Tim Spector : Mythos Diät . Übersetzt von Helmut Reuter

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Mythos Diät
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Online-Publikation: August 2015 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
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416 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag; ISBN: 978-3-8270-1313-2; € 24,00 [D], € 24,70 [A], sFr 32,50
Berlin Verlag; http://www.bloomsbury-verlag.dehttp://www.berlinverlag.de

Charakteristika
Was wir wirklich über gesunde Ernährung wissen

Inhalt
Unsere Darmflora hält uns gesund und schlank ? wenn wir wieder essen, was uns wirklich gut tut, statt zu verzichten.
Wieso nimmt der eine zu und ein anderer, der das Gleiche isst, verliert sogar Gewicht? Die Gene sind nur ein Teil der Antwort. Ebenso wichtig ist unsere individuell verschiedene Darmflora, deren Mikroben vor Krankheiten und Gewichtzunahme schützen – wenn wir ihre Vielfalt fördern und nicht durch falsche Diäten zerstören. Auf der Grundlage neuester genwissenschaftlicher Erkenntnisse erklärt Tim Spector, was wir praktisch tun können, um unseren Mikroben-Garten zu pflegen – und so schlank und gesund zu sein, ohne verzichten zu müssen.
Lebendig und spannend erzählt der renommierte Professor für Genetische Epidemiologie vom Londoner King's College von überraschenden Fallbeispielen und seiner bahnbrechenden Forschung mit über 10 000 Zwillingen. Für ein Fast-Food-Experiment stellte sich sein eigener Sohn zur Verfügung. Selbst für Leser, die schon alles über Ernährung zu wissen glauben, wird Tim Spectors Anti-Diätbuch so zur fesselnden Lektüre.

Autor
Tim Spector, 1958 geboren, ist Arzt und Professor für Genetische Epidemiologie am King's College London, Direktor der Abteilung für Zwillingsforschung am St Thomas' Hospital und Leiter des »British Gut Project« zur Erforschung der Darmflora. Seit 1993 baute er die weltweit größte Zwillings-Datenbank zum Verständnis des Einflusses von Genen und Umwelt auf. 2011 startete er ein Projekt zur Sequenzierung der DNA von Darmmikroben und konnte zeigen, welche Bedeutung die individuelle Besiedlung des Darms für Gesundheit und Gewicht hat. Er ist Entdecker der genetischen Basis zahlreicher Krankheiten und Verfasser von über 600 Fachartikeln und mehrerer Bücher.
http://tim-spector.co.uk/?page_id=6

Fazit
'Das rituelle Einhalten von Diäten ist zur Epidemie geworden' und kommt einem Märchen gleich, konstatiert Tim Spector in seinem Gesundheits-Diskursbuch "Mythos Diät".
Er kommt gleich zur Sache. Es sind 100 Billionen Wesen/Mikroorganismen, wiegen rund 2 Kilo, die uns stets begleiten, namens  versinnbildlicht 'Pflanzen', im 'Garten' vorstellbar, wobei die Erde unserem Darm entspricht. Um zu verhindern. dass Unkräuter oder giftige Nährstoffe 'krankmachende Mikroben' Oberhand gewinnen: Nur mit Vielfalt von diesen 'Pflanzen & Samen'.
Spector's Quintessenz: 'Geben Sie ihnen  reichlich 'Dünger' Präbiotika, Ballast- & Nährstoffe, 'sähen' Sie regelmässig neue Arten in Gestalt von Probiotika und neuen Nahrungsstoffen. Nach gelegentlichem Fasten/Ruhesein, vermeiden (minimieren*) Sie sich mit Konservierungsstoffen, antiseptische Mundwässern, Antibiotika, Junkfood und Zucker zu vergiften.'
Dieser Aufforderung einen persönliches 'Paradiesgärtlein laut Spector' einzurichten, empfehlen wir uns allen. m+w.p*)16-1


Leseprobe :Mythos Diät
Einleitung: Ein übler Geschmack
Der Aufstieg war hart gewesen: Sechs Stunden für 1200 Höhenmeter zum Gipfel – auf Tourenskiern mit künstlichen Fellen, damit wir auf dem Schnee nicht abrutschten.
Wie meine fünf Gefährten fühlte ich mich erschöpft und ein wenig benommen, doch die spektakuläre Aussicht aus 3100 Metern Höhe über Bormio an der italienisch-österreichischen Grenze wollte ich mir nicht entgehen lassen. Auf unseren Skitouren in der Gegend hatten wir in den letzten sechs Tagen in hochgelegenen Hütten übernachtet und die körperliche Anstrengung ebenso genossen wie das gute italienische Essen. Wir schnallten die Skier ab, um die letzten zehn Meter zum Gipfel zu gehen, aber ich fühlte mich unsicher und hielt beim Hinabschauen etwas Abstand zur Kante, weil mir schien, dass meine leichte Höhenangst einsetzte. Als wir auf Skiern abfuhren, verschlechterte sich das Wetter; die Wolken sanken ab, und es begann leicht zu schneien. Ich konnte die Spuren vor mir nur schwer erkennen, ging aber davon aus, dass meine alte Skibrille beschlug. Normalerweise ist die Abfahrt auf Skiern der leichtere und entspanntere Teil, aber ich war merkwürdig erschöpft und sehr erleichtert, als wir eine Stunde später unten angekommen waren.
Als ich zu unserem französischen Bergführer aufschloss, zeigte er auf einen hohen Baum in etwa 50 Metern Entfernung, auf dem zwei Eichhörnchen saßen. Ich konnte die Tierchen sehen, aber weil ich vier von ihnen erblickte – zwei befanden sich schräg über den anderen –, wurde mir klar, dass ich doppelt sah. Aus meiner Zeit als Assistenzarzt in der Neurologie kannte ich die drei wahrscheinlichen Gründe in meiner Altersgruppe, die alle unerfreulich waren: Multiple Sklerose, Hirntumor oder Schlaganfall.
Als ich nach ein paar anstrengenden Tagen in London eine MRT organisieren konnte, die zum Glück keine Hinweise auf zwei der unerfreulichen Ursachen lieferte, sah ich mich weiterhin mit der Möglichkeit konfrontiert, dass ich einen kleinen Schlaganfall erlitten hatte.
Am Ende konnte ein Augenarzt per Telefon eine Beeinträchtigung des vierten Hirnnervs diagnostizieren. Ich hatte nur eine ungefähre Ahnung, aber die gute Nachricht lautete, dass sie sich gewöhnlich ohne Behandlung innerhalb einiger Wochen besserte. Die exakte Ursache ist unbekannt, doch sie hat mit einer spastischen Mikroblockade der Arterie zu tun, die den Nerv versorgt, der wiederum einige der Augenbewegungen steuert. Ich war sehr erleichtert: Ich musste einfach abwarten, dass das Auge wieder normal funktionierte, und zunächst eine Augenklappe und dann eine etwas sonderbar aussehende Brille tragen, deren Prismengläser das verschwommene Bild verbessern sollten.
Mehr als ein paar Minuten am Stück konnte ich weder lesen noch meinen Computer benutzen, und um es noch komplizierter zu machen, hatte ich Bluthochdruck entwickelt. Für meine Kollegen war das ein Rätsel, da der Blutdruck sich üblicherweise nicht so schnell verändert, doch bei mir war das definitiv der Fall – zufällig hatte ich ihn zwei Wochen zuvor selbst gemessen. Nach vielen kardiologischen Tests zum Ausschluss seltener Ursachen verschrieb man mir Blutdrucksenker und Aspirin zur Blutverdünnung.
Innerhalb von zwei Wochen war ich von einem sportlichen, überdurchschnittlich fitten Mann mittleren Alters zu jemandem geworden, der sich wie ein Pillen einwerfendes, depressives Schlaganfallopfer mit überhöhtem Blutdruck vorkam. Während mein Sehvermögen langsam besser wurde, bot mir die erzwungene Arbeitspause eine Menge Zeit zum Nachdenken.
Es war der Weckruf, den ich brauchte, um meine Gesundheit neu wertzuschätzen; er schickte mich auf eine persönliche Odyssee, bei der ich nicht nur erfahren sollte, wie meine Chancen auf ein längeres und besseres Leben zu erhöhen waren, sondern auch, wie ich meine Abhängigkeit von rezeptpflichtigen Medikamenten verringern und herausfinden konnte, ob ich mit einer Veränderung meiner Ernährung gesünder werden würde. Ich glaubte, die Änderung meiner lebenslangen Ernährungsgewohnheiten würde zu meiner größten Herausforderung werden, doch es zeigte sich, dass es erheblich schwieriger sein sollte, die Wahrheit über gesunde Ernährung herauszufinden.

Die Märchen der modernen »Diäten«
Herauszufinden, was in unserer eigenen Ernährung gut oder schlecht für uns ist, wird immer schwieriger, selbst für mich als Arzt und Wissenschaftler, der Epidemiologie und Genetik studiert hat. Ich habe Hunderte wissenschaftlicher Aufsätze über verschiedene Aspekte von Ernährung und Biologie verfasst, doch es ist mir schwergefallen, den Schritt von allgemeinen Ratschlägen zu praktischen Entscheidungen zu vollziehen. Überall finden sich verwirrende und widersprüchliche Aussagen. Zu wissen, wem und was man glauben kann, ist ein großes Problem. Während manche Diät-Gurus meinen, wir sollten »wie auf der Weide« regelmäßig kleine Mahlzeiten und Häppchen zu uns nehmen, widersprechen andere und ermuntern uns vielleicht dazu, das Frühstück wegzulassen, groß zu Mittag zu essen oder abends schwere Mahlzeiten zu vermeiden. Einige propagieren, ein Gericht (etwa Kohlsuppe) zu essen und dafür andere auszuschließen, während eine französische Diät mit dem cleveren Namen »Le Forking« vorgibt, die Pfunde würden sich in Luft auflösen, wenn man ausschließlich mit Hilfe einer Gabel isst.
In den letzten dreißig Jahren ist praktisch jeder Bestandteil unserer Nahrung von dem einen oder anderen Experten als der Bösewicht herausgestellt worden. Trotz dieser aufmerksamen Prüfung wird unsere Ernährung weltweit immer schlechter.1 Seit man in den 1980er Jahren erstmals den Zusammenhang zwischen hohen Cholesterinwerten und Herzerkrankungen entdeckte, hat sich die Vorstellung gefestigt, dass eine gesunde Ernährung fettarm sein müsse. Die meisten Länder haben die offiziell empfohlenen Kalorienmengen reduziert, die in Form von Fett (besonders Fleisch und Molkereiprodukten) konsumiert werden. Das war der wesentliche ärztliche Rat und schien, zumindest bei oberflächlicher Betrachtung, sinnvoll zu sein, da Fett doppelt so viel Kalorien pro Gramm enthält wie Kohlenhydrate.
Im Gegensatz zu dieser offiziellen Linie gibt es Diätpläne unterschiedlicher Komplexität wie etwa die Atkins-, Paleo- und Dukan-Diät, die seit den frühen Nullerjahren populär geworden sind; sie alle fordern die Leute auf, sich keine Kohlenhydrate mehr zu genehmigen und nur noch Fett und Proteine zu essen. Die am Glykämischen Index (GI) orientierte Diät nimmt bestimmte Arten von Kohlenhydraten aufs Korn, die durch die Freisetzung von Glukose das (als Hauptfeind angesehene) Insulin im Blut rasch ansteigen lassen, und die South-Beach-Diät zielt sowohl auf schlechte Kohlenhydrate als auch auf schlechte Fette; manche Diäten (wie zum Beispiel Montignac) verbieten bestimmte Nahrungskombinationen, und die neueste Erscheinungsform der Fastenkur (wie die 5 : 2-Diät) propagiert als Antwort periodisches »Fasten« durch Zeiten reduzierter Kalorienaufnahme. Und dazu gibt es unzählige Alternativen – ich war schockiert, mehr als 30 000 einschlägige Bücher zu finden, jedes mit eigener Webseite und Produktwerbung, die verschiedene Diäten und Nahrungszusätze anpriesen und von vernünftig bis gefährlich und verrückt reichten.
Ich wollte eine Formel finden, die mich gesund erhält und die Risiken oder Symptome der am weitesten verbreiteten modernen Krankheiten verringert. Doch die meisten populären Diätpläne sind eher auf Gewichtsreduktion abgestimmt als auf andere Aspekte von Gesundheit und Ernährung. Manche Menschen sind übergewichtig, leiden aber kaum an nachteiligen metabolischen Folgen, während andere schlank erscheinen und wenig Fett unter der Haut tragen, aber Fettansammlungen um innere Organe besitzen, was sich katastrophal auf ihre Gesundheit auswirkt. Doch die Wissenschaftler wissen nach wie vor nicht, warum das so ist.
Das rituelle Einhalten von Diäten ist zur Epidemie geworden. In Großbritannien etwa befolgt ein Fünftel der Bevölkerung zu einem gegebenen Zeitpunkt irgendeine Diät, doch unser Bauchumfang nimmt pro Jahrzehnt trotzdem um zweieinhalb Zentimeter zu. Der durchschnittliche Brite hat inzwischen einen Bauchumfang von 96, die durchschnittliche Britin von 86 Zentimetern, und bei beiden nimmt er immer noch zu, was zu immer mehr entsprechenden Gesundheitsproblemen wie Diabetes, Kniearthritis und sogar Brustkrebs führt. Ihre Rate wächst um ein Drittel mit jeder Zunahme der Kleidergröße von Hosen und Röcken.
60 Prozent der Amerikaner würden gern abnehmen, doch nur noch ein Drittel unternimmt tatsächlich irgendwelche Anstrengungen – ein signifikanter Rückgang gegenüber den Werten von vor zwanzig Jahren. Das liegt daran, dass die meisten Menschen nicht an die Wirksamkeit gewichtsreduzierender Diäten glauben. Umgeben von einer wachsenden Fülle billiger Nahrung und erfüllt von schmerzlichen Erinnerungen an gescheiterte Diätversuche, fehlt uns oft die Willenskraft, unsere Kalorienaufnahme zu verringern und uns mehr zu bewegen. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass ein endloser Kreislauf gescheiterter Diäten mit regelmäßiger Gewichtsab- und -zunahme die Menschen tatsächlich dicker machen kann. Kurzfristig funktionieren bei vielen manche der populären Diäten, besonders jene mit reduzierten Kohlenhydraten und viel Protein, doch langfristig scheint es ganz anders zu laufen. Die wissenschaftlichen Belege lassen darauf schließen, dass sogar bei rekordverdächtigen Diäthaltern das Gewicht oft langsam wieder größer wird.

Schlechte Wissenschaft und zunehmender Bauchumfang
Seit den 1980er Jahren haben die Experten den Menschen stets erklärt, der Verzehr jeglicher Fettmenge sei schlecht für sie. Diese Kampagne war sehr erfolgreich und hat mit Unterstützung der Nahrungsmittelindustrie dafür gesorgt, dass in vielen Ländern die verzehrte Menge an Fetten reduziert wurde. Trotzdem haben die Fälle von Fettleibigkeit und Diabetes eher noch schneller zugenommen. Wie wir inzwischen herausgefunden haben, gehören einige der eifrigsten Fettkonsumenten weltweit, die Bewohner der griechischen Insel Kreta, zu den gesündesten und langlebigsten Menschen. Um Fette zu ersetzen, steigerte die Nahrungsmittelindustrie den Zuckergehalt verarbeiteter Lebensmittel immer mehr. Das führte zu dringlichen Warnungen, Zucker sei das Arsen unserer Zeit. Doch wie sich herausstellt, ist alles noch komplizierter. Die Kubaner sind, obwohl sie durchschnittlich doppelt so viel Zucker zu sich nehmen wie die Amerikaner, ärmer, aber gesünder.
Wenig überraschend, dass wir durch all diese verschiedenen und widerstreitenden Botschaften – vermeide kohlensäurehaltige Getränke, Zucker, Säfte, Fett, Fleisch, Kohlenhydrate – verwirrt sind und mit dem Eindruck zurückbleiben, wir dürften außer Salat nichts mehr essen. Zusammen mit den der Intuition zuwiderlaufenden Subventionen für Mais, Soja, Fleisch und Zucker erklärt diese Verwirrung, warum die Menschen in England und Amerika weniger Obst und Gemüse verzehren als ein Jahrzehnt zuvor – trotz teurer und lautstarker Regierungskampagnen. In einem vergeblichen Versuch, diese Tendenz umzukehren, wurde die Empfehlung »5 am Tag« (fünf Portionen Obst und Gemüse) in England kürzlich auf »7 am Tag« erhöht. Welche Begründung hinter diesen und den meisten offiziellen Ernährungsempfehlungen steckt, ist unklar – die simple Botschaft stellt die Wissenschaft ins Abseits. Und zwischen den einzelnen Ländern gibt es wenig Übereinstimmung. Manche geben keine Empfehlungen ab, andere sind inzwischen zu »10 am Tag« übergegangen; einige, wie etwa Australien, propagieren »zwei plus fünf«, wobei zwischen Obst und Gemüse unterschieden werden soll und man die Leute davon abhalten will, einfach sieben Portionen Orangensaft pro Tag zu trinken. Die Nahrungsindustrie liebt solche Ideen und etikettiert ihre verarbeiteten Nahrungsmittel als »gesund«, um die anderen Bestandteile zu verschleiern.
In England wurde die Empfehlung »7 am Tag« mit einer Beobachtungsstudie an 65 000 Personen begründet; man verglich diejenigen, die angaben, am vorhergehenden Tag überhaupt kein Obst oder Gemüse gegessen zu haben, mit denen, die mehr als sieben Portionen verzehrt hatten. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass der Verzehr von Obst und Gemüse die Sterblichkeit relativ betrachtet um mehr als ein Drittel senkte, die absolute Sterblichkeit der Obst und Gemüse Essenden jedoch nur um ein Dreitausendstel (oder 0,3 Prozentpunkte) verringert wurde – nicht gerade eindrucksvoll. Genetische, wahrscheinlicher aber soziale Faktoren könnten die Nahrungspräferenzen erklären, besonders angesichts der Tatsache, dass jemand in East Glasgow wahrscheinlich zwanzig Jahre eher stirbt als jemand, der im wohlhabenden Kensington lebt. Eine Studie mit zehnmal mehr Teilnehmern konnte keinen Nutzen feststellen, wenn mehr als fünf Portionen pro Tag verzehrt wurden.
Damit will ich nicht sagen, dass die Empfehlung immer falsch ist, aber wenn es um Gesundheit und Ernährung geht, müssen wir »offiziellen« Ratschlägen und Empfehlungen vorsichtiger und kritischer begegnen. Diese reflexhaften Reaktionen beruhen oft auf unzulänglichen Belegen oder schlechter Wissenschaft oder einfach nur auf dem Widerstreben von Politikern und Wissenschaftlern, aus Angst vor einer »Verwirrung« der Öffentlichkeit und vor Gesichtsverlust, wiche man von einmal eingeschlagenen Weg ab.
Ebenso gefährlich ist die übermäßige Vereinfachung des Ansatzes, sich auf den »gesunden Menschenverstand« zu verlassen. Wer weniger isst und mehr Sport treibt, wird Gewicht verlieren, und wer das nicht schafft, dem fehlt einfach die Willenskraft – lautet die einfache Botschaft. Das war ein weiteres medizinisches Mantra der letzten Jahrzehnte. Trotz höherer Lebenserwartung, raffinierterer Medizintechnik und verbesserter Lebensumstände erleben wir eine beispiellose Epidemie von Fettleibigkeit und chronischen Erkrankungen, deren Ende nicht abzusehen ist. Kann das wirklich an einem globalen Mangel an Willenskraft liegen, wie man uns oft glauben machen will?