SWR2 Fünf vor Sechs - Detlef Kühn: Sterben für Deutschland - oder - Die Bierdeckel-Rente
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SWR2 Fünf vor Sechs - Detlef Kühn: Sterben für Deutschland - oder - Die Bierdeckel-Rente
 Autor: Detlef Kühn
 Redaktion: Johannes Weiß, Kaja Nickl
 Sendung: Freitag, 04.05.2007, 05.55 Uhr, SWR2
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 INHALT
 Sterben für Deutschland – oder - Die Bierdeckel-Rente
 Die Politik unternimmt derzeit alles,
 um uns das Älterwerden zu vermiesen.
 Unsere Rente bekommen wir jetzt
 zwei Jahre später. Mit 67 
 Dass das Sinn macht,
 wenn man die leeren
 Rentenkassen betrachtet,
 die demographische Entwicklung
 im Auge behält
 und zugleich berücksichtigt,
 dass in Deutschland
 schon die 50jährigen
 keine Arbeit mehr haben -
 dass die Rente mit 67
 also Sinn macht
 und volkswirtschaftlich vernünftig ist,
 das hat Bundesarbeitsminister
 Franz Müntefering
 selbst ausgerechnet.
 Das konnte er, weil
 für so ein Rechenkunststück,
 wie er versichert hat,
 Volksschule Sauerland völlig ausreicht.
 Vermutlich hat er die Rente mit 67
 sogar auf einem Bierdeckel
 durchgerechnet – so
 wie sein sauerländischer
 CDU-Kollege Friedrich Merz
 seinerzeit die von ihm 
 propagierte Steuerreform.
 Rechnen auf Bierdeckeln –
hier sind die sauerländischen Schulen
 allen anderen eindeutig voraus.
 Dazu brauchen wir kein Pisa –
da reicht schon ´ne normale Pils-Studie.
 Als jetzt nach Jahren von Null-Runden
 endlich die Renten erhöht wurden,
 konnte einem trotzdem wieder
 die Lust am Älterwerden vergehen.
 0,54 Prozent mehr Rente –
um auszurechnen, was wir da
 pro Monat mehr auf dem Konto
 oder im Portemonnaie haben,
 ist ein Bierdeckel schon viel zu groß.
 Da reicht eine Briefmarke.
 Auf die schreiben wir
 eine dicke, fette Null.
 Experten sagen, dass wir uns
 hinsichtlich der Renten
 erst noch am Anfang
 einer Entwicklung befinden,
 deren dickes Ende uns
 den Atem verschlagen werde:
 Was uns bevorstehe
 sei Altersarmut riesigen Ausmaßes.
 In dieser Situation hilft es
 dem Staat überhaupt nicht,
 wenn wir später in Rente gehen.
 Wir müssen ganz auf die Rente verzichten.
 Da sich das nur ein kleiner Prozentsatz
 leisten kann,
 bleibt für die anderen eigentlich nur eine Möglichkeit,
 um Franz Müntefering
 weitere Rechenkunststücke zu ersparen:
 Wir müssen früher sterben.
 Das Motto muss lauten:
 Sterben für Deutschland.
 Das allerdings ist gar nicht so einfach.
 Unter Ärzten, Gen-Forschern, Pharmakologen,
 Ernährungs-wissenschaftlern und Bio-Bauern
 hat sich das Rentenproblem
 noch nicht herumgesprochen.
 Sie tun weiterhin alles dafür,
 dass wir noch länger leben –
und niemand bremst sie:
 Sie zwingen uns zu Vorsorgeuntersuchungen,
 durchforsten unser Gen-Material,
 erfinden für jede Krankheit eine Pille.
 Und haben uns schon so weit,
 dass wir anstandslos
 Bio-Möhren knabbern.
 Das Gesundheitsbewusstsein
 wächst enorm.
 Nordic-Walking boomt.
 Bei den Weight-Watchers
 löst sich Fett zentnerweise
 in Wohlgefallen auf.
 Und sogar Johannes Heesters
 will sich jetzt das Rauchen abgewöhnen.
 Mit 103.
 Es sieht im Moment nicht so aus,
 als sollten die Berliner Politiker
 diesem kostspieligen Trend
 einen Riegel vorschieben:
 dem Trend zu einer Bevölkerung,
 die immer gesünder ist,
 immer langlebiger.
 . 
 Im Gegenteil.
 Noch immer basteln die Politiker
 an einer Reform,
 die dieses rentenkassenfeindliche Gesundheitssystem
 am Leben erhält.
 Realistisch betrachtet
 sieht unsere Zukunft
 dank dieser zweifelhaften Gesundheitspolitik
 ungefähr so aus:
 Mit 50 Freisetzung durch den Arbeitgeber.
 Absolvierung einiger Qualifizierungskurse im Rahmen
 staatlicher Arbeitsförderungsprogramme
 mit dem Titel „50 plus“.
Dann Übernahme einiger Ein-Euro-Jobs -
in Altenpflegeheimen und Suppenküchen.
 Langsame Annährung
 an das Renteneintrittsalter von 67.
 Das, wenn wir es erreicht haben, inzwischen erhöht sein wird - auf 75.
 Es erfolgt Aufnahme
 in das Sonderprogramm „67 plus“.
Und dass es dann gerade so weitergeht,
 bis wir alle so alt sind
 wie Johannes Heesters,
 kann sich jeder – ob mit oder ohne Volksschule Sauerland –
selbst ausrechnen.
 Auf einem Bierdeckel.