Hamburger Kunsthalle, Galerie der Gegenwart : "Müde Helden: Ferdinand Hodler – Aleksandr Dejneka – Neo Rauch"
Über/Zeitgefährten
F. Hodler – A. Dejneka – N. Rauch
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Online-Publikation: Februar 2012 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Ausstellung: Hamburger Kunsthalle, Galerie der Gegenwart : "Müde Helden: Ferdinand Hodler – Aleksandr Dejneka – Neo Rauch" Hrsg. Hubertus Gaßner & Markus Bertsch & Daniel
Koep. 17. 2 bis 13. 5. 2012 >>
http://www.hamburger-kunsthalle.de/index.php/muede_helden/articles/muede_helden.html
Katalogbuch: 276 S., 24 x 28 cm, Halbleinen; farbiges Ausstellungsverzeichnis, 99 Farbtafeln, 16 Abb. in Farbe, 5 in Schwarz-Weiß; ISBN: 978-3-7774-5131-2 ; 39,90 € [D] | 53,90 SFR [CH]
Hirmer Verlag, München; http://www.hirmerverlag.de
Ausstellungsüberblick
Die drei Künstler der Ausstellung, Ferdinand Hodler (1853-1918), Aleksandr Dejneka (1899-1969) und Neo Rauch (*1960), stehen im 20. Jahrhundert für die Geschichte der Utopie des >Neuen Menschen< von seinem Entwurf bis zu seinem Scheitern bzw. Nachleben. Sie verkörpern mit ihrem künstlerischen Werk exemplarisch die drei Etappen, in denen sich dieser Prozess vollzieht.
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Im Mittelpunkt der Ausstellung Müde Helden: Ferdinand Hodler - Aleksandr Dejneka - Neo Rauch steht die Entwicklung der Utopie des 'Neuen Menschen' im 20. Jahrhundert.
Am Anfang dieser historischen Entwicklung steht der Schweizer Maler Ferdinand Hodler. Als einer der künstlerischen Exponenten der Lebensreformbewegung gibt er dem um 1900 mit großem Pathos vorgetragenen Thema des 'Neuen Menschen' in seiner Malerei künstlerischen Ausdruck. Seine großfigurigen Gemälde weiblicher und männlicher Gestalten tragen jedoch ungeachtet ihrer monumentalen Gestalt bereits die Zeichen des Artifiziellen und Dekorativen an sich - und können von daher als 'müde Helden' betrachtet werden.
Der im Westen weniger bekannte, 1899 in Kursk geborene russische Maler Aleksandr Dejneka war zwischen 1918, dem Todesjahr Ferdinand Hodlers und der Verordnung des Sozialistischen Realismus in der Sowjetunion im Jahr 1932 ein Protagonist der postrevolutionären Malerei. Bisher völlig unbeachtet blieb, wie sehr sich Dejneka in seinen Bildmotiven, wie auch in der Körpersprache und der Modellierung seiner Personen an Hodlers eurythmisch bewegten Figuren orientiert. In seinen Gemälden ersetzt Dejneka die aufblühende Natur durch im Aufbau befindliche Industrielandschaften. Dejnekas Arbeiterinnen und Arbeiter erscheinen wie die Wiedergeburt der symbolistischen Malerei des Schweizers in proletarischem Gewand.
Im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts greift der in der DDR aufgewachsene und ausgebildete Neo Rauch den von Hodler und Dejneka geprägten Typus nach dem Ende des Kommunismus erneut auf. Mit bewusstem Rückgriff auf die Helden aus der Technik und Industrie der 1920er und 1930er Jahre lässt er die Figuren in Posen der Handlungshemmung erstarren und in absurden Zusammenhängen ins Leere laufen. Die Utopie des 'Neuen Menschen' verkehrt sich hier in eine Absage an die Fortschrittsgläubigkeit und an jegliche Ideologie.
In der Ausstellung Müde Helden wird das Werk des international anerkannten, führenden Malerstars der Leipziger Schule, Neo Rauch, erstmals in einen historischen und kunsthistorischen Zusammenhang präsentiert. Zudem bietet Müde Helden die Gelegenheit das Werk des in Russland hoch verehrten Malers Aleksandr Dejneka zu entdecken, der mit einer großen Anzahl wichtiger Gemälde vertreten sein wird, die noch nie in Deutschland zu sehen waren.
Die Ausstellung umfasst etwa 80 großformatige Gemälde sowie Graphik und Zeichnungen und wird in der ersten und zweiten Etage der Galerie der Gegenwart zu sehen sein.
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Die drei Künstler der Ausstellung, Ferdinand Hodler, Aleksandr Dejneka und Neo Rauch, stehen im 20. Jahrhundert für die Geschichte der Utopie des »Neuen Menschen« von seinem Entwurf bis zu seinem Scheitern bzw. Nachleben. Sie verkörpern mit ihrem künstlerischen Werk exemplarisch die drei Etappen, in denen sich dieser Prozess vollzieht.
Den Anfang des 20. Jahrhunderts markiert die Bewegung der Lebensreform, die sich einerseits aus Ideen der Romantik speist und andererseits profanierte christliche Motive der Geburt des »Neuen Menschen« reaktiviert. Der Schweizer Künstler Ferdinand Hodler (1853–1918) ist einer der maßgeblichen künstlerischen Exponenten dieser Bewegung. In einem artifiziell hergestellten Einklang mit der Natur rhythmisieren seine monumentalen Figuren die Bildfläche mit silhouettenhaften Ausdrucksgebärden. Einer der bislang bedeutendsten Nachfolger von Hodler ist der russische Maler Aleksandr Dejneka (1899–1969), der sich in seinen Bildmotiven, aber auch in der Körpersprache und der Modellierung seiner Personen an den eurythmisch bewegten Figuren des Schweizers orientiert, diese jedoch in prosperierenden Industrielandschaften situiert. Der in der DDR aufgewachsene und ausgebildete Maler Neo Rauch (*1960) greift schließlich den von Hodler und Dejneka geprägten Typus des »Neuen Menschen« wieder auf. Jedoch überspitzen seine Figuren den schon bei beiden Vorgängern erkennbaren Zug zur Handlungshemmung, der in ein perspektiv- und zielloses Hantieren in absurden Konstellationen mündet. Die Utopie des »Neuen Menschen« verkehrt sich hier in eine Absage an die Fortschrittsgläubigkeit und an jegliche Ideologie.
Fazit
Auf der beiläufigen Suche nach Ursprüngen zur Stilherkunft von Ferdinand Hodler, Aleksandr Dejneka und im besonderen Neo Rauch kam uns das Art40Basel-Katalogbuch zu Hilfe: Plötzlich entdeckten wir das Mixed media Bild von Michail Paule (Galerie Susanne Zander Köln) ein No-Name bis heute aus den 30er-Jahren. Die Visualisierung der Personengruppierung, ihre Körpersprache und die Inszenierung der Requisiten üben die gleiche magische Faszination aus wie bei Rauch 80 Jahre später.
Vom Soz-Realismus ausgehend, hat, gleich der Zeitläufte, Neo Rauch zu seinem ganz persönlichen, "durchtönenden" Neo-Realismus gefunden. Das bedeutet eine doppelte Metamorphose, erstens stilistisch figurative Wandelfiguren mit ihre Requisiten, auf- und umgeklappten, verschachtelten Raum-Bühnen. Und zweitens in gewagten Situationen, Gestellte Figuren in Gestellen - Geworfenheit* - hör ich Heidegger imaginär ausrufen, nun vom real-asozialen Realismus durchwirkt, scheinen sich die Bild-Protagonisten in ein puritanes kapitalistisches Kulissengeschiebe zwischen Innen und Aussen, Architektur und Landschaft verirrt zu haben, Jedenfalls haben sie ihr Gleichgewicht veräussert bis verloren. Das gibt zu denken. Und so ist Neo Rauch ein bildgestaltender Sokratiker*, ein Fragender wie wir - gut so.
Verhüllt traumatisches Geschiebe, verheddert in transzendent gebrochener Muster/helden/suche im rhythmisch-Mythischen (Gassner, Bertsch, Küenzlen.. Prankl), im körperlich Vegetativen bis zum Burn-out - dem "erschöpften Selbst (Ehrenberg)" in einer ermüdeten Gesellschaft ( Han...Prankl), entbirgt die Quintessenz der "Gebrochenen Utopie auf der Suche nach einem Neuen Menschen (Platon bis Sloterdijk)" von Ferdinand Hodler, Aleksandr Dejneka und Neo Rauch im besonderen. m+w.p12-2
Vertiefende Hinweise:
*) http://archiv.www.kultur-punkt.ch/akademie4/
http://archiv.kultur-punkt.ch/av-media/zweitausendeins10-7rauch-bergmann.htm
http://archiv.kultur-punkt.ch/ereignisse/hatjecantz11-6neo-rauch.htm