Manifest zum Umgang mit Digitalität – das „Digital-Manifest“

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Digitale Freiheit nur mit Verantwortung
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Heidelberg/Weinheim, 27. Juli 2016 . Angesichts der aktuellen Diskussion darüber, wer für die Veröffentlichung von Hass-Postings verantwortlich und wie die Flut hasserfüllter Kommentare im Netz zu stoppen ist, mahnt Professor Dr. Gerald Lembke von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg zur Besonnenheit. „Die digitale Revolution hat in Deutschland unter diesen Vorzeichen mit juristischen Unsicherheiten und lautstarke Meinungsbekundungen keinerlei Chance,“ fürchtet Lembke und setzt der ausufernden Diskussion sein „Digital-Manifest“ entgegen.
Wir stehen am Anfang eines großen Experiments. Digitale Technologien werden an uns, am lebendigen Objekt, ausprobiert, wie an menschlichen Laborratten. Denn tatsächlich weiß niemand, welche Konsequenzen sich aus der ausufernden Digitalität für das private und berufliche Leben ergeben werden.
Keine Generation ist bisher mit digitalen Anwendungen solchen Ausmaßes alt geworden, deshalb gibt es kaum Lernerfahrungen über „Was ist gut?“ und „Was war schlecht?“. Statt der so wichtigen Reflexion bestimmt euphorisch vorgetragene digitale Rhetorik eine digitale Transformation, oder einfach das Machbare und Verkaufbare – in dem meisten Fällen ohne Sinn und Verstand. Daher wird es nun Zeit für ein Innehalten.

1. Digitale Grenzen fürs Lebensglück. Im Digitalen ist viel Positives vorhanden. Es kann das Leben bereichern. Doch es gibt einen Grenznutzen digitalen Glücks. Dieser ist abhängig vom eigenen Nutzungsverhalten. Glück kehrt sich um, wenn die Nutzung zulasten der Gestaltung realer Lebenswelten geht.
2. Prinzip Selbstverantwortung. Erwachsene wie Kinder benötigen eine digitale Resilienz für mehr Selbstbestimmung im Leben. Selbstverantwortung und Selbstreflexion sind auszubildende Fähigkeiten für eine bewusste und glückliche Lebensführung. Selbstbestimmung sollte nicht digitalen Diktaten weichen, sondern gezielt ausgebaut werden.
3. Digital braucht Streit. Es ist für eine Gesellschaft in einem digitalisierten Umfeld zwingend notwendig, eine Digitalkultur zu entwickeln. Digitale Kulturgüter wie das Smartphone sind aktiv und reflektiert zu bewerten im Hinblick auf soziale Werte. Dies bedarf eines Diskurses über die Digitalkultur in allen Gesellschaftsbereichen (Arbeit, Bildung, Familie).
4. Mehr Autonomie und Freiheit. Sie sind hoch entwickelte Werte in unserer Gesellschaft. Große Digitalanbieter höhlen diese aus. Datenschutz muss eine politische und wirtschaftliche Leitaufgabe werden und intensiviert werden. Doch Datenschutz beginnt bereits bei jedem Nutzer. Autonomie und Freiheit bröckeln, wenn persönliche Daten fahrlässig preisgegeben werden.
5. Je weniger desto zielführender. Digitalerziehung bedeutet aktive Auseinandersetzung mit den Lebensumwelten der Kinder. Diese ist durch steigendes Missbrauchsverhalten gekennzeichnet. Statt Kinder weiter mit Tablets und Smartphones zugunsten des Umsatzwachstums von Digitalkonzernen anzufixen, sind „digitale Curricula“ gefordert, in denen Enthaltsamkeit, Achtsamkeit und soziale Fähigkeiten fokussiert werden.
6. Wo ist der „digitale Knigge“? Es finden sich nirgends Umgangsformen für den Umgang mit Digitalität im Alltag. Respekt und Wertschätzung sind unentbehrliche Werte für ein soziales und gestaltendes Miteinander. Ich wünsche mir eine gesellschaftliche Vereinbarung über traditionelle und neue Werte. Beide Stränge sind zu integrieren. Traditionelle Werte dürfen nicht einfach disruptiv-radikal wegwischt werden.
7. Menschen sind mehr wert als Computer. Menschliche Intelligenz ist künstlicher Intelligenz vorzuziehen. Dies gilt besonders für alle sozialen, pädagogischen und erzieherischen Aufgaben. Soziales Verhalten in Familien, Unternehmen und Aus- und Weiterbildungen bedarf der Empathie und sozialen Kommunikation. Das werden digitale Geräte auch in Zukunft nicht leisten können.
8. Menschliche Kommunikation ist unersetzbar. Reale Kommunikation steht als konstitutiver Wert über dem Digitalen. Sie sollte nicht durch digitale Kommunikation ersetzt werden. Qualität vor Quantität: Die Tiefe eines Gespräches ist sinnstiftender und zielführender als monatlich bis zu 3000 WhatsApp-Nachrichten und Gruppenchats.
9. Digitale Transformation braucht Nachhaltigkeit. Politik sollte die Risiken und Nebenwirkungen einer digitalen Zukunft kritisch reflektieren und den gesellschaftlichen Diskurs einfordern und aktiv fördern. Aktionismus ist ein schlechter Ratgeber für Nachhaltigkeit. Gleichwohl kann eine digitale Transformation nur mit einer längerfristigen Strategie gelingen.
10. Unternehmen benötigen digitale Führung. Die Gesundheit der Mitarbeiter wird zum wichtigsten strategischen Erfolgsfaktor. Dies betrifft die Vermeidung von digitalem Stress. Eine digitale Führungskultur braucht Führungskräfte als Vorbilder.

Über Professor Gerald Lembke
Gerald Lembke ist Studiengangsleiter, Buchautor und Berater für den Einsatz und den Umgang mit Digitalen Medien in Wirtschaft und Gesellschaft. Sein neues Buch ?Im digitalen Hamsterrad ? Ein Plädoyer für den gesunden Umgang mit Smartphone & Co? erscheint im September 2016. Er ist Präsident des ?Bundesverbandes für Medien und Marketing? (BVMM), einem aktiven Netzwerk für Digitalität in Marketing und Vertrieb. Er fördert den Austausch und die Vermittlung zwischen Digital Natives und Wirtschaft.

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