produktiven und damit auch arbeitenden Menschen, wobei es sich nicht mehr nur um Erwerbsarbeit handelt, sondern um neue, sehr intensive, anstrengende, Qualifikation erfordernde private Arbeit im Internet. Dies hat eine Menge von Folgen, und ich will das nicht nur so beschreiben, dass das von Elend wäre, denn wer es hinbekommt, hat große Vorteile. Aber wir müssen natürlich fragen, wer bekommt es nicht hin? Was ist mit denen, die die Qualifikationen nicht haben? Was ist mit denen, die die entsprechenden Ressourcen nicht haben? Man muss ja immer die neueste Generation von Hard- und Software haben, ich denke, alle zwei bis drei Jahre muss man einen Austausch vornehmen, das kostet ziemlich viel Geld. Das können sich viele Leute nicht leisten. Und ich würde sagen, die sind eher Verlierer dieser Prozesse.
Die neue Arbeit im Internet beinhaltet auch eine philosophische Frage: Was ist dann eigentlich Arbeit in der Gesellschaft? Ich würde sagen, es gibt wahrscheinlich keine einheitliche Definition, sondern es gibt unendlich viele Formen von Arbeit in der Gesellschaft. Und wir fangen an, das zu begreifen. Das macht den Begriff Arbeitsgesellschaft noch einmal in ganz neuer Weise relevant.
Nicht zuletzt ist, und damit möchte ich schließen, auch die Politik gefragt; all das, was ich eben beschrieben habe, muss möglicherweise an der einen oder anderen Stelle reguliert werden, und damit meine ich nicht nur den Datenschutz. Sondern es stellt sich die Frage, ob viele Prozesse nicht schlichtweg begrenzt oder zumindest gestaltet werden müssen. Das Stichwort der Netzwerkpolitik, das ganz aktuell überall diskutiert wird, meint nicht nur, dass alle User freien Zugang zu allen Inhalten bekommen sollen, sondern dass die Politik ein Stück weit Verantwortung übernehmen muss. Denn wer vertritt die Interessen der User, die im Internet arbeiten? Die Gewerkschaften sind es nicht, die Verbraucherschützer sind es auch nicht. Es haben sich übrigens die ersten Internet-Gewerkschaften gebildet, in denen Leute, die im Internet arbeiten, etwa Entwickler von Androids oder Apps, versuchen, sich international zu organisieren. Es muss also etwas passieren, damit diese Arbeitenden in irgendeiner Weise geschützt oder zumindest ihre Interessen artikuliert werden.
Es ist auch eine Aufgabe für jeden persönlich, sich selbst zu schützen. Das müssen wir neu lernen. Vielleicht müssen wir lernen, nicht nur abzuschalten, sondern einfach mal auszuschalten – Internetabstinenz oder World Wide Web-Fasten an einem Tag in der Woche, das ist ein guter Weg. Ich kann Ihnen versichern, ich versuche das und es gelingt mir so gut wie nicht. Aber ich weiß, wie wichtig das wäre. Und vielleicht müssten wir lernen, die schöne alte analoge Welt, den ganz praktischen Alltag wieder neu zu schätzen und uns dessen Qualitäten wieder in Erinnerung zu rufen.
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Christian Müller und Daniel Straub : Die Befreiung der Schweiz . Über das bedingungslose Grundeinkommen
Online-Publikation: Mai 2012 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Christian Müller und Daniel Straub : Die Befreiung der Schweiz . Über das bedingungslose Grundeinkommen >>
120 Seiten, Pappband, ISBN 978-3-85791-673-1
Limmat Verlag Zürich; www.limmatverlag.ch
INHALTSFOLGE
1 Buchvernissage und Gespräch
2 Die Protagonisten
3 Fazit mit Quintessenz: Das Modell Grundeinkommen / GE-CH-2050
1
Buchvernissage und Gespräch
über das bedingungslose Grundeinkommen mit Adolf Muschg und Enno Schmidt. Moderation: Daniel Straub
Das Konzept ist so einfach wie radikal: jeder Mensch in der Schweiz erhält jeden Monat 2500 Franken. Ohne wenn und aber. Wer arbeitet, verdient mehr, wer nicht arbeitet, eben nicht. Christian Müller und Daniel Straub präsentieren ihr Buch „Die Befreiung der Schweiz” und erklären, warum sie das bedingungslose Grundeinkommen für die wichtigste Idee für das 21. Jahrhundert halten und wie das Finanztransfermodell tatsächlich funktionieren kann.
www.bedingungslos.ch
2
Die Protagonisten
„Nicht arbeiten ist auf die Dauer mühsamer als arbeiten.” Peter von Matt
Mit den Gästen:
Adolf Muschg, Schriftsteller
Enno Schmidt, Künstler
Moderation: Daniel Straub
Weiter mit:
Götz Werner zum Grundeinkommen in der Schweiz
Sophie Hunger, Grundeinkommen in Chur
Oswald Sigg, Der befreite Menschenfreund
Die Befreiung der Schweiz – über das bedingungslose Grundeinkommen” « Freiheit statt Vollbeschäftigung
Hörpunkt
Anders wirtschaften
DRS1 zur Lancierung der Volksinitiative
Rafael von Matt berichtet für Radio DRS 1 zur [...]
Kurzer Bericht zur Lancierung der Volksinitiative in der Tagesschau SF1
Die Tagesschau des Schweizer Fernsehens berichtet kurz und knapp [...]
Der Kampf gegen die Angst vor Faulheit
Die TagesWoche berichtet von der Medienkonferenz zur Lancierung der [...]
Die ungewöhnlichste Volksinitiative
Kontroverse Debatte beim BLICK zum Grundeinkommen. Die ungewöhlichste Volksinitiative Schalten [...]
SF Kulturplatz – Bedingungsloses Grundeinkommen
Ein ausgezeichneter Beitrag [...] 2500 Franken pro Monat für alle
Umverteilung von Geld und Macht
Oswald Sigg im Tages Anzeiger zur Lancierung der Volksinitiative: Video [...]
Volksinitiative zum bedingungslosen Grundeinkommen im Bundesblatt publiziert!
Wie hoch soll das bedingungsloses Grundeinkommen sein? von 1500 bis 3000 Franken
3sat – Freiheit und GrundeinkommenZDF log in – Grundeinkommen für alle3sat schweizweit – Grundeinkommen für alleARD – Susanne Wiest bei MaischbergerZDF – NachtstudioFilm (2)
Grundeinkommen – ein KulturimpulsFreiheit und GrundeinkommenRadio (4)
DRS 2 – Hörpunkt: Anders wirtschaftenDRS 1 Doppelpunkt – Utopie oder Chance?Deutschlandfunk – Feature zum GrundeinkommenDRS 2 Reflexe – Plädoyer für eine radikale IdeeBuch (3)
Daniel Straub und Christian Müller – Die Befreiung der SchweizGötz Werner & Adrienne Goehler – 1000 Euro für JedenDie Finanzierung eines bedingungslosen Grundeinkommens – Seismoverlag
Beobachter Spezialausgabe: Ideen und Visionen für die Zukunft der SchweizTAZ – Der Turmbauer zu Baselbrand eins – Wer nicht muss, der kannEnno Schmidt – Die Begründung des Grundeinkommen aus der KunstAktion (2)
Zürcher Kongress 2011Petition an den Bundestag 2009/10Endo Anaconda Gottlieb Duttweiler David Precht Erich Fromm Jean Ziegler Sophie Hunger Joseph Beuys Götz Werner Enno Schmidt Ina Praetorius Gegen das Grundeinkommen – Pascal Gentinetta Ursula Piffaretti Christian Müller Adrienne Goehler Daniel Straub Klaus Maria Brandauer Judith Giovanelli-Blocher Klaus Wellershoff Anna Rossinelli Oswald Sigg Gegen das Grundeinkommen – Roger Köppel Gegen ein Grundeinkommen – Beat Kappeler Gegen ein Grundeinkommen – Katja Gentinetta < >
3
Fazit mit Quintessenz: Das Modell Grundeinkommen / GE-CH-2050
Ein Versuch das Gewirr von Meinungen und Haltungen zu verdichten : "Über das bedingungslose Grundeinkommen / GE ".
In acht Gesprächen wird von Christian Müller und Daniel Straub mit - 1. E. Anaconda , 2. I. Praetorius, 3. P. A. Fischer , 4. G. Sander, 5. R. Zapfel, 6. K.W. Wellershoff und 7. P.v. Matt und 8. "Es ist immer zu früh" über " Die Befreiung der Schweiz" diskutiert, ad 1.-8.:
Die Quintessenz
0. Die Schweiz ist ein prädestiniertes Land für Kulturimpulse, Start-up Firmen und Produkteinführungen, wobei dank steigender Motivation auch die Burnout-Rate etwas u.a. gesunken ist ...
1. Angebliche Faulheit ist, wenn einer kein Geld verdient - weil zuhause tätig - oder -ein Kunstwerk schafft, das keiner will - es geht dabei ungeachtet um Freude und Sinnschöpfung für sich und mit Blick auf Wahlverwandte, die Gesellschaft, die Welt ...
Allerdings ist Geld aber auch ein praktisches Mittel, um das Zusammenleben mit Sinn und Zufriedenheit zu organisieren, und das GE macht das Geld etwas weniger wichtig und die Leute freier... dabei gilt es Arbeit und Einkommen zu entkoppen und die Sorge für andere als unerlässlich zu nehmen ....
2. Es liegt an der Fantasielosigkeit und Ängstlichkeit der Kirchen die Liebe als Lebensmittel (mit GE) zu allen Menschen bedingungslos zu sehen..
Die Wirkung des GEs kann sich nur entfalten, wenn es eine Höhe hat, die zu einem anständigen Leben reicht ....
Das nahe Erfolgsmodell zum GE ist die AHV, aber sie unterscheidet sich, dass sie nicht bedingungslos wirkt ....
3. Wenn ich jeden Monat 2500 Franken bedingungslos erhalte, werde ich sicher weiterarbeiten .. ist meine Arbeit gefragt werde ich dafür einen höheren Lohn gezahlt bekommen ....
Ich schlage als Anreiz zur Arbeit (der zu wenig spielt) eine negative Einkommenssteuer vor, wobei nur die unteren Einkommen staatliche Gelder erhalten ...
also auf das bestehende System aufpfropfen ...das senkt auch die Sozialausgaben ..
Die Finanzierung: Das GE wächst in die bestehenden Löhne hinein. Bei Staatsangestellten ist das GE eine kleine Änderung. Bei Privatarbeitnehmern ist die Arbeit durch GE günstiger, es sinken die Kosten für Produktion und Dienstleistungserbringung ... so kann die Einsparung mit der Konsumsteuer für die Finanzierung des GEs abgeschöpft werden ...
Die GE-Dynamik muss machbar und begleitend erforscht werden, da die Forschung sich oft rein quantitativ auf Geldflüsse und Schwankungen des BIP ausgerichtet ist (Konsumsteuer spielt dabei eine wesentliche Rolle)... jedenfalls soll das Ergebnis eines demokratisch-politischen Prozesses, dass das bedingungslose GE finanzierbar ist ...
4. Die verlockende Hängematte GE: Dagegen hält der Anreiz zur Arbeit 1. Geld ( da GE ein Existenzminimum darstellt ) und 2. Flexibilität für lebensbegleitendesLernen, Auszeiten und Schwankungen in der Beschäftigungslage auslöst ..
Es gibt drei Möglichkeiten für unbeliebte Arbeiten : 1. Jede/r macht sie selber 2. Unangenehmes den Automaten überlassen 3. Arbeiten attraktiver machen und besser bezahlen ... zu beachten noch: einige viele Menschen suchen/wagen/haben keine Vision, andere wenige leben parasitär, leisten sich ihr/en Ego-Trip/Projekt 5. Es gibt auch massive Widerstände zu GE: Das GE widerspricht dem Leistungsprinzip, dass sich viele nicht zur Existenzsicherung anstrengen werden
(Politikermeinungen) ... dagegen gibt es nicht Ruhe im Alter sondern es geht um Motivation und Freude etwas zu bewirken ....
6. Es gibt die Vermutungen: I. die Wirtschaft schrumpft ; II. zu wenige Arbeitskräfte stehen zur Verfügung; III. zuviel Wirtschafts-Geld fliesst in das GE ; IV. das GE
führt zu Inflation; V. Grundeinkommen ist Kommunismus ; Dagegen gilt : Die Wirtschaft ist nach wie vor in der Lage die materiellen Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen- dank GE - aber klüger organisiert und besser auf die Menschen zugeschnitten ..Die gesellschaftlichen Umwandlungen der nächsten Jahre / Jahrzehnte werden gewaltig sein... neue Antworten sind gefragt ... Die Facetten der Debatten: das Gute, sie sind interessant und vielseitig ... es gibt Überlegungen zur Gerechtigkeit ...richtige Prioritäten setzen ... und GE ändert nichts an den Gesetzen zur Migration .... und alle Menschen die in einem GE-Land wohnen erhalten das GE 1/4. die Kinder und ansteigend 1/1 die Erwachsenen
7. Der Gerechtigkeitsbegriff GE: der Begriff selbst ist ungelöst ... mechanische Gleichverteilung ist keine Lösung .. aber GE ist eine Kombination zweier Gerechtigkeitsmodelle: Gesamt-Reichtumsgleichheit und/oder Chancengleichheit = politisch ungelöst ...
GE ist im Grunde eine Grundinvestition, denn der Staat investiert in jeden Bürger, dass er produziert, natürlich neigt ein gewisser Teil des Gesellschaft zum Schmarotzen, die meisten aber arbeiten gern.....historisch gibt es Genossenschaften/ Kooperationen, Allmenden, Wasser-/Waldgemeinschafts-Wechselnutzung....
Aus dem gemeinsamen Besitz sollen alle leben können, und die Arbeitslustigen sorgen dafür, dass er nicht abnimmt.
8. Es ist zwar immer zu früh, aber: In Schritten einführen, und nicht alle Effekte sind vorhersehbar, die Verflechtung unseres Lebens ist inzwischen so dicht, dass die Gestaltung der Gesellschaft uns interessieren muss, das GE ist ein logischer Schritt in die Zukunft.. dem allen (ausgewählt und hinzugefügt von zwei visionären Utopisten) schliessen wir uns an . m+w.p12-5