Aktionstag AUGE 2015 in Köln: Therapie chronischer Augenerkrankungen
Gesundheit aktuell
Therapie chronischer Augenerkrankungen
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März 2015
Bundesverband Auge e.V.
Charakteristika
- Schonender und effektiver: Ergebnisse und Pläne in der Forschung der Augenheilkunde
- Interview mit Professor Claus Cursiefen, Direktor der Universitätsaugenklinik Köln
Inhalt
Die Veranstaltung wird gefördert durch die Krankenkasse DAK Gesundheit mit Mitteln der Selbsthilfeförderung.
Prof. Dr. Claus Cursiefen, geschäftsführender Direktor des Augenzentrums an der Universitätsklinik Köln, im Gespräch mit dem Bundesverband Auge
Bundesverband Auge: Wie wichtig ist Ihnen die Selbsthilfe von Patientinnen und Patienten mit Augenerkrankungen?
Prof. Dr. Claus Cursiefen: Ich halte das sowohl bei chronischen Krankheiten als auch bei der Begleitung von Operationen für sehr wichtig. Betroffenen können einander Tipps geben, zum Beispiel wie man sich auf eine OP vorbereitet und wie man sich danach verhält. Außerdem können sie einander Lebensmut spenden. Das können wir Ärzte oft gar nicht so gut.
Wir unterstützen das am Augenzentrum der Universitätsklinik Köln sehr. Vor allem chronisch kranke Patienten brauchen Kontakt untereinander. Hier gibt es eine Selbsthilfegruppe für erwachsene Glaukom-Patienten. In einer besonderen Gruppe treffen sich Eltern, deren Kinder an Glaukom erkrankt sind. Die Eltern beraten sich gegenseitig und wir geben in der Beratungssprechstunde für Kinder Informationen.
Außerdem trifft sich im Augenzentrum eine von der Selbsthilfeorganisation Pro Retina angebotene Gruppe für Patientinnen und Patienten mit Makuladegeneration.
Bundesverband Auge: Welche Möglichkeiten hat die Uni-Klinik, das zu unterstützen?
Cursiefen: Wir stellen Räume zu Verfügung und die Ärzte informieren in Vorträgen über neue Entwicklungen. So verbinden wir Patientenschulung und Fachinformation.
Bundesverband Auge: Beim Aktionstag Auge 2015 in Köln halten Sie einen Vortrag über Hornhauttransplantation mit dem Titel „Wann brauchen wir eine künstliche Hornhaut?“ Laien bekommen ja erst einmal Angst, wenn sie davon lesen. Können Sie diese Angst nehmen?
Cursiefen: Ja, natürlich. In den vergangenen Jahren gab es eine rasante Entwicklung hin zu immer schonenderen Operationen. Wir arbeiten immer mehr mit minimal invasiven Verfahren. Es gibt sogar immer mehr Möglichkeiten, Krankheiten auch mit Tropfen zu behandeln und ganz um die Operation herum zu kommen.
Bundesverband Auge: Und wann ist nun eine künstliche Hornhaut notwendig?
Cursiefen: Die Künstliche Hornhaut ist eine Rarität. Man braucht die zum Glück sehr, sehr selten. Obwohl wir in Köln auf diese Operation spezialisiert sind, behandeln wir nur etwa 15 Patienten pro Jahr. Dennoch können wir manchen Menschen, deren Augenhintergrund gesund ist, die Hornhaut aber erkrankt, mit der Transplantation wieder ein Fenster in die Welt öffnen. Das ist ein dramatischer Wechsel – manche Menschen sehen fast nichts mehr und können mit neuer künstlicher Hornhaut doch wieder mehr als 50 Prozent sehen.
Bundesverband Auge: Welche Chancen bieten Hornhaut-Transplantationen?
Cursiefen: Teile der Hornhaut transplantieren wir etwa 500 Mal im Jahr. Menschen können danach wieder gut schauen. Auch die dazu notendigen Verfahren werden immer schonender.
Noch vor 5 Jahren musste man die ganze Hornhaut austauschen. Danach haben Patienten ungefähr eineinhalb bis 2 Jahre nicht gut gesehen, weil erst dann die Nähte entfernt wurden. Heute näht man nicht mehr. Das hat zur Folge, dass Patienten oft schon ein, zwei Wochen nach der OP wieder sehr gut sehen. Das ist eine dramatische Verbesserung, die wir erst seit wenigen Jahren haben.
Bundesverband Auge: Im Bundesverband Auge sind ja vor allem Patientinnen und Patienten mit Glaukom-Erkrankungen engagiert. Was hat sich da in der Forschung getan?
Cursiefen: Was die Behandlung angeht, sind z.B. das Trabektom und die Kanaloplastik bereits schonende Fortschritte. Früher wurde immer nur das Augenwasser über ein Loch in der Augenhülle künstlich nach außen abgeleitet. Bei der Kanaloplastik z.B. wird jedoch nur der ein Viertel Millimeter dünner Abflusskanal des Auges mit einem speziellen Mikro-Katheter sondiert und gedehnt. Damit verbessert sich der natürliche Abfluss für das Augenwasser, wird aber nicht künstlich umgeleitet. Das verhilft den Patienten, schnell und schonend gesund zu werden; ihre Sehkraft, die sie vor der Operation hatten, ist meist innerhalb von wenigen Tagen wieder hergestellt.
Bundesverband Auge: Bringt die Grundlagenforschung auch neue Ergebnisse?
Cursiefen: Ja, sogar sehr aufregende! Erst im vergangenen Jahr – die Ergebnisse haben wir erst seit wenigen Wichen - wurde entdeckt, dass der Schlemm-Kanal ein Lymphgefäß ist. Das bedeutet, dass der Kanal, der dazu beiträgt, den Augendruck zu regulieren, ganz andere Eigenschaften hat, als wir bisher dachten. Versuche an Tieren legen nahe, dass man diesen Kanal mit Medikamenten behandeln kann, auf die auch andere Lymphgefäße im Körper reagieren. Das könnte zur Behandlung des Glaukoms ganz neue Wege weisen.
Bundesverband Auge: Interessant, dass man heute noch einen ganz unbekannten Zusammenhang im Körper entdeckt!
Cursiefen: Ja, das fand ich auch spannend. Das ist erst wenige Monate alt und da wird es neue Forschungen z.B. auch in unserer Klinik geben.
Bundesverband Auge: Nun zur Makuladegeneration. Sie ist ja nach wie vor unheilbar.
Cursiefen: Ja, aber durch die Spritzen, die man Patienten ins Auge gibt, lässt sich die Verschlechterung der Sehschärfe bei einem Teil der Patienten gut stoppen. Das ist noch nicht ideal, aber eine Verbesserung gegenüber der Situation von vor 10 Jahren.
Bundesverband Auge: Was ist Ihr Forschungsschwerpunkt zur zeit?
Cursiefen: Ich beschäftige mich mit der Hornhauttransplantation. Darum wird es ja auch beim Aktionstag Auge gehen. Bisher war es so: Wenn man die ganze Hornhaut ausgetauscht hat, hatten wir 10 bis 50 Prozent Abstoßungsreaktionen. Heute trifft das nur noch jeden 500.-1000. Patienten, weil wir nur kleine Teile der Hornhaut austauschen. Um das zu erreichen, brauchen wir immer neue Techniken, zum Beispiel bild-gebende Verfahren. Wir müssen besser sehen, um mit kleinsten Hornhautteilen präzise arbeiten zu können. Um diese Bilder zu bekommen, arbeiten wir z.B. in unserer DFG Forschergruppe mit dem Laserzentrum Lübeck zusammen.
Ich bin auch sicher, dass sich bei der Behandlung der Makuladegeneration etwas ändert. Die Spritzen ins Auge können hoffentlich teilweise auf Augentropfen umgestellt werden. Das wird in den nächsten Jahren kommen.
Bundesverband Auge: Wie schätzen den Einfluss der demografischen Entwicklung auf die Augenheilkunde ein?
Cursiefen: Die Augenheilkunde ist am meisten von der zunehmenden Alterung der Bevölkerung betroffen. Nur die Urologie verzeichnet ähnlich steigende Patientenzahlen. Immer mehr betagte Patienten leiden unter Augenerkrankungen. Die Behandlungen brauchen zum Teil viel Zeit, wenn etwa eine Patientin alle vier Wochen gespritzt und vorher untersucht werden muss.
Bundesverband Auge: Gibt es denn genügend Augenärzte?
Cursiefen: Wir versuchen um Studenten zu werben. Sie sollen sehen, dass es ein tolles Fach ist. Man kann Patienten oft helfen. Aus der Sicht der Studenten liegt es zunächst am Rande der Medizin.
Aber wir müssen auch gegenüber der Politik sagen: Augenheilkunde kann man nicht immer ambulant machen. Ältere und kränkere Patienten brauchen Betten! Sie können sich nach einer Augen-OP nicht selbst orientieren. Wir können sie nicht einfach entlassen, wenn ihnen zu Hause niemand hilft. Für diese Menschen zu sorgen, wird eine wichtige Aufgabe in Zukunft sein.
Bundesverband Auge: Wir danken für das Interview.
Univ.-Prof. Dr. Claus Cursiefen ist geschäftsführender Direktor des Zentrums für Augenheilkunde sowie Direktor der Klinik und Poliklinik für Allgemeine Augenheilkunde an der Universitätsklinik Köln. Nach eigenen Angaben betreibt die Klink Forschung mit dem Schwerpunkt auf dem Gebiet der Hornhauttransplantationschirurgie und -immunologie, des Trockenen Auges, der Glaukome und der Tumoren des Auges. Ein weiterer Schwerpunkt der Forschung ist die pathologische Gefäßproliferationen (Angiogenese und Lymphangiogenese) sowie Entzündungsprozesse bei verschiedenen Augenerkrankungen besser zu verstehen und neue Behandlungsansätze entwickeln zu können. Alle Forschungsaktivitäten sind „translational“ ausgerichtet, das heißt wir lösen klinisch relevante Probleme unter anderem mit Methoden der Grundlagenforschung, um sie dann möglichst schnell wieder den Patienten zugutekommen zu lassen. Weitere Informationen unter: http://www.augenklinik.uk-koeln.de/de
Der Bundesverband Auge e.V. kümmert sich um Menschen, die hauptsächlich unter chronischen Augenerkrankungen, wie Glaukom (Grüner Star) und Altersbedingte Makuladegeneration (AMD) leiden. Beide Erkrankungen können die Sehkraft erheblich einschränken und bei fehlender Behandlung teilweise zur Erblindung führen. Sie gibt Betroffenen und Angehörigen Tipps und Hilfestellung zum richtigen Umgang mit der Augenerkrankung und unterstützt bei der Gründung und Fortführung von lokalen und regionalen Selbsthilfegruppen in allen Bundesländern. Der Bundesverband Auge informiert die Bevölkerung über die Krankheitsbilder „Glaukom und AMD“ und ruft zur Früherkennung auf. In den Mitglieder-Infos berichtet der Verein über die aktuellen Entwicklungen aus Wissenschaft und Forschung und alternative Behandlungsmethoden. Der Verein besteht seit dem Jahr 1999 und ist eine gemeinnützige Patienten-Selbsthilfeorganisation mit bundesweit rund 1000 Mitgliedern und Glaukom-Selbsthilfegruppen in fast allen Bundesländern. Der gemeinnützige Verein finanziert sich ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen, öffentlichen Projektmitteln der Krankenkassen und freiwilligen Spenden. Er ist berechtigt, Spendenquittungen auszustellen. Der Vereinssitz ist in Berlin mit einer Geschäftsstelle in Bayern.
Kontakt:
Dieter W. Staubitzer
mailto:staubitzer@bundesverband-auge.de
Bundesverband Auge e.V. 10827 Berlin
mailto:info@bundesverband-auge.de
http://www.bundesverband-auge.de
mailto:info@gesundheit-adhoc.de; htttp://www.gesundheit-adhoc.de