Jahrbuch Sucht: 1,6 Millionen Alkoholabhängige, 1,4 Millionen Alkoholgefährdete, 74.000 Alkoholtote, 60 Milliarden Euro volkswirtschaftliche Kosten

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Etwa zehn Prozent der deutschen Bevölkerung sind abhängig von Suchtmitteln. Einerseits gehen Nikotin- und Alkoholmissbrauch leicht zurück, doch andere Abhängigkeitserkrankungen nehmen - auf einem wesentlich geringeren Niveau - zu: Medikamente, Drogen, Elektronik und Glücksspiele gefährden immer stärker die Gesundheit. Allein die Zahl der alkoholbedingten Todesfälle wird in Deutschland auf jährlich etwa 74.000 geschätzt. Im Jahrbuch Sucht 2020 bieten Experten der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) einen aktuellen Überblick.
Tabak
"Im Zeitraum von 1995 bis 2018 ging die Rauchquote bei Männern um 19 Prozentpunkte und bei Frauen um zehn Prozentpunkte zurück. Mit der Zeit haben sich die Rauchquoten von Männern und Frauen sukzessive angenähert." Hauptgrund: Die jüngere Generation findet immer weniger Geschmack am Nikotin und reagiert immer weniger auf die immer kostspieligere Werbeaktivität der Tabakindustrie. Gegenwärtig rauchen etwa ein Viertel bis ein Drittel der erwachsenen Männer und etwa ein Fünftel bis ein Viertel der erwachsenen Frauen. Mehr als vier Millionen Deutsche gelten als nikotinabhängig - und sind damit in der aktuellen Coronakrise besonders gefährdet.
Autoren des Jahrbuchs Sucht sehen wesentliches Potenzial in weiteren Maßnahmen zur Prävention und Entwöhnung: "Auf diese Weise ließen sich allein zwischen 2020 und 2040 etwa 700.000 tabakassoziierte Sterbefälle vermeiden."
Alkohol
Die Kombination Nikotin plus Bier addiert nicht nur die toxischen Wirkungen, sondern multipliziert sie. Daher ist der Rückgang des Bierkonsums medizinisch vorteilhaft. Wein und Spirituosen werden allerdings seit 1990 etwa konstant getrunken. Im Jahr 1970 genehmigten sich BundesbürgerInnen ab 15 Jahren 14,4 Liter Reinalkohol, im Jahr 2017 nur noch 10,5 Liter. Dennoch sind die Deutschen im internationalen Vergleich nach wie vor überproportional "stark am Glas"; die Norweger begnügen sich z.B. mit sechs Litern, also fast der Hälfte. Etwa 1,6 Millionen Deutsche gelten als alkoholabhängig, weitere 1,4 Millionen als alkoholgefährdet. Die direkten und indirekten volkswirtschaftlichen Kosten des Alkoholkonsums beziffert das Jahrbuch Sucht auf fast 60 Milliarden Euro jährlich.
Medikamente
Nach wie vor steigt der Medikamentenmissbrauch. Auffällig ist die vergleichsweise häufige Verordnung von Psychopharmaka für Frauen. Vor allem ältere Frauen sind bei den insgesamt annähernd 1,9 Millionen medikamentenabhängigen Deutschen überrepräsentiert. Schlaf- und Beruhigungsmittel werden über lange Zeit verordnet. Fast 40.000 Deutsche sind von Schmerzmitteln abhängig. Die reichliche Einnahme von Schmerzmitteln belegt der aktuelle Suchtsurvey: Die Befragung zeigt, dass über 17 Prozent der Deutschen im vorausgegangenen Monat rezeptierte und mehr als 31 Prozent rezeptfreie Analgetika eingenommen hatten - viele auch über eine längere Zeit.
Illegale Drogen
Der Drogenkonsum - v.a. in der jüngeren Generation - wächst weiter. Etwa 477.000 Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren sowie mehr als 15 Millionen Erwachsene haben zumindest einmal im Leben eine illegale Droge konsumiert. Etwa 309.000 Deutsche gelten als Cannabis-abhängig, ca. 103.000 als Amphetamin-abhängig, etwa 41.000 als Kokain-abhängig. 1276 Drogentote wurden 2018 in Deutschland registriert. Die Zahl sagt allerdings nichts über die wirklichen, umfassenden gesundheitlichen Schäden Betroffener und ihrer Angehörigen aus. Der Drogenkonsum ist illegal und häufig sozial auffällig, insgesamt jedoch - im Vergleich zu den "herkömmlichen", legalen Suchterkrankungen - noch kein "normales", sozial akzeptiertes Massenphänomen.
Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (Hrsg.) Jahrbuch Sucht 2020. Pabst, 288 Seiten. Hardcover ISBN 978-3-95853-589-3. e-Book 978-3-95853-589-3

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