Die Artischocke oder so heilsam kann der Zorn des Zeus sein
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Ausgerechnet das Thema weibliche Schönheit taucht im Zusammenhang mit einer äußerlich eher unattraktiven Pflanze immer wieder auf: der Artischocke. Die Riesendistel verdankt laut der griechischen Mythologie nicht nur ihren Namen einer der zahlreichen amourösen Eskapaden von Göttervater Zeus. Auch eine berühmte Filmschauspielerin, die man zu ihrer Zeit als eine der schönsten Frauen der Welt rühmte, trat in den Kindertagen ihrer Karriere als Artischocken-Königin in Erscheinung. Und der deutsche Dichterfürst Goethe versuchte, die Damenwelt mit Artischocken-Sträußen als Blumenersatz, aufgewertet durch ein selbst verfasstes Gedicht, zu verzaubern. Doch der Reihe nach …
Laut Überlieferung soll sich Zeus, der virile Chef des Olymps, in eine blonde Schönheit namens Cynara verguckt haben. Um sich in Abwesenheit von Gattin Hera mit der jungen Frau vergnügen zu können, machte der Chef der Himmlischen Cynara zu einer Göttin, damit sie Zugang zum Olymp bekommen konnte. Doch die blonde Schönheit wollte offenbar nicht so wie Zeus, sondern stattdessen zurück in ihre Heimat. Aus Zorn über die Abfuhr soll der Göttervater Cynara in eine Artischocke verwandelt haben. Daher der botanische Name der Distel: Cynara scolymus bzw. Cynara cardunculus.
Etliche Jahrhunderte später verhalfen ihre weiblichen Reize einer blondierten US-amerikanischen Schönheit zu dem Titel der ersten Distel-Königin des kalifornischen Ortes Castroville, der sich in typisch amerikanischer Bescheidenheit selbst als „Artichoke Center of the World“ bezeichnet. In den darauf folgenden Jahren avancierte ebenjene Norma Jean Baker dann als Marilyn Monroe zu einem internationalen Filmstar und Sex-Symbol.
Geheimrat Goethe wiederum wird eine Schwäche für Artischocken nachgesagt. Die soll so weit gegangen sein, dass er die Riesendistel nicht nur in seinem Garten in Weimar anbaute. Außerdem beglückte der Olympier des Geistes von ihm verehrte Damen anstatt mit Blumen- mit Artischocken-Sträußen, denen er selbst gereimte Zeilen wie die folgenden beilegte: „Diese Distel, laß sie gelten! Ich vermag sie nicht zu schelten, die, was uns am besten schmeckt, in dem Busen tief versteckt.“ Damit spielte Goethe wohl darauf an, dass man den Artischockenboden, der als eigentliche Delikatesse der Pflanze gilt, vor dem Genuss erst von den Blättern befreien muss.
Abseits aller Legenden ist die Artischocke eine der ältesten Kulturpflanzen überhaupt. Sie stammt aus dem östlichen Mittelmeerraum und wurde dort schon früh als Delikatesse ebenso geschätzt wie als Heilpflanze. Und daran hat sich im Zuge ihrer weiteren Ausbreitung über die Welt nichts Wesentliches geändert. Denn die Artischocke gilt Feinschmeckern – und nicht nur diesen – mit ihrer unverwechselbaren Würze nach wie vor als geschmackliche Offenbarung. Insbesondere aus der französischen Küche ist sie nicht wegzudenken.
Darüber hinaus wird das Distelgewächs aber auch wegen seiner gesundheitlich wertvollen Nährwerte hochgeschätzt: Denn Artischocken sind reich an Vitaminen A und B12, sie enthalten zudem Vitamin C, Kalzium und Eisen, Kalium, Magnesium, Natrium und Phosphor. Zu den gesundheitlich wertvollen Inhaltsstoffen der Artischockenblätter gehört nicht zuletzt auch der darin enthaltene Bitterstoff Cynarin. Dieser zur Gruppe der Kaffeesäurederivate gehörende Stoff schützt die Leber, regt die Gallenaktivität an, senkt den Cholesterinspiegel, entgiftet den Körper und bringt den Stoffwechsel in Schwung. Artischocke verbessert das Wohlbefinden bei Übelkeit und Erbrechen, bei Problemen mit der Fettverdauung, bei Rheuma, Gicht, Arteriosklerose sowie Blasen- und Nierenschwäche. Kein Wunder also, dass die Riesendistel 2003 zur Arzneipflanze des Jahres gewählt wurde.
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