Francis Alÿs: "Fabiola". Kunst des Mehrdimensionalen

Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Schaulager präsentiert In Zusammenarbeit mit Haus zum Kirschgarten, Basel: Ausstellung von Francis Alÿs: "Fabiola". Vom 12. März bis 28. August 2011>>
www.hmb.ch/de/hmb/houses/kischgarten.html; http://www.schaulager.org; Begleitbuch:  www.schwabe.ch


Fazit vorangestellt
Die an einer langzeitlichen und inhärenten urbanen Oberschicht-Wohnkultur der letzten 300 Jahre Interessierten, haben im spätbarocken Palais " Haus zum Kirschgarten" die Möglichkeit Einblick in die aktuellste Aufbewahrung und Erforschung von Gegenwartskunst am Beispiel "Fabiola" von Francis Alÿs vor Ort zu erleben. So begegnen den Besuchern 370 Portraits von "Fabiola" - immer en profil - in den vielfältigsten Materialien und Grössen, sowohl in der Petersburger Hängung umfassend an freigestellten Wänden verteilt, bis zu vollkommen integrierten Wand- und Standbildchen, und zu versteckten Portraits in geöffneter Besenkammer oder in Puppen-Vitrinen als Such-Spiel angeordnet, auf mehrere Etagen im Palais verteilt. Wer noch dazu den Blick in die anakreontischen Porzellan-Genresezenen im Umherstreifen wirft, bemerkt sicherlich das Wesen/tliche: Das Protz-Spiel vor dem Betrachter in diesen letzten drei Jahrhunderten - das nur der damals aristokratisch und heutigen oligarchischen Schicht, so wie ihren Speichelleckern vertraut erscheint. Die kulturspezifische Blickweise gestattet gleichwohl Jedem , auch den demokratisch-ästhetischen Ansatz vom Rand her, auch dem von diesem Spiel Ausgenommenen: So das Erkennen der ästhetischen Regeln der Metasprache* der Kunst des Mehrdimensionalen (Form, Farbe, Dimension, Geometrie+Geomantie, Bewegung + Bewegtheit in Inhärenz **) und infolge deren universale Potenz in Jedem. m+w.p11-4
Vertiefende Hinweise
*)   www.kultur-punkt.ch/architektur/springer11-4metasprache-raum.htm
**)  www.kultur-punkt.ch/praesentation/ereignisse/inhaerenz98.htm

INHALT
Francis Alÿs: Fabiola:
Vom 12. März bis 28. August präsentiert das Schaulager im Haus zum Kirschgarten das Ausstellungsprojekt „Francis Alÿs: Fabiola“. In Basels ehemals vornehmstem Bürgerpalais, heute ein Museum prunkvoller Wohnkultur, werden über 350 Bildnisse der heiligen Fabiola in die bestehende Ausstellung integriert. In die prototypische Umgebung des protestantischen Grossbürgertums eingepflanzt, eröffnet diese populäre Statthalterin des Katholizismus einen faszinierenden Widerstreit konträrer Lebenswelten.
Das Schaulager fokussiert in der kommenden Zeit verstärkt auf seine Hauptaufgaben, die Aufbewahrung und Erforschung der Sammlung der Emanuel Hoffmann-Stiftung. Während nun im Schaulager-Gebäude in Münchenstein prioritär Arbeiten für die wissenschaftliche Aufarbeitung und optimalen Lagerung der stark gewachsenen Sammlung geleistet werden, ist das Schaulager mit einer ganz anderen Sammlung zu Gast im Haus zum Kirschgarten in der Basler Innenstadt.
Der belgische Künstler Francis Alÿs sammelt seit fast 20 Jahren Bildnisse der Heiligen Fabiola. Fabiola war eine römische Adlige, die im 4. Jahrhundert, nach Scheidung und zweiter Ehe so inbrünstig Busse tat, dass sie wieder in die Gemeinde aufgenommen und nach ihrem Tod heilig gesprochen wurde. Sie ist die Patronin der Geschiedenen, Betrogenen, Misshandelten und der Witwen. Lange Zeit in Vergessenheit geraten, erfreute sie sich im 19. Jahrhundert als Hauptfigur eines gleichnamigen Romans grosser Beliebtheit. Francis Alÿs erwirbt die grösstenteils von Laien produzierten Fabiola-Bildnisse auf Flohmärkten und in Antiquitätengeschäften in Europa und Amerika. Alle Werke werden original belassen und die Autorenschaften, Entstehungsorte und –zeiten sind meist unbekannt.
Seit 1994 hat Francis Alÿs die Sammlung wiederholt präsentiert. Für jede dieser Fabiola-Ausstellungen sucht er einen speziellen Ort aus und immer konzipiert er dabei eine neue Zusammenstellung der inzwischen über 350 Porträts. Listig nutzt er die Sammlung als trojanisches Pferd, dringt in immer neue Räumlichkeiten ein und besetzt diese. Seinen Bilderschwarm bettet er in die neue Umgebung ein und leuchtet so neue und einmalige Aspekte der Sammlung wie auch des Gastortes aus.
Allein schon durch ihre Masse entfaltet die Bildermenge eine künstlerische Potenz, setzt sich in der ihr fremden Umgebung fest und führt deren Eigenheiten vor. Die im Haus zum Kirschgarten sonst so stillen und selbstbewussten Ausstellungsräume der grossbürgerlichen Wohnkultur stehen nun ganz im Zeichen des Widerstreits mit dem Eindringling und es entspinnt sich ein faszinierender Dialog über soziale, kulturelle und religiöse Grenzen hinweg.
Dank der internationalen Zusammenarbeit des Schaulagers mit der Dia Art Foundation, New York und dem Historischen Museum Basel ist eine einzigartige Ausstellung zustande gekommen, wie sie nur in Basel zu sehen sein wird.

Francis Alÿs, geb. 1959 in Antwerpen, lebt seit 1986 in Mexiko. Sein Werk wird in zahlreichen Ausstellungen in Europa sowie in Nord- und Süd-Amerika gezeigt, so z.B. 2011, A Story of Deception, Museum of Modern Art, New York; 2009, Fabiola, Los Angeles County Museum of Art; 2006, Sign Painting Project, Schaulager, Münchenstein/Basel; 2004, Walking Distance from the Studio, Kunstmuseum Wolfsburg; 2001, 49. Biennale Venedig; 1997, Walks/Paseos, Museo de Arte Moderno, Mexico City

„Francis Alÿs: Fabiola“ ist kein "klassisches" Kunstwerk des international gefeierten
Künstlers. Die schiere Masse der Sammlung bildet eine Intervention, infiltriert die
Umgebung, zeigt die Macht der Bilder und unterstreicht den Glauben an die Wirkmächtigkeit
eines Bildnisses. Dem Besucher entfaltet sich ein einzigartiges Panorama verschiedener
Sammlungen, Perspektiven und Begegnungen.
Dank der internationalen Zusammenarbeit des Schaulagers mit der Dia Art Foundation, New
York und dem Historischen Museum Basel ist eine einzigartige Ausstellung zustande
gekommen, wie sie nur in Basel zu sehen ist.
Die Ausstellung „Francis Alÿs: Fabiola“ wurde von der Dia Art Foundation organisiert und von Lynne
Cooke kuratiert.
„Francis Alÿs: Fabiola“ wird in Basel organisiert und getragen von der Laurenz-Stiftung Schaulager.
Der Begleitkatalog erscheint in der von der Laurenz-Stiftung herausgegebenen Reihe der Schaulager-Hefte.
In New York wurde „Francis Alÿs: Fabiola“ unterstützt von der Hispanic Society of America, der Brown
Foundation, der Peter Norton Family Foundation, der Juliet Lea Hillman Simonds Foundation und von
Erica und Joseph Samuels. Zusätzliche Unterstützung für den Begleitkatalog erhielt Dia von der
Colección Patricia Phelps de Cisneros.
Verzeichnis der Ausstellungen Francis Alÿs: Fabiola
1) Curare, Mexico City, September 1994 (ca. 28 Bilder)
2) "Antechamber", Whitechapel Gallery, London, 21. März – 18. Mai 1997 (in Gruppenausstellungintegrierte Auswahl
3) The Hispanic Society of America, New York, NY, 20. September 2007 - 6. April 2008
4) Los Angeles County Museum of Art, Los Angeles, 7. September. 2008 – 29. März 2009
5) National Portrait Gallery, London, 2. Mai – 20. September 2009
6) Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia at Monasterio de Santo Domingo de Silos(Burgos), 28. Oktober 2009 – 7. März 2010
7) Haus zum Kirschgarten, Historisches Museum Basel, Basel, 12. März – 28. August 2011
nächste Station: Lima, Peru
Dokumentation aller Werke der Sammlung Francis Alÿs Fabiola: An Investigation
Catalogue published on the occasion of an exhibition organized by Dia Art Foundation, New
York (Hispanic Society of America, New York, 20. September 2007 - 6. April 2008) New York, 2008

Die Ausstellung „Francis Alÿs: Fabiola“ wurde von Dia Art Foundation organisiert und von Lynne Cooke kuratiert.
"Francis Alys: Fabiola“ wird in Basel organisiert und getragen von der Laurenz-Stiftung Schaulager. In New York wurde “Francis Alÿs: Fabiola” unterstützt von der Hispanic Society of America, der Brown Foundation, der Peter Norton Family Foundation, der Juliet Lea Hillman Simonds Foundation und von Erica und Joseph Samuels. Zusätzliche Unterstützung für den Begleitkatalog erhielt Dia von der Colección Patricia Phelps de Cisneros.
Haus zum Kirschgarten, Elisabethenstrasse 27, Basel
Überblick

Haus zum Kirschgarten
Basels vornehmstes Bürgerpalais, 1775 - 1780 für den Seidenfabrikanten J.R. Burckhardt erbaut, wurde im Jahre 1951 als Wohnmuseum eingerichtet.
Die Hälfte der 50 Ausstellungsräume ist den bürgerlichen Wohnräumen des 18. und 19. Jahrhunderts in Basel gewidmet. Die Aus-
stellung wurde seither durch bedeutende Fachsammlungen erweitert.
Besonders sehenswert sind:
- Einrichtungen aus Basler Bürgerhäusern (Möbel, Gemälde, Basler Tafelsilber, Spielzeug)
- Die überragende Sammlung von Porzellanen aus Meissen und anderer Manufakturen (Pauls-Eisenbeiss-Stiftung) Strassburger Fayencen
- Uhren westeuropäischer Herstellungszentren vom 15. bis 19. Jh.
- Das physikalische Kabinett der Universität Basel
Das Haus zum Kirschgarten dokumentiert heute ca.25 Ausstellungsräume die
prototypische Lebenswelt des protestantischen Grossbürgertums
des 19. Jahrhunderts. Die Einrichtungen sind im Gegensatz zur Architektur nicht original
sondern teils Rekonstruktionen, teils übernommene Einrichtungen anderer grossbürgerlicher
Haushalte. In diese Ansammlung historisierender Schauräume integriert Francis
Alÿs seinen Bilderschwarm erstmals in eine Wohnumgebung. Sei es stellenweise locker
verteilt, zum Beispiel eine Miniatur auf einem Salontisch oder ein Andachtsbild in einem
Schlafzimmer, sei es als Anhäufungen zahlreicher Einzelbilder an den Wänden.
Allein schon durch ihre Masse entfaltet die Bildermenge eine künstlerische Potenz, setzt
sich in der ihr fremden Umgebung fest und führt deren Eigenheiten vor. Die im Haus zum
Kirschgarten sonst so stillen wie prächtigen Ausstellungsräume der grossbürgerlichen
Wohnkultur stehen nun ganz im Zeichen des Widerstreits mit dem Eindringling und es
entspinnt sich ein faszinierender Dialog über soziale, kulturelle und religiöse Grenzen
hinweg.

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