Wilfried Kirschl: Albin Egger-Lienz 1868-1926

92 Malerei<<Monumentale Kunst - der Natur abgefordert>>
W+B Agentur-Presseaussendung vom Februar 2001
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Das Gesamtwerk: Bd.I Leben und Werk; Bd.II DokumentationBibliofile Monografie in zwei Bänden, Verlag Christian Brandstätter, Wien-München; 1996; Bd.I 380 Abb. davon 170 in Farbe; Bd.II 463 Abb. in s/w; Leinen mit Fadenbindung und Schuber; DEM 34.- / ATS 248.- / SFR 31.50
www.brandstaetter-verlag.at
"Wir sind ja froh, dass wir in Tirol zwei solche Kerle haben, den Defregger und den Egger Lienz. Sie ersetzen einander und wiedergeben uns das Tiroler-volk mit seiner lachenden Idylle und seiner wuch-tigen Tragik,"schreibt Peter Rosseger am 13.5.1915 an den "Meister" E-L. Wir heute - stimmen dem im Kern voll und ganz zu, müssen aber, bedingt durch die weiteren Schreckens-Ereignisse im Jahrhundert-verlauf, vertiefende und ergänzende Überlegungen zur Klärung der Kunst Egger-Lienz festhalten.
Die Mal-Bewegtheit, die E-L, durch seine einmalige Arbeit eingeleitet hat, ist ganz besonderer, Art und für viele seiner und unserer Zeitzeugen anstosser- und aufregender "Natur".
Einstufung I: Bauernmaler und Heimatkünstler?

Ein Mann wie E-L, der 1912-13, ein Lehrender an der Weimarer Akademie, kann als Maler pfeifen-rauchender Hirschen und geweihbestückter Mönche mit Alpenglühweinblick nicht gut bezeichnet wer-den, ausser dass es sich hier um Feindseligkeiten ganz anderer Art handelt. Zu dieser Zeit kursieren nämlich gerade die Bewegungen in Richtung Abstraktion, Jugendstil in Blüte, das Bauhaus in Weimar mit seiner industriell-paralytischen Idee bis hin zu seiner menschenverachtenden Plattenbau-Verwicklung, steht vor der Gründung. Da kommt einer wie E-L, wendet seinen Blick in Richtung Natur und einer stetig an Bedeutung verlierenden Landschafts- und Menschgestaltung zu, malerisch, unpathetisch und mit grosser Innigkeit und Wärme seiner monochromen Farbpalette. Das zieht ganz offensichtlich einen totalen Affront nach allen Seiten mit sich.
Statt Licht und Farbe, wie es der frz. Impres-sionismus zeigt und Cezanne , der eine gewisse Affinität zu E-L im Landschaftlichen zeigt sowie zum Kubismus eines Fernand Leger ("lebend plastisches Bild") im Kompositorischen und Raum-aufbau, zeigt E-L ab 1910 monochrome Kompakt-Farbflächen (Braque, Permeke): siena, umbra, fast schwarz - deutlich Einflüsse der Mittelmeerkunst-Palette, selten indigo (z.B. Bauernschürzen, Alpen im Hintergrund).
Widmen wir uns jedoch seinen monochromen Farbfeldern und stringenten Kompositionen nach dem goldenen Schnitt, wie dieser an Hand von wesentlichen Beispielen im Band II anschaulich dargestellt wird. Henry Moore hat dies in seinen Skulpturen im und nach dem 2.Weltkrieg bravourös fortgesetzt, was E-L 1914 begonnen hat und 1921 im "Totentanz" vollendet: 5 Figuren marschieren bewaffnet von links nach rechts. Die äusserste links, blickt wehmütig zurück (Wams, zinnober); drei, mittig, schreiten entschlossen-entsetzt vorwärts; wobei der äusserste rechts der "Schnitter" (skelettiert) mit Spaten fürs Grab bereits gerüstet ist; Hinter ihm, oben erscheint eine stilisierte, blutige Wolkenfahne (karmin), ähnlich wie sie Henri Rousseau malte.
Fazit: Es ist klar, wenn ein Mensch, der "Natur" dienend und diese mit all seinen Lebens-äusserungen liebt, dass er, überhöht, von einer "Kunst aus dem Lebensboden" spricht und die "Geister der Natur" , die er anrief, nicht los wird. Oder "von meinen braunen Kindern hin schaue ich hinüber auf die greisen Gespenster" und "Das Schwächliche, Abgeleitete kann unmöglich monumental wirken".
Alle dies Äusserungen, zutiefst, mythisch-naiv, empfunden, erzeugen heute, nach Hitler's und Stalin's pathologischer Sprachverstörung fürs erste Unverständnis und Befremdung. Die Bild-kraft von E-L ist das wahrhaft Überzeugende.
Einstufung II: Soldaten-, Kriegs- und Toten-Maler?
So entstehen angesichts des todbringenden Krieges: 1914-18 Bilder wie "Totenfelder, -opfer, Leichenfeld, Missa eroica und Finale". E-L hält dagegen und fordert "Aufschwung aus dem Caos" und widmet den vielen "Namenlosen von 1914-" einen monochromen Einblick, z.B. im "An-sturm der Soldaten - in Reih und Glied" bedeutet für E-L "starke füllende Gliederung" d.h. eine an sich selbst als Maler gestellte essentlich ästhetische Forderung und ist keine Kriegsverherrlichung. Wohl aber konnten natio-nalistische wie totalitäre Regime dies einfacher eingegliedert, da "Blut" und "Boden" von ihnen gleichermassen besetzt sind.
Ein Werk von Egger-Lienz ist von ganz besonders zeit-, person-/geschichtlicher und äs-thetischer Aktua-lität und Zeitlosigkeit zugleich: "Der Winter / Schnitzer / Pfeifenraucher", 1921, Öl auf Pappe; Der Blick des Schnitzers überragt und beherrscht den Bildraum. Der monochrome Braunton überwiegt im Bildgeschehen, mittig eine Tischfläche (ähnlich G. Braque), im Fenster-Kreuz leuchtet in das Halb-dunkel das Schneefeld auf den Dächern der umliegenden Bauernhöfe. Die Natur (die Erkenntnis) dringt in eine Laterna Magica (Bauernstube) und trifft auf einen in cezannistischer Manier aufgerich-teten Erdenmenschen. Das ist das malerische Bekenntnis eines einsam Ringenden, der unbeirrt seinen Blick in die Zukunft (Licht) richtet: Egger-Lienz hat sich da hingestellt, in eine von ihm selbst geschaffene Welt, abgewandt zugleich und verinnerlicht.
Einstufung III: "Hodlerischer Parallelismus"
oder die Folgen eines öffentlichen Briefes (Manifest) über MONUMENTALE KUNST, 1912 in einer Wiener Zeitung, zu seiner Ausstellung in Dresden, wo E-L, und Kunz u.a. sinngemäss festhalten: " Hodler kann zwar alles Boticellisch, ein raffinierter Dekorateur, zeigt Touristensportgeist, ist aber nicht monumental. Er erreicht nur Dünnung, Faszination, Zerstreung, Zersetzung der Harmonie.. Schale, Ner-vosität, ohne pulsierendes Leben.. ähnlich Klimt, ein Psychologe mit geistverlassener Geilheit fader Puppen aus der Hexenküche". So wettern sie und die Antworten lassen nicht auf sich warten (schafft sich Gegner wie Hodler, H.v.d.Velde., Corinth, Klinger..)
"Wie Du siehst (schreibt er später an Otto Kunz, seinen geistigen, beinahe lebensbegleitenden Freund, der dieses Manifest hauptsächlich für ihn verfasste) will der Hodlerbann nicht weichen.. meine Kompositionsmethode (anstelle des starren, leblosen, mathematisch - ausgeklügelten Schemas
Hodlers) ist immer in der Natur begründet und aus ihr aufgebaut".
Band II enthält das Werkverzeichnis mit der Malerei, Glasfenster und Wandbildern 697 Gemälde, sowie den Zeichnungen und Druck-grafiken (600 Blätter: Kreide, Kohle, Bleistift, Pastelle, Aquarelle).
Themen: Die Landschaft (Bergraum, Bäume, Felsen, Wege, Wasser, Tiere; Bauernhäuser, Scheunen); Menschen und mythische Figuren (Sämann, Schnitter, Teufel, Tote/ntanz, Namen-lose, Kriegsteilnehmer und -tote, Engel..).
Hinzu kommen die bereits erwähnte Raum-gestaltung und Bildkonstruktion von E-L mit Beispielen auf der Grundlage des goldenen Schnittes von E-L, ein Materialienteil mit der Wirkungsgeschichte, Texten und Aufzeichnun-gen zur monumentalen Kunst. Es schliesst ab, mit dem biografischen Teil, Anmerkungen, Personenregister und Fotonachweis.
Der Autor Wilfried Kirschl hat hier eine liebevolle zeitgeschichtlich und zugleich ver-ständnisinnige, aussergewöhnliche Arbeit vorge-legt, dank der Unterstützung durch die Tochter von E-L, den Verlag Brandtstätter, der Heimatgemeine Dölsach, der Stadt Lienz, dem Land und dem Bund.
Diese Monografie lässt nichts zu wünschen übrig, sowohl für Bildfreunde, wie Zeit- und Kunst-Interessierte, dank dem Verfasser und dem Verlag wurde dies mit diesem bibliofilen Ge-samtwerk von Egger-Lienz verwirklicht.

http://archiv.kultur-punkt.ch/praesentation/ereignisse/brandstaetter2-01.htm

Waldmüller. Schiele. Rainer

91 Malerei<<Vom Gefälligen zum Widerspenstigen>>
W+B Agentur-Presseaussendung vom Februar 2001
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Meisterwerke des Niederösterreichischen Landesmuseums
Vom Biedermeier bis zur Gegenwart
Verlag Christian Brandstätter, Wien-München; 2000; über farbige 100 und 80 s/w Abb.; kartoniert.
www.brandstaetter-verlag.at
Seit 100 Jahren kauft der niederösterreichische ("Hinterarlberg" für deutsche und schweizerische Leser, Anm.-d.Rez.) Landes-(museums) Ausschuss Arbeiten, beginnend mit Werken der Wiener Secession (F. Andri) und konzentriert sich (neben dem Mittelalter, Barock, Biedermeier..) auf die Entwicklung des 20. Jahrhunderts. Nach 1945, aufgrund der Vereinigung der bildender Künstler Österreichs, konnte eine Sammlung einer Modernen Galerie in der neuen eigenen Hauptstadt des Landes NÖ, St.Pölten aufgebaut werden.
Das Buch gliedert sich in folgende Bewegungen:
Biedermeier und Realismus 1800 – 1890
Blicke auf Landschaft und Pflanzen, Tiere (F.Amer-ling, F. Gauermann, J. Lauer, F. Loos, J.M. Neder, A. Stifter, F.G.Waldmüller), der menschliche Alltag (J.Dannhauser, P.Fendi, F. Gauermann, F.G.Waldmüller), im häuslichen Inneren (E.Ritter), in Täler und auf die Alpe F.Gauermann), auf See (F.Steinfeld), Jahreszeiten (J.M. Ranftl), Monumente (Th.-Ender, J.Feid, F.Gauermann, J.Höger, F.G. Waldmüller), Technik (A.Schiffler), Religiöses (A.-Schindler). Das Genre feiert im Biedermeier Triumpf.
Impressionistische Tendenzen (Stimmungsmalerei):
Landschaft, Garten, Weg (W. Bernatzik T. Blau-Lang, F. Brunner, Th.v.Hörmann, R.Ribarz, E.J.Schindler, M.Suppantschitsch, E.Zetsche), Pflanzen, z.B. Wald (M. Egner, C. Moll), Monu-mente(H. Darnaut, R. Russ), Fluss, Wasser (M. Ener), Alltag (A.v.Pettenkofen), Porträts ( A. Romako), Jagd-Landschaft (F.Rumpler), Technik-Landschaft (R.Russ, E.J.Schindler), Häuslichkeit (E.J.Schindler), Tiere-Flusslandschaft (St.Simony), Reli-giöses (O.Wisinger-Florian).
Eros und Pan geben im österreichisch-poetisch-realen Impressionismus einander die Hand zum Bund.
Secessionismus und Jugendstil
Bauernwelt (F.Andri), Höfische Parodie (A.Egger-Lienz), Tierwelt (J.Engelhart), Alltag-Markt (B. Koler-Pinell), Stilleben (B.Koller-Pinell), Häusliches/Villa (C.Moll), Landschaft (K. Moser), Fluss (L.Putz, E. Schiele), Blumen (E.Schiele), Jahres-zeiten (O.Wisinger-Flori-an).
Eros und Pan erfahren im Umbruch ihr Scheitern.
Expressionismus (1918-1938)
Ländliche Monumente (W.Berg, A. Faistauer, E. Huber, F.Kitt, E.Schiele), Porträt/Akt (H.Boeckl, O.Kokoschka, F.Stansky), Menschengruppen (A. Brusenbauch, W.Eisenschlitz, A.Walde), Figur (J. Dobrowsky, H. Funke), Stadt (L.H.Jungnickel, M. Reinitz, O.R.Schatz), Religiöses (O.Kokoschka), Land /-arbeit, -schaft (O.Laske), Tiere (K.Sterrer, F. v.Zülow).
Weder Stadt-, Land- noch Welt-Flucht helfen da. Nichts wie weg- lautet die Losung für O. Kokoschka.
Tendenzen (1945-heute)
Kubische Landschaft (H.Boeckl), Erotik-, Totentanz- Material-Kollage (H.Cibulka, A. Frohner, K.Korab), Fluss (G.Damisch), Kubische Figur (W.Eckert), Kubisches Stilleben (P.Freiberger, P.Zwietnig-Rotter-dam), symmetrische, narrative Abstraktion (J.Fruh-mann, H.Joos), Figuren-Ensemble, tlw. abstrahiert (G.Merkel, J.Messensee), Mysterien-Aktion (H.Nitsch), Dorf-Landschaft (S.Pauser), Egomanisch-agressive, pseudoreligiöse Übermalung (A.Rainer).
Deutlich zeigen sich bei den niederösterreichischen Künstlern kubistische, nachexpressionistische, weni-ger geometrisch-abstrakte und mythisch-geprägte Ak-tionskunst als Haupt-Tendenzen, allein die erzählende Abstraktion zeigt ein marginale Aussagekraft.
Othmar Zechyr, der erste Dekonstruktivist und anar-chisch geprägte Stadtvisionär sowie sein damals wichtigster Zeitgefährte und Förderer (nach 1965) W. Prankl, Sub-/0ekorealist, u.a, fehlen wieder mal in diesem ansonst anschaulichem Sammelband. Es ist ein Kunstbuch, das sich lohnt, von zeit zu zeit zu betrachten. So ist der NÖ-Künstler vom Gefälligen zum Widerspenstigen avanciert