Paul Goesch. Zwischen Avantgarde und Anstalt

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P. Goesch: Avantgarde - Anstalt -NS-Tötung
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Online-Publikation: Juni 2016  im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
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176 Seiten, gebunden; ISBN: 978-3-88423-539-3; 29,80 EUR
Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg; http://www.wunderhorn.de

Charakteristika
Sammlung Prinzhorn

Inhalt
Paul Goesch ist einer der wenigen ausgebildeten Künstler der Sammlung Prinzhorn. Er war ein angesehener expressionistischer Maler und Zeichner seiner Zeit und aktives Mitglied der Avantgarde, der zwanzig Jahre in psychiatrischen Anstalten verbrachte, bis er 1940 von den Nationalsozialisten ermordet wurde.
Das Museum der Sammlung Prinzhorn, dem 2015 über 340 Werke Goeschs geschenkt wurden, präsentiert mehr als 150 Zeichnungen und Aquarelle des Künstlers aus eigenen Beständen, viele davon werden erstmals ausgestellt.Paul Goeschs vielfältige Gouachen zeigen phantastische Architektur, Porträts, christliche und mythologische Szenen sowie gegenstandslose Kompositionen. Er hatte Architektur studiert (1903-1911) und war danach im Staatsdienst im westpreußischen Kulm tätig. Nach dem Ersten Weltkrieg gehörte er zur avantgardistischen Kunstszene Berlins, war Mitglied der »Novembergruppe«, des Arbeitsrates für Kunst und der »Gläsernen Kette«. Er nahm an Ausstellungen teil, publizierte Zeichnungen und Texte. Schon früher hatte er in Sanatorien Erholung von seiner »Nervosität« gesucht, in Schwetz war er 1917-1919 in einer Anstalt gewesen. Ab 1921 blieb Goesch fast ohne Unterbrechung in den Anstalten Göttingen und Teupitz. Hier malte und aquarellierte er auf allem, was ihm zur Verfügung stand, von Papier über Karton bis hin zu Packpapier und Briefumschlägen. Auch nahm er eine Zeit lang weiterhin Illustrationsaufträge an und war auf Ausstellungen vertreten. 1940 ermordeten ihn nationalsozialistische Ärzte. In der Kunst ist Paul Goesch bis heute ein Grenzgänger geblieben. Obgleich er in der »Gläsernen Kette« ein gleichwertiges Mitglied neben u.a. Bruno Taut, Walter Gropius und Hans Scharoun war, blieb seine Rezeption wegen seiner Psychiatrisierung zögerlich. Und als »Anstaltskünstler« fanden ihn viele »zu professionell«. Hans Prinzhorn, der bereits um 1920 Werke von Goesch erhielt, äußerte sich in seinem bahnbrechenden Buch Bildnerei der Geisteskranken nicht über den Berliner Künstler – weil er ihm nicht authentisch genug erschien. Heute können wir jenseits der einen wie der anderen Vorurteile einen einzigartigen Künstler neu entdecken. Zeitlich parallel stellt die Berlinische Galerie Goesch in einer Ausstellung neben Bruno Taut und Paul Scheerbart als Visionär der Moderne vor.
Diese Publikation erscheint anlässlich der Ausstellung Paul Goesch - Zwischen Avantgarde und Anstalt in der Sammlung Prinzhorn in Heidelberg, 12. Mai bis 18. September 2016.

Der Protagonist
Paul Goesch (* 30. August 1885 in Schwerin; offiziell † 5. September 1940 in Schloss Hartheim, tatsächlich am † 22. August 1940 in der NS-Tötungsanstalt Brandenburg/Havel war ein deutscher Architekt und Maler.
Werk
Paul Goesch hinterließ ein vielschichtiges künstlerisches Werk von über 2000 Arbeiten. Zum großen Teil handelt es sich um farbige Gouachen, darunter auch Architekturentwürfe. Das monumentale Format ist mit zwei Raumausmalungen (Dresden-Laubegast 1908; Berlin-Schöneberg 1920/1921, zerstört) und einem Wandgemälde (Göttingen, vermutlich 1920) vertreten. Von ausgeführten Bauwerken ist bisher nichts bekannt; eine konzeptionelle Beteiligung an Projekten anderer Architekten ist nicht auszuschließen.
Die Wiederentdeckung des Werkes
ist insbesondere den Forschungen der Kölner Kunsthistorikerin Stefanie Poley zu verdanken. Arbeiten von Goesch befinden sich in mehreren Museen, so in Deutschland z.B. in der Akademie der Künste und in der Berlinischen Galerie, aber auch außerhalb Deutschlands, hier v.a. im Centre canadien d'architecture in Montréal, Kanada. Ebenso ist ein Teil der Bilder, die während seines Psychiatrie-Aufenthaltes entstanden, in der Sammlung Prinzhorn erhalten geblieben


Herausgeber
Dr. phil. Thomas Röske (geboren 1962) ist seit November 2002 Leiter der Sammlung Prinzhorn der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg. Er hat Kunstgeschichte, Musikwissenschaft und Psychologie in Hamburg studiert und 1991 mit einer Arbeit über Hans Prinzhorn promoviert (1995 unter dem Titel „Der Arzt als Künstler. Ästhetik und Psychotherapie bei Hans Prinzhorn [1886-1933]“ als Buch erschienen). Von 1993 bis 1999 war er Wissenschaftlicher Hochschulassistent am Kunstgeschichtlichen Institut der Universität Frankfurt, von 1996 bis 1999 Stellvertretender Sprecher des dort angesiedelten Graduiertenkollegs „Psychische Energien bildender Kunst“. Daneben hat er immer wieder als freier Ausstellungskurator für verschiedene Institutionen gearbeitet.

Fazit
Zwischen 2-3-D-Expressionismus ,Jugendstil (Taut & Hoffmann bis Scharoun. ) und Artbrut bewegt das künstlerische Schaffen von Paul Goesch - im biografisch hervorragend dargestelltem Diskursbuch "Zwischen Avantgarde und Anstalt".
Individuelles Lebensleid widerspiegelt sich überaus gekonnt, kompositorisch wie farbgestaltend auf hohen Niveau in seinem Schaffen, wobei sowohl Ornament wie expressive Fragmentierung* zugleich inhärent erscheinen. Diese Blickweise wird insbesondere in seinen Portraits in einmaliger Weise sichtbar. Heute wissen wir, dass in  der Mehrheit der  Psychiater Mitschergen der NS-Maschinerie wirkten, die die grenzüberschreitende synergetische Kreativität überwiegend der Geisteskrankheit (in diesem Fall Schizofrenie ) als Motor  zuschrieben. So war es den 'Euthanasie-Experten' umsomehr ein Leichtes ein 'entartet-unwertes' Verhalten so zu diagnostizieren, um es (wie das von Paul Goesch) auszulöschen. Dank überzeitlich denkenden und handelnden Sammlern wie Prinzhorn und Freunden, erleben wir Nachkommende im Heute unmittelbar und überzeitlich die Qualität, das faszinierend Erhellende des künstlerischen Schaffens von Goesch. m+w.p.16-6

*) http://www.kultur-punkt.ch/galerie/eigene-arbeiten/prankl-mw-leben-werk/projekt-fragmentierung-einfuehrung.html