Tomas van Houtryve: Geschlossene Gesellschaften . Eine fotografische Reise ...

Kulturreisen
T.v. Houtryve:  Fotografische Reise
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Online-Publikation: Mai 2012 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<<  Tomas van Houtryve: Geschlossene Gesellschaften . Eine fotografische Reise durch kommunistische Länder . Mit einem Vorwort von Tzvetan Todorov >>
288 Seiten, 195 farbige Abbildungen, 23 x 21 cm, Hardcover; ISBN 978-3-7165-1714-7; CHF 58.– / Euro 46.– (D) / 47.30 (A)
Benteli Verlags AG, CH-8583 Sulgen; mailto: kirstin.meditz@benteli.ch ; http://www.benteli.ch

Inhalt
Nach Ende des Kalten Krieges warfen die meisten kommunistischen Staaten ihre marxistischen Prinzipien über
Bord und etablierten ein neues Regierungssystem. Doch es gab einige wenige Länder, in denen es der kommunistischen
Partei gelang, an der Macht zu bleiben. Genau diese Staaten bereiste der amerikanische Fotograf Tomas van
Houtryve in den vergangenen sieben Jahren, wobei er bisweilen viele Hürden zu überwinden hatte, um an sein jeweiliges
Ziel zu kommen. In Nordkorea zeigt sich der Kommunismus von seiner rigidesten und besonders grotesken
Seite. In Moldawien und Kuba befindet er sich in der Auflösung, durchdringt aber immer noch das reaktionäre System.
In China, Vietnam und Laos bemüht sich die kommunistische Regierung um eine Annährung an die westliche
Marktwirtschaft. In Nepal hingegen herrscht eine völlig andere Situation: Statt sich vom Kommunismus zu lösen,
strebt dieses Land nach seiner Einführung! Van Houtryves Fotografien zeigen deutlich den Unterschied zwischen
vielversprechender kommunistischer Theorie und gelebter Praxis, der oft an die Grenzen des Menschlichen führt.
Tomas van Houtryve, geb. 1975 in San Francisco (USA), gehört zu den bedeutendsten Pressefotografen seiner Generation. Er arbeitete
u. a. für Associated Press auf der ganzen Welt. Seit 2004 widmet er sich seinem Langzeitprojekt über die kommunistischen Staaten der Welt.
Er erhielt mehrere Preise und Auszeichnungen (z.B. POTY Photographer of the Year 2010 und 2012). Einzelausstellungen hatte er bereits in
Paris und New York sowie in Spanien und Italien.
Erstmalige Einblicke in den Alltag kommunistischer Länder des 21. Jahrhunderts

Autor
Tomas van Houtryve wandte sich zunächst der Philosophie zu, entdeckte aber schon während des Studiums auf einer Nepalreise sein Interesse für die Fotografie. 1999 heuerte er bei der Associated Press an und wurde zunächst in Lateinamerika stationiert; 2003 verliess er die Agentur, um sich selbständig grösseren Projekten zuwenden zu können. Seine Arbeiten wurden mit zahlreichen Preisen und Stipendien ausgezeichnet; mehrere Photographer of the Year Awards, der Bayeux Prize for War Correspondents, eine Fellowship an der University of Colorado und die Alicia Patterson Journalism Fellowship sind nur einige Posten auf seinem Palmarès. Heute ist van Houtryve Mitglied des renommierten Fotografenkollektivs VII.
http://tomasvanhoutryve.com/biography.html

 

Fazit
Was dem synästhetischen Beobachter zuallererst fällt, wenn er in der eindrucksvollen Bilddokumentation von Tomas van Houtryve " Geschlossene Gesellschaften" zu blättern beginnt. - ist das düster wirkende UMFELD-Schwarz . Das sich bei jedem Bild - nicht nur als Rahmen zeigt, sondern sogar in das Bildinnere eindringt. Darüber hinaus wirkt auch das weisse Schriftbild im schwarzen Gesamtumfeld massiv depressiv.
Wenn einer von vielen Kultur-Reisenden wie wir, die im Ostblock vor der Wende des öfteren zugegen waren, ist es nicht das Schwarz, es ist vielmehr das endlose Umfeld-GRAU (als ungewollte Corporate Identity) das im Urbanen wie in der Landschaft, in der Kleidung und den Produkten, die die gesamte Farbpalette durchdrang bis hin zum Verpackungsdesign, zur Buchproduktion und der Luft die nach Kohlendioxyd (Aussenraum) und Lysol und Desinfektion (in allen öffentlichen Gebäudegängen) roch und in den Augen brannte.
Die tief empfundene und zugleich gelungene fotografische Reise von Tomas van Houtryve durch kommunistische Länder ist paradigmatisch. Ebenso gibt das Vorwort von Tzvetan Todorov kompetenten Aufschluss über diese verriegelt-versiegelte Welt. Ein Pranger-Band sondergleichen liegt zum erweiternden Diskurs vor uns. Beginnen wir damit. m+w.p12-5

Pressestimme

http://www.nzz.ch/nachrichten/hintergrund/tableau/tomas-van-houtryve_1.16521842.html
NZZ Angela Schader
Tomas van Houtryve: Laos' Gesellschaft
Der amerikanische Fotograf Tomas van Houtryve interessiert sich seit langem für die «geschlossenen Gesellschaften» in den letzten Bastionen des Kommunismus. Unter den sieben Ländern, die er für seine Reportage bereiste, dürfte Laos das am wenigsten bekannte sein.
Angela Schader
«Geschlossene Gesellschaften» heisst der durch Reportagen ergänzte Fotoband von Tomas van Houtryve, der dieser Tage im Benteli Verlag erscheint. Während sieben Jahren hat der amerikanische Fotograf für das Buch in China, Nepal und Nordkorea, in Laos, Vietnam, Kuba und der Moldau recherchiert und dabei die Kluft zwischen kommunistischen Idealen und der heutigen Lebenswelt der Menschen auszumessen versucht. Der kleine Binnenstaat Laos ist hiesigen Lesern besonders fern; so war der breiteren Öffentlichkeit im Westen auch über lange Zeit unbekannt, auf welche unselige Weise das Land in den Vietnamkrieg involviert wurde.
Durch das offiziell neutrale Laos verlief ein grosser Teil des sogenannten Ho-Chi-Minh-Pfades, über den Nordvietnam Kriegsmaterial für die Nationale Front für die Befreiung Südvietnams, kurz Vietcong genannt, nach Süden schmuggelte. Die CIA stellte daraufhin nicht nur eine geheime, hauptsächlich aus der Bevölkerungsgruppe der Hmong rekrutierte Armee in Laos auf, sondern überzog das Land auch mit einem Bombenteppich, dessen Restanzen bis heute immer wieder Opfer fordern: Rund 2,5 Tonnen Sprengsätze pro Einwohner sollen damals über Laos niedergegangen sein.
Im Blick auf diese Erfahrung mag es verständlich sein, dass sich in Laos nach dem Ende des Vietnamkrieges kommunistisch geprägte Kräfte durchsetzten. Am 2. Dezember 1975 wurde die Demokratische Volksrepublik Laos ausgerufen, die Laotische Revolutionäre Volkspartei dominierte fortan die Geschicke des Landes. Aber der arme, wirtschaftlich rückständige Binnenstaat geriet schon bald an die Grenzen des im Rahmen einer Planwirtschaft Möglichen; 1986 fasste man deshalb einen allmählichen Übergang zur Marktwirtschaft ins Auge, in der folgenden Dekade setzten auch zaghafte politische Reformen ein.
Allerdings fand Tomas van Houtryve auf seinen Reisen durch Laos noch immer solide Restanzen des alten Systems. «Nur wenige Länder ziehen geringere Aufmerksamkeit auf sich als Laos, und noch weniger bedienen sich immer noch eines derart geschickten und abstossenden Überwachungssystems», schreibt er in seiner Reportage – so seien auch in dem Spielcasino, das auf dem dritten Bild unserer Tableau-Serie zu sehen ist, die Decken der Räume dicht mit getarnten Kameras bestückt. Zudem wird Laos, wie so viele ärmere Länder weltweit, nolens volens in die Umarmung des mächtigen China gezogen, das sich die fruchtbaren Böden an den Ufern des Mekong für die eigenen Bedürfnisse zunutze macht. Mit finsterem Sarkasmus merkt van Houtryve an, diese Einsicht habe ihn an die erbitterten Kämpfe zwischen den Wirtschaftsrisen United Fruit Company, Dole und Chiquita und den lateinamerikanischen Bauern erinnert: «Hier, auf der anderen Seite des Planeten», schreibt er über China und Laos, «scheint sich gerade ein dunkles Kapitel in der Geschichte des Kapitalismus zu wiederholen. Die Analogie lag gespenstisch nahe. Der grosse Nachbar im Norden, eine wirtschaftliche Supermacht, hatte sich in einem kleinen, verarmten, tropischen Land im Süden einen Einflussbereich gesichert.»
Laos ringt mit allen Mitteln darum, aus der Falle von Armut und Rückständigkeit zu entkommen. So wurden mehrere Sonderwirtschaftszonen eingerichtet – aber solange die eigene Industrie darniederliegt und die landwirtschaftliche Produktion kaum über Subsistenzwirtschaft hinausgeht, profitiert nur eine schmale Tranche der Bevölkerung von der ökonomischen Öffnung. Mittlerweile, so berichtet der Fotograf, habe sich eine extreme Kluft zwischen Arm und Reich aufgetan, wie man sie «normalerweise mit einem ausser Kontrolle geratenen Kapitalismus assoziiert». Mitglieder von Nichtregierungsorganisationen hätten ihm bestätigt, dass die verbreitete Mangelernährung in der Zeit des Aufschwungs nicht zurückgegangen sei, sondern vielmehr noch zugenommen habe. Von der wirtschaftlichen und politischen Öffnung bleibt also offenbar die Mehrheit dieser «geschlossenen Gesellschaft» ausgesperrt.
Tomas van Houtryve wandte sich zunächst der Philosophie zu, entdeckte aber schon während des Studiums auf einer Nepalreise sein Interesse für die Fotografie. 1999 heuerte er bei der Associated Press an und wurde zunächst in Lateinamerika stationiert; 2003 verliess er die Agentur, um sich selbständig grösseren Projekten zuwenden zu können. Seine Arbeiten wurden mit zahlreichen Preisen und Stipendien ausgezeichnet; mehrere Photographer of the Year Awards, der Bayeux Prize for War Correspondents, eine Fellowship an der University of Colorado und die Alicia Patterson Journalism Fellowship sind nur einige Posten auf seinem Palmarès. Heute ist van Houtryve Mitglied des renommierten Fotografenkollektivs VII.
Die tote Fassade dieses Wohnsilos in Vientiane, der Hauptstadt von Laos, mutet wie ein Emblem für das Thema «Geschlossene Gesellschaften» an.