Pandemie ohne Ende - Auch in Österreich

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Anstieg - Corona-Zahlen - Österreich
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Pandemie ohne Ende
Die Corona-Krise ist in Österreich schon so oft für beendet erklärt worden, dass man mit dem Zählen nicht mehr hinterherkommt. Ende Juni etwa sagte Sebastian Kurz, damals noch Kanzler, dass „die Pandemie für alle vorbei“ sei, „die geimpft sind“. Selbiges wiederholte er im Juli, und dann noch mal im September. Im Oktober bedankte sich August Wöginger, mächtiger Parteifreund und ÖVP-Fraktionschef im Parlament, bei Kurz, weil dieser die Pandemie in so „hervorragender Weise bewältigt“ habe; die Vergangenheitsform schien bewusst gewählt zu sein.

Jetzt haben wir Anfang November, einen neuen Kanzler – und die Infektionszahlen liegen bei bis zu 9388 neuen Fällen täglich. Zum Vergleich: Gemessen an der Bevölkerungsgröße wären das in Deutschland knapp 94 000 neue Covid-19-Infizierte. Aktuell sind es gut 37 000.

Nun wird über weitere Verschärfungen debattiert, sogar das Wort Lockdown, von dem man sich nun wirklich so gut wie verabschiedet hatte, ist wieder zu hören. Wien beschloss am Donnerstag die 2-G-Regel für Gastronomie und Veranstaltungen, außerdem sollen in der Hauptstadt Kinder ab fünf Jahren mit Zustimmung ihrer Eltern ab sofort geimpft werden. Wien ist aktuell im Österreich-Vergleich nicht nur das Bundesland mit der niedrigsten Inzidenz, sondern auch Vorreiter bei der Anpassung der Maßnahmen an das Infektionsgeschehen.

Beim Corona-Gipfel am Freitagabend beraten die Bundesregierung und die Landeshauptleute die nächsten landesweiten Schritte, eines der obersten Ziele: Die Wintersaison soll nicht gefährdet werden. Zunächst ist die Pandemiebekämpfung in weiten Teilen des Landes geprägt von Ausreisekontrollen aus Bezirken mit besonders vielen Corona-Fällen; deren Wirksamkeit ist freilich umstritten. Auch Deutschland schaut genau hin: Eine Reisewarnung scheint nicht ausgeschlossen, vorerst steht Österreich aber nicht auf der Risikoliste.

Die Pandemie ist also nicht vorbei, auch nicht für Geimpfte. Dafür ist die Impfquote im Land einfach zu niedrig – in Westeuropa sind die Österreicher sogar Schlusslicht. Nur 62,9 Prozent haben bisher vollständigen Impfschutz. Besonders schlimm ist die Situation in Oberösterreich, wo bislang nur 58 Prozent bereit waren, sich impfen zu lassen. In Wahrheit ist es eine beschämend geringe Quote von West bis Ost, die das Land derzeit wieder in die Pandemie-Krise treibt.

Nicht wenig Anteil an der großen Impfskepsis haben die Populisten von der FPÖ, die in Oberösterreich mitregieren. Bundesparteichef Herbert Kickl spricht seit Monaten davon, dass die Freiheitsrechte „verstümmelt“ worden seien durch die Maßnahmen, die die Menschen „unterdrücken“. Die 3-G-Regel am Arbeitsplatz, die in Österreich seit Anfang November gilt, komme einer „Impfvergewaltigung“ gleich. Sogar ein Attest ließ Kickl vorlegen, das ihm bescheinigt, nicht geimpft zu sein.

Die Bundesregierung war zudem, ähnlich wie in Deutschland, zögerlich mit unpopulären Maßnahmen, Werbung für die Impfkampagne war im Sommer so gut wie nicht mehr zu sehen. Viele waren wohl der Meinung, dass es nicht so schlimm kommen werde – und die Politik betonte immer wieder, entgegen allen Expertenmeinungen, dass die Pandemie schon beendet sei. Was sie auch sein könnte, wie beispielsweise ein Blick nach Spanien zeigt, wo die Impfquote 79 Prozent beträgt und die Inzidenz derzeit bei etwas über 20 liegt.

Davon ist Österreich weit entfernt – ebenso wie Deutschland, das nur ein bisschen besser dasteht bei den Impfraten. Was bleibt, ist die Hoffnung, dass die zugespitzte Lage und die Aussicht auf einen weiteren trüben Winter ein paar Hunderttausend Menschen dazu bringt, sich endlich zur Impfung aufzuraffen. Damit nach der vierten Welle diese Pandemie irgendwann wirklich für beendet erklärt werden kann.

Bleiben auch Sie gesund!
Leila Al-Serori
Stellvertretende Nachrichtenchefin
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