Darwin-Jahr 2009 Vom Kampf ums Überleben und andere Missverständnisse

SWR2 AULA - Wissen: Aula . Darwin-Jahr 2009 Vom Kampf ums Überleben und andere Missverständnisse . Charles Darwin und seine Wirkung - Eve-Marie Engels: Was verstand Darwin wirklich unter dem "Kampf ums Überleben"?
Ralf Caspary im Gespräch mit Professor Eve-Marie Engels
Redaktion: Ralf Caspary, Susanne Paluch
Sendung: Freitag, 1. Mai 2009, 8.30 Uhr, SWR 2
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ÜBERBLICK
Kaum ein Naturforscher hat unser Verständnis vom Lebendigen und von der Stellung des Menschen im Kosmos so verändert wie Charles Darwin mit seiner Evolutionstheorie. Bereits seine Zeitgenossen erkannten die revolutionäre Wirkung und verglichen Darwin mit berühmten Astronomen und Physikern. Neben der Bewunderung gab es aber auch Kritik und vor allem viele Missverständnisse und Fehlinterpretationen, die die Darwin-Wirkung bis heute charakterisieren. Professor Eve-Marie Engels, Biowissenschaftlerin an der Universität Tübingen, erläutert die paradoxe Wirkungsgeschichte der zentralen Thesen von Darwin.

Autorin
Professor Dr. Eve-Marie Engels
Studium der Philosophie, Romanistik und Anglistik/Amerikanistik, Habilitation in
Philosophie, Professuren in Bielefeld, Göttingen und Kassel, seit 1996 Inhaberin des
Lehrstuhls für Ethik in den Biowissenschaften an der Universität Tübingen, Mitglied
der Fakultät für Philosophie und Geschichte und Vorstandsmitglied des
Interfakultären Zentrums für Ethik in den Wissenschaften (IZEW). Weitere
Funktionen und Aufgaben (Auswahl): 2001 – 2008 Mitglied im Nationalen Ethikrat,
1999 – 2004 Mitglied im Human Genome Organization International.
Bücher (Auswahl):
- (Hrsg.) Charles Darwin und seine Wirkung. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2009 (in
Vorbereitung).
- Wie funktioniert Bioethik? (zus. mit Arianna Ferrari und László Kocács) Hrsg. von -
Cordula Brand. Paderborn: mentis 2008.
- (Hrsg. zus. mit Thomas F. Glick) The Reception of Charles Darwin in Europe. 2
vols. London: Continuum 2008
- Charles Darwin, CH Beck, München 2007.
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INHALT
Ansage:
Heute mit dem Thema „Der Kampf ums Überleben und andere Missverständnisse -
Charles Darwin und seine Wirkung“.
Wir befinden uns mitten im Darwin-Jahr, was schon jetzt gezeigt hat, wie faszinierend
dieser Forscher war und ist, wie wichtig seine Evolutionstheorie für unser modernes
Selbst- und Weltverständnis ist und vor allem auch, wie stark Darwins Gedanken die
Menschen verschiedener Epochen geprägt hat. Er hat Künstler beeinflusst und auch
provoziert, das zeigt gerade eine Kunstausstellung in der Frankfurter Schirn. Er hat
Philosophen angeregt, Schriftsteller, Musiker und natürlich immer wieder auch
Naturwissenschaftler. Über diese Wirkungsgeschichte wollen wir heute in der AULA
reden, und zwar mit Eve-Marie Engels, Professorin für Ethik in den
Biowissenschaften an der Universität in Tübingen. Ich begrüße Sie ganz herzlich,
Frau Engels. Guten Morgen!
Eve-Marie Engels:
Guten Morgen, Herr Caspary.
Frage:
Frau Engels, warum hat Darwin eigentlich mit seiner Theorie so eine ungeheure
Wirkung entfalten können?
Eve-Marie Engels:
Na ja, also Darwin hat sozusagen eine wissenschaftliche Revolution bewirkt, in dem
Sinne, dass er zunächst einmal gezeigt hat mit seiner Theorie, dass alle Lebewesen
miteinander verwandt sind. Und vor allen Dingen hat er auch gezeigt, dass sich die
Entstehung von Arten und die Entstehung der Zweckmäßigkeit in der Natur ohne
metaphysische, ohne religiöse Annahmen erklären lassen. Nun hat Sigmund Freud
Darwin unter diejenigen eingereiht, die die naive Eigenliebe des Menschen gekränkt
haben. Er sprach ja davon, ...
Frage:
Ja, die zweite Kränkung sei das praktisch.....
Eve-Marie Engels:
... die zweite Kränkung, richtig.
Frage:
Die erste Kränkung sei – so Freud- die Abkehr vom ptolemäischen Weltbild, wenn ich
mich richtig erinnere.
Eve-Marie Engels:
Ja, die kosmologische Kränkung durch Kopernikus.
Frage:
Und die zweite dann durch Darwin.

Die zweite durch Darwin und die dritte durch Sigmund Freud selbst. Durch seine
eigene Theorie. Und was ich ganz besonders interessant finde ist, vielleicht sehen
Sie das etwas anders, Sie haben viel mit Medien zu tun: Mir ist aufgefallen, wir
haben ja jetzt das Jahr der Astronomie, das Internationale Jahr der Astronomie. 400
Jahre Galilei, 400 Jahre Kepler. Aber ich habe den Eindruck, dass man über Darwin,
obwohl wir ja kein offizielles von den Vereinten Nationen erklärtes Darwin-Jahr
haben, dass man über Darwin viel mehr spricht als über Galilei und Kepler.
Frage:
Diesen Eindruck kann ich bestätigen.
Eve-Marie Engels:
Ja, und da fragt man sich, woran liegt das. Ist das jetzt nur die historische Ferne. Das
eine war 1609, das liegt 400 Jahre zurück, Darwins 200. Geburtstag, und „Origin of
Species“ ist vor 150 Jahren erschienen. Liegt es daran, dass Darwin uns viel näher
ist, zeitlich, oder liegt es am Gegenstand. Und ich habe den Verdacht oder die
Vermutung, es liegt am Gegenstand. Die Gestirne sind so weit weg. Wir leben aber
hier auf der Erde und Darwin hat sozusagen etwas gesagt, was den Menschen auch
betrifft, den Menschen als Teil der Natur. Das war seine Revolution. Er hat uns
eingebettet in den Gesamtzusammenhang alles Lebendigen. Wir sind mit allen
Lebewesen verwandt. Im 19. Jahrhundert war dann auch gleich die Rede von der
Affentheorie, die Evolutionstheorie als die „Affentheorie“. Weil wir ja von
affenähnlichen Vorfahren abstammen, und das alles hat die Menschen zum Teil
auch provoziert.
Frage:
Jetzt haben Sie schon viele Themen und Aspekte genannt. Also lassen Sie uns mal
dabei bleiben, dass Sigmund Freud Darwins Theorie als Kränkung des modernen
Menschen bezeichnet hat. Also der Mensch sei jetzt eben nicht mehr die Krone der
Schöpfung, sondern ein banales - ich sage mal - entzaubertes Stück Natur, ein
affenähnliches Wesen. Mir fallen da sofort diese ganzen Karikaturen ein zu Darwin:
Darwin als Affe oder Darwin mit Affe, da gibt es ja auch verschiedene Variationen.
Das ist ein eher negativer Rezeptions- und Wirkungsstrang. Richtig? Darwin der
Kränkende.
Eve-Marie Engels:
Darwin der Kränkende, ja, aber auch Darwin der Befreiende. Ich meine, es hat auch
etwas Befreiendes, wenn man jetzt die Idee der Entstehung des Menschen auf eine
naturwissenschaftliche Grundlage stellt. Und es war keineswegs so, dass Darwin im
19. Jahrhundert, vor allen Dingen im Anschluss an das Buch „Origin of Species“, was
ja direkt am ersten Tag verkauft war, dass er da im Wesentlichen negativ rezipiert
wurde. Ganz im Gegenteil. Es gab, vor allen Dingen auch in Deutschland, sehr viele
interessante und positive Rezensionen, direkt um 1860. Es war auch so, dass sofort
1860, wenige Monate nach dem Erscheinen von „Origin of Species“, die erste
deutsche Übersetzung erschien, und zwar von dem Paläontologen, Geologen,
Zoologen aus Heidelberg: Heinrich Georg Bronn. Und Bronn hat auch sofort eine
Rezension verfasst. Interessanterweise wird aus dieser Rezension deutlich, dass er
Darwin, also das Neue der Darwinschen Theorie, zunächst einmal nicht verstanden
hat. Er hat es gar nicht erkannt, er hat nämlich den Begriff „natural selection“
übersetzt mit „Wahl der Lebensweise“ und gesagt, na ja, neu ist die Theorie ja
eigentlich nicht, das hat ja schon Lamarque gesagt, dass die Tiere ihre Lebensweise
wählen und sich dann anpassen, indem sie ihre Gewohnheiten verändern. Aber es
ist so, erstens stimmte die Übersetzung nicht ganz und es ist auch überhaupt
schwierig mit Übersetzungen. Es ist ein Hauptproblem der Darwin-Rezeption.
Bronnen hat dann z. B. „The Preservation of favorite reason in the struggle for life“
übersetzt mit “die Erhaltung der vervollkommnenden Rassen im Kampf ums Dasein”.
Das heißt, er hat sofort seine Idee der Vervollkommnung in Darwins Text
untergebracht.
Bronns Werk, also seine Darwin-Übersetzung, wurde auch in vielen anderen Ländern
gelesen, die zwar die deutsche Sprache beherrschten, aber weniger das Englische.
Das heißt also....
Frage:
....die Missverständnisse wurden importiert...
Engels: Genau. Und das ist ohnehin etwas ganz Interessantes an der Darwin-
Rezeption. Ich würde die Darwin -Rezeption auch bezeichnen als eine Art der
Konstruktion. Darwin wurde eigentlich konstruiert. Das Bild von ihm wurde konstruiert
und seine Theorie wurde konstruiert. Und es fragt sich tatsächlich, ob Darwins
eigentliche Theorie, die wir in seinen Büchern lesen können, ob die adäquat
wahrgenommen wurde. Manche haben sein Werk auch gar nicht gelesen. Darwin
war eine Ikone.
Frage:
Also: Die Darwin- Rezeption als Prozess des Konstruierens. Da muss man fragen:
Konstruieren von was und aus was? Also aus z. B. aus Missverständnissen, wie Sie
sie eben dargestellt haben?
Eve-Marie Engels:
Eine Konstruktion zum Teil aus Missverständnissen aber auch zum Teil auf der Basis
der eigenen Disziplin des jeweiligen Rezipienten, des eigenen politischen, sozialen
Zusammenhangs. Das sieht man auch sehr schön in der deutschen Rezeption,
beispielsweise bei Ernst Heckel, der die Darwinschen Ideen in das eigene
Forschungsprogramm integrierte.
Frage:
Aber wir können prinzipiell sagen, Frau Engels, es gab eine ganz starke Wirkungsund
Rezeptionsgeschichte aufgrund des Gegenstandes, wie Sie gesagt haben. Also
aufgrund dieser revolutionären Theorie mit dem neuen Ansatz. Eine
Wirkungsgeschichte, die Sie als Konstruieren bezeichnet haben. Was ich sehr
interessant finde, was Sie eben auch angedeutet haben, ist der Erfolg dieses Buches
„Origin of Spieces“, das war ja ein für die Zeit ungeheurer moderner Erfolg. Also man
muss sich einfach vorstellen - wie oft wurde das Buch verkauft gleich nach
Erscheinen?
Eve-Marie Engels:
Ich glaube 1.250 Exemplare! Und zwar am ersten Tag!
Frage:
Das wäre heute vergleichbar mit einem Millionseller?
Eve-Marie Engels:
Ja, vor allen Dingen ist es eigentlich ein ungewöhnliches Buch. Darwin hat es ja
interessanterweise auf die Schnelle geschrieben, obwohl er 20 Jahre dran gearbeitet
hat, er arbeitete eigentlich an dem Buch „Big Spieces book on natural selection“. Und
Freunde, wie Charles Lyell, der die Geologie revolutioniert hat mit seiner Theorie,
haben ihm immer gesagt: „Lieber Darwin, jetzt publiziere endlich Dein Buch, es kann
sein, dass Dir jemand zuvor kommt!“ Und dann schickte Alfred Russell Wallace
Darwin ein Manuskript, von dem Darwin sagte, das ist doch meine Theorie. Und
dieser Wallace bat Darwin sogar noch darum, auch Lyell dieses Manuskript zu
zeigen, und ihn um eine Veröffentlichung zu bitten. Nun wusste aber jeder, dass
Darwin schon seit den 30er Jahren an dem Thema gearbeitet hatte. Es gab
unveröffentlichte Manuskripte von 1842, von 1844, die das zeigen, und Darwin war
wegen Wallace Manuskript zerknirscht und war zutiefst getroffen, und er hat gedacht:
„Jetzt war die ganze Arbeit umsonst.“ Aber man hat dann ein Gentlemans Agreement
gefunden. Und die Freunde haben einige Auszüge von Darwin und das Manuskript
von Wallace in einer wissenschaftlichen Institution verlesen, das wurde dann auch
publiziert, und Darwin machte sich dann an die Arbeit, um jetzt ganz schnell ein
Abstract seines größeren in Arbeit befindlichen Buches fertig zu stellen. Und genau
dieses Abstract ist das Buch „Origin of Spieces“. Es handelt sich immer noch um ein
dickes Buch von über 400 Seiten. Dieses ganze Vorgehen erklärt aber auch, warum
dieses Buch keine Anmerkungen, keinen Anmerkungsapparat enthält, gerade das
macht es zu einem ganz ungewöhnlichen Werk.
Frage:
Aber es ist auch eine revolutionäre Publikationsgeschichte mit diesem Buch
verbunden?
Eve-Marie Engels:
Das kann man schon sagen. Ich habe allerdings manchmal den Eindruck, viele
haben dieses Buch nicht gelesen. Ja, und es gab Länder, in denen also vor allen
Dingen Deutsch gesprochen wurde, dort hat man dann diejenigen gelesen, die
Darwin popularisiert haben. Man hat Büchner gelesen, Friedrich Rolle, man hat
Heckel gelesen. Das heißt, man hat die Monisten und Materialisten gelesen und zum
Teil dann entweder in Deutsch oder aber in der jeweiligen Landessprache. So dass
das es eine zweifache Darwin-Rezeption war. Einmal durch diejenigen, die ihn
popularisiert haben, und dann durch diejenigen, die ihn nicht ganz richtig übersetzt
haben. Und da kann natürlich einiges schief laufen.
Frage:
Ja, richtig. Aber was Sie gerade gesagt haben, ist doch ganz wichtig. Die wenigsten
haben wirklich die Originaltexte gelesen.
Eve-Marie Engels:
Den Verdacht habe ich schon, dass die wenigsten das gelesen haben.
Frage:
Darwins Theorie kommt ursprünglich aus der sozialen Sphäre, sagen immer wieder
Darwin-Experten. Also zum Beispiel hätte er sich bei der Idee der Variation von der
Londoner Weltausstellung inspirieren lassen. Dort hätte er gesehen, dass besonders
Firmen reüssieren, die ihre Produkte in verschiedenen Varianten anbieten. Oder den
„Kampf ums Dasein“ hätte er rezipiert durch Lektüre des Nationalökonomen Malthus.
Der hat gesagt, das Bevölkerungswachstum ist exponentiell und irgendwann gibt es
zu wenig Nahrungsmittel, und dann gibt es einen Kampf um Nahrungsmittel. Stimmt
denn diese Theorie, dass Darwin die wichtigsten Punkte seiner Evolutionstheorie,
also „Der Kampf ums Dasein“ und Bildung von Varianten aus dieser sozialen Sphäre
hat? Und dass es deshalb auch erklärlich ist, dass diese Begriffe immer wieder in
diese soziale Sphäre zurückgewandert sind im Rahmen der Wirkungsgeschichte?
Eve-Marie Engels:
Ich würde das bestreiten. Ich glaube, diese Erklärung ist zu einfach, und ich möchte
das jetzt kurz erläutern anhand der Komplexität der Darwinschen Theorie. Darwins
Theorie besteht, und das sagten auch seine Zeitgenossen, eigentlich aus mehreren
Einzeltheorien. Die Zeitgenossen nannten als Einzeltheorien - man sollte besser
Theoreme oder Bestandteile sagen - einmal die Theorie der gemeinsamen
Abstammung. Dann den Evolutionsgedanken oder Gradualismus oder das Prinzip
der Kontinuität. Und die Idee der natürlichen Selektion. Und Darwin hat diese Ideen
ja eigentlich aus der Natur, und zwar aus der Züchtungspraxis, geschöpft. Er hat
selber gezüchtet, seine Mutter hat schon gezüchtet, und er kannte einfach viele
Züchter. Und er hat auch immer wieder betont, dass ein wichtiger Aspekt seiner
Theorie die Analogie, also die Ähnlichkeit zwischen der künstlichen Selektion bei der
Züchtung von Pflanzen und Tierrassen und der natürlichen Selektion bei der
Entstehung neuer Arten, ist. In bezug auf die Theorie der gemeinsamen
Abstammung - da schaut man sich eben einfach die Tierzucht an. Und Darwin
beobachtete, wie Züchter die einzelnen Varianten aussuchen bei den Tieren und sie
gezielt zur Vermehrung bringen. Die Tiere, die über ganz bestimmte Merkmale
verfügen, werden gezielt zur Vermehrung gebracht, damit sich diese Merkmale im
Laufe von Generationen noch stärker ausprägen.
Die Idee der „natural selection“, das ist also eine Idee, die er eben aus der
Züchtungspraxis hatte. Und was er jetzt - er selber sagt, ihm fiel es wie Schuppen
von den Augen- ,was er jetzt darüber hinaus bemerkt, als er Malthus las, ist der
andere Baustein seiner Theorie. Durch Malthus hat er erkannt, wie er das Prinzip der
natürlichen Selektion anwenden konnte unter natürlichen Bedingungen. Denn in der
Natur haben wir ja keinen Züchter. Den gibt es ja in der Natur nicht, wenn wir jetzt
mal nicht davon ausgehen, dass Gott ein Züchter ist. Und da ist Darwin auf die Idee
gekommen, dass eben diejenigen Lebewesen, die über günstige Merkmale verfügen,
die zu bestimmten Umweltbedingungen besser passen, sich erfolgreicher vermehren
können als ihre anders ausgestatteten Artgenossen, so dass sich diese günstigen
Merkmale im Laufe eines langen, langen Prozesses durchsetzen können und
dadurch neue Arten und Individuen mit zweckmäßigen Ausstattungen entstehen.
Ich glaube allerdings, dass eben der Einfluss von Malthus auf Darwin überschätzt
wird und ich denke, dass Darwin ihn selbst überschätzt hat. Diese Idee des „struggle
for life“, „struggle for existence“, das ist etwas, was nicht nur Malthus formuliert hat,
sondern dieser Gedanke war weit verbreitet. Und dieser „struggle for existence“ oder
„struggle for life“ ist auch dann häufig einfach falsch interpretiert worden.
Frage:
Ich wollte gerade sagen: Sind das nicht jetzt diese beiden Stichpunkte - „struggle for
life“, „survival of the fittest“ -, die gerade den größten Verfälschungen und
Missverständnissen unterlagen? Man denke nur an die Darwin-Rezeption im
Nationalsozialismus.
Eve-Marie Engels:
Ja. „Survival of the fittest“ stammt ursprünglich von Spencer.
Spencer war ein Philosoph, der hat sozusagen über alles geschrieben. Er hat eine
synthetische, induktive Philosophie entworfen.
Frage:
Aber das waren schon die großen Missverständnisse?
Eve-Marie Engels:
Das waren die großen Missverständnisse in bezug auf Darwins Theorie. Schon von
Anfang an, schon 1860, gab es in Deutschland eine Rezension von Ludwig Büchner:
„Das Schlachtfeld der Natur oder der Kampf ums Dasein“. Die erschien in der
„Gartenlaube“, einem illustrierten Familienblatt. Man stellt sich jetzt vor, dass
sonntags nachmittags dieses illustrierte Familienblatt auf dem Tisch im Wohnzimmer
liegt und die Kinder darin rumblättern. Und dann schreibt der Büchner, also einer der
Materialisten: Die Natur sei jetzt oft mit einem Schlachtfeld verglichen worden, aber
seit Darwin wüssten wir, was dieser Ausdruck eigentlich bedeute - und - jetzt kommt
es: bei Menschen sei dieser Kampf am rücksichtslosesten, am heftigsten und am
erfolgreichsten, nämlich als Kampf unter den Menschenrassen, in dem die am besten
Angepassten die Erfolgreichsten seien. So Büchner im Familienblatt, da wird die
Idylle zerstört.
Frage:
Da schlägt dann plötzlich der Rassismus durch ...
Eve-Marie Engels:
Ja, und das Interessante ist, dass Darwin 1860 noch gar nichts über die
Abstammung des Menschen geschrieben hat. Das heißt also, ein Aspekt seiner
Theorie wurde sofort angewandt auch auf das Verständnis des Menschen.
Und Darwin selber schrieb dann auch bezüglich solcher Rezeptionsmuster: Ich
glaube, dass der deutsche Ausdruck „Kampf“ und ähnliche Begriffe nicht ganz
dieselbe Vorstellung wiedergeben wie mein Begriff „struggle for life“.
Frage:
Er hat sich also schon früh gegen die Missverständnisse gewehrt?
Eve-Marie Engels:
Ja, und „struggle“ ist eben nicht dasselbe wie „fight“. „Struggle“ heißt „ringen“. Und
das kann das Ringen eines Schiffbrüchigen sein; das schreibt Darwin dann auch.
„Struggle for life“ kann auch bedeuten, dass man mit einer Mathematikaufgabe
kämpft oder ringt. Aber es kommt gleich zur Umdeutung. In Deutschland wird der
„Kampf“ bevorzugt, in Russland wiederum meint man, dieser Kampf werde geführt
durch die Kooperation von Individuen. Man raufe sich also zusammen. Zusammen
kämpfe man gegen das Widerwärtige. Also in Russland dominiert das Prinzip der
gegenseitigen Hilfe, das auch bei Darwin schon vorhanden ist; vor allen Dingen in
dem Buch „Die Abstammung des Menschen“, da beschreibt er, dass diejenigen
Stämme, deren Mitglieder, deren Individuen miteinander kooperiert haben,
erfolgreicher sind.
Frage:
Also ich merke schon, auch da kommt das wieder zum Tragen, was Sie gesagt
haben: Die Konstruktion. Jeder konstruiert sich seinen Darwin zurecht?
Eve-Marie Engels:
So ist es. Es ist unglaublich.
Frage:
Das ist bei den linken Ideologen so, bei den rechten Ideologen, man bezieht sich auf
Etiketten wie „Kampf ums Dasein“ und macht mit den Etiketten eigentlich das, was
man will.
Eve-Marie Engels:
So ist es.
Frage:
Aus „struggle for life“ macht man „Kampf ums Dasein“, um aggressive
Anthropologien entwerfen zu können.
Eve-Marie Engels:
Ja, genau. Das ist auch die Crux der Darwinrezeption bis heute, denke ich.
Frage:
Warum bis heute? Geht das Konstruieren heute immer weiter?
Eve-Marie Engels:
Na ja, also ich denke mal, viele haben Darwin immer noch nicht gelesen. Und wenn
ich jetzt an den Kreationismus denke, dann muss ich Folgendes anmerken: Man
kann heutzutage eigentlich nicht Kreationist im wahrsten Sinne des Wortes sein,
beispielsweise bibeltreuer Kreationist. Man müsste ja nicht nur Darwins Theorie
ablehnen, sondern man müsste die gesamte Geologie, alle Naturwissenschaften, die
in irgendeiner Weise etwas mit der Geschichte der Erde, der Natur zu tun haben, mit
der Geschichte des Kosmos, strikt ablehnen.
Frage:
Dann würden Sie auch fordern, gerade in Bezug auf die heutige Darwin-Wirkung,
zurück zu den Quellen, also erst mal wieder die Primärquellen, die Bücher Darwins
richtig lesen?
Eve-Marie Engels:
Ja.
Frage:
Was wäre dann noch wichtig? Bei einer adäquaten Rezeption? Darwin taucht ja auch
in allen möglichen Kontexten auf, etwa wenn es darum geht, zum Beispiel über
ökonomische Aspekte oder Strukturen zu diskutieren. Viele, die den Kapitalismus
kritisieren, sagen, das ökonomische System repräsentiere einen Kampf aller gegen
alle?
Eve-Marie Engels:
Er taucht immer irgendwo auf. Nun ist es so, dass Darwin auch in gewisser Weise
durch manche seiner Formulierungen dieser Wirkung Vorschub geleistet hat. Darwin
hat sich auch manchmal einer sehr liberalistischen Sprache bedient. Er hat etwa
gesagt, dass der Mensch es so weit gebracht hat, weil er einem „struggle for
existence“ ausgesetzt war. Er hat dann aber auch gleichzeitig im Satz danach
gesagt: In Bezug auf die höheren menschlichen Fähigkeiten ist etwas anderes viel
wichtiger. Und dann brachte er die spezifisch menschliche Moral ins Spiel. Das
Sorgen füreinander, die Kooperation. So wie er auch in seinem Werk über „Die
Abstammung des Menschen“ geschrieben hat, dass wir die Hilflosen und Kranken
nicht vernachlässigen dürfen.
Frage:
Das heißt aber, wenn heute Bücher erscheinen wie „Das kooperative Gen“, das
gleichzeitig ein Abschied vom Darwinismus sein soll, weil Darwin unterstellt wird, er
habe mit Kooperation weniger am Hut, dann würden Sie sagen, ist das ein falsches
Darwinbild?
Eve-Marie Engels:
Ja!
Frage:
Darwin war nie gegen kooperatives Handeln?
Eve-Marie Engels:
Richtig. Er hat auch gerade gezeigt, dass der Fortschritt im Lauf der
Menschheitsgeschichte nur dadurch zustande kommt, dass es innerhalb von
Gruppen eine Kooperation gibt. Und für ihn vollzieht sich die Entwicklung zum
Weltbürger so, dass sich diejenigen Gruppen, deren Mitglieder miteinander
kooperieren, sich gegenüber anderen durchsetzen.
Er ist dann davon ausgegangen, dass sich das allgemeine Wohlwollen, das zunächst
mal der Urmensch seiner Familie, seinem Stamm entgegenbringt, dass sich dieses
Wohlwollen zusehends ausweitet, bis schließlich Menschen anderer Rassen, anderer
Nationen, ja selbst die Tiere mit eingeschlossen sind in kooperativen Systemen.
Darwin war in tierethischer Hinsicht sehr anspruchsvoll. Gerade diesen Aspekt muss
man heute fruchtbar machen. Man sollte das mit ein beziehen auch in moderne
bioethische Reflexionen, also wenn es etwa um den verwandtschaftlichen
Zusammenhang des Menschen mit anderen Tieren geht, um Solidarität.
Und Hans Jonas, der ja „Das Prinzip Verantwortung“ geschrieben hat und dadurch
bekannt geworden ist, hatte vorher schon eine Philosophie der Biologie verfasst und
sich im Rahmen dieses Projekts auch auseinandergesetzt mit dem Darwinismus.
Darwins Theorie hat eben sehr viel ethische Aspekte.
Frage:
Und diesen Darwin, der auf Kooperation und Solidarität mit den Tieren Wert legt, gilt
es wiederzuentdecken?
Eve-Marie Engels:
Den gilt es wiederzuentdecken.
Frage:
Aus der Perspektive einer Professorin - wie sehen Sie das, Frau Engels? Bringt das
Darwinjahr etwas? Oder ist das wieder nur ein Herumreiten auf verschiedenen
Aspekten und eher ein nicht so gutes Umgehen mit Darwin?
Eve-Marie Engels:
Ich glaube, das Darwin-Jahr kann etwas bringen. Wenn wir uns alle wieder auf
Darwin zurückbesinnen und einmal fragen: Wie können wir Darwin, wie müssen wir
ihn lesen im Lichte des Wissens unserer Zeit? Es gibt Äußerungen bei Darwin, die
basieren auf der damaligen Vererbungslehre. Heute haben wir ja eine ganz andere
Genetik. Darwin kannte die moderne Genetik nicht. Hätte er bestimmte Passagen
seines Buches anders geschrieben? Inwieweit ist das zeitbedingt? Solche Aspekte
sind heute interessant. Ich denke aber, die Elemente der Darwinschen Theorie,
nämlich Variation, Vererbung und natürliche Selektion, die sind nach wie vor aktuell,
das zeigt auch den revolutionären Charakter seiner Gedanken.
Die Fragen stellte Ralf Caspary.
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Charles Darwin: Mein Leben 1809-1882

W+B Agentur-Presseaussendung August 2008 sowie im Internet-Journal www.kultur-punkt.ch
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Charles Darwin: Mein Leben 1809-1882. Vollständige Ausgabe der Autobiographie>>
Aus dem Englischen von Christa Krüger. Herausgegeben von seiner Enkelin Nora Barlow. Mit einem Vorwort von Ernst Mayr
281 Seiten, Broschur (ISBN 978-3-458-35070-5) , Euro 10,00 [D] / Euro 10,30 [A] / sFr 18.00
insel taschenbuch 3370; Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008; http://www.suhrkamp.de;  

Inhalt
Die Veröffentlichung von Darwins Entstehung der Arten war eine Revolution, die nicht nur die wissenschaftliche, sondern auch die gesamte geistige Welt in ihren Grundfesten erschütterte. Die Stellung des Menschen in der Schöpfung mußte danach neu definiert werden. Charles Darwins Autobiographie – 1876 geschrieben, »für meine Kinder und deren Kinder« – zeigt den großen Naturforscher nicht nur von seiner ganz privaten Seite, sondern gibt auch Einblicke in die Entwicklung seines wissenschaftlichen Denkens und die Entstehung seiner Theorien.

Zum Autor
»Jetzt, im Rückblick, kann ich wahrnehmen, wie meine Liebe zur
Wissenschaft allmählich die Oberhand bekam und alle anderen Neigungen
verdrängte.«
1876, im Alter von 67 Jahren, schrieb Charles Darwin seine Autobiographie
– »für meineKinder und deren Kinder« –, gleichzeitig zeichnet
er die Entwicklung seines Charakters und seines Denkens nach.
Somit muß diese Autobiographie als Teil des Gesamtwerks des großen
Naturforschers gesehen werden. Der Leitgedanke seines wissenschaftlichen
Werkes, sein Interesse an der biologischen Entwicklung
und Veränderung der Arten, prägte auch die Darstellung seines eigenen
Lebens.
Mein Leben wurde 1887, fünf Jahre nach Darwins Tod, veröffentlicht
– allerdings mit vielen Streichungen. Die von allen skeptischen
Äußerungen über die christliche Religion »gereinigte Fassung«, die
der Sohn Francis in The Life and Letters of Charles Darwin aufnahm,
präsentiert ein stilisiertes Bild des Vaters, in dem vor allem dessen Bescheidenheit
und Güte sichtbar sind; sein lebendiger Witz, die Spottlust,
die Selbstironie und die Freude an farbigen Anekdoten fehlen.
Die vollständige Ausgabe der Autobiographie, ediert von Darwins
Enkelin Nora Barlow, erschien erstmals 1958 bei Collins in London.
Sie beruht auf dem Originalmanuskript, das in der Cambridge University
Library aufbewahrt wird.
Im insel taschenbuch liegt außerdem vor: Charles Darwin, Reise
eines Naturforschers um dieWelt (it 3355).
Charles Darwin, geboren am 12. Februar 1809 in Shrewsbury, ist am
19. April 1882 in Downe gestorben.

Fazit
Erstmals ist im Taschenbuch bei Suhrkamp-Insel die vollständige Ausgabe der »Autobiographie« des großen Naturforschers Charles Darwin: "Mein Leben 1809-1882" zum 200.Geburtstag erschienen. "Mein Leben" zeigt einen bescheidenen, gütigen, zugleich scharfsinnig beobachtenden Geist, besonders bei seinen Begegnungen und seiner Beschreibung des Verhaltens seiner Gesprächspartner, hinzu tritt seine Selbstironie und Fabulierkraft wie es bei ganz grossen Persönlichkeiten der Weltgeschichte vorkommt, wie hier Darwin, der innovativ-begründend dem Determinismus seiner Zeit offen entgegentritt

Charles Darwin: Reise um die Welt 1831-1836

Online-Publikation: März 2009 im Internet-Journal <<kultur-punkt>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Charles Darwin: Reise um die Welt 1831-1836. Aus dem Bordjournal der H.M.S. Beagle >>
Dieses Werk entstand mit Unterstützung von Hans-Peter Reich, www.nachtreiter.de und
Herrn T. Gottlob, www.wordpool-home.de.
384 S., Leinen mit Schutzumschlag, Lesebändchen, 13 x 21 cm. EAN: 978-3-86539-808-6. Artikelnummer: 70208; 24,00 €
Edition Erdmann, marixverlag GmbH, D-65187 Wiesbaden 2009; www.marixverlag.de/Edition_Erdmann

Inhalt
Die Aufzeichnungen von Charles Darwin (1809-1882) über seine Weltumsegelung mit der „Beagle“ gehören zu den klassischen Reisewerken des 19. Jahrhunderts. Auf dieser Expedition lassen sich seine epochemachenden Ideen und Theorien, die später die viktorianische Gesellschaft in ihren Grundfesten erbeben ließen, gleichsam im Augenblick des Entstehens beobachten.Doch nicht nur die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse, sondern vor allem die Schilderungen der ethnischen, sozialen und politischen Zustände und Ereignisse in den Ländern der südlichen Hemisphäre machen die Einzigartigkeit seines Berichtes aus. Nicht ohne Anteilnahme beschreibt er z.B. das Treiben der Soldateska des späteren argentinischen Diktators Rosas und die schrecklichen Gemetzel, die die gefürchteten Indianer unter der weißen Bevölkerung anrichten, berichtet von den barbarischen Bräuchen der kannibalischen Feuerländer, von denen man kaum glauben könne, dass sie „unsere Mitgeschöpfe und Bewohner derselben Welt“ seien, beklagt die schnell fortschreitende Ausrottung der Ureinwohner Australiens durch die Europäer und fügt die Vielzahl seiner Beobachtungen zu einem Resümee zusammen, das Geschichte machte und seinen Zeitgenossen mit einem Schlag absolut neue Welten erschloss.Aus den umfangreichen Aufzeichnungen des jungen Forschers sind für diese Ausgabe die für den heutigen Leser besonders interessanten Teile seines Journals zusammengefasst, die Darwin vor allem als Entdeckungsreisenden zeigen und seine abenteuerlichen Erkundungen in zwei Kontinenten und der Inselwelt des Stillen Ozeans beinhalten. Daneben treten seine naturwissenschaftlichen Detailuntersuchungen zwangsläufig ein wenig zurück.

Autor
Charles Robert Darwin (1809 – 1882) war das fünfte Kind einer wohlhabenden und gebildeten Landarztfamilie. Nach einer mäßig erfolgreichen Schulzeit begann er in Edinburgh ein Medizinstudium, brach jedoch nach zwei Jahren ab, um an der Universität in Cambridge Theologie zu studieren. Dieses Studium schloss er mit 22 Jahren ab. Kurz darauf bekam das Angebot, mit dem englischen Forschungsschiff HMS Beagle eine Weltreise zu unternehmen, die er später „das bei weitem wichtigste Ereignis in meinem Leben“ nannte.Auf der „H.M.S Beagle“ unter Kapitän Robert Fitzroy bereiste und erforschte er fünf Jahre lang die Welt: die Kapverdischen Inseln, die Falklandinseln, Südamerikas Küsten, die Galapagos-Inseln, Patagonien, Südafrika, Mauritius und Australien. Während der fünfjährigen Weltreise hatte Darwin die Gelegenheit, geologische Formationen der verschiedenen Kontinente und zahlreiche Fossilien und lebende Tiere zu untersuchen. Seine Ergebnisse behielt er lange für sich und diskutierte sie nur mit Vertrauten. Als Begründer der modernen Evolutionstheorie mit seiner Erklärung, dass der Artenwandel und die Entstehung neuer Arten durch natürliche Selektion realisiert werde, revolutionierte er die Naturwissenschaften und erschütterte die christliche Schöpfungsgeschichte. Doch seine Evolutionstheorie ist bis heute grundlegend, wenn auch nicht unumstritten.


Fazit
Wir schauen dank der Edition Erdmann dem Naturforscher, Abstammungs-, und Selektionslehrenden Charles Darwin auf seiner " Reise um die Welt 1831-1836" zweihundert Jahre danach über die Schulter in sein "Bordjournal der H.M.S. Beagle" , lesen mit Gewinn und betrachten die präzisen Zeichnungen, können vor ihnen wiederholt verweilen - dank Lesefaden. Es ist ein paradigmatischer Klassiker der Reiseliteratur so berührend und einprägsam entstanden. w.p 09-

Erhard Oeser: Katastrophen: Triebkraft der Evolution

Publikation: Mai 2011 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Erhard Oeser: Katastrophen: Triebkraft der Evolution . Warum die Dinosaurier sterben mussten >>
208 S. mit ca. 30 s/w Abb., Reg., gebunden mit Schutzumschlag; 14,5 x 22,0 cm; ISBN 978-3-89678-712-5; EUR 24,90 [D]
Primus Verlag, D-64283 Darmstadt; www.primusverlag.de;

Inhalt
Erhard Oeser veranschaulicht anhand vieler Beispiele, dass die Evolution als eine Abfolge von Katastrophen begreifbar ist. So ermöglichte beispielsweise erst das Aussterben der Saurier durch eine kosmische Katastrophe die Ausbreitung der Säugetiere. Das Entsetzen, das uns beim Anblick von Massentod und Zerstörung ergreift, muss letztendlich der Einsicht weichen, dass jede Katastrophe auch der Beginn einer Erneuerung ist. Dies gilt auch für gesellschaftliche Extremereignisse wie beispielsweise Wirtschafts-Crashs oder Kriege, deren Mechanismen viel mit evolutionären Vorgängen gemein haben.
Und was ist mit uns Menschen, wird uns das gleiche Schicksal beschieden sein, wie den Dinosauriern? Denn in Anbetracht von Klima-, Seuchen- und Zivilisationskatastrophen stellt sich die Frage, ob die Menschheit nicht bereits an ihrer eigenen Ausrottung ›arbeitet‹. Wer wird uns dann evolutionär nachfolgen, die Erde bevölkern und unsere Nische besetzen?

• Neuer Blickwinkel: Evolution als (Ab)Folge von Katastrophen
• Anschaulich erzählt anhand zahlreicher Beispiele
• Spannend geschriebener, allgemein verständlicher Stil
• Reizvolle, historische Bebilderung

Zum Autor:
Erhard Oeser, geb. 1938, ist emeritierter Professor für Philosophie und Wissenschaftstheorie der Naturwissenschaften an der Universität Wien und Vorstand des Institutes für Wissenschaftstheorie.

Fazit
Die Natur streut die Samen des Lebens freigebig aus, ist aber relativ sparsam in Bezug auf den Raum und die Ernährung dazu. So schrumpfen die Lebewesen (Tiere, Menschen) unter diesem Gesetz zusammen . So beschreibt Erhard Oeser in hervorragender Weise " Katastrophen" als Triebkraft der Evolution.
Nach Darwin gibt es sowohl eine rangbildendes / gradualistisches allmähliches / hintergründiges Aussterben (Darwin 1a : Mikroevolution) als auch ein Massensterben durch plötzliche Umwälzungen / Katastrophen. Hinzu kommt, dass die Artenbildung - entgegen der fossilen Stoff-Deutung - nicht fortgesetzt - sondern sprunghaft /diskontinuierlich (Makromutation, Saltationismus, Punktualismus*) entstanden ist. *Dieser geht von einem lückenhaften, unterbrochenen Gleichgewicht aus (Darwin 1b: punctuated equilibria, Makroevolution aktuell etwas korrigiert). "Katastrophen und Evolutionstheorie sind daher keine sich ausschliessenden Alternativen. Erstere müssen vielmehr als die wahre Triebkraft der Evolution angesehen werden", schlussfolgert Erhard Oeser zu Recht. Was in dieser überzeugenden Sichtweise nur durchschimmert und nicht zum Diskurs erhoben wird ist : Dabei kommt das optimierende Verhalten und Überleben der Arten zueinander nicht allein durch die Leistungsstärke (Darwin 1a-b) zustande, sondern gleichfalls dank der Kooperation (Darwin 2) mit den anscheinend Schwächeren. m+w.p11-5

Ernst Peter Fischer: Das große Buch der Evolution

Online-Publikation: Januar 2010 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Ernst Peter Fischer: Das große Buch der Evolution . Zum 200. Geburtstag Charles Darwins am 12. Februar 2009 . Das große Hausbuch für die ganze Familie >>
400 Seiten, Format 24 x 28 cm; gebunden mit Schutzumschlag, ca. 400 farb. Abb., ISBN: 978-3-7716-4373-7; EUR 39,95
Edition Fackelträger,Köln - Pöcking, 2008; www.fackeltraeger-verlag.dewww.ahrend-medienbuero.de
www.das-grosse-buch-der-evolution.de.

Inhalt
Hauptwerk von Charles Darwin „Die Entstehung der Arten“ vor 150 Jahren (1859) veröffentlicht.
Der Konstanzer Wissenschaftshistoriker und Bestsellerautor Ernst Peter Fischer legt zum Darwinjahr ein verständliche und unterhaltsame Darstellung der Evolution vor. Anschaulich erzählt er von der Entstehung des Lebens, der Ausbildung der Arten, schildert zauberhafte und skurrile Entwicklungen der Natur und skizziert die Geschichte der Evolutionstheorie. Zahlreiche Infokästen, mehr als 400 Fotos und Graphiken machen das Buch zu einer so lehrreichen wie kurzweiligen Lektüre.
Zu den zentralen und heute höchst aktuellen Themen zählen die Evolution des Menschen, die Auswirkungen menschlicher Eingriffe in die Evolution, der Irrweg des Sozialdarwinismus und die evolutionären Hintergründe allgemein-menschlicher Verhaltensweisen.

Autor
Ernst Peter Fischer, geboren 1947 in Wuppertal, studierte Mathematik, Physik und Biologie und promovierte 1977 am California Institute of Technology. Er habilitierte sich im Fach Wissenschaftsgeschichte und lehrt an der Universität Konstanz. Ernst Peter Fischer schreibt für „Geo“, „Bild der Wissenschaft“, die „Weltwoche“ und die „FAZ“. Für seine Arbeit erhielt er mehre Preise, u. a. den Sartorius-Preis der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Fischer ist Autor zahlreicher Bücher, darunter „Der Physiker. Max Planck und das Zerfallen der Welt“, „Aristoteles, Einstein und Co. Eine kleine Geschichte der Wissenschaft in Porträts“ und „Am Anfang war die Doppelhelix. James D. Watson und die neue Wissenschaft vom Leben“.

Fazit
Zeitgemäss zum 200. Geburtstag Charles Darwins am 12. Februar 2009 ist das "Das große Hausbuch für die ganze Familie" erschienen, wie es der Fackelträger Verlag geradezu liebevoll nennt, denn nicht nur dieser hat dazu seinen verlegerisch-vorbildlichen Anteil in der Gestaltung, sondern im besonderen Mass der Autor und Historiker Ernst Peter Fischer durch seine intensive, zugleich anschauliche Darstellung für klein und gross, jung und alt. Fischer gliedert in grosszügiger wie präziser Weise die Erkenntnis-Sternstunde der Menschheit zur Evolution dank Darwin, zeigt uns die Wunder der Natur und kommt schliesslich auf die einzigartige Spezies Mensch den Homo sapiens zum essayistischen Schluss: Wir sind nicht zum Sterben auf der Welt und schliesst mit dem Essay: Der Tod im Bereich der Evolution: durch oder dank dem begrenzten Energiebudget, das unter anderem der Mensch zur Verfügung hat. Ein grossartiges Schau-, und Lesebuch für die ganze Familie, zeitlebens und darüber hinaus für weitere Generationen, so diese bereit sind - neben dem aktuell unerbittlichen Wettbewerb untereinander - miteinander zu kooperieren. w.p.10-1

Walter Kleesattel: Die Evolution

Online-Publikation: Mai 2011 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>> Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Walter Kleesattel: Die Evolution >>

196 Seiten, 87 Abbildungen, 27 Schemata; kartoniert, 15 x 21.5 cm, 393 g; ISBN 978-3-8252-3502-4; CHF 25.90 / EUR 16.90 (D) / EUR 17.40 (A) Haupt Verlag, Bern; Uni-Taschenbücher (UTB) - mittlere Reihe ; www.haupt.chwww.buchcontact.de;  Inhalt Von den Kaiserpinguinen auf dem antarktischen Packeis, den farbenprächtigen Schmetterlingen auf der Bergwiese bis zu den skurrilen Geschöpfen der dunkelsten Tiefsee - auf unserer Erde finden wir eine atemberaubende Vielfalt an Lebewesen. Doch wie konnte sich diese entwickeln? Und wie kam das Leben überhaupt in die Welt? Die von Charles Darwin entworfene und seither stetig weiterentwickelte Evolutionstheorie gibt auf diese und zahlreiche weitere Fragen wissenschaftlich fundierte Antworten. Walter Kleesattel bietet eine gründliche und leicht verständliche Einführung in die komplexe Geschichte der Entstehung des Lebens. Autor Walter Kleesattel ist freischaffender Biologe, Autor zahlreicher naturwissenschaftlicher Lehrbücher wissenschaftlicher Berater des deutschen Fernsehens. Fazit Walter Kleesattel versteht prächtig " Die Evolution" in Kürze und zugleich Würze, klar in vier Kapiteln darzulegen. Der Autor geht von der Tatsache Evolution aus und von Darwin's ersten Ansatz " Anpassung durch Selektion". Er bringt Belege aufgrund von Fossilien als Zeugen, der molekularbiologischen Stammbauforschung, zusammen mit dem System Erde: Ihre teils katastrophische Geschichte und Biogeografie, der kosmologische Ursprung, die Entfaltung biologischer Vielfalt bis zur frühen menschlichen Kultur in Europa. Schliesslich kommt Kleesattel auf den zweiten Darwin'schen Ansatz zu sprechen, wen die Mechanismen der Entfaltung der Populationen beschreibt. Dazu formuliert er einen "Balancierten Polymorphismus" der im Kern Kooperation meint oder wie er es als Kompromiss bei der Selektion sieht: Neuerdings (ab 1942 Huxley, Ernst Mayr...) auch als Synthetische Theorie der Evolution definiert, die Genetik ,Selektionstheorie und Verhaltensforschung verknüpft. Dieses Diskursbuch ist wegen seiner Klarstellung in Inhalt und Sprache ein dauerhaftes Brevier zur Evolution. m+w.p11-5

Oskar Negt: Nur noch Utopien sind realistisch - Politische Interventionen

 Online-Publikation: Januar 2013 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>> Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung

<< Oskar Negt: Nur noch Utopien sind realistisch - Politische Interventionen >>

321 Seiten; Leineneinband, mit Leseband; ISBN 139783869305158; 34.00 EUR Steidl Verlag Göttingen; www.steidl.de
Inhalt Utopien sind die Kraftquellen jeder Emanzipationsbewegung. Sie entspringen der Empörung über unerträgliche Zustände und öffnen den Blick auf ein gerechtes Gemeinwesen. In ihnen ist die Hoffnung auf Veränderung angelegt. Doch die kann nur gelingen, wenn aufgeklärtes Denken, wenn politische Urteilskraft zum Zuge kommt. Mit Blick auf die Krisen der Gegenwart fragt Negt, was für die Herstellung einer vernünftig organisierten Gesellschaft notwendig ist. Im ersten Teil des Bandes setzt sich Oskar Negt wissenschaftlich mit der Utopie und dem Problem der Wirklichkeit auseinander. Im Fokus stehen Utopie und Dialektik, das verzerrte Revolutionsverständnis der Deutschen, das Glücksversprechender Kultur, die Utopie einer Weltgesellschaft und des Sozialismus. Im zweiten Teil dokumentieren »Politische Moralia«, wie Menschen erreicht werden können, denen Wissenschaftsdiskurse fremd sind.
Autor Oskar Negt, geboren 1934, ist einer der bedeutendsten Sozialwissenschaftler Deutschlands. Er studierte bei Max Horkheimer und Theodor W. Adorno und war von 1970 bis 2002 Professor für Soziologie in Hannover. 2011 wurde Oskar Negt für sein politisches Engagement mit dem August-Bebel-Preis geehrt.
Fazit Sozialwissenschaftler Oskar Negt legt in seinem Diskursbuch " Nur noch Utopien sind realistisch" schlüssig dar wie wichtig politische Interventionen* sind um eine offenkundige Utopie in eine realistische Vision zu verwirklichen. Dazu stellt Negt fest, dass in Krisenzeiten selten Erkenntniszeiten sind, schlägt Änderungen vor, auf der These von Hegel, dass in der Arbeit der Zuspitzung der Verhältnisse eine (Wirk-)Kraft steckt, die eine Entscheidung vorbereitet und auf einen Prozess der Veränderung drängt. "Dabei ist sparen ein Politikersatz, so Negt (1993). Und weiter: Krisenherde sind in Handlungsfelder zu verwandeln, dazu zählen: Würde, Anstand, Grundfeste Nirgenwo/Utopie-Familie oder resignative Reife**, bedingungsloses Grundeinkommen, Beziehungsnetz zwischen Gerechtigkeit-Gleichheit-Partizipation, aufrechter Gang (Bloch) und Mitproduktion der Natur (Kluge), Phantasie, Vertrauen und Kooperation (Darwin II statt Auslese: Darwin I). Negt's Diskursbuch ist ein Brevier -mit Leseband zum Vordenken - für die reale Umsetzung unserer Utopien in eine visionär-gleichgewichtige Weltgesellschaft. m+w.p13-1
*) Eingriff in ein, hier politisches, Geschehen, im besonderen auch in die Wirtschaftspolitik mit staatlichem Eingriff in das Wirtschaftsgeschehen verknüpft.... http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/intervention.html
**) Was tun? Wir sollten die Krisen und das Scheitern nicht zu schnell als schlecht abtun und abwerten, sondern sie als eine ungeheure Chance begreifen. Wenn wir nicht länger autistische Leistungs- und Erfolgsmaschinen oder von der Biologie terrorisierte Haustiere sein wollen, besteht unsere Chance gerade darin, kaputt zu gehen, d. h. nicht mehr zu funktionieren. Wir erhalten dann die Möglichkeit, uns zu entziehen, unseren Wider-Willen zu aktivieren und uns damit vor Selbstauflösung zu schützen. Wir können endlich der ständig perfektionierten Vernetzung mit Gott und der Welt und allen anderen auch ein Ende bereiten. Die resignative Reife ist der wichtigste Gegner der illusionären Hoffnung. Dr. Arnold Retzer, www.arnretzer.de

 

Mühlmann, Heiner: Jesus überlistet Darwin

Online-Publikation: April 2008 im Internet-Journal <<kultur-punkt>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Mühlmann, Heiner: Jesus überlistet Darwin . Mit einem Vorwort von Thomas Grunwald >>
Reihe: TRACE Transmission in Rhetorics, Arts and Cultural Evolution
2007, XXI, 97 S. 50 Abb., Softcover, ISBN: 978-3-211-46228-7, 19,90 €
Springer-Verlag - Wien; http://www.springer.at;  

Über dieses Buch
Das Werk bietet eine kompakte, leicht lesbare und verständliche Einführung in die Darwinsche Theorie der Kulturevolution. Dabei wird Kultur nicht als Prozess eines genetisch-biologischen Determinismus beschrieben, sondern als eigengesetzliche Evolution. Für eine spannende Lektüre sorgt das kulturelle Fallbeispiel "Jesus", das den Konflikt Religion/Evolutionstheorie aufgreift. Das Werk ist didaktisch hervorragend aufbereitet, indem Sprache durch Illustrationen und Diagramme optimal ergänzt wird.

Fazit
" Jesus überlistet Darwin " in einer eigengesetzlichen Evolution statt in einer deterministischen - stellt Heiner Mühlmann leicht parodierend und verständlich in seiner Schrift aus der Reihe TRACE (HGK-Zürich) fest. w.p.
Geschrieben für: Neurowissenschaftler, Evolutionspsychologen, Philosophen, Kulturanthropologen, Theologen, wissenschaftlich Arbeitende, Studierende, interessierte Laien und die Themenbereiche: Darwin Kreationisten Kulturevolution Kulturwissenschaft Neurowissenschaft Philosophie Religionsgeschichte

Maria Backhouse; Olaf Gerlach; Stefan Kalmring; Andreas Nowak (Hrsg.): Die globale Einhegung - Krise, ursprüngliche Akkumulation und Landnahmen im Kapitalismus

Online-Publikation: November 2013 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Maria Backhouse; Olaf Gerlach; Stefan Kalmring; Andreas Nowak (Hrsg.): Die globale Einhegung - Krise, ursprüngliche Akkumulation und Landnahmen im Kapitalismus >>
340 Seiten. Broschur, ISBN: 978-3-89691-942-7; € 29,90
Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster; www.dampfboot-verlag.de

Inhalt
Der Kapitalismus befindet sich in einer weltweiten Krise. Diese könnte so weitreichend und fundamental sein, dass sie ähnliche grundsätzliche Umstrukturierungen hervorbringt wie die Krise in den 1930er Jahren und die Krise des Fordismus in den 1970er Jahren. Im Zusammenhang mit den Krisenbearbeitungsstrategien des Kapitals wird im vorliegenden Band diskutiert, welche Rolle hierbei Prozesse einer so genannten ursprünglichen Akkumulation spielen. Prominente Protagonisten der Debatte um die gegenwärtige Krise – z.B. Elmar Altvater, Joachim Bischoff, Klaus Dörre, Reinhart Kößler, Birgit Mahnkopf, Raul Zelik – fragen, inwieweit zur Bearbeitung der aktuellen kapitalistischen Krise auch Prozesse innerer und äußerer Landnahmen, der Inwertsetzung oder einer fortgesetzten ursprünglichen Akkumulation in Gang gesetzt werden.

Inhaltsverzeichnis
http://www.dampfboot-verlag.de/download/inh-backhouse-ua-942.pdf

Autorenteam
Maria Backhouse,
geb. 1978, Dipl.-Soziologin, derzeit wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lateinamerika-Institut der FU Berlin. Arbeitsschwerpunkte Politische Ökologie, Entwicklungstheorie und Postkoloniale Kritik. Regionaler Schwerpunkt: Brasilien.
Olaf Gerlach,
geb. 1967, Dipl.-Volkswirt, Referent für Sozialpolitik bei der Fraktion DIE LINKE im Hessischen Landtag. Arbeitsschwerpunkte: Weiterentwicklung Marxscher Theorie, Entwicklungstheorie, gewerkschaftliche Erneuerung, Sozialpolitik.
Stefan Kalmring,
geb. 1972, Dr. der Soziologie, Diplom-Volkswirt, arbeitet als Referent für politische Weiterbildung bei der Rosa-Luxemburg Stiftung in Berlin, Arbeitsschwerpunkte: Weiterentwicklung Marxscher Theorie, Entwicklungstheorie, Dialektik des Antikapitalismus.
Andreas Nowak,
geb. 1969, Dipl. Soziologe. Mitarbeiter einer Bundestagsabgeordneten, Organisationsberater und Aktivist. Arbeitsschwerpunkte: antirassistische Arbeit und Theorie, Geschichte der kritischen Theorie und Bewegungsforschung.

Fazit
Ein ausserordentlich engagiertes Autorenteam, bestehend aus Maria Backhouse; Olaf Gerlach; Stefan Kalmring; Andreas Nowak (Hrsg.) hat sich mit dem Diskursthema in Buchform "Die globale Einhegung - Krise, ursprüngliche Akkumulation und Landnahmen im Kapitalismus" befasst.
Darin geht es um 'globale Einhegung', 'die (all)gegenwärtige Krise', 'fortgesetzte Akkumulation (1)', 'ökologische Krise, 'Landnahme und Inwertsetzung der Natur' und schliesslich 'die Kluft zwischen Akkumulationstheorie und -geschichte' , und wie diese überwindet werden kann. Im Rahmen ihrer Kritik des Dependenzansatzes (2) und ihrer Verknüpfung mit der Regulationstheorie (3) werden politisch-ökonomische Ansätze konstruiert, bei denen versucht wird, Phasen der Stabilität inmitten der immanent krisenhaften Produktionsweise des Kapitalismus zu erklären, die aber aktuell unlösbar erscheinen. Ja es geht die Verschleierung, Verkehrung der Realität der Protagonisten des Kapitalismus soweit, dass z.B. 'die Zerstörung des Regenwalds durch die armutsgetriebene Brandrodungswirtschaft der ansässigen Kleinbauern klischeehaft und vordergründig publiziert wird, um die eigenen generalmassstäblich zerstörenden Vergehen zu übertünchen. Analytisch hervorragend, aber keine schlüssig-pragmatische Antwort ist derzeit in Sicht. m+w.p13-11

(1)
Akkumulation ist im Kern (nach Marx ) ein Prozess, der auf einer mit politischen und ökonomischen Mitteln durchgesetzten (zumeist verschleiert) gewaltsamen Enteignung der Arbeitsmittel von den eigentlichen Produzenten basiert...
http://de.wikipedia.org/wiki/Urspr%C3%BCngliche_Akkumulation
(2 )
Dependenztheorie, auch Entwicklungstheorie genannt, die die Existenz hierarchischer Abhängigkeiten (Dependenzen) zwischen Industrie- (Metropolen) und Entwicklungsländern (Peripherien) betonen und die Entwicklungsmöglichkeiten der Dritten Welt durch dieses Hierarchieverhältnis als begrenzt, ja armutshäufend, sehen.
Dependenztheorie (von span. dependencia - Abhängigkeit, Unterordnung; Filiale bzw. port. dependência – Abhängigkeit) ist der Oberbegriff für eine Mitte der 1960er Jahre ursprünglich in Lateinamerika entstandene Gruppe von in ihren Grundannahmen eng verwandten Entwicklungstheorien, die die Existenz hierarchischer Abhängigkeiten (Dependenzen) zwischen Industrie- (Metropolen) und Entwicklungsländern (Peripherien) betonen und die Entwicklungsmöglichkeiten der Dritten Welt durch dieses Hierarchieverhältnis als begrenzt sehen.
Die Dependenztheorien entstanden in kritischer Auseinandersetzung mit den Modernisierungstheorien und gehen anders als diese davon aus, dass nicht eine aufgrund endogener Faktoren wie Kapitalmangel, kulturellen Einstellungsmustern und traditionalen Prägungen ausgebliebene oder nur unzureichend erfolgte Modernisierung nach westlichem Muster für Unterentwicklung verantwortlich ist, sondern dass im Gegenteil äußere Faktoren den Entwicklungsländern dauerhaft eine strukturell stabile, nachrangige Position in der Weltwirtschaft zuweisen.
Historisch verantwortlich gemacht wird die Epoche des Kolonialismus...
http://de.wikipedia.org/wiki/Dependenztheorie
(3)
Als Regulationstheorie werden politisch-ökonomische Ansätze bezeichnet, die auf die französische Regulationsschule um Michel Aglietta zurückgehen und versuchen, Phasen der Stabilität inmitten der immanent krisenhaften Produktionsweise des Kapitalismus zu erklären.
Die ab Mitte der 1970er Jahre entstandenen Ansätze basieren auf dem neomarxistischen Strukturalismus Louis Althussers, versuchen diesen aber zu dynamisieren. Prägenden Einfluss hatte hierbei die Theorie kultureller Hegemonie Antonio Gramscis, die soziohistorische Tradition der Annales-Schule sowie institutionalistische Strömungen. Seit den 1970ern hat sich die Regulationsschule in zwei wichtige Strömungen auseinanderentwickelt. Während der stärker institutionalistisch geprägte Zweig um Robert Boyer Anschluss an den Mainstream der französischen Institutionenökonomik fand, nahm der aus den frühen Vertretern Michel Aglietta und Alain Lipietz hervorgegangene Zweig einen wichtigen Einfluss auf die marxistische Theoriebildung und wird heute in Deutschland von Joachim Hirsch, in Großbritannien von Bob Jessop vertreten.
http://de.wikipedia.org/wiki/Regulationstheorie