Aktualisierte Leitlinie zu Harninkontinenz enthält Empfehlungen - gezielt für geriatrische Patienten

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Harninkontinenz  65+
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Inkontinenz ist immer noch ein Tabuthema. Doch vor allem ältere Menschen verlieren ungewollt Urin – etwa beim Husten – oder schaffen es nicht mehr rechtzeitig auf die Toilette. Schätzungen zufolge sind circa 40 Prozent der über 70-Jährigen in Deutschland inkontinent. Entsprechend viele ältere Patienten werden wegen ihrer Inkontinenz behandelt. Daher brauchen die betreuenden Ärzte Behandlungsleitfäden und Studien, um bestmöglich behandeln zu können. Die Arbeitsgruppe Inkontinenz der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) hat dieser Notwendigkeit nun Rechnung getragen. Die AG hat in akkurater Detailarbeit rund 500 Studien zusammengetragen, gesichtet und mit Blick auf die Anwendung auf ältere Patienten bewertet. Die Ergebnisse wurden jetzt in einer aktualisierten Leitlinie zu Harninkontinenz veröffentlicht.
„Wir haben in der interdisziplinär besetzten Arbeitsgruppe nach monatelanger Arbeit jetzt eine Leitlinie erarbeitet, die den behandelnden Ärzten ganz klare Handlungsempfehlungen mit auf den Weg gibt“, sagt Professor Andreas Wiedemann (Foto), Leiter der DGG-Arbeitsgruppe und Chefarzt der Urologischen Klinik am Evangelischen Krankenhaus Witten. Als Beispiel nennt er die Harnblasen-Langzeitdrainage: „Es ist erstmals fest definiert, dass ein Blasenkatheter zur Inkontinenzbehandlung erst dann erlaubt ist, wenn alle anderen Therapien nicht anwendbar oder gewünscht sind. Bislang wurden Katheter vorschnell gelegt“, sagt Wiedemann. Die Leitlinie hat den S2e-Status der zertifizierenden Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) erhalten. Damit ist offiziell bestätigt, dass eine systematische Evidenz-Recherche stattgefunden hat.
Empfehlungen gezielt für geriatrische Patienten erarbeitet
Es ist die bislang einzige deutschsprachige Leitlinie zu diesem Themenkomplex. Diese schlägt eine Bresche durch den Studiendschungel. „Viele Studien-Autoren definieren ältere Patienten allein durch das Alter 65+. Das greift aber zu kurz“, erklärt Wiedemann. „Ein geriatrischer Patient ist gekennzeichnet durch Vulnerabilität, Multi-Morbidität – er hat also mehrere Krankheiten – und er ist deutlich älter, nämlich über 75 Jahre. Zudem gibt es deutliche Unterscheide zwischen Mann und Frau. Wir haben daher alle Studien-Ergebnisse genau geprüft, ob sie für geriatrische Patienten überhaupt relevant sind.“ So sind beispielsweise operative High-End-Methoden wie die sakrale Neuromodulation, sogenannte „Blasen-Schrittmacher“, für geriatrische Patienten nicht geeignet.
Besonders wichtig ist dagegen das Toilettentraining. Unter diesen Sammelbegriff fallen verschiedene Methoden. Dies kann der Gang zur Toilette zu festen Zeitpunkten sein. Aber auch die regelmäßige Frage, ob der Betroffene Harndrang verspürt, ist eine wichtige Interventionsmaßnahme. So wird die Aufmerksamkeit des Patienten auf die Blase gelenkt. Selbst gebrechliche ältere Menschen mit kognitiven oder körperlichen Einschränkungen sprechen auf diese Form des Verhaltenstrainings gut an – und die Methoden sind naturgemäß frei von Nebenwirkungen. Allerdings ist hier die kontinuierliche Unterstützung der Pflegenden gefragt, zum Beispiel durch Angehörige, Partner oder Pflegepersonal.
Fokus auf Nebenwirkungen von Medikamenten
Ein weiterer Schwerpunkt der Leitlinie ist die Untersuchung von Nebenwirkungen breit eingesetzter Medikamente aus dem internistischen oder hausärztlichen Bereich. So können beispielsweise bestimmte Antidepressiva die Blase blockieren und sollten entsprechend nur nach sorgfältiger Abwägung angewendet werden. Aber auch klassische Medikamente gegen Inkontinenz dürfen bei geriatrischen Patienten nur mit Bedacht eingesetzt werden. So verändern manche dieser sogenannten Anticholinergika die Kognition und können zu einem erhöhten Sturzrisiko führen – ein fatales Risiko für hochbetagte Patienten.
Kosten werden transparent gemacht
Eine Besonderheit der Leitlinie ist, dass sie die Kosten der unterschiedlichen Behandlungsmaßnahmen klar benennt. In einem zunehmend teurer werdenden Gesundheitssystem ist dies ein wichtiger Wegweiser für die Klinik oder den niedergelassenen Hausarzt beziehungsweise den Urologen. Dabei ist wichtig zu wissen: Die Kosten für die Erstellung der Leitlinie wurde von den Mitgliedern der Arbeitsgruppe komplett selbst getragen – ein Sponsoring durch Medizin- oder Pharmaindustrie fand nicht statt.
Interdisziplinäre Arbeitsgruppe aus Geriatern und Urologen
An der Erarbeitung der Leitlinie waren sowohl Geriater als auch Urologen beteiligt – einige davon sind klinisch tätig, andere sind niedergelassen. „Durch die interdisziplinäre Arbeit wurde wirklich jeder Aspekt von unterschiedlichen Blickwinkeln aus beleuchtet“, betont Wiedemann. „Allen Arbeitsgruppen-Mitgliedern gemeinsam war: Wir sind praktisch tätig und haben täglich mit inkontinenten Patienten zu tun. Ich bin daher sicher, dass die Leitlinie eine wertvolle Arbeitshilfe für alle Kolleginnen und Kollegen sein wird, die geriatrische Patienten behandeln.“
Weitere Informationen zur Leitlinie Harninkontinenz bei geriatrischen Patienten, Diagnostik und Therapie: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/084-001.html

Kontakt zu DGG
Torben Brinkema
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Die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG):
Die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG) ist die wissenschaftliche Fachgesellschaft der Ärzte, die sich auf die Medizin der späten Lebensphase spezialisiert haben. Sie wurde 1985 gegründet und hat augenblicklich rund 1.700 Mitglieder.
Die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne der Gemeinnützigkeitsverordnung vom 24.12.1953 und ist damit ein nicht-wirtschaftlicher Verein gemäß § 21 ff BGB.

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