Suizidalität tritt am häufigsten in psychosozialen Krisen auf
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Suizidalität in Krisen
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Welttag der Suizidprävention 2015
Interview mit dem Chefarzt der Heinrich-Heine-Klinik Potsdam – Zentrum für Psychosomatik und Psychotherapie über Suizidalität, Hintergründe und Aufklärungsarbeit
Potsdam, im September 2015 findet unter dem Motto „Preventing Suicide: Reaching out and Saving Lives“ der Welttag der Suizidprävention statt, der von der International Association for Suizide Prevention (IASP) und der Weltgesundheitsorganisation WHO das erste Mal 2003 ausgerufen wurde. Mit zahlreichen Aktionen und Veranstaltungen wollen bundesweit verschiedene Initiativen auf die immer noch weitgehend verdrängte Problematik der Suizidalität in Deutschland aufmerksam machen. Die Forderung nach einer nationalen Aufklärungskampagne zur Prävention von Suizid wird dabei immer lauter.
Jedes Jahr sterben in Deutschland etwa 10.000 Menschen durch Suizid. Das bedeutet, es sterben mehr Menschen durch Suizid als durch Verkehrsunfälle, Gewalttaten und illegale Drogen zusammen. Von jedem Suizid sind nach Schätzungen der WHO durchschnittlich deutlich mehr als sechs Personen betroffen. Nicht nur Angehörige, auch Freunde, Kollegen, Mitschüler etc. können in einem Maße traumatisiert sein, dass sie selbst Unterstützung benötigen. Aufklärung und Suizidprävention sind daher eine gesellschaftliche Aufgabe, die über den Bereich der Gesundheitspolitik weit hinausgeht.
Interview
mit Martin Lotze, Chefarzt der Heinrich-Heine-Klinik / Zentrum für Psychosomatik und Psychotherapie
Herr Lotze, in welcher Not befinden sich Menschen, die an den Freitod denken und Opfer der eigenen Tat werden?
Martin Lotze:
Suizidalität tritt am häufigsten in psychosozialen Krisen und bei psychischer Erkrankung auf. So treten z.B. bei 80 Prozent aller Patienten, die an einer Depression leiden, im Verlauf ihrer Erkrankung Suizidgedanken auf. Die Gefühle des Depressiven bewegen sich alle in eine Richtung: Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, bis hin zu einer ohnmächtigen Wut sich selbst gegenüber. Die Menschen benötigen dringend professionelle Hilfe. Auch bei Alkohol- und Drogenabhängigkeit oder psychische Erkrankungen wie Psychosen, Schizophrenie und Persönlichkeitsstörungen können Suizidgedanken vorhanden sein.
Wie kann Betroffenen geholfen werden. Was ist im Akut-Fall zu tun?
Martin Lotze:
Das bedeutsamste Mittel überhaupt ist das Sprechen über die Gedanken, sich öffnen und sich trauen, über dasThema zu sprechen. Das lässt den ersten Dampf vom Kessel und erleichtert enorm. Dabei ist es egal, ob sich der Betroffene an eine Telefonseelsorge wendet, an seinen Hausarzt oder einen guten Freund. (www.telefonseelsorge.de, kostenfreier Anruf: Tel. 0800 / 111 0 111 oder 0800 / 111 0 222). Auch Psychotherapeuten, Psychiater oder psychiatrische Kliniken können erste Anlaufstellen sein.
Das Erkennen einer psychischen Erkrankung und das Behandeln sowie eine therapeutische Begleitung können einen Suizid aktiv verhindern. Oft hilft schon das Signal: „Du bist nicht allein in dieser Phase, wir können dir helfen. Das Licht am Horizont, das du im Moment nicht erkennst, wird wiederkommen. Wir helfen dir dabei!“ Bei leichteren Fällen können Medikamente oder eine ambulante Psychotherapie ausreichend sein. Manchmal kommt eine Kombination aus medikamentöser Behandlung und Psychotherapie zum Einsatz. In schweren Fällen ist eine stationäre Behandlung in einer Klinik sinnvoll. Stark akut Suizid-Gefährdete gehören in eine psychiatrische Abteilung, wo sie professionelle Hilfe erfahren.
Wie sollten Angehörige und Außenstehende mit einem Suizidgefährdeten umgehen?
Martin Lotze:
Zunächst ist es wichtig, jede Äußerung in diese Richtung ernst zu nehmen. Wenn ein Verdacht besteht, ist es sinnvoll, konkret nachzufragen. Angehörige sollten immer Ruhe bewahren und vor allem Schuldzuweisungen vermeiden. Es gilt, alle Warn- und Alarmsignale zu registrieren, rechtzeitig Hilfe anzubieten oder Hilfe zu vermitteln. Für Angehörige gibt es beratende Anlaufstellen, die Tipps und Hinweise zum Umgang mit dem Suizidgefährdetet geben. In akuten Fällen gehören Gefährdete in die Hände eines Psychiaters oder Psychotherapeuten oder in eine psychiatrische Klinik.
Das Thema Selbsttötung
ist in der Gesellschaft ein Tabuthema. Was braucht Suizidprävention?
Martin Lotze: Wir brauchen Aufklärung, Aufklärung, nichts als Aufklärung. Suizidprävention sollte gefördert werde mit der Notwendigkeit von Institutionen der 24h-Krisenintervention, Gesetze, Aus-, Weiter- und Fortbildungen, aber auch die Vergrößerung der Griffnähe zu Suizidmethoden, z.B. Waffengesetz, Drogenverbot, Schutzmaßnahmen auf Hochhäusern etc.
Zudem muss ein Stigmawechsel den gesellschaftlichen Aspekt berücksichtigen, dass psychische Krankheiten in Form von Krisen zum Leben und zum Menschen dazu gehören.
Grundsätzlich gilt, Suizidalität kann bei jedem Patienten zum Thema werden. Es ist aber selbst heute, trotz veränderter gesellschaftlicher Einstellung noch immer ein gesellschaftliches und individuelles Tabu-Thema. Hier liegt das Schweigen näher als das Reden darüber. Man ist deshalb auf ein Mindestmaß an Offenheit und Ehrlichkeit des Betreffenden angewiesen. Hier sind Aufmerksamkeit und Achtsamkeit gefragt. Sensibel - in Bezug auf Nachahmer - sollte auch mit der Medienberichterstattung umgegangen werden.
Martin Lotze, Chefarzt der Heinrich-Heine-Klinik Potsdam und seine Kollegin Dr. Barbara Lieberei, Chefärztin Krankenhausabteilung / Akutpsychosomatik der Heinrich-Heine-Klinik beantworten Ihnen gerne weitere Fragen zu diesem und zu anderen Themen rund um die Psychosomatik und Psychotherapie. Einen persönlichen Interviewtermin oder ein Gespräch per Telefon sind über die Pressestelle anzumelden bzw. zu erfragen.
Vier Dr. Ebel-Fachkliniken sind als Fachkliniken für Psychosomatik und Psychotherapie auf die Behandlung seelischer Erkrankungen spezialisiert. Behandlungskonzepte mit psychotherapeutischen Gesprächen, mit Entspannungsverfahren, mit Bewegungs- und Kreativtherapien bieten Hilfe zur Selbsthilfe und betrachten dabei den gesamten Menschen ganzheitlich.
Weitere Informationen zu Therapiemaßnahmen der Dr. Ebel-Fachkliniken: www.ebel-kliniken.com
Ulrike Spaak
Referentin Unternehmenskommunikation
Dr. Ebel Fachkliniken GmbH & Co.
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Prof. Prof. h.c. Dr. rer. pol. Hans-Jürgen Ebel