Platon pur – warum heute?

1997/98:
Platon pur – warum heute?

Topos 1: Platon zieht bekanntlich die Mündlichkeit vor. Was für ein Verhältnis bekundet sich darin zur Sprache?
Selbstschutz und zugleich Bleibe, durch die Mehrdeutigkeit, den Zweifel, den Zwischenraum, Leere, kein horror vacui. Durch die Schrift werden die dargestellten Dinge auf der Ebene blosser Meinung rezipiert. Der Leser nimmt das derart Vermittelte auf, ohne dieses wirklich zu erfassen und zu verstehen; man könnte hier von einem sogenannten "externalisierten Wissen" sprachen. Das wahre Wissen der Wissensvermittlung tritt jedoch in den Hintergrund: Es ist dies das Unterweisen, das in mündlicher Form zu seiner Vollendung findet (vgl. Phaidros, VII. Brief).
Topos 2: Welche Aufgaben obliegen dem Einzelnen in der Gesellschaft?
Philosophie erfordert Mündigkeit in Richtung Gerechtigkeit sowie annäherndes Gleichgewicht der Kräfte in der Gesellschaft. Gerechtigkeit heisst jedoch weder unangemessenes Gleichgewicht noch nivellierende Gleichmacherei, sondern wohlproportionierte Verteilung: Jedem Element, in diesem Falle dem Individuum, wird das ihm im Ganzen Entsprechende und Gebührende zugewiesen.
Topos 3: Wie ist "Beständigkeit" näher zu fassen?
Angleichen an das Unveränderliche, ohne Anfang und Ende Seiendes, Grenzen- und Zeitloses, das Göttliche (es sei hier z.B. erinnert an Parmenides: Das Seiende ist grenzenlos).
Telos, d.h. Ziel der Anstrengungen ist die im Theaitetos erwähnte "Homoiosis theo", die Angleichung an das Göttliche, was einen Entzug von allem Veränderlichen und Kontingenten bedeutet. Voraussetzung dafür ist eine Abnahme beim bloss vermeintlichen Wissen, was mit einer Zunahme an wahrem Wissen einhergeht. Im Timaios gibt es eine Anspielung, was damit gemeint sein könnte: Die Naturwissenschaften, die stets Revisionen und Veränderungen ihrer Positionen unterworfen sind, sind als Spiel zu betrachten; das Wissen hingegen um metaempirische Sachverhalte führt allein zur Erkenntnis und ist daher höher als die mit den physischen Dingen befassten Wissenschaften einzustufen.

Topos 4:Wie steht’s mit der Seele – sei’s mit der individuellen oder politischen?
Der Logos kennzeichnet sie - eins mit sich zu werden oder sein - im erkennenden Denken:
Ihr Angleichen an Beständigkeit, Harmonie, Gleichgewicht, Gerechtigkeit und Symmetrie..
Erkennen aber bedeutet, gewahr zu werden, dass man wird, was man schon immer war: als menschlicher Mikrokosmos eine quasi holografische Monade des Makrokosmos - ein Spiegelbild der Ausgewogenheit im Kleinen.

Topos 5: Was soll überhaupt die Rede von erkennendem Denken?
Das Bedürfnis nach orientierendem, alltagspraktischen Denken in der Philosophie wächst. Denn heute gehört Staatsphilosophie zur Politologie, Naturphilosophie zur Physik und der Ruf nach spezifischen Fachwissenschaften hat den eine Synthese ermöglichenden Überblick zunichte gemacht. Babylonische Denke kursiert, die von der Analytik herrührende Sucht nach dem immer unbedeutenderen, da übersichtlichen Kleinstbausteinen herrscht eindeutig vor.
Die Verstümmelung und Sezierung der einstigen "Regina scientiarum", der Königin der Wissenschaften, führte zu einer hyperanalytischen Betrachtungsweise, der jegliche Zusammenschau, jegliches Fragen nach den umgreifenden Strukturen abhanden gekommen ist.
Staatsphilosophen erknnen im ständigen Werden und Verfall das unveränderlich Seiende, d.h. die Ideen. Das Instrumentarium dazu bietet der in der Politeia geschilderte Erziehungsweg, der sich insbesondere auch auf das Gleichnis stützt, dass gewissen Einzelbürgern Gold, anderen Silber und manchen nur Erz in das Herz gegossen worden ist.
Es gilt sich das im Theaitetos 155d24 Gesagte stets vor Augen zu halten: Es gibt keinen anderen Ursprung der Philosophie als das Staunen, das nichts anderes als eine Erschütterung ist. Diese wiederum hat einen dreifachen Ursprung:
a) die Bestürzung vor dem Unbegreiflichen im Zustand der Ratlosigkeit bzw. Aporie
b) die Furcht vor dem Gewaltigen und zwar in Gestalt der Ehrfurcht und heiligen Scheu
c) die Bewunderung vor dem Schönen oder die Faszination.

Harmonie: die zwar oft einen Sollwert darstellen mag, einen zu verwirklichenden Masstab; jedoch keine Utopie
thymoeides logos
Scherenhalter (shareholder)
Philosophen - > politea
Meinende (consumer)
thymos logistikon
Rhythmus

Topos 6: Könnte bereits bei Platon die Rede sein von einer "Noesis noeseos", von einem Denken des Denkens?
Falls darunter verstanden wird, dass es jenseits der rein rationalen Verstandesbegründung eine intuitive, supra-rationale und transzendete Erkenntnis(-möglichkeit) gibt, warum nicht?
Reden zur Philosophie mag in etwa dasselbe meinen: Reden zur Kunst, insebesondere deren Urheber, meinen lediglich das Ähnliche, Hinweisende in änigmatischer Form und wohl kaum nur das Sichtbare, Wortwörtliche. So sind Aussagen Kunstschaffender wahr, aber teils ausserhalb von zu eng verstandener Techne sowie ausserhalb des Logos, sind zudem besessen und orakelhaft, denn die Enthusiasmiertheit, die Gotterfülltheit verzichtet normalerweise auf eine Rechtfertigung ihres So-Seins.
Daneben gilt es zu festzuhalten, dass Kunst allgemein einen dreifachen Ideen-Bruch enthält:
demiurgisch
praktisch abbildend
ahnend abbildend

Topos 7: Wie hängen Schönheit und Wahrheit zusammen?
In der Begegnung mit Schönheit erfährt die Seele die existenzielle Erschütterung in der das Abbild des Jenseitigen erkannt wird. Es besteht eine innere Verbindung zwischen Metriotes (Mitte), Kalon (Schönheit), Areté (Trefflichkeit). Schönheit ist eine transzendente Dimension des Einen, der höchste Idee, die sich dreiteilt und das Geflecht /Netzwerk widerspiegelt, das auf der ontologischen Ebene im Da-Sein Wahrheit, Gutheit und Schönheit umfasst und zwar in dreierlei Aspekten:
(i) ontologisch: das Eine wirkt auf das Viele und bewirkt das Seiende
(ii) gnoseo-/epistemologisch: Kognitiv Erkennbares (Einheit, Grenze, Ordnung, Beharren..) ist sicher erkennbar
(iii) axiologisch/ästhetisch: Durch die Wirkung des Einen auf das Viele bringt es Ordnung, Harmonie, Proportion, Gleichmass -zusammen Schönheit bedingend - somit Stabilität und Wert hervor. Gut ist was trefflich, brauchbar, leistungsfähig, dauerhaft ist. Das Gute ist somit die vom Einen hervorgebrachte Ordnung harmonischer Schönheit.

Topos 8:
Modell der platonischen Staatslehre: Wie lässt sich am Verhältnis Politeia vs. Psyche die platonische Staatslehre veranschlaulichen?
[NB: Loslassen statt Beharren, statt Verharren im Dunkeln und Trüben der Höhle Erwacht und geht ins Licht! (Vgl. Stoa: Wir fürchten uns nicht vor den Dingen selbst, es sind unsere eigenen Vorstellungen, die uns Furcht einflössen!]

Topos 9:
Platons Verhältnis zum Eros...
Platon stellt eine Verbindung von Spekulation und Mythischer Schau her - in Kunst und Philosophie (onto- und erotologisch)
Psyche: Vernunft, Gefühl, Leidenschaft Werden-Vergehen, Freiheit als Entscheidungskraft.
Seele:Ursprung von gut - böse, schön - hässlich, gerecht - ungerecht.
Dualität: Differenz, Trennung, Gegensatz. Aufscheinen des Hen, des Einen.
Sehnsucht nach: Identität, Einigung,Vereinigung im Schönen, Guten, Ewigen, Unsterblichen.
Liebe: Wiederherstellung urspr. Einheit. >Orphisch. Wiederzusammenführung
Zwischensein / Mittesein besteht aus drei Eigenheiten
penia:
arm und mühevoll
poros: durchkommen, weg-gehen, unvollkommen, unzufrieden, daher Streben und Sehnsucht
jagen: bis ins Ziel, doch kein Verweil >sterblich, zeugen im Schönen, mittels
· Nachkommen
· Nachruhm
· Philosophische Erkenntnis, Schau des Schönen, theion kalon, jeder Eros strebt nach der Idee des Schönen..
Eros = Halbgott, "daimon", zwischen sterblich und unsterblich "hermeneus", Vermittler und "porthmeus", Über-Setzer. . Der innewohnende
Eros ist ein guter Jäger, kein bloss sehnsüchtig Strebender,
der unerfüllt schmachten muss.

 

Zum philosophischen Modell der Platon Akademie 4

Zum philosophischen Modell der Platon Akademie 4:


Die Akademie sieht sich verpflichtet, das Gedankengut des Philosophen Platon zu pflegen und einen Beitrag zu dessen Aktualität zu leisten, indem sie aufzeigt, wie zeitgenössische Probleme mittels der platonischen Zugangsweise eine neue Perspektive erhalten und der Alltag optimal bewältigt werden kann.
Dabei widmet sich PA4 folgenden Aufgaben:
° Erforschung der möglichen Anwendungen der Ideen- und Staatslehre im Hinblick auf Lösungsansätze brennender offener Fragen der gegenwärtigen (sowie zukünftigen) Gesellschaft
° Lebensbegleitende Bildung zur Förderung von Einzelnen und von Fachkräften aller Richtungen und Stufen
° Strategische Beratung für Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik, Medien sowie von Unternehmen, Verbänden, Organisationen.
° Veröffentlichungen zur Prägung der individuellen und verantwortungsbewussten Strategie in der regionalen wie globalen Gemeinschaft.