Cornelia Pechota Vuilleumier: 'O Vater, lass uns ziehn
Online-Publikation: April 2010 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Cornelia Pechota Vuilleumier: 'O Vater, lass uns ziehn !' Literarische Vater-Töchter um 1900 > Gabriele Reuter, Hedwig Dohm, Lou Andreas-Salomé >>
412 S., 24 s/w und 21 farb. Abb.; Leinen mit Schutzumschlag; Reihe "Haskala", Bd. 30; ISBN: 978-3-487-12873-3; 58,00 Eur
Georg Olms Verlag, Hildesheim; www.olms.de; www.olms.de/artikel_12560.ahtml
Inhalt
Die vorliegende Untersuchung ist das Ergebnis einer langjährigen Beschäftigung mit der Mentalitätsgeschichte des Fin de siècle. In dieser Zeit wurde Frauen und Juden in Konstruktionen des ‘Fremden’ und ‘Anderen’ ein gemeinsamer Ort zugewiesen, der sie zugleich motivierte, kreativ dagegen anzugehen. Durch sein Goethe-Zitat verweist der Titel dieses Buches auf literarische Töcher der Jahrhundertwende, die Züge der heimatlosen Mignon aus "Wilhelm Meisters Lehrjahren" tragen. Anders als bei Goethe, der die Ziehtochter seines Helden dem Untergang weiht, werden fiktionale Väter nun aber zu Projektionsflächen töchterlicher Lebensentwürfe.
In "Gunhild Kersten" von Gabriele Reuter, "Christa Ruland" von Hedwig Dohm und "Ruth" von Lou Andreas-Salomé versuchen sich die Titelfiguren zwischen sozialer Anpassung und ‘unweiblichen’ Ansprüchen narrativ zu behaupten. Zwischen den Emanzipations-Bestrebungen dieser Frauen und der Kompromiss-Lösung jüdischer Akkulturation besteht in den untersuchten Texten ein innerer Zusammenhang, der bisher unbeachtet blieb. Der Anklang an den Exodus des jüdischen Volkes steht hier für eine schwierige Emanzipation, da die Töchter ihren Aufbruch mit Vätern aushandeln, die sie nicht gerne ziehen lassen.
Fazit
Die Dissertation von Cornelia Pechota Vuilleumier, die in Buchform vom Georg Olms Verlag in der Reihe "Haskala" vorliegt, umfasst 130 bibliografische Seiten Quellenangaben, mit dem Hauptteil "'O Vater, lass uns ziehn !' Literarische Vater-Töchter um 1900" am Beispiel der Protagonistinnen und damaligen Leitfiguren Gabriele Reuter, Hedwig Dohm und Lou Andreas-Salomé; parallel zu Berta Suttner und Alma Mahler in Wien. Gleich einleitend ist vom "Vater-Land"die Rede (Oskar Seidlin) "...den es ist nicht von dieser Welt" - ein cassandrischer Ausspruch, bedenken wir die Folgen dieses Vaterbildes in den Schützengräben der folgenden Weltkriege. Auch hier durch die neu selbstbestimmten Frauen-Paradigmen zeugen von Auf-Bruch zu Neuem und Ab-Bruch alter Muster. Wer sich die Mühe macht den verschiedenen vorgetragenen Frauen- und Juden-Schicksalen nachzuspüren, bemerkt schliesslich eine zu sehr den verschiedensten Quellenstudien verpflichtete Schreib- und Sichtweise, die keine stringente, zusammenfassende Struktur erkennen lässt. Die Autorin verliert sich in Einzeldiskursen und wirkt völlig unübersichtlich. Eine unmerkliche aber stete Verschleierung der Frauenselbstbestimmung ist da ungewollt entstanden und der Sache abträglich. w.p.10-4