Arnulf Rainer: Bibelübermalungen
<<ÜBERMALEREI als feindliche ÜBERNAHME oder
Von der ästhetischen Monomanie zum neoliberalen Musterbuch für feindliche Übernahmen>>
W+B Agentur-Presseaussendung: A, D, CH, Juli 2001
<<. Aus der Sammlung Frieder Burda>>
Hrsg.und Texte von Helmut Friedel.In Deutsch, Englisch, Französisch erhältlich
Weitere Beiträge von Rudi Fuchs, Susanne Gaensheimer, Friedhelm Mennekes, Gabriele Reisenwedel
Hatje Cantz Verlag, Ostfildern; 2000; EUR 34,00; DEM 66,50; 364 S.; 161 farbige Abbildungen; Format 24,5 x 3 cm; gebunden mit Schutzumschlag.
Wer Arnulf Rainer als optischer Protokollant begegnet, wie der Rezensent an der Biennale Venedig ´78, ihn zeichnend, wird von ihm attackiert, so dass das Protokoll-Gerät in der Lagune landet. Dieser Machtanspruch anderen Wesen und Arbeiten gegenüber ist für Rainer symptomatisch. Das wird dann zumeist unter dem Aspekt einer "expressiven Dramatik" gesehen (R. Fuchs)".
Der Niederösterreicher Rainer ist heute daher – nicht zuletzt aus dieser würdeverletzenden Art und der zugleich gewünschten, omnipotenten Sucht an Art-Marktpräsenz international anerkannt. Der Akzent liegt im neo-liberalen Habitus, global vorangetrieben, mit ersehnter Musterbildung seitens der share-holder. Diese neigen ja zur Auslöschung, bei unerwünschten Übernahmen von Firmen, weltweit. Feindliche Übernahme also, Überdeckung bestehender Marken durch die eigene ÜBER-Markierung.
Inhaltlich eröffnen sich den Betrachtern hintergründig, vom 10. bis zum 19. Jahrhundert Werke der Buch-, Decken- Malerei, Glasfensterabbildungen, Giotto, Botticelli, Bellini, Blake, Bibelausgaben von König Wenzel oder von Gustave Doré.
Im Vordergrund dieser gedruckten Grundlagen bieten sich nun die 160 ÜBERMALUNGEN, -DECKUNGEN von Arnulf Rainer an.
Diese egomanisch-ästhetische vorgetragene Präpotenz wird von Mennekes noch theologisch beweihräuchert: "Du sollst Dir kein Bild machen", auch von Gaensheimer spricht von "Malerei, um die Malerei zu verlassen" der Auslöschung des Bildes, bei Rainer (1960-1970..). 1995- 1998 entstehen nun diese vorliegenden Bibelübermalungen.
Motive anderer zu studieren, zu variieren, ist sowohl in der bildenden als auch in der musikalischen Kunst seit der Antike und davor, bekannt.
Was ist das Neue an Rainer´s Arbeiten, hier: Diese ÜBERARBEITUNGEN sind zarter und duldsamer als früher. Warum: Das Wesen der Bildvorlage bleibt prinzipiell erhalten. Farben verfliessen längs oder wirken verwischt, die Tusche-, Farbstiftlinien umschlingen, ja verschlingen zwar oft die Komposition, verwirren sie zwar, bringen sie aber so zum Vibrieren. Die Aquarellfarben werden in der Art des Informels fleckenartig und fliessend wie überschwemmend eingesetzt. Am deutlichsten zeigt sich das im "Verkündigungsengel" von Botticelli (s/w Kopíe): Hinter dem Engel – in der Mitte des Ausschnittes zeigen sich blutrote Flügel mit einem gelben Mittelteil und einem violettem Beinkleid. Die Niederschrift, des Engels Feder taucht in das gleiche blutrote Pult, wie es die Flügel darbieten. Feder zu Feder = Rot = Leben - Tod. Weiss und bleich das Gesicht , zart violett (lithurgisch) und weisse, behütende Fingerhaltung: Fürchte Dich nicht.
Nein wir fürchten nicht mehr um Rainers Präpotenz seinen Kunstgefährten gegenüber oder darüber variierend studierend und zauberhaft polternd.
Die Sorge bleibt vielmehr bestehen, dass diese Art des Vorgehens als Schule und Praxis, ja als Muster im globalen Wirtschaftsverhalten gelten kann.
Da sind wir gefordert, unsere eigenen ästhetischen Kräfte entgegenzusetzen, um einen Wertewandel für die Würde des jeweils Anderen im einzelnen zu realisieren.
So können wir im Gegenblick diese Publikation als eine zur Wertewandlung nutzbringende Diskurs-Grundlage sehr wohl erkennen.