Ebola und Afrikas Krankheitssysteme
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SWR2 Wissen vom 12. bis 18. Januar 2015
Montag, 12. Januar 2015, 8.30 Uhr
Ebola und Afrikas Krankheitssysteme
Von Franziska Badenschier
http://www.swr.de/swr2/programm/
Inhalt
Die schlimmste Ebola-Epidemie aller Zeiten wütet seit mehr als einem Jahr in Westafrika und offenbart, wie schwach die Gesundheitssysteme in Guinea, Liberia und Sierra Leone sind. Der Ausbruch von Ebola führte zu einem Teufelskreis: Das schwache Gesundheitswesen ist der Epidemie nicht gewachsen – und die Epidemie lässt das Medizinwesen kollabieren. Indes: Ein Kontinent, mehr als 50 Länder – da gibt es nicht das eine einzige Gesundheitssystem, sondern viele verschiedene. Und manche davon sind eben krank. Die Krankenakten der afrikanischen Gesundheitssysteme reichen zurück bis in die Kolonialzeit und zeigen, wie verheerend politisch-wirtschaftliche Vorgaben etwa von der Weltbank sein können.
Und kommt noch hinzu, dass auf ca. 5 Millionen Einwohner in Afrika ein Arzt kommt - und in Mitteleuropa beträgt das Verhältnis 500 : 1... m+w.p15-2 , aus erster Quelle eines Arztes, der in beiden Kontinenten tätig ist.
Ebola : Mehr als ein Virus
Gesundheit aktuell
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Ebola : Mehr als ein Virus
http://www.swr.de/swr2/programm/
SWR2 Wissen :Mehr als ein Virus
Wie Ebola zur Epidemie wurde und warum fast alle Helfer versagten
Von Martina Keller
Sendung: Montag, 2. März 2015, 8.30 Uhr
Redaktion: Günter Maurer
Regie: Günter Maurer
Produktion: SWR 2015
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
Service
ÜBERBLICK
In Hamburg gelang es dem Tropenmediziner Stefan Schmiedel, einen Ebolapatienten zu retten - gemeinsam mit Dutzenden von Kollegen und Pflegern. Als Schmiedel für Ärzte ohne Grenzen nach Sierra Leone ging, kam er in ein Land, das vielen Erkrankten nicht mal ein Krankenhausbett bieten kann. Schmiedel weiß: Ebola ist nicht nur eine lebensbedrohliche Krankheit, sondern auch ein soziales Problem. Jetzt hoffen die Helfer auf Impfstoffe und Medikamente gegen die Epidemie. Lange hat die Pharmaforschung Ebola vernachlässigt. Nun werden vielversprechende Substanzen unter Zeitdruck erprobt. Was heißt das für die Probanden? Wie sicher sind die Erkenntnisse? Wie groß ist das Risiko, dass der Erreger durch eine Mutation infektiöser wird? Welche Gefahren drohten durch andere Erreger aus dem Tierreich?
MANUSKRIPT
Cut 1: Stephan Günther:
Das geht alles nach Afrika, das macht Herr Gabriel, unser Chefkoordinator für alle Teams in Afrika, weil wir jetzt ja drei Labore im Einsatz haben, zwei sind in Freetown, und dann haben wir ja noch die Geckedou-Unit.
Sprecherin:
Bernhard Nocht-Institut in Hamburg. In der größten deutschen Einrichtung für Tropenmedizin stapeln sich Kisten im Flur.
Cut 2: Stephan Günther:
Wir müssen zum Beispiel die Reagenzien hinschicken, die Verbrauchsmaterialien müssen hingeschickt werden, Handschuhe – muss ja alles hingeschickt werden. Das schicken wir unseren Leuten, dass das genau das ist, was wir auch brauchen fürs Labor, Ersatzteile, wenn was kaputt geht.
Sprecherin:
Der Virologe Stephan Günther gehört zu den Wissenschaftlern, die sich früh im Kampf gegen Ebola engagierten. Als er im März 2014 ein mobiles Labor eines europäischen Konsortiums nach Guinea brachte, wusste er noch nicht, woran die Menschen dort reihenweise starben.
Cut 3: Stephan Günther:
Mediziner ohne Grenzen und das guineanische Gesundheitsministerium haben Proben abgenommen von Patienten, die in Krankenhäusern lagen und diese Proben sind in das Sicherheitslabor in Lyon und zu uns nach Hamburg gekommen. Und wir haben beide rausgefunden: Es ist Ebola, wir hatten alle gedacht, es ist Lassa, ist ja ne Lassa-Endemie-Region, Ebola hat‘s da nie gegeben, und dann stellte sich raus: Es war Ebola.
Ansage: Mehr als ein Virus:
Wie Ebola zur Epidemie wurde und warum fast alle Helfer versagten
Von Martina Keller
Cut 4: Florian Westphal:
Es hat schwere Versäumnisse gegeben. Warum die Weltgesundheitsorganisation die Tragweite dieser Krise nicht erkannt hat und nicht erkennen wollte, bleibt mir weiterhin ein Rätsel, aber auch die Regierungen hier im Westen waren irgendwie nicht bereit, das Thema ernst genug zu nehmen und waren nicht bereit weiter zu denken als an ein potentielles Risiko für Deutschland.
Sprecherin:
Florian Westphal, Geschäftsführer der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen in Deutschland.
Cut 5: Florian Westphal:
Man muss sich einfach vor Augen führen: In allen vorherigen Ebola-Krisen das größte Behandlungszentrum, was wir je aufgebaut hatten, hatte 40 Betten, und in Westafrika waren wir teilweise bei 250 Betten, und deswegen haben wir auch Alarm
geschlagen, weil wir gesagt haben, das passiert hier nicht in so einer isolierten Situation irgendwo im Regenwald, wie das meistens vorher der Fall war bei Ebola-Ausbrüchen, sondern das passiert in einer Gegend, drei Länder übergreifend, wo Leute vernetzt sind, wo es Handel gibt, wo es Wirtschaftsbeziehungen gibt, wo Leute regelmäßig über die Grenzen jeden Tag reisen. Das ergibt ne ganz andere Risikosituation.
Sprecherin:
Ärzte ohne Grenzen warnte die Weltgemeinschaft schon im Juni 2014, die Situation in Westafrika sei außer Kontrolle. Doch erst im August rief die Weltgesundheitsorganisation WHO den internationalen Notstand aus.
Cut 6: Florian Westphal:
Wir haben den Kontakt mit der WHO auf allen Ebenen gesucht, sowohl in der Region selbst als auch in Genf. Und eine der großen Schwierigkeiten war, dass nicht immer klar war, wer was entscheidet und dass von Genf aus viel von der Verantwortung in die Regionalbüros geschoben wurde. Und dort war man vor allem an Anfang der Krise, also März/April nicht willens, die wirkliche Tragweite der Epidemie zu begreifen und darüber überhaupt zu sprechen.
Sprecherin:
1995 musste das Ebola-Virus als Stoff für einen Thriller herhalten – Outbreak. Nun hat die Realität die Fiktion fast eingeholt. Mehr als 23.000 Menschen infizierten sich in Guinea, Liberia und Sierra Leone. Mehr als 9.000 Patienten starben [die Autorin möchte diese Zahlen kurz vor der Produktion (18.02.2015) noch mal aktualisieren], Experten rechnen mit einer hohen Dunkelziffer. Mehr als 30.000 Kinder sind nach Schätzungen zu Waisen geworden.
Anfang 2015 sinkt die Zahl der Neuinfektionen in allen drei Ländern. Hat der Schrecken nun ein Ende?
Cut 7: Florian Westphal:
Wir hatten im Mai 2014 schon mal eine Sachlage, dass im Südosten Guineas die Fälle praktisch auf null zurückgingen, und es eine ganze Weile lang keine neuen Fälle mehr gab, auch Ärzte ohne Grenzen sich eigentlich drauf einstellte, die Behandlungszentren langsam runterzufahren. Und dann auf einmal stellte man fest, dass sich offensichtlich unbeobachtet zur gleichen Zeit in den Nachbarländern Ebola kräftig ausgebreitet hatte, und auf einmal, ab Juni/Juli war man wirklich mitten in der schlimmsten akuten Krise. Also man darf sich echt da nicht täuschen lassen und man darf die Krankheit nicht aus den Augen verlieren und sich nicht zu sehr in Sicherheit wiegen lassen.
Cut 8: Stephan Günther:
Im Moment geht das Virus noch in die Breite.
Sprecherin:
Der Virologe Stephan Günther
Cut 9: Stefan Günter:
Da, wo es ursprünglich her stammte, wie zum Beispiel Gueckedou oder im Norden von Liberia, Foya, da greift das dann langsam. Und jetzt muss man sehen, dass man
irgendwann die letzten Fälle so unter Kontrolle kriegt, dass dann irgendwann wirklich Schluss ist, durch ein kräftiges Contact Tracing.
Sprecherin:
Contact tracing bedeutet: Alle Personen aufsuchen, mit denen ein Erkrankter in Kontakt war, um sie im Falle einer Ansteckung zu isolieren. So sollen weitere Ansteckungen verhindert werden.
Cut 10: Stephan Günther:
Aber das kann natürlich bis Ende 2015, vielleicht ist es dann auch wirklich erst 2016, bis man den letzten, letzten Fall raus hat aus den Ländern. Aber das muss man auch. Man kann sich nicht als Ziel setzen, zu sagen, wir akzeptieren, dass das Virus da jetzt endemisch wird und die ganze Zeit grassiert. Das Ziel muss sein, das Virus 100-prozentig aus diesen Ländern wieder rauszubekommen.
Sprecherin:
Noch gibt es keine Medikamente gegen Ebola. Der Erreger gehört zur Familie der Filoviren, wegen seiner fadenförmigen Gestalt, und ist in den afrikanischen Tropen heimisch. Zwei bis 21 Tage nach einer Ansteckung bricht die Krankheit aus, erst dann ist ein Infizierter selbst ansteckend, über seine Körperflüssigkeiten. Wissenschaftler entdeckten das Ebola-Virus erstmals 1976 in Zaire, der heutigen Demokratischen Republik Kongo. Sie benannten es nach dem Fluss, an dessen Ufern beim ersten Ausbruch 280 von 318 Infizierten starben – eine Sterberate von fast 90 Prozent.
Cut 11: Stephan Günther:
Letztendlich müssen wir leider als Wissenschaftler eingestehen, dass wir nicht genau wissen, woran der Menschen stirbt. Das ist natürlich sehr schlecht, weil wenn wir nicht wissen, woran der Mensch stirbt, können wir auch nichts wirklich entwickeln. Das Virus vermehrt sich sehr, sehr schnell im Körper, innerhalb weniger Tagen zu Beginn der Erkrankung wächst aus einem Viruspartikel, zehn, hundert, Tausende bis auf sehr, sehr hohe Konzentrationen, 10 hoch 9, 10 hoch 10 Viruskopien pro Milliliter Blut. Das ist schon sehr, sehr viel und das geht schon sehr, sehr schnell. Ich kenne ehrlich gesagt kein anderes Virus, was das so schnell kann.
Sprecherin:
Ebola befällt alle Organe, anders als etwa Hepatitis-Viren, die auf die Leber beschränkt bleiben.
Cut 12: Stephan Günther:
Wahrscheinlich eine Ursache dafür, dass sich das Virus so enorm schnell vermehren kann, ist dass dieses Virus die Immunantwort des Menschen runterdrücken kann, das heißt: Der Mensch reagiert nicht richtig gegen das Virus, jedenfalls im Anfangsstadium. Irgendwann ist es natürlich so, dass der Körper schon merkt, dass sich was abspielt, was nicht korrekt ist, dass zu viel Virus im Körper ist, und dann gibt es einen sogenannten Zytokinsturm, die Freisetzung von bestimmten Mediatoren, aber auf sehr unregulierte Art und Weise. Es ist gar nicht mal wahrscheinlich so das Virus selber, das Gefäße schädigt, sondern es sind diese enorm hohen Konzentrationen von bestimmten Mediatoren, die im Körper freigesetzt werden.
Sprecherin:
Aus Affenexperimenten weiß man: In dieser Krankheitsphase aktiviert der Körper sein Gerinnungssystem, und es bilden sich kleine Thromben. Die wiederum verstopfen Gefäße, so dass die Organe nicht mehr richtig mit Sauerstoff versorgt werden.
Cut 13: Stephan Günther:
Was letztlich in der Endphase passiert, das wissen wir nicht so genau. Die Gefäße sind nicht mehr dicht, die Organe versagen. Wir haben bei einigen Patienten dann sogar wahrscheinlich, weil die Gefäße nicht mehr dicht sind, Hirnödeme gesehen. Es ist wie ein Puzzle – wir kennen einige Teile, aber wir haben noch kein ganzes Bild, was wirklich genau passiert.
Cut 14: Stefan Schmiedel:
Unser Patient wurde uns am 27. August hier durch einen von der WHO organisierten Transport mit einer Fluggesellschaft, die da drauf spezialisiert ist hier nach Hamburg geflogen.
Sprecherin:
Was mit einem Ebola-Patienten passiert, haben Mediziner am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf aus der Nähe miterlebt und dokumentiert. Ein Team um den Tropenmediziner Stefan Schmiedel behandelte am UKE den ersten Ebola-Patienten Deutschlands. Schmiedel berichtet während einer Pressekonferenz:
Cut 15: Stefan Schmiedel:
Als der Patient hier eingetroffen ist, haben wir realisiert, zum einen dass die Krankheit schon sehr weit fortgeschritten war. Der hatte schon zehn Tage lang einen sehr schweren Virusinfekt gehabt mit im wesentlichen einer Magen-Darm-Symptomatik, mit riesigen Mengen Durchfällen, mit ständigem Erbrechen, mit Bauchschmerzen. Er konnte sich kaum auf den Beinen halten. Dieser Virusinfekt ist so schwer, dass die Leute ganz, ganz stark benommen sind, und sich kaum bewegen können, kaum reden können und nur mit leiser Stimme müde irgendwelche Fragen beantworten können.
Atmo Pressekonferenz unterlegen
Sprecherin:
Das UKE besitzt seit 2010 ein Behandlungszentrum für hochansteckende Krankheiten, mit einer Sonderisolierstation. Schmiedels Team hatte die Versorgung stark infektiöser Patienten jahrelang trainiert, man war also auf den Ernstfall bestens vorbereitet.
Atmo Pressekonferenz unter O-Ton
Cut 16: Stefan Schmiedel:
Dennoch waren wir erschlagen von der Fülle von Aufgaben und den Schwierigkeiten, die dann im tatsächlichen Einsatz auftreten. Das heißt wir haben die Techniken alle gut beherrscht, aber wie anstrengend das ist, in einem Realfall über viele, viele Tage sowas betreiben zu müssen, ist uns erst jetzt klar geworden.
Sprecherin:
20 Ärzte und 60 Pflegekräfte waren insgesamt im Einsatz. Stets befanden sich zwei Helfer beim Patienten, in Schutzanzüge gehüllt. Alle drei Stunden musste ein Team abgelöst werden, wegen der körperlichen und psychischen Belastung.
Cut 17: Stefan Schmiedel:
Was wir als Strategie gemacht haben, auch weil die Krankheit schon so weit fortgeschritten war, dass wir uns auf die einzigen Maßnahmen beschränkt haben, von denen erwiesen ist, dass sie die Sterblichkeit bei der Ebolainfektion vermindern können, und das ist ne bestmögliche unterstützende Therapie zu geben, das heißt ne moderne Intensivtherapie, mit Unterstützung der Atmung, durch ein vernünftiges Flüssigkeits- und Ernährungsmanagement, das heißt der Magen-Darmtrakt des Patienten war völlig gelähmt, das heißt wir haben dem Patienten einen zentralen Venenkatheter in große Venen reingelegt und haben darüber Ernährung und Flüssigkeit gegeben, haben den Ausfall der Nieren dadurch kompensieren können, haben versucht das Fieber zu senken.
Sprecherin:
In den ersten 72 Stunden mussten die Mediziner dem Kranken zehn Liter Flüssigkeit am Tag zuführen – eine technische und medizinische Herausforderung. Schon bald nach der Einlieferung begann die Virenlast im Blut zu sinken. Am 13. Tag der Behandlung in Hamburg allerdings, als die Krankheit schon überwunden schien, kam es zu einer lebensgefährlichen Komplikation, die so zuvor noch nicht beschrieben wurde.
Cut 18: Stefan Schmiedel:
Ich hatte schon am Anfang dargestellt, dass die Ebola-Infektion im Wesentlichen eine sehr schwere Magen-Darm-Infektion ist, dass es zu einer Lähmung des Magen-Darm-Traktes kommt. Und was dann passiert, ist dass die normalen Darm-Bakterien die Barriere der Darmwand überschreiten können und ins Blut streuen und dort eine bakterielle Blutvergiftung machen können. Genau das ist bei diesem Patienten passiert, sehr spät im Krankheitsverlauf, hat der sich plötzlich wieder verschlechtert, und wir haben sehr, sehr resistente Darmbakterien überall im Blut gefunden, die diese bakterielle Blutvergiftung gemacht haben, Sepsis sagt man dazu, und die auch auf die normalen Standardantibiotika, die man Patienten in solchen Situationen gibt, nicht mehr empfindlich gewesen sind.
Sprecherin:
Schmiedel und sein Team testeten, welches Antibiotikum gegen die resistenten Darmbakterien noch wirksam war. Dank gezielter Medikamentengabe und intensivmedizinischer Betreuung überlebte der Patient. Er ist mittlerweile in seine Heimat Senegal zurückgekehrt. Schmiedel selbst checkt wenige Tage nach der Pressekonferenz ein.
Atmo Flughafen (mit Ansage), schon unter Sprecherinnentext
Cut 19: Stefan Schmiedel:
Ich muss feststellen, dass ich doch sehr angespannt bin, wo ich mich jetzt auf die Reise mache. Ich denke, das persönliche Risiko ist sehr eingrenzbar, und man kann sich gut dagegen schützen. Das macht einem keine Ängste, aber was einen doch
belastet, dass man weiß, dass man in eine Situation kommt, wo es sehr vielen Leuten sehr schlecht geht, wo man ständig mit Elend und Tod konfrontiert sein wird. Und man macht sich doch Gedanken, wie man das aushalten wird.
Sprecherin:
Der Tropenmediziner wird drei Wochen in einem Behandlungszentrum von Ärzte ohne Grenzen arbeiten.
Cut 20: Stefan Schmiedel:
In Sierra Leone ist geplant, dass ich in einen weit entfernten nordwestlichen Landesteil gehe, in eine Region, die Kailahun heißt, eines der Haupt-Epizentren des Ebola-Ausbruchs in Sierra Leone, die Region, die am meisten betroffen ist und wo die Krankenversorgung völlig zusammengebrochen ist.
Atmo Labor
Cut 21: Stephan Günther:
Wir gehen jetzt in das Sicherheitslabor, zwei sind im Labor. Das ist jetzt Sicherheitslabor Stufe 4, wo wir mit Ebola arbeiten dürfen, da lagern wir auch die ganzen Proben.
Sprecherin:
Während die Mediziner am UKE Unmengen von Daten über den Krankheitsverlauf ihres Patienten auswerten, forschen Wissenschaftler des Bernhard-Nocht-Instituts an 3000 Blutproben von Ebola-Patienten aus Guinea – unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen.
Cut 22: Stephan Günther:
Das ist verschweißtes Edelstahl, die Wände sind fast luftdicht, das ist geprüft worden, bis die richtig dicht waren, deswegen gibt es hier ne innere Scheibe, die macht die Dichtigkeit. Dann gibt es hier noch Scheiben, (klopft), die sind für den Brandschutz, das kann, glaub ich, anderthalb Stunden brennen, bis das Glas kaputt geht.
Sprecherin:
Zwei Wissenschaftler arbeiten gerade im Labor, die Köpfe in durchsichtigen runden Plastikhauben. In ihren Ganzkörperanzügen sehen sie aus wie Michelin-Männchen.
Cut 24: Stephan Günther:
Jaja, das ist Luft hier, hier hängen ja überall diese blauen Kabel runter, blaue Luftschläuche, das sind Druckluftschläuche, mit den Druckluftschläuchen kann man sich anschließen an den Anzug, und dann wird das aufgeblasen, das hat zwei Gründe, erstens ist da Überdruck im Anzug, selbst wenn man kleine Verletzungen des Anzugs hat, würde immer alles rausgedrückt werden aus dem Anzug, deswegen hat der Anzug quasi den Überdruck, und zweitens Luft zum Atmen, das ist ganz saubere Luft, die da reinkommt.
Sprecherin:
Die Ebola-Viren aus Guinea werden in geschlossenen Gefäßen aufbewahrt. Die Wissenschaftler hantieren damit nur an einem speziell ausgerüsteten Arbeitsplatz.
Cut 25: Stephan Günther:
Das ist eine sogenannte Werkbank, und da drin ist auch noch mal ein Luftstrom, so dass alles, selbst wenn da was freigesetzt werden würde, unter dieser Werkbank durch den Luftstrom das in der Werkbank bleibt, und die hat auch noch mal Filter, also ist sozusagen eine doppelte Sicherheit.
Sprecherin:
Alle Viren verändern sich durch Mutation, auch Ebola-Viren. Die Forscher am Bernhard-Nocht-Institut untersuchen gemeinsam mit Kollegen aus dem Vereinigten Königreich, welche Mutationen in den Proben aus Guinea aufgetreten sind und was diese womöglich bedeuten. Es ist nicht das einzige Forschungsprojekt zu Ebola.
Cut 26: Stephan Günther:
Was anderes, was wir uns anschauen, das nennen wir Biomarker, also Krankheitsmarker, wir können daraus zum Beispiel ablesen, ob der Patient Nierenversagen hatte, wie schwer die Leber geschädigt war, ob es Elektrolytverschiebungen gab im Patienten, das hat natürlich am Ende wieder Konsequenzen für ne mögliche Behandlung, dass man sagt, das und das passiert in den Patienten, also müsste man so und so gegebenenfalls behandeln.
Sprecherin:
Über ein Sprechfunkgerät ist Stephan Günther mit den beiden Kollegen im Labor in Kontakt. Auch das dient der Sicherheit. Allen Vorkehrungen zum Trotz kam es 2009 zu einem Zwischenfall.
Cut 27: Stephan Günther:
Das ist leider im Tierexperiment passiert, wo auch Ebola ne Rolle spielte, hat sich jemand in den Finger gestochen, und damals haben wir unsere nordamerikanischen Kollegen gefragt in Kanada und den USA, was sie empfehlen würden, damals hieß es, Antikörper würden nicht viel bringen, aber was es schon gab, die eine Impfung, die jetzt geprüft wird in Afrika, die gab es, und die Kollegen aus Kanada haben die innerhalb von zwei Tagen zu uns gebracht, und wir haben die dann verimpft, weil es recht gute Belege von Affenexperimenten gab, dass diese Vakzine auch eine sogenannte Postexpositionseffizienz hat, das heißt nicht nur vor der Infektion, sondern auch post, nach der Infektion, so ähnlich, müssen Sie sich vorstellen, wie die Tollwutimpfung.
Sprecherin:
Die betroffene Wissenschaftlerin erkrankte nicht. Ob sie sich überhaupt mit Ebola infiziert hatte oder ob der Impfstoff den Ausbruch der Krankheit verhinderte, blieb ungeklärt. Nie zuvor war das Mittel am Menschen erprobt worden.
Erst jetzt, während der verheerenden Ebola-Epidemie, haben erste Studien begonnen.
Cut 28: Marylyn Addo:
Das Konzept dieser Impfstoffe ist, dass ein abgeschwächter, genetisch veränderter Trägervirus genommen wird und in diesen Trägervirus ein kleines Stück von Ebola hineingebaut wird, genetisch verändert, ein ungefährliches Stück von Ebola, und das
benutzt wird, um dem Immunsystem im Grunde genommen ein Stück Ebola zu zeigen, so dass das Immunsystem Antikörper bilden kann, gegen Ebola.
Sprecherin:
Marylyn Addo ist Professorin für Neuartige Infektionskrankheiten am Deutschen Institut für Infektionsforschung. Zudem leitet sie die Sektion Tropenmedizin am UKE.
Cut 29: Marylyn Addo:
Nach den Tiermodellen kommt erst mal die Phase I, und Phase I heißt, die ersten Studien am Menschen. Das ist normalerweise - an kleinen Patientengruppen wird wirklich nach der Sicherheit und Verträglichkeit des Impfstoffs im Menschen geschaut, und als zweiter Aspekt wird analysiert, ob gute Antikörper entwickelt werden können, und bei welcher Dosis.
Sprecherin:
Der Impfstoff, den seinerzeit die Mitarbeiterin am Bernhard Nocht-Institut bekam, wird nun in den USA, Kanada, der Schweiz, Kenia und Gabun getestet. Auch das UKE gehört zu den Zentren, an denen gesunde Probanden geimpft worden sind. Ein halbes Jahr lang werden die Testpersonen auf Nebenwirkungen untersucht. Parallel dazu planen die Wissenschaftler bereits den nächsten Schritt.
Cut 30: Marylyn Addo:
Die Immunitätsdaten oder auch die ersten Sicherheitsdaten werden schon nach zwei Monaten evaluiert, und dann kann man diese Daten nehmen, um das Design der Phase-II-Studien zu steuern. Das ist auch noch mal eine Sicherheitsstudie, wo aber dann auch genauer nach diesen Immunkorrelaten auch geschaut wird, um zu schauen, ob man da schon Rückschlüsse ziehen kann.
Sprecherin:
Die Zeit für Studien zur Wirksamkeit wird allerdings knapp. In Guinea und Liberia infizierten sich im Januar nur noch wenige Dutzend Menschen pro Woche neu mit Ebola, in Sierra Leone lag die Zahl knapp über 100.
Aber warum sind die ersten Tests nicht schon längst früher gemacht worden?
Cut 31: Marylyn Addo:
Impfstoffentwicklung ist immer ein sehr teures Unterfangen. Es gab keinen Markt dafür und keine finanzielle Unterstützung wie häufig bei Erkrankungen, die vielleicht nur in Afrika auftreten, gab’s halt keine Finanzierung. Wir sind froh, dass es jetzt zu einem wirklich aktiven Einsatz für die Impfstoffentwicklung gekommen ist, aber das hat leider vorher noch nicht stattgefunden.
Sprecherin:
Ebola – eine vernachlässigte Krankheit?
Cut 32: Stephan Günther:
Eigentlich nicht …
Sprecherin:
Der Hamburger Virologe Stephan Günther.
Cut 33: Stephan Günther:
… Ebola wird auch sehr häufig im Zusammenhang mit Bioterror genannt, meiner Meinung nach nicht berechtigter Weise, aber es wird gerade von den US-Behörden in diesen Zusammenhang gebracht, und sehr viele Gelder sind nach dem 11. September dafür freigesetzt worden, gerade in den Vereinigten Staaten, so dass sehr viele Gruppen angefangen haben, sich mit diesen Viren auseinanderzusetzen, so dass es einen ordentlichen Forschungsschub gegeben hat. Viele dieser Vakzine, antiviralen Substanzen Z-map, monoklonale Antikörper – das ist letztlich ein Ergebnis der Finanzierung aus Bioterrormitteln, das muss man so sagen.
Cut 34: Ron Fouchier:
Well, Ebola Virus is very high on the list of the biological weapon convention, is very high on all international lists forrestriction of research.
Übersetzer:
Das Ebola-Virus ist weit oben auf der Liste der Biowaffen-Konvention und sehr weit oben auf allen internationalen Listen für Forschungsbegrenzung.
Sprecherin:
Ron Fouchier, Virologe am Erasmus Medical Center in Rotterdam, am Rande einer Konferenz in Hannover.
Cut 35: Ron Fouchier:
That means it can only be done in facilities which are very, very expensive to operate, and in many countries it can only be done by the military or other organizations under the national governments or international governments and that means that there is not very many researchers that can actively be engaged in Ebola virus research. A few years ago it was even hard to send a small piece of the Ebola virus around the globe to try to develop vaccines.
Übersetzer:
Das heißt, es kann nur in Einrichtungen geforscht werden, die sehr, sehr teuer zu unterhalten sind, und in vielen Ländern kann das nur das Militär leisten oder andere Organisationen unter der Aufsicht der nationalen oder internationalen Regierungen. Das bedeutet: Es können nicht viele Wissenschaftler aktiv an der Ebolaforschung teilnehmen. Vor einigen Jahren war es sogar schwierig, ein kleines Stück des Ebola-Virus um die Welt zu schicken, um Impfstoffe zu entwickeln.
Sprecherin:
Eine unbefriedigende Situation, findet Fouchier.
Cut 37: Ron Fouchier:
I think that should change. I think pathogens in nature are dangerous, there are many dangerous pathogens in nature. And the only way for us to deal with it properly is if we can all investigate it.
Übersetzer:
Ich denke, das muss sich ändern. Es gibt viele gefährliche Erreger in der Natur, und der einzige Weg für uns damit gut umzugehen, ist sie zu erforschen.
Cut 38: Stephan Günther:
Oh ja, das Tierreich ist voll mit Erregern. Die meisten dieser Erkrankungen, die wir in Afrika sehen, sind Zoonosen, kommen aus dem Tierreich … Dengue-Virus kommt aus der Mücke, Rift-Valley-Fieber kommt aus der Mücke, Lassafieber kommt aus einem Nagetier, Ebola sehr wahrscheinlich und Marburg auch wahrscheinlich aus Fledermäusen.
Sprecherin:
Mit Hilfe von modernen Sequenzier-Techniken wurden in den letzten Jahren sehr viele Viren im Tierreich entdeckt. Man schätzt, dass drei Viertel der neu auftauchenden Infektionskrankheiten auf die Wanderer zwischen den Arten zurückgehen. Prominente Beispiele sind neben Ebola auch SARS, MARS oder das Vogelgrippevirus. Das Bundesforschungsministerium fördert deshalb seit 2009 die Nationale Forschungsplattform für Zoonosen.
Cut 39: Stephan Günther:
Die Frage ist nur immer, können diese Viren für uns gefährlich werden und unter welchen Umständen werden die gefährlich Wenn wir keinen Kontakt zu den Tieren haben, in denen diese Viren vorkommen, kann uns das erst mal wenig interessieren, ob diese Viren für uns im Prinzip gefährlich sein können oder nicht. Vielleicht haben wir ja auch in unseren Fledermäusen Ebola, aber wir essen sie nicht, deshalb haben wir kein Problem.
Cut 41: Stefan Schmiedel:
Was man aus der Ebola-Epidemie lernen kann ist, dass selbst die unwahrscheinlichsten Erreger – und Ebola ist sicher ein Erreger, von dem niemand gedacht hätte, dass er sich so ausbreiten kann – wenn die Milieubedingungen nur schlecht genug sind, sich zu einer Gesundheitskatastrophe auswachsen kann.
Sprecherin:
Der Hamburger Tropenmediziner Stefan Schmiedel. Der Vater von vier Kindern war für Ärzte ohne Grenzen in Kailahun, einer Stadt mit 50000 Einwohnern, die aber wie ein großes Dorf wirkt.
Cut 42: Stefan Schmiedel:
Es gibt keine Elektrizität, keine fließende Wasserver- und -entsorgung, es gab da mal ein Krankenhaus, mehrere Ärzte, mehrere Behandlungsstellen, das ist völlig zum Erliegen gekommen.
Sprecherin:
Im Zeltkrankenhaus mit 100 Betten herrschte hingegen Hochbetrieb. Ein Team von 30 internationalen Helfern versorgte die Ebola-Kranken, so gut es ging.
Sprecherin:
71 Prozent der in Afrika behandelten Ebola-Kranken sterben, so die Bilanz der WHO nach einem Jahr Epidemie. Bei den evakuierten internationalen Helfern sind es nur 26 Prozent.
Cut 43: Stefan Schmiedel:
Ich glaube, dass die Kranken hier das große Glück haben, dass man individuell auf ihre Lebens- und Leidenssituation eingeht, dass es eine individuelle Betreuung gibt, auch für schlimmes Leid. Der wesentliche Unterschied in deren Management ist, dass man sich liebevoll in der unterstützenden Therapie gekümmert hat. Mir erscheint das wahrscheinlich noch wichtiger, als die experimentellen, medikamentösen Strategien, die die internationalen Helfer zum Teil auch bekommen haben.
Sprecherin:
Sierra Leone ist ein Land, das durch einen langen Bürgerkrieg traumatisiert war. Ebola hat die zart knospende Zivilgesellschaft erneut zurückgeworfen.
Cut 44: Stefan Schmiedel:
Was das Arbeiten dort so schwer gemacht hat, die psychologischen Folgen, die Traumatisierung, die das auf die Bevölkerung gehabt hat. Alle Menschen haben voreinander Angst, und wenn jemand krank wird, dann lässt man den liegen und geht weg, das ist eine bedrückende Situation, das war auch im Krankenhaus bedrückend, dass die Leute, die dort versorgt werden mussten, in der Regel von ihren Angehörigen nicht mehr kontaktiert wurden, auch die Überlebenden wollte man vielfach nicht zurück haben, in seinen Dörfern und seinen Familien. Ich hab verstanden, warum Menschen so reagieren müssen und warum Humanität auf der Strecke bleiben muss, dass es vielleicht ne Notwendigkeit zum Selbstschutz ist.
Sprecherin:
Ebola – nicht nur ein Virus, sondern auch ein soziales Problem.
Cut 45: Stefan Schmiedel:
Vielleicht ist jetzt die primäre Krankenversorgung, also das, was ich vertrete, gar nicht das, was an vorderster Front gebraucht wird, sondern jetzt werden eher Leute gebraucht, die was vom Gesundheitswesen verstehen und den Aufbau des Gesundheitssystem organisieren können, und die weitere Aufklärungsarbeit zu lösen. Ich kann mir gut vorstellen, falls mein Dienst da gebraucht, noch mal hin zu gehen – für ne begrenzte, kurze Zeit.
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