Versorgungsforschung“ und „Neurochirurgie 2030“ – spannende Diskussionen mit zukunftsweisenden Fragestellungen
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Neurochirurgie + Versorgung 2030
-gs-dgnc-conventus19-7neurochirurgie2030
Der hochkarätige Neurochirugenkongress im 70. Jahr mit 1.800 Teilnehmern ging in Würzburg erfolgreich zuende
Charakteristika
> Erfahrungs- und Gedankenaustausch
> Feierliche Stipendien- und Preisvergaben
> Interdisziplinäre Herausforderungen
> Zukunftsweisende Fragestellungen und Perspektiven
> Kathetergestützte Therapien neurovaskulärer Erkrankungen
> Neuromodulation in Neurodegenerative Disease
> Strahlungsfreie Diagnostik in der Kinderneurochirurgie
> Ausblick 2020
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Erfahrungs- und Gedankenaustausch
Würzburg. Die 70. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie e.V. (DGNC) vom
12. bis 15. Mai in Würzburg brachte insgesamt 1.800 Teilnehmer zusammen und ermöglichte einen
intensiven wissenschaftlichen Erfahrungs- und Gedankenaustausch. Nach der festlichen Eröffnung
im Kaisersaal der Würzburger Residenz bot das Kongressprogramm eine Vielzahl spannender
Vorträge, Posterbeiträge und Workshops. Renommierte Experten aus dem In- und Ausland
kennzeichneten die Jahrestagung ebenso wie viele intensive Diskussionen mit zukunftsweisenden
Fragestellungen: „Versorgungsforschung“ und „Neurochirurgie 2030“ lauteten die übergeordneten
Hauptthemen, welche den Blick über das eigene Fachgebiet hinaus lenkten, um in gemeinsamer,
interdisziplinärerer Zusammenarbeit neue Entwicklungen anzuregen und neben aktuellen
Aspekten und Herausforderungen zugleich neue Strategien für die zukünftige Patientenversorgung
zu erarbeiten, wie Tagungspräsident Prof. Dr. Ralf-Ingo Ernestus, Direktor der Neurochirurgischen
Klinik und Poliklinik am Universitätsklinikum Würzburg, betonte. Im Rahmen der Jahrestagung
fand auch das 1. Joint Meeting mit der Skandinavischen Gesellschaft für Neurochirurgie (SNS) statt.
DGNC-Präsident Prof. Dr. Volker Tronnier (Lübeck) hob den Weitblick der Tagungsausrichtung hervor,
die mit ihren Hauptthemen „Versorgungsforschung“ und „Neurochirurgie 2030“ bewusst über das
eigene Fachgebiet hinausgehe, um neue Entwicklungen anzustoßen. Prof. Ernestus betonte, dass es
vor allem darum gehe, neben den aktuellen Aspekten neurochirurgischer Krankenversorgung,
Forschung und Lehre neue Strategien für die zukünftige Patientenversorgung zu erarbeiten – „von
einer gemeinsamen und interdisziplinären Zusammenarbeit der angrenzenden Fachgebiete
profitieren letztlich alle.“ Dass die Fokussierung auf einen offenen und kritischen Dialog in den
national und international hochrangig besetzten Plenarsitzungen sowie weiteren interdisziplinären
Symposien sehr gut ankam, belegt neben den vielen angesehenen Medizinern im Congress Centrum
Würzburg auch der hohe Anteil jüngerer Kongressteilnehmer. „Die große Zahl von mehr als 900
eingereichten wissenschaftlichen Beiträgen sollte das Vertrauen in unseren Nachwuchs stärken“, so
Prof. Ernestus.
Feierliche Stipendien- und Preisvergaben
Erste Kongress-Highlights waren die feierlichen Stipendien- und Preisvergaben zur Auszeichnung
junger Mediziner und Wissenschaftler für ihre herausragenden Arbeiten im Bereich der
Neurochirurgie. Gemeinsam mit Prof. Dr. Rolf Kalff (Jena) und Prof. Dr. Wolfgang Wagner (Mainz)
überreichte Prof. Dr. Volker Tronnier den Forschungspreis des Stiftungsrats der Stiftung
Neurochirurgische Forschung der DGNC“, der mit einer Förderung in Höhe von 10.000 Euro
verbunden ist, an Dr. Tobias Philipp Schmidt (Aachen) für das Projekt „Die Bedeutung des
glymphatischen Systems im Rahmen der akuten Subarachnoidalblutung. Das Wilhelm-Tönnis-
Stipendium, ebenfalls dotiert mit 10.000 Euro, übergab Prof. Tronnier an Dr. Christian Ille (München).
Darüber hinaus würdigte der Stiftungsrat der Gerhard und Christine Lausberg Stiftung für Schädel-
Hirn-Traumatologie und Intensivmedizin Dr. Michael Kosterhorn und Dr. Axel Neulen (beide aus
Mainz) für das Projekt „Charakterisierung der zerebralen Inflammation nach spontaner
Subarachnoidalblutung“ mit einer Förderung von 10.000 Euro.
Interdisziplinäre Herausforderungen
Der viertägige Kongress bot im Anschluss an den Fortbildungstag für angehende Fachärzte
ein umfassendes wissenschaftliches Programm mit einer Vielzahl spannender Vorträge,
Posterbeiträge und Workshops. Insgesamt kamen rund 1.800 Ärzte, Wissenschaftler,
Pflegefachkräfte und Therapeuten zum intensiven wissenschaftlichen Erfahrungs- und
Gedankenaustausch zusammen und setzten sich mit interdisziplinären Herausforderungen
auseinander, gerade auch unter Beteiligung der skandinavischen Neurochirurgen und weiterer
internationaler Experten. Die Vielfalt an Themen verdeutlichte, wie sehr die Komplexität der
Neuromedizin gestiegen ist, was sich auch in den interdisziplinären Sitzungen gemeinsam mit der
Deutschen Wirbelsäulengesellschaft (DWG) und der Deutschen Gesellschaft für NeuroIntensiv- und
Notfallmedizin e.V. (DGNI) spiegelte. Mit Prof. Dr. Bernhard Meyer (München) und Prof. Dr. Oliver
Sakowitz (Ludwigsburg) stehen beiden Fachgesellschaften Neurochirurgen als Präsidenten vor, die
auch die Sitzungen leiteten. Zudem fand erstmals ein Symposium gemeinsam mit dem Deutschen
Netzwerk Versorgungsforschung e.V. statt, dem die DGNC nun seit 10 Jahren angehört. Die
Vorsitzende des Netzwerks, Frau Priv.-Doz. Dr. Monika Klinkhammer-Schalke (Regensburg), betonte
in ihrem Einführungsreferat die Bedeutung der Versorgungsforschung gerade auch für die
neurochirurgischen Themenschwerpunkte und bot diesbezüglich seitens des Netzwerks jegliche
Form der Unterstützung an.
Zukunftsweisende Fragestellungen und Perspektiven
Den beiden Hauptthemen waren in dem umfangreichen wissenschaftlichen Vortragsprogramm
wesentliche Schwerpunkte der Neurochirurgie zugeordnet:
- Neurochirurgische Onkologie
- Neurovaskuläre Erkrankungen
- Neurotraumatologie, Neuromodulation
- Spinale Neurochirurgie
- Kinderneurochirurgie
Zukunftsweisende Fragestellungen und Perspektiven, insbesondere auch aus den der Neurochirurgie
benachbarten Fachgebieten, bestimmten die Diskussionen in allen Bereichen.
Prof. Dr. Jörg-Christian Tonn (München) gab beispielsweise in der Plenarsitzung zur
Neurochirurgischen Onkologie unter dem Titel „Quo Vadis Neurosurgical Oncology?“ einen aktuellen
Einblick in künftige Aufgabenfelder. Im Bereich der Neuroonkologie als interdisziplinärem Fach spiele
die Neurochirurgie eine entscheidende Rolle und könne die Zukunft wesentlich mitgestalten. Mit
Hilfe technischer Neuerungen, wie verbesserter intraoperativer Bildgebung, könnten
neurochirurgische Operationen schneller und sicherer durchgeführt werden. Vor allem aus der
Tumorbiologie seien weitere Erkenntnisse hinsichtlich der biologischen und molekulargenetischen
Grundlagen der Tumorentstehung und -ausbreitung zu erwarten. Neurochirurgisch-onkologische
Fragen könnten im Bereich experimenteller Medizin weiter erforscht werden, indem Tumorgewebe
nicht nur zur individuellen Diagnostik und Therapie entnommen wird, sondern gleichzeitig auch zur
weiteren Erforschung des Tumorwachstums dient.
Kathetergestützte Therapien neurovaskulärer Erkrankungen
Die mit Spannung erwartete Diskussion über heutige endovaskuläre Therapiemöglichkeiten
neurovaskulärer Erkrankungen zeigte die rasante Weiterentwicklung interdisziplinärer Behandlungsoptionen
des Blutgefäßsystems von Gehirn und Rückenmark in den letzten Jahrzehnten.
Oftmals können Kathetereingriffe erfolgreich eingesetzt werden, etwa bei der arteriosklerotisch
verengten Halsschlagader zur Wiederherstellung eines ausreichenden Blutflusses sowie zur
Behandlung von Aneurysmen des Gehirns. Bei der Vorstellung der häufigsten endovaskulären
Eingriffe von Gefäßerkrankungen der Kopf-Hals-Region, die mit Hilfe hochspezialisierter
Angiographie-OP-Anlagen durchgeführt werden, stellte Prof. Dr. Mirko Pham (Würzburg) heraus,
dass sich der Anteil neurointerventioneller Eingriffe auch bei der Akutbehandlung eines ischämischen
Schlaganfalls deutlich erhöht hat.
Prof. Dr. Daniel Hänggi (Mannheim) wies auf die Notwendigkeit hin, dass innerhalb der nächsten
Jahre im Bereich der neurovaskulären Erkrankungen eine stark veränderte Struktur mit
Neurovaskulären Zentren entwickelt werden sollte, welche insbesondere die Grenzen zu den
benachbarten Fachdisziplinen weiter auflöst und auch grundlagenorientierte neurovaskuläre
Forschung integriert.
Eine intensive Diskussion entspann sich auch im Bereich der neurovaskulären Erkrankungen und der
zerebovaskulären Intensivmedizin. Einer aktuellen Studie zufolge, deren Ergebnisse Prof. Dr.
Alexander E. Hartmann (Köln) präsentierte, profitierten alle schwer betroffenen Patienten mit einer
Kraniektomie nach Hirninfarkt deutlich von einer unmittelbar angeschlossenen Frührehabilitation.
Kritisiert wurde die gängige Praxis, nach der nur bei jüngeren Patienten eine Frührehabilitation
problemlos gewährt wird, bei älteren jedoch eine Kostenübernahme oft abgelehnt würde.
Tiefe Hirnstimulation bei neurodegenerativen Erkrankungen
Neue Erkenntnisse und Diskussionen gab es zur Weiterentwicklung der Tiefen Hirnstimulation (THS)
bei neurodegenerativen Erkrankungen. Insbesondere bei Morbus Parkinson, Dystonie und Tremor
stellt der minimalinvasive Eingriff eine effiziente Behandlungsmethode dar. Häufig wird THS
eingesetzt, wenn die Wirkung der medikamentösen Therapie nach einigen Jahren nachlässt. Frau
Prof. Dr. Cordula Matthies wies darauf hin, welche erhebliche körperliche Beeinträchtigung und
psychische Belastung dies für die Betroffenen bedeutet und stellte die Ergebnisse aktueller Studien
vor, nach denen durch die THS enorme Verbesserungen der Mobilität und Lebensqualität erreicht
werden können. „Die Erkenntnisse aus den bisherigen Untersuchungen weisen darauf hin, dass die
jeweilige Erkrankung nicht auf einen einzelnen Punkt im Gehirn begrenzt ist, sondern Ausdruck eines
gestörten Regelwerks verschiedener Netzwerke ist.“ Die bisherigen Daten geben Rückschlüsse auf
positive oder negative beeinflussende Stimulationsorte, die dann von der Gesamtheit der Patienten
auf den einzelnen zu operierenden Patienten übertragen werden können. Durch Optimierung von
Planung und Präzision der Operation ist die Sicherheit in Bezug auf Komplikationen wie Blutungen
oder Infektionen dramatisch verbessert worden. Ebenfalls wurden Nebenwirkungen durch
Weiterentwicklung der Konfiguration der Hirnelektroden und der Technologie der Hirnstimulatoren
reduziert.
Einen herausragenden Vortrag hielt Prof. Dr. Andres Lozano, MD PhD (Toronto, ON/Kanada), mit
dem Titel
„Neuromodulation in Neurodegenerative Disease – State of the Art and Perspectives“:
Aktuelle Untersuchungen im Labor und klinische Studien bei Alzheimer-Erkrankung zeigen, dass der
Abbau der Hirnfunktion gestoppt werden kann und Netzwerke des Hippocampus sich erholen und
neu bilden können, wenn eine weitere wichtige Schaltstelle im Gehirn, der Fornix, durch
Neurostimulation positiv beeinflusst wird. Derzeit läuft unter Beteiligung mehrerer deutscher
Universitätskliniken, darunter auch Würzburg, eine weltweite Studie an, die erstmals Chance und
Hoffnung bietet, die Alzheimer-Krankheit im frühen Stadium mit Hilfe der THS zu bremsen.
Spinale Neurochirurgie mit minimal invasiven Methoden
Wie entscheidend eine spezialisierte Aus- und Weiterbildung in der spinalen Neurochirurgie ist,
wurde in der Sitzung mit Prof. Dr. Claudius Thomé (Innsbruck) deutlich. In der Gelenk- und
Wirbelsäulenchirurgie, die mit neuen Erkenntnissen und Operationstechniken immer schonender
und effektiver wird, kommen wichtige Entwicklungen aus den innovativen Gebieten der Navigation
und Robotik. EDV-gestützte Navigations- und Robotiksystemen bieten eine hohe Präzision während
der Operation und bessere Orientierungsmöglichkeiten bei Anomalien und Deformitäten.
Sie erlangen damit auch forensische Bedeutung. Es wurde betont, dass zum Beispiel Eingriffe zur
Entlastung des Wirbelkanals mit deutlich weniger Komplikationen verbunden sind als früher, so dass
– auch aufgrund verbesserter Narkosetechniken – immer ältere Patienten operiert werden können.
„Minimal invasive Methoden verringern bereits heute die perioperative Morbidität“, so Prof. Thomé.
„Intelligente Systeme mit haptischem Feedback werden die Sicherheit unserer Interventionen weiter
erhöhen“.
Strahlungsfreie Diagnostik in der Kinderneurochirurgie
Welche Herausforderungen angeborene Fehlbildungen des Gesichts- und Hirnschädels an ein
Ärzteteam von Kinderneurochirurgen, Mund-, Kiefer- und plastischen Gesichtschirurgen stellen,
zeigte Priv.-Doz. Dr. Tilmann Schweitzer (Würzburg) in seinem Vortrag „Future Aspects in Craniofacial
Treatment Strategies“. Eine Korrektur erfordert langwierige, am 3D-Modell akribisch geplante
Operationen. Die notwendigen Daten lieferte bisher eine Computertomographie. Da das kindliche
Gehirn jedoch sehr empfindlich auf die Strahlenbelastung reagiert, wird zunehmend die
Magnetresonanztomographie (MRT) eingesetzt, die mithilfe spezieller Algorithmen sowie hoher
Rechen- und Speicherleistungen immer bessere Daten liefern kann. Ein weiterer wichtiger
Diskussionspunkt im Bereich Kinderneurochirurgie waren Schädel-Hirn-Traumata bei Kindern. Da
auch leichtere Verletzungen späte Folgen haben können, sollte auch nach Jahren noch an eine
weiterführende Abklärung gedacht werden.
Ausblick 2020
Nach dem Ausklang des 70-jährigen Jubiläums mit überaus positiver Resonanz kann schon jetzt der
nächste Termin für die 71. Jahrestagung vorgemerkt werden, die unter der wissenschaftlichen
Leitung von DGNC-Präsident Prof. Dr. Volker Tronnier vom 21.-24.06.2020 in Lübeck stattfindet.
Kontakt:
Kerstin Aldenhoff
Telefon +49 172 3516916
mailto:kerstin.aldenhoff@conventus.de
http://www.dgnc-kongress.de
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