Das Plakat. 200 Jahre Kunst und Geschichte“ 28. Februar bis 20. September 2020

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MKG Hamburg - Plakate - 200 Jahre

 

Zur Ausstellungseröffnung sprechen Prof. Tulga Beyerle, Direktorin des MKG und Dr. Jürgen Döring, Leiter der Grafischen Sammlung und Plakatsammlung. Außerdem anwesend ist voraussichtlich der Hamburger Plakatkünstler Holger Matthies. Presseinformation: Lena Drobig

Inhalt
Bildsequenz v. l. n. r.
Henri de Toulouse-Lautrec (1864–1901), Ambassadeurs, 1892, MKG, Public Domain // Egon Schiele (1890–1918), Vortrag von Egon Friedell im Akademischen Verband für Literatur und Musik, 1912, MKG, Public Domain // Herbert Bayer (1900–1985), Europäisches Kunstgewerbe. Ausstellung im Grassimuseum Leipzig, 
1927, MKG, © VG Bild-Kunst, Bonn 2020 // Roy Lichtenstein (1923–1997), Crying Girl. Announcement der Leo Castelli Gallery, 1963, MKG, © Estate of Roy Lichtenstein / VG Bild-Kunst, Bonn 2020 // John Heartfield (1891–1968), 5 Finger hat die Hand, mit 5 packst Du den Feind, wählt Liste 5 Kommunistische Partei, 1928, MKG, 
© The Heartfield Community of Heirs / VG Bild-Kunst, Bonn 2020 // Holger Matthies (*1940), Preußen. Drei Theaterstücke von Heinrich von Kleist an den Schauspielbühnen Berlin, 1981, MKG, © Holger Matthies // Grapus, Frieden, 1989, MKG, © VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Mit rund 400 Exponaten von rund 200 Künstler*innen und Designer*innen bietet die Ausstellung Das Plakat. 200 Jahre Kunst und Geschichte im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MKG) einen groß angelegten und repräsentativen Überblick über die Geschichte des Plakates von den Anfängen im frühen 19. Jahrhundert bis heute. Im Plakat treffen Kunst und Geschichte, Design und Werbung aufeinander. Plakate begleiten politische Ereignisse genauso wie die Film- und die Theatergeschichte. Sie dokumentieren die gesellschaftliche Entwicklung und spiegeln nicht zuletzt die Kunst und ihre wechselnden Stile. Porträts von Politiker*innen findet man auf Wahlplakaten, die von Musiker*innen auf Konzertplakaten, die Industrie wirbt für ihre neuen Produkte, die Tourismusbranche für die schönsten Reiseziele und selbst für Websites wird mittlerweile mit Plakaten geworben. Es gibt keine zweite Kunstgattung, die bis heute unseren Alltag in einer solchen Breite begleitet. Der bedeutende polnische Plakatkünstler Jan Lenica sagte 1966: „Das Plakat hat zweifellos eine Funktion, es hat eine Aufgabe, und dieser Pflicht muss es gerecht werden. Aber seine Bedeutung liegt nicht in dem, was es zu vermitteln hat, sondern darin, was es selbst zu sagen hat.“ – Was es selbst zu sagen hat: Die Botschaft guter Plakate ist mehrschichtig, sie geht über die bloße Werbung hinaus und macht Aussagen über die Zeit, über die Gestaltung, über Geschichte, Mode oder Geschmack. Dieser ‚Mehrwert‘ ist es, der aus einem Plakat ein Kunstwerk machen kann. 
Die Höhepunkte der Plakatgeschichte liegen im Jugendstil um 1900, im Art Déco und der Avantgarde der 1920er Jahre und erneut in den 1960er Jahren. Immer wenn sich, wie im Jugendstil, in der Bauhaus-Zeit oder zur Zeit der Pop Art, Kunst und Alltag besonders nahekommen, verschwimmen die Grenzen zwischen angewandter und freier Kunst. Es können Plakate entstehen, die bis heute als künstlerische Höhepunkte ihrer Zeit gelten. Dazu gehören die berühmten Lithografien von Toulouse-Lautrec oder Alfons Mucha genauso wie dreißig Jahre später die Filmplakate der Brüder Stenberg in Moskau oder die Kompositionen von Cassandre in Paris. Die Ausstellung stellt die führenden Plakatkünstler*innen, von denen die meisten in Deutschland viel zu wenig bekannt sind, mit typischen und wichtigen Werken aus der Sammlung des MKG vor.

Die Anfänge des Bildplakates 
Moderne Plakate, die mit Bild und Text werben, kamen um 1830 in London und Paris auf. Sie griffen auf unterschiedliche Vorbilder und Traditionen zurück und waren zunächst von einer volkstümlichen Bildsprache geprägt. Es dominierten kulturelle Themen; Theaterstücke und Bücher wurden angekündigt. Produktwerbung wurde erst nach der Jahrhundertmitte häufiger. Die meisten der frühen Plakate hatten eher kleine Formate und hingen im Innenraum. Entwerfer*innen und Drucker*innen blieben in dieser frühen Zeit weitgehend anonym.

Die „Affichomanie“ in Paris 
Der Pariser Jules Chéret gilt als Erfinder des modernen Bildplakates. 1889 erhielt er auf der Weltausstellung eine Goldmedaille für seine Plakate. Sein Erfolg war der Auslöser für die Affichomanie, wie der Poster boom in Paris hieß, in dessen Verlauf sich Plakate zu einer Gattung mit künstlerischem Anspruch entwickelten. Anspruchsvolle Plakate wurden nun ohne Einschränkung als moderne Kunstwerke betrachtet, sie wurden gesammelt und die Neuerscheinungen in Zeitschriften besprochen. Junge Künstler wie Henri de Toulouse-Lautrec, Pierre Bonnard oder Alexandre Théophile Steinlen wurden durch sie bekannt. 1895 erschien das erste Plakat von Alfons Mucha. Es warb für Sarah Bernhardt, die berühmteste Schauspielerin ihrer Zeit. Mucha hatte einen solchen Erfolg, dass er viele der bisherigen Plakatkünstler verdrängte. Die meisten der attraktiven Aufträge gingen nun an ihn und an Künstler*innen, die in seinem Stil arbeiteten. 1894 hielt der Jugendstil im englischen Plakat Einzug. Künstler*innen wie Aubrey Beardsley oder Charles Rennie Macintosh schufen wenige, aber herausragende Plakate. Kaum bekannt, aber für die Geschichte des Plakates von entscheidender Bedeutung sind die Beggarstaffs, ein Künstlerteam bestehend aus William Nicholson und James Pryde, das mit seinen wenigen und extrem seltenen Entwürfen seiner Zeit weit voraus war.

Moderne Plakatkünstler*innen
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Entwicklung des Plakates von professionellen Gestalter*innen bestimmt. Führend waren in Paris Leonetto Capiello, in München Ludwig Hohlwein und in Berlin Lucian Bernhard. Die Profession des Plakatkünstlers kam auf. Bernhard entwickelte in Berlin das Sachplakat: Die pointierte Abbildung des Produkts wurde lediglich mit dem Markennamen verbunden – kein Hintergrund, kein Ambiente. Junge Künstler*innen der Avantgarde, die mit Plakaten auf sich aufmerksam machen wollten, taten dies unter ganz anderen Voraussetzungen: statt Teil einer Bewegung zu sein, setzten sie ihre individuelle Handschrift der Gestaltung professioneller Grafiker*innen entgegen. Vor allem expressionistische Künstler*innen – Ernst Ludwig Kirchner oder Max Pechstein in Dresden oder Oskar Kokoschka in Wien – traten mit Plakaten an die Öffentlichkeit, die sich durch ihre archaische Bildsprache auf den ersten Blick von den Werken professioneller Designer*innen absetzten.

Der Erste Weltkrieg – die Anfänge des politischen Plakates
Politische Plakate – nach den kulturellen Plakaten und der Produktwerbung der dritte Themenbereich – kamen erstaunlich spät auf: abgesehen von wenigen Ausnahmen für politische Zeitschriften geschah dies erst während des Ersten Welt-kriegs. Die Bildsprache entstammte der Historienmalerei und der politischen Karikatur des 19. Jahrhunderts. Weitere Höhepunkte des frühen politischen Plakates waren die Wahlplakate der Weimarer Republik und die Propagandaplakate während des russischen Bürgerkrieges.

Avantgarde und Art Déco 
Nach dem Ersten Weltkrieg kam es in Frankreich zu einer eigenständigen Entwicklung. Das Pariser Art Déco-Plakat gehört zu den Höhepunkten in der Geschichte des Plakates. Der führende Künstler war Adolphe Mouron, genannt Cassandre, der zwischen 1925 und 1935 rund 100 Plakate entwarf, die ihn in den Augen Vieler zum bedeutendsten Plakatkünstler des 20. Jahrhunderts machen. Etwa zur selben Zeit entstanden am Bauhaus in Weimar oder auch in der de Stijl-Bewegung in den Niederlanden Plakate mit klaren Farbflächen und strenger Schriftgestaltung. Herbert Bayer und Jan Tschichold, Walter Dexel oder auch Piet Zwart sind nur einige der Designer*innen, die mit der Avantgarde der 1920er Jahre neue Wege für die Plakatgestaltung wiesen. Auch die Plakate der russischen Avantgarde gehören zum Besten der Plakatkunst. Auf dem Gebiet des sowjetischen Filmplakates taten sich vor allem die Brüder Stenberg hervor. Sie verstanden sich als Fotomonteure, die allerdings aus technischen Gründen mit der traditionell gezeichneten Lithografie vorlieb nehmen mussten. Gustav Klucis dagegen, führender Grafiker der staatlichen Propaganda, setzte häufig die Fotomontage ein.

Nationale Plakatschulen nach dem Zweiten Weltkrieg
Besonders hervorzuheben ist der sehr typografisch und geometrisch angelegte Stil der Schweizer Plakatkünstler*innen. Armin Hofmann in Basel und Josef Müller-Brockmann in Zürich gehören hier zu den führenden Protagonisten. Als ein Gegenpol können die humorvollen Plakate des Franzosen Raymond Savignac oder des Schweizers Herbert Leupin angesehen werden. Während in Westeuropa der Internationale Stil vorherrschte, entstanden auf der anderen Seite des 
Eisernen Vorhangs, allen voran in Polen, nationale Plakatschulen, in denen die individuelle Handschrift einzelner Zeichner*innen dominierte. Vor allem Henryk Tomaszewski und seine Nachfolger*innen, darunter Jan Lenica und Roman Cieslewicz, ragen aus der Fülle polnischer Plakatkünstler*innen heraus. 

Pop Poster
In den 1960er Jahren kam es im Zuge der Pop Art zu einem neuen Höhepunkt in der Plakatgeschichte. Überall eröffneten Poster Shops und boten die bunten, oft psychedelischen Drucke einer neuen Generation von Künstler*innen an. An der Westküste in den USA zeichneten Victor Moscoso oder Wes Wilson ihre berühmten Musikplakate, während in Tokio Tadanori Yokoo seine verwirrenden und neuartigen Siebdrucke entwarf. In Frankfurt schuf Günter Kieser 
unvergessliche Porträts von Jimi Hendrix oder Frank Zappa, in London erfand Michael English mit seiner Gruppe Hapshash treffende Bilder für eine Jugend im Aufbruch. Die Protestplakate der 68er-Generation fügten sich fast nahtlos in diese neuartige Bilderwelt. Einmal mehr wurde das Plakat zum führenden Ausdrucksmittel seiner Zeit. 

Globalisierung und Digitalisierung 
Internet und Digitalisierung bedeuten für Plakate vor allem zweierlei: Zum einen verbreitete sich das europäische Konzept des Plakates und mit ihm eine sich immer mehr angleichende Bildsprache rund um die Welt. Werbung wird seit drei Jahrzehnten zunehmend international. Erfolgreichstes und zugleich umstrittenstes Beispiel sind die Plakate der italienischen Modemarke Benetton in den 1990er Jahren, die der Italiener Oliviero Toscani konzipierte und erfolgreich in über 120 Staaten verbreiten ließ. Auch anspruchsvolle Plakatgestaltung findet seither in einem weltweiten Austausch statt. Japanische oder chinesische Designer*innen wie Makoto Saito oder Kann Tai-keung gewinnen mit ihren spektakulären Plakatentwürfen internationale Auszeichnungen. Während diese und viele andere Designer*innen nur einem kleinen Kreis von Eingeweihten bekannt sind, gelingt es dem Amerikaner Shepard Fairey mit populären und zugleich zeitgemäßen Bildern ein großes Publikum zu erreichen.

Die Plakatsammlung des MKG
Als einer der Ersten begann MKG-Gründungsdirektor Justus Brinckmann bereits vor 130 Jahren Plakate zu sammeln. 1896 veranstaltete er eine Ausstellung mit 400 Objekten aus Europa und den USA, darunter zeitgenössische Meisterwerke wie die Arbeiten von Toulouse-Lautrec oder auch, mit Brinckmanns Worten, „die erstaunlichsten Riesen-Placate aus dem gelobten Land der Reclame“. Er meinte damit sechs Meter breite Theaterplakate aus New York. Seither ist die Plakat-sammlung des MKG kontinuierlich gewachsen und hat eine einzigartige Breite, Vielfalt und Qualität entwickelt. 
Dr. Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung: „Das Plakat im Wandel der Zeit zu betrachten, die unterschiedlichen Einflüsse wie Kunststile und -schulen zu beleuchten und das noch heute allgegenwärtige Medium bis zur Globalisierung und ins digitale Zeitalter zu verfolgen, ist ein gleichermaßen ambitioniertes wie spannendes Projekt. Der seit der Gründerzeit stetig weitergeführte reiche Sammlungsschatz des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg war die Forschungsgrundlage für die umfangreiche Auseinandersetzung mit dem Plakat.“ 
DIY-Station und Workshops
Unter dem Motto „Geh stempeln!“ erhalten Besucher*innen an einer DIY-Station des Hamburger Grafikbüro Klass in der Ausstellung die Gelegenheit, selbst Plakate zu gestalten. Zudem finden hier regelmäßig Workshops statt, die Termine sind: 
19. März, 16. April, 28. Mai, 11. Juni, 13. August, 17. September, jeweils 19 Uhr, Kosten 5 Euro zzgl. Museumseintritt. Anmeldung unter: mailto:vermittlung@mkg-hamburg.de  

Förderung:
Mit freundlicher Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung und der Zeit-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius.

Publikation: Der Katalog zur Ausstellung mit dem Titel Das Plakat erscheint voraussichtlich im Mai 2020 im Prestel Verlag; Klappenbroschur, 376 Seiten, 24 x 28 cm, 480 farbige Abbildungen, ISBN: 978-3-7913-5985-4, 49 Euro.
https://www.randomhouse.de/Verlag/Prestel/58000.rhd 

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Kurator: Dr. Jürgen Döring, T. 040 428134-500,
mailto: juergen.doering@mkg-hamburg.de
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit | Press Office
Lena Drobig, T. 040 428134-801,
mailto:lena.drobig@mkg-hamburg.de
Öffnungszeiten: Di–So 10–18 Uhr, Do 10–21 Uhr | Eintritt: 12 € / 8 €, Do ab 17 Uhr 8 €, bis 17 Jahre frei
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Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Steintorplatz 1 | 20099 Hamburg
T. +49 40 428134-801 | F. +49 40 428134-999 | M.
http://www.mkg-hamburg.de

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Ausstellungen | Exhibitions
_ 100 Jahre lenkbares Licht. Ursprung und Aktualität beweglicher Beleuchtung | bis 1.6.20
_ Sagmeister & Walsh: Beauty | bis 26.4.20
_ All-over. Neues Grafikdesign aus den Niederlanden | bis 1.3.20
_ Unter Freunden. Japanische Teekeramik | bis 1.3.20
_ Das zweite Original. Fotografie neu ordnen: Reproduktionen | bis 19.7.20
_ Raubkunst? Die Bronzen aus Benin | bis auf Weiteres

Vorschau | Preview
_ Das Plakat | 28.2. bis 20.9.20
_ Copy & Paste. Wiederholung im japanischen Bild | 27.3. bis 26.7.20
_ Syria 2087. Fossilien der Zukunft | 8.5.20 bis 25.4.21
_ Peter Lindbergh: Untold Stories | 21.6. bis 1.11.20
_ Made in China. Porzellan | 21.8.20 bis 25.4.21
_ Life on Planet Orsimanirana | 18.12.20 bis 8.8.21

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