Josef Reichholf: Stabile Ungleichgewichte – Die Ökologie der Zukunft
Online-Publikation: Juli 2008 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
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138 Seiten, Broschur (ISBN 978-3-518-26005-0) Euro 10,00 [D] / Euro 10,30 [A] / sFr 18.00
edition unseld Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M., www.suhrkamp.de
Inhalt
Die Erhaltung der Biodiversität der Erde ist eines der Hauptziele des UN-Zukunftsprozesses. Das soll erreicht werden durch das Bewahren einer statischen Weltsicht. Auch der moderne Naturschutz setzt auf das »Gleichgewicht im Naturhaushalt« und damit auf eine statische Konzeption der Ökologie. Josef H. Reichholf, der als »enfant terrible« des Umweltschutzes gilt, stellt diesen Ansatz radikal in Frage. Er argumentiert: In einer sich wandelnden Welt können Zukunftsziele nicht auf Zustände von gestern oder vorgestern bezogen werden. Ungleichgewichte sind die Triebkräfte der natürlichen Evolution und der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen. Gleichgewichte dagegen führen zu Erstarrung, in ihrer endgültigen Form sind sie der Tod allen Lebens. Unsere Zeit braucht dringend eine Abkehr von der konservativen Philosophie der Ökologie. Das Streben nach dem Gleichgewicht stellt zwar eine innere Notwendigkeit für die Körperlichkeit des Menschen dar, aber eine darauf begründete Weltsicht mutiert zum Ökologismus und wird eine Pseudoreligion mit fundamentalistischen Zügen. Deshalb gilt es, hinreichend stabile Ungleichgewichte zu finden und zu entwickeln – natürliche wie menschliche Vielfalt weisen uns Wege dazu. Mit seiner Publikation Eine kurze Naturgeschichte des letzten Jahrtausends, die als bestes Sachbuch des Frühjahrs 2007 ausgezeichnet wurde, löste Reichholf eine heftige Kontroverse über die Folgen des Klimawandels aus.
Autor
Josef H. Reichholf, geboren 1945, lehrt Naturschutz und Ökologie an der Technischen Universität München, leitet die Wirbeltierabteilung der Zoologischen Staatssammlung München. Lehrte auch an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Mitglied der Kommission für Ökologie der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, war im Präsidium des WWF Deutschland. 2007 wurde Reichholf ausgezeichnet mit dem Sigmund-Freud-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Veröffentlichungen u. a.: Eine kurze Naturgeschichte des letzten Jahrtausends, Das Rätsel der Menschwerdung, Die Zukunft der Arten.
Fazit
Josef Reichholf hat mit seinem Buch "Stabile Ungleichgewichte" die Ökologie der Zukunft visionär kernrichtig, zugleich mit grosser Umsicht beschrieben und argumentiert langzeitdenkend. Sein Credo "Alles fliesst" nach 2500 Jahren alter Weisheit ( Heraklit) und aktuell definiert, ist es das Fliessgleichgewicht und nicht wie es das gegenwärtige Trendwissen der Lobbyisten behauptet mit " Gleichgewicht des Naturhaushaltes" was soviel wie Stillstand bedeutet und dem thermodynamischen Gleichgewicht nacheifert, was dem Tod des Lebenssystems gleichkommt. Reichholf hat damit die Sensoren an die hintergründige Todessehnsucht unserer fachwissenschaftsverbohrten Öko- bis Spar- Gesellschaft angelegt. Seine Hauptargumentation: Erfolgreiche Lebensysteme sind nicht sparsam ( weil sie der Entropie mit ihrer Lebensenergie entgegenwirken) , bilden Netzwerke von Beziehungen und günstige Variationen, erzeugen Überfluss, sind egoistisch, betreiben natürliche Auslese, wirken in Langzeiträumen produktiv, halten sich fern vom uniformen Gleichgewicht indem sie ein inneres Fliessgleichgewicht (stabiles Ungleichgewicht) und damit Zukunft haben. Ein grandioser Denkanstoss für unser ÜBERLEBEN, das Buch "Stabile Ungleichgewichte" von Reichholf. w.p.