Gegen Gewalt in der Pflege
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BERLINER PFLEGEKONFERENZ
Gegen Gewalt in der Pflege und für bessere Rahmenbedingungen in einer alternden Gesellschaft
Berlin - Der Nebel über Düsseldorf hatte zwar dafür gesorgt, dass Gesundheitsministerin Barbara Steffens den zweiten Tag der 2. Berliner Pflegekonferenz nicht mit ihren Eindrücken aus regionaler Sicht bereichern konnte. Dafür lichteten weitere Experten den Nebel. Und die Veranstaltung wurde zu einem gelungenen Rundumblick in der Pflegewelt.
Uwe Lübking, Beigeordneter für Soziales beim Deutschen Städte- und Gemeindebund sieht eine große Mitverantwortung der Kommunen beim Thema Pflege. „Denn nirgendwo zeigen sich demographische Veränderungen so deutlich, wie in den Kommunen.“ Deren Zukunftsfähigkeit werde maßgeblich davon abhängen, wie diese auf die Herausforderungen reagieren. Lübking: „Wie wir im Feld der Familien- und Kinderpolitik familienfreundliche Kommunen geschaffen haben, so müssen wir uns stärker auf das Thema der älter werdenden Gesellschaft einrichten. Hier liegt noch ein längerer Weg - auch in den Kommunen.- vor uns.“ Lübking plädierte für eine „aktive und moderne Pflegepolitik, unterstützt durch die Kommunen“. Die stärkere Rolle der Kommunen müsse aber auch finanziell und kompetenzrechtlich abgesichert werden - zum Beispiel über Fachkräfte in den kommunalen Verwaltungen.
Andreas Westerfellhaus, Präsident des Deutschen Pflegerates, der kurzfristig wegen aktueller politischer Entwicklungen absagen musste, ließ via Grußwort die vielen interessierten Teilnehmer wissen, dass „die Konferenz den richtigen Titel - aus der Praxis für die Praxis“ trage und den Bogen von der Pflege in die Politik schlage. Leider liegen seiner Auffassung nach die Prioritäten dort nicht immer auf den Mitarbeitern in der Pflege. Westerfellhaus: „Wir müssen Gesetze in Zukunft danach betrachten, ob für die Umsetzung auch das erforderliche Personal da ist.“ Der DPR-Präsident sprach sich auch klar für Pflegekammern aus: „Wir brauchen in jedem Land eine Pflegekammer“, schrieb er. Um den Pflegeberuf attraktiver zu machen, müsse darüber hinaus auch die Ausbildung generalisiert werden, so Westerfellhaus.
Den Blick in eine ganz andere Richtung lenkte Dr. Ralf Suhr, Vorsitzender des Vorstands des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) - und stellte die Frage: „Qualität in der Pflege - ist Gewaltprävention kein Thema?“ Zwar gebe es viele Qualitätsprüfungs- und Sicherungsinstrumente in der Pflege - aber nur eine Stelle, die sich mit dem Thema der Gewalt gegenüber älteren Menschen beschäftige. „Ein Forschungsschwerpunkt unserer Stiftung ist deshalb auch das Thema Gewaltprävention“, sagte Suhr. Hier gebe es noch viel zu wenig wissenschaftliche Erkenntnisse. Gewalt in der Pflege sei auch kein Thema, das nur die professionelle Pflege angehe, sondern „besonders auch die Familie“. Das Thema werde aber noch marginalisiert und tabuisiert. Dr. Suhr: „Wenn in der Nachbarschaft ein Kind schreit, dann kümmert man sich schneller darum, als wenn das ein alter Mensch tut.“ Gewalt sei aber nicht nur das, was man in den Medien sehe: „Gewalt ist auch, wenn man einen pflegebedürftigen Menschen sein Essen auf dem Toilettenstuhl einnehmen lässt!“ Auch vermeintlich „gut gemeinte“ Maßnahmen, wie das Fixieren von Pflegebedürftigen seien eine Form von Gewalt. „Und es gibt auch keine Erkenntnis darüber, dass solche Maßnahmen helfen, Stürze zu vermeiden“, betonte Dr. Suhr. „Es gibt aber Evidenz darüber, dass freiheitsentziehende Maßnahmen durch komplexe Interventionen vermieden werden können“, so der ZQP-Präsident.
Franz Knieps, Vorstand des BKK-Dachverbandes e. V. nahm den Ball auf und bestätigte: „Dieser Vortrag macht deutlich, dass die rosarote Sozialromantik im Gesundheitswesen nicht der Realität entspricht.“ Knieps fragte sich und das Publikum auch, „ob wir noch die richtigen Diskussionen über die Herausforderungen im Gesundheitswesen führen - und die Antworten des 19. Jahrhunderts immer noch helfen, diese zu meistern.“ Nicht nur der BKK-Dachverbands-Chef hatte da im Saal so seine Zweifel. „Die aktuellen Rahmenbedingungen reflektieren nicht, dass wir in einer älter werdenden Gesellschaft leben“, so Knieps. Das werde sich auch nicht ändern, „solange wir das Leitbild haben, dass das deutsche Gesundheitswesen primär ein Reparaturbetrieb ist und dass es nur heroischer Ärzte bedarf“. Knieps sagte in diesem Zusammenhang, er finde es skandalös, dass es gerade mal eine medizinische Fakultät gibt, die die Pflegewissenschaft integriert hat. „Noch viel skandalöser finde ich es aber, dass ein Ärztekammerpräsident vom Proletariat sprechen kann, wenn er Pflegekräfte meint!“
Abgerundet wurden die vielen Einblicke der Experten durch vertiefende Workshops. Wieder einmal zeigte sich, dass es beim Thema Pflege noch viel zu diskutieren und viele neue Perspektiven zu entdecken gibt. Die 3. Berliner Pflegekonferenz kann also im kommenden Jahr thematisch aus dem Vollen schöpfen!
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