Corona -Neurologische Frührehabilitation

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Corona -Neurologische Frührehabilitation
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Überblick
Ein Großteil der jetzt Intensivmedizin-bedürftigen, schwererkrankten COVID-19 Patienten benötigt nach der Akutbehandlung einen der knappen Plätze in der neurologische Frührehabilitation, meist mit intensivmedizinischen Vorhaltungen. „Neue Perspektiven durch COVID-19“ und „Früh- und Beatmungsrehabilitation“ sind aktuelle Themenschwerpunkte bei der 8. Gemeinsamen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurorehabilitation e. V. (DGNR) und der Deutschen Gesellschaft für Neurotraumatologie und klinische Neurorehabilitation e. V. (DGNKN) vom 10. bis 12. Dezember 2020.
Die Auswirkungen der aktuellen Bedingungen der Pandemie auf die Neurorehabilitation sind immens: „Wir sehen in der aktuellen Situation alles von Klinikräumungen hin bis Kliniküberfüllungen“, so Kongresspräsident Prof. Dr. Stefan Knecht, Meerbusch.

Inhalt
Interview mit dem Kongresspräsidenten
'8. Gemeinsame Jahrestagung von DGNR e.V. und DGNKN e. V. vom 10.-12. Dezember 2020'
Neurorehabilitation im demographischen Wandel – Kongresspräsident Prof. Dr. med. Stefan
Knecht gibt erste Einblicke in Tagungs-Highlights und aktuelle Entwicklungen der
Rehabilitationsmedizin – Die Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf die Neurorehabilitation
sind immens
Patienten, deren Nervensystem geschädigt ist – zum Beispiel nach einem Schlaganfall, einer
Rückenmarksverletzung oder einem Schädel-Hirn-Trauma – profitieren von der Neurorehabilitation.
Mit aktuellen Weiterentwicklungen und verbesserten Therapiemöglichkeiten hat sich die Rehabilitation
von Neurologischen und Neurochirurgischen Erkrankungen in den vergangenen Jahrzehnten zu einem
rasant wachsenden und hochaktuellen Fachgebiet entwickelt. Neue Erkenntnisse werden auf der 8.
Gemeinsamen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurorehabilitation e. V. (DGNR) und der
Deutschen Gesellschaft für Neurotraumatologie und klinische Neurorehabilitation e. V. (DGNKN) vom
10. bis 12. Dezember 2020 diskutiert. Kongresspräsident Prof. Dr. Stefan Knecht, Meerbusch, der den
Kongress gemeinsam mit Prof. Dr. Mario Siebler, Essen, Priv.-Doz. Dr. Kristina Müller, Meerbusch, und
Dipl.-Psych. Dr. Volker Völzke, Hattingen, leitet, gibt vorab erste Einblicke in Schwerpunkte und
Highlights des multiprofessionellen Kongresses mit spezialisierten Medizinern, klinischen
Wissenschaftlern und Therapeuten.
Mit dem diesjährigen Motto „Neurorehabilitation im demographischen Wandel“ legt der Kongress
einen Fokus auf die immer älter werdende Bevölkerung. Welche neuen Herausforderungen bedeutet
es für Ihr Fachgebiet, immer mehr alte und kranke Patienten zu behandeln? Inwiefern ist dies ein
wichtiges Thema für die nächsten Jahre? Eine hochbrisante Frage: Wie kann Neurorehabilitation in
den nächsten Jahrzehnten unter den Bedingungen des demographischen Wandels anders und
effizienter werden und dabei human bleiben?
Prof. Dr. Stefan Knecht: „Die Alterung unserer Bevölkerung begleitet uns ja schon eine ganze Weile und
sie wird sich weiter fortsetzen. Zusätzlich werden in den nächsten Jahren aber die Erwerbspersonen,
also die Menschen zwischen 25 und 67, wegbrechen. Denn der ausladende Teil der
Bevölkerungspyramide bewegt sich über die Pensionsgrenze und danach folgt nur noch eine schmale
Taille. Die Erwerbsgruppe wird dadurch um 8 Millionen Menschen kleiner über die nächsten 20 Jahre -
plus oder minus einige 100.000 Zugewanderte. Dadurch werden in den nächsten Jahren weniger
Berufstätige mehr Bedürftige versorgen müssen. Und das wird sich besonders in so personalkritischen
Bereichen wie Neuroreha niederschlagen. Die große Frage ist, wie das gehen soll.“
„Neue Perspektiven durch COVID-19“ und „Früh- und Beatmungsrehabilitation“ sind aktuelle
Schwerpunktthemen, zu denen Rehabilitations-Experten ihre Erfahrungen und Erkenntnisse
vortragen. Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf die Neurorehabilitation?
Prof. Dr. Stefan Knecht: „Wir sehen in der aktuellen Situation alles von Klinikräumungen hin bis
Kliniküberfüllungen. Wobei die Räumungen im Wesentlichen durch Quarantänisierung von
Mitarbeitern verursacht werden. Wenn Sie so wollen, ist das die verkürzte oder komprimierte Form des
demographischen Wandels, nämlich kränkere Patienten und weniger Mitarbeiter. Neben der jetzigen
Unruhe wird bei COVID-19 meiner Einschätzung nach das dicke Ende aber noch kommen. Ein Großteil
der jetzt Intensivmedizin-bedürftigen, schwererkrankten COVID-19 Patienten wird nach der
Akutbehandlung eine neurologische Frührehabilitation, meist mit intensivmedizinischen Vorhaltungen
benötigen. Diese Plätze sind knapp – leider besonders in unserem eigenen Bundesland, in NRW. Das
Verständnis für dieses Problem existiert bisher noch nicht in allen für dieses Thema zuständigen
Landesregierungen.“
Das Kongressprogramm ist wieder vielfältig. Welche Fortschritte, neuen Rehabilitationsstrategien
und Trends in der Neurorehabilitation werden vorgestellt, um Menschen mit
Funktionsbeeinträchtigungen jetzt und auch in Zukunft bestmöglich zu unterstützen?
Prof. Dr. Stefan Knecht: „Wenn wir mit weniger Menschen mehr Bedürftige werden versorgen müssen,
sollte man sich zunächst umblicken. Dazu gibt es ein Symposion zum Vergleich nationaler Lösungen.
Wichtig bei dieser Frage sind auch die Veranstaltungen zum Thema Digitalisierung, virtuelle Therapien
und Big Data. Können wir damit mit weniger Mitarbeitern mehr Patienten helfen? Und wenn wir von
Automatisierung sprechen, müssen wir fragen, was da automatisiert werden soll. Deswegen haben wir
bewusst ein Symposion über die Bedeutung der therapeutischen Beziehung in der Therapie
aufgesetzt.“
Welche Schwerpunktthemen liegen Ihnen besonders am Herzen? Und auf welche Tagungs-Highlights
sind Sie besonders gespannt?
Prof. Dr. Stefan Knecht: „Ein Highlight wird die Plenarveranstaltung zur Neurorehabilitation im
demographischen Wandel am Abend des ersten Tages sein mit Prof. Reinhard Busse und Hartmut
Reiners aus Berlin. Herr Busse hat als Gesundheitsökonom hier dezidierte und durchaus kontrovers
rezeptierte Vorstellungen. Ich erwarte, dass wir uns hier auf unbequemen Analysen einstellen können.
Ich bin aber auch gespannt auf die Plenarveranstaltung am zweiten Tag, die wir unter den Titel „To be
or not to be?“ gestellt haben, und in der Prof. Gernot Marx als führender Akut-Intensivmediziner die
Perspektiven seines Feldes skizziert und Prof. Stefan Lorenzl das schwierige Thema der palliativen
Therapiezieländerung beleuchtet.“
Ein weiterer aktueller Schwerpunkt sind Bruchlinien derzeitiger Versorgungsstrukturen. Fehlende
Plätze in der Neurorehabilitation sind ein brennendes Thema. Welche Möglichkeiten hat die
Fachgesellschaft, darauf Einfluss zu nehmen?
Prof. Dr. Stefan Knecht: „Neuroreha hat nur noch wenig mit Kur und immer mehr mit
Krankenhausmedizin zu tun. Das ist aber noch nicht hinreichend angekommen in der
Sozialgesetzgebung, bei Krankenkassen und in der Politik. Die Frage ist, wie teuer die resultierende
Fehlversorgung noch werden soll, bevor die Akteure die notwendige Transformation des Systems
angehen. Dass Neuroreha Krankenhausmedizin umfasst, zeigt sich am eindrücklichsten in der
Neurofrühreha. Die meisten Bundesländer haben hier zum Glück schon reagiert und Frühreha-
Abteilungen in den Neurorehazentren zu Krankenhausabteilungen umgewandelt. Nur die aktuelle
Landesregierung in NRW scheint zu glauben, man könne den umgekehrten Weg gehen, indem man
neurologische Kliniken in Regelkrankenhäusern mit Neurofrühreha beauftragt. An der Wirksamkeit
dieses Versuches gibt es große Zweifel, weil diese Abteilungen weder rehabilitative Expertise noch
intensivmedizinische Einbettung noch rehabilitative Weiterversorgungsmöglichkeiten haben, sondern
im Zweifel die Patienten zwischen Kliniken hin und her verlegt werden müssen. Ich befürchte große
Probleme für die Neurofrühreha von intensivmedizinbedürftigen Schwerstkranken und eine weitere
Zunahme von Beatmungs-WG- Patienten in NRW. Vor allem aber offenbart sich in diesem
Planungsansatz die Illusion, man könne krankenhausmedizinische Versorgung aus der
Neurorehabilitation heraushalten und die schöne alte Kur-Welt wiederherstellen. Ältere und kränkere
Patienten in der Neuroreha bedeuten aber, dass diese Kur-Zeiten vorbei sind. Mittlerweile müssen wir
bei 40% aller Patienten in der neurologischen Anschlussrehabilitation wenigstens einmal akut krankenhausmedizinisch
aktiv werden. Die Frage ist also: Wie bekommen wir mehr Krankenhausversorgung in
die Rehakliniken? Am Ende des Tages wird das meines Erachtens nur funktionieren, wenn die gesamte
Neurorehabilitation in die Krankenhausplanung überführt wird.
Aber, Sie fragten nach der Rolle der Fachgesellschaften und wir reden auch im Vorfeld der
DGNR/DGNKN-Jahrestagung. Die haben natürlich weit mehr als politische Aufgaben. Es geht um
Ansätze, Inhalte und neue Möglichkeiten – zum Glück. Aber für unsere Patienten und für unser Fach
sollten wir uns auch im Kontext größerer gesellschaftlicher Entwicklungen sehen und positionieren.“
Die oft langwierigen Beantragungsverfahren nach klinischer Akutbehandlung stehen schon länger in
der Diskussion, weil sie eine unmittelbar anschließende professionelle Rehabilitation erst einmal
blockieren – zum Nachteil der Patienten. Welche Erfahrungen werden aktuell gemacht?
Prof. Dr. Stefan Knecht: „Nehmen Sie das Beispiel Genehmigungsvorbehalt für Neurorehabilitation: Die
heute übliche formalistisch umständliche Prüfung eines Antrages auf Kur ist nachvollziehbar, wenn ein
Patient zu Hause ist, stabil und wenig betroffen. Wenn Patienten nach einem Schlaganfall im
Krankenhaus aber stark eingeschränkt und durch Immobilität komplikationsgefährdet sind, grenzt jede
Verzögerung einer Neurorehabilitation an fahrlässige Körperverletzung. Die Aussetzung des
Genehmigungsvorbehaltes für neurologische Anschlussrehabilitation während der ersten COVID-Welle
hat uns gezeigt, dass das Bewilligungsverfahren völlig verzichtbar ist. Die Versorgung hat bestens
geklappt. Patienten waren im Mittel 6 Tage früher in der Neuroreha und die Rehadauer war nicht
verlängert. Stattdessen sind durch Abbau der Wartezeiten auf einen Schlag 5000 Krankenhausbetten
für die Versorgung anderer Patienten frei geworden.“
Wir bedanken uns herzlich für die spannenden ersten Einblicke in die bevorstehende Fachtagung!
Alle Informationen zum digitalen Gemeinschaftskongress und das wissenschaftliche Programm gibt es
unter http://www.dgnr-dgnkn-tagung.de.
Medienvertreter sind herzlich eingeladen, sich über die aktuellen Themen zu informieren und darüber
zu berichten. Gern sind wir Ihnen bei der Vermittlung von Experten für Interviews behilflich!
Akkreditierungen bitte über den Pressekontakt. Wir senden Ihnen dann gern einen Zugangslink zur
digitalen Tagung zu.

Kontakt:
Kerstin Aldenhoff
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Conventus Congressmanagement & Marketing GmbH
Tel.: +49 172 3516916
mailto:presse@conventus.de
http://www.dgnr-dgnkn-tagung.de
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