Hautkrebs ist die häufigste Krebserkrankung in Deutschland mit jährlich 240.000 Neuerkrankungen, Tendenz weiter steigend
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Hautkrebs Kongress 2020
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Überblick
Hautkrebs ist die häufigste Krebserkrankung in Deutschland mit jährlich 240.000 Neuerkrankungen, Tendenz weiter steigend. Beim 30. Deutschen Hautkrebskongress vom 9. bis 12. September 2020 werden neue Erkenntnisse und Behandlungsstrategien diskutiert. Kongresspräsident Prof. Dr. Erwin Schultz, Nürnberg, gibt erste Einblicke in Schwerpunkte und Highlights der hochkarätigen Tagung.
Interview
zum 30. Deutscher Hautkrebskongress, 9. – 12. September 2020
Kongresspräsident Prof. Dr. med. Erwin Schultz:
„Gute Nachricht für Patienten: Weitere Fortschritte in der Therapie sowohl
beim Melanom als auch bei anderen bösartigen Hauttumoren!“
Nürnberg. (ka) Hautkrebserkrankungen sind Spätfolgen langjähriger Sonneneinstrahlungen in Freizeit
und Beruf. Mit rund 240.000 Neuerkrankungen jährlich ist Hautkrebs die häufigste Krebserkrankung
in Deutschland, Tendenz immer noch steigend. Dabei trifft es sich gut, dass die Therapiefortschritte
in den letzten Jahren immens sind. Beim 30. Deutschen Hautkrebskongress diskutieren Experten vier
Tage lang, vom 9. bis 12. September 2020, auf hohem Niveau die neusten Entwicklungen und
Strategien. Tagungspräsident Prof. Dr. med. Erwin Schultz. Klinikum Nürnberg, Universitätsklinik für
Dermatologie der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität, gibt erste Einblicke in die aktuellen
dermato-onkologischen Herausforderungen und stellt Schwerpunkte und Highlights des
hochkarätigen Kongresses vor.
Zu den neuen dermato-onkologischen Behandlungsansätzen der letzten Jahre beim Melanom und
anderen Hauttumoren werden beim Deutschen Hautkrebskongress weitere neue Erkenntnisse
vorgestellt. In welchen Bereichen liegen die Schwerpunkte?
Prof. Schultz:
Wichtige Schwerpunkte sind weitere Fortschritte in der Kombination von
Immuntherapie und zielgerichteter Therapie sowie der gesamte Themenkomplex der adjuvanten und
neoadjuvanten Therapie. Die jüngsten Entwicklungen sind eine gute Nachricht für Melanompatienten:
Nachdem man viele Jahre nur wenig effektive Therapiemöglichkeiten zur vorbeugenden
Therapie von Hochrisikomelanom-Patienten nach erfolgter Operation zur Verfügung hatte, sind in
den letzten beiden Jahren nun drei neue und sehr wirksame adjuvante Therapien für das maligne
Melanom im Stadium III zugelassen worden. Doch die Entwicklung macht da nicht Halt. Derzeit wird
untersucht, ob auch Patienten mit dicken Primärtumoren von einer adjuvanten Therapie profitieren
können. Darüber hinaus gibt es erstaunliche Effekte bei der sogenannten neoadjuvanten Therapie,
d.h. Patienten mit Lymphknotenmetastasen bekommen zuerst eine kombinierte Immuntherapie und
werden erst danach operiert. Hier stellt sich bereits jetzt die Frage, ob dieser Ansatz nicht sogar
effektiver ist als die bislang verfolgte adjuvante Strategie. Zusammenfassend kann man sagen, dass
sich durch neue therapeutische Entwicklungen die Prognose von Melanompatienten in allen Stadien
verbessert hat bzw. noch verbessern wird.
Gibt es weitere neue Erkenntnisse zum Melanom, dem gefährlichen „schwarze Hautkrebs“?
Prof. Schultz:
Das Melanom ist deshalb so gefährlich, weil dieser Krebs schnell Metastasen ausbilden
kann. Selbst wenn ein Melanom noch ziemlich dünn ist, kommt es vor, dass es sich schon in die
Lymphknoten und von dort aus in den ganzen Körper ausgebreitet hat. Es hat sich gezeigt, dass es zur
Prognoseabschätzung sehr wichtig ist, den sogenannten Wächterlymphknoten zu entfernen und auf
das Vorhandensein von Mikrometastasen zu untersuchen. Ist der Lymphknoten befallen, wurde
bislang zumeist die Entfernung aller weiterer Lymphknoten der betroffenen Lymphknotenstation
empfohlen. Dies wird heute nur noch in Ausnahmefällen empfohlen, da die Patienten insbesondere
vor dem Hintergrund der wirksamen adjuvanten Therapien davon nicht profitieren dürften.
Trotz Operation und möglicher adjuvanter Behandlung treten bei einer Anzahl von Patienten
Rückfälle auf. Werden neue Ergebnisse zur Therapie beim metastasierten Melanom vorgestellt?
Prof. Schultz:
Nachdem wir beeindruckende Ergebnisse sowohl mit der zielgerichteten Therapie bei
B-RAF mutierten Melanomen als auch mit der Immuntherapie erzielt haben, gibt es aber immer noch
Raum zur Verbesserung, da weiterhin viele Patienten nicht auf diese Therapien ansprechen. Derzeit
wird in einer Phase-3-Studie untersucht, ob die Kombination aus zielgerichteter Therapie mit den
Tyrosininkinaseinhibitoren Dabrafenib und Trametinib zusammen mit dem PD1-Antikörper
Spartalizumab noch wirksamer sein kann. Bisherige Ergebnisse zeigen eine sehr hohe Ansprechrate
von über 70 Prozent, wovon 44 Prozent sogar Komplettremissionen sind. Auch Patienten mit einem
hohen LDH-Wert haben auf die Behandlung angesprochen. Also könnten auch Hautkrebspatienten
mit hoher Tumorlast und einer schlechten Prognose von dieser Behandlung profitieren. Allerdings ist
auch die Rate an Nebenwirkungen nicht unerheblich, so dass nicht jeder Patient dafür geeignet sein
wird.
Innovative Hautkrebstherapien sind in vielen Fällen wirksam, werden aber nicht immer gut
vertragen. Wie ist der Umgang mit Nebenwirkungen?
Prof. Schultz:
Hautkrebstherapien haben oft eine sehr gute Wirksamkeit, können aber gleichzeitig
auch relevante Nebenwirkungen mit sich bringen. Die Checkpoint-Inhibitoren können zum Beispiel
Autoimmunität erzeugen, so dass sich gesunde Organe entzünden. Daher muss man immer sorgfältig
überlegen, für welchen Patienten welche Therapie am besten ist. Mit der zunehmenden Auswahl an
Therapien wird dieser Entscheidungsalgorithmus immer komplexer. Bezüglich des Nebenwirkungsmanagements
stellt sich auch immer die Frage: Wie compliant ist der Patient? Da wir ja kein Dauer-
Monitoring haben, sollte der Patient den Arzt kontaktieren, sobald er Nebenwirkungen bemerkt.
Auch die Telemedizin kann hier zukünftig unterstützen, aber sie kann die persönliche Vorstellung
nicht ersetzen.
Künstliche Intelligenz ist ein wichtiges Diskussionsthema beim Hautkrebskongress. Fachärzte
werden schon von selbstlernenden Computerprogrammen in der Melanomdiagnostik unterstützt?
Prof. Schultz:
Künstliche Intelligenz bei der Diagnose von Melanomen auf digitalen Bildern ist eine
gute Unterstützung. Es gibt spezielle Geräte für Hautärzte mit Auswertungen in der Software. Auch
spezielle Diagnose-Apps zur Hautkrebsdiagnostik sind schon entwickelt. Aber letzten Endes braucht
es immer einen Arzt, der das Bild oder die verdächtige Stelle professionell in Augenschein nimmt und
bewertet. Apps als Selbst-Check sind zwiespältig zu sehen. Sie können ein „first step“ sein und einen
Hinweis geben, dass eine ärztliche Untersuchung in Anspruch genommen wird. Man darf sich aber
nicht in falscher Sicherheit wähnen, solche Apps sind fehlerbehaftet. Wenn zum Beispiel die
Aufnahme von der Hautveränderung qualitativ nicht gut ist, kann das zu einer falschen Bewertung
führen. Deshalb werden Apps den Blick des Arztes nicht ersetzen können.
Der helle Hautkrebs und seine Vorstufen sind weit verbreitet. Die neue S3-Leitlinie „Aktinische
Keratose und Plattenepithelkarzinom der Haut“ wird beim Kongress diskutiert. Was ist neu?
Wovon profitieren die Patienten?
Prof. Schultz:
Neues zur Therapie Aktinischer Keratosen und des Plattenepithelkarzinoms,
Nebenwirkungen und Therapieerfolge – das sind wichtige Kongressthemen. Wir werden unter
anderem die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten Aktinischer Keratosen diskutieren, auch was
Substanzen, Kombinationen und Sequenzen angeht. Die Patienten profitieren von einer
photodynamischen Therapie mit Tageslicht, da diese sehr effektiv in der Fläche wirkt und sehr
schmerzarm ist. Bei ausgeprägten Befunden kann die Wirksamkeit durch die Vorbehandlung mit
einem CO2-Laser im Fraxelmode noch verbessert werden. Der hochspezialisierte Laser schießt kleine
Löcher in die Haut, wodurch der Photosensibilisator noch besser in die Haut eindringen kann.
Die Gefahr durch UV-Strahlung soll mehr ins Bewusstsein gerückt werden. Welche Diskussionen
zum Thema Prävention sind zu erwarten, um mehr Sonnenschutz durchzusetzen?
Prof. Schultz:
Zur Aufklärung der Bevölkerung weisen wir auf die Aktion „Sonne(n) mit Verstand –
statt Sonnenbrand“ hin, eine Initiative des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und
Pflege, um den seit Jahrzehnten steigenden Hautkrebszahlen entgegenzuwirken. Die Kampagne soll
vermitteln, dass der schädlichen UV-Strahlung mit geeigneten Schutzmaßnahmen begegnet werden
muss. Es muss noch viel mehr ins Bewusstsein rücken, dass jeder Sonnenbrand Spätfolgen haben
kann und die Haut von klein auf vor Sonnenlicht geschützt werden muss.
Wird auch Neues zum Sonnenschutz vorgestellt?
Prof. Schultz:
Neu angeboten werden jetzt Lichtschutzmittel mit Repair-Funktion, aber inwiefern das
besser schützt, ist noch wenig erforscht. Wichtig ist es, Sonnenschutzmittel mit hohen UVA- und
UVB-Schutz zu verwenden. Oft wird allerdings schlicht zu wenig Sonnenschutzmittel aufgetragen, so
dass der volle Schutz nicht gegeben ist. Ganz wichtig: Schatten und textiler UV-Schutz sind natürlich
besser als Lichtschutzmittel geeignet, UV-bedingte Schäden zu vermeiden. Das muss sich noch mehr
herumsprechen. Auch beim Patientenforum werden diese Fragen erörtert, um ein größeres
Bewusstsein für die Probleme zu schaffen. Ein wichtiger Schritt ist es, dass Sonnenstudios unter 18
Jahren verboten sind, so dass zumindest Jugendliche besser geschützt sind. Auch das Hautkrebs-
Screening wird wieder ein Diskussionsthema sein. Je früher Hautkrebs entdeckt wird, desto besser
sind die Möglichkeiten einzugreifen. Die Gesetzlichen Krankenversicherungen übernehmen die
Kosten ab dem 35. Lebensjahr alle zwei Jahre, aber das Screening wird weiterhin nur von ca. einem
Drittel der Anspruchsberechtigten genutzt.
Renommierte Plenarredner werden hochkarätige Keynote-Lectures mit aktuellen Forschungen aus
verschiedenen dermato-onkologischen Bereichen präsentieren. Auf welche Highlights sind Sie
besonders gespannt?
Prof. Schultz:
Es wird mehrere Highlights geben, da fällt die Wahl schwer. Den Vortrag von Pierre van
der Bruggen aus Brüssel zur Antigen-spezifischen Immuntherapie finde ich sehr spannend: „Antigenspecific
immunotherapy: From the identification of tumor antigens to cancer vaccine“. Reinhard
Dummer aus Zürich wird über neue Erkenntnisse im Bereich der Gen-Analyse sprechen: „Melanomics
for Melanomaniacs“. Und nicht zuletzt Nancy Thomas aus Chapel Hill in den USA. Sie hält einen
Vortrag zu „Demystification of Amelanotic Melanoma“. Das sind die Highlights, die mit Spannung
erwartet werden und die ich wirklich nicht verpassen möchte. Das muss allerdings auch niemand
befürchten. Da der Hautkrebskongress virtuell durchgeführt wird, können die Teilnehmer diesmal die
Chance nutzen, die Vorträge auch noch im Nachhinein, „on demand“ anzuschauen.
Wir bedanken uns herzlich für das Interview!
Alle Informationen sowie das wissenschaftliche Programm werden unter http://www.ado-kongress.de
veröffentlicht.
Kontakt:
Kerstin Aldenhoff
Tel. +49 172 3516916
mailto:presse@conventus.de
http://www.ado-kongress.de
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