Die Einzelnen und ihr/der Staat
PA4-Diskurs-/Denkbild-Grundlage für den 25.03.2004
<<Die Einzelnen und ihr/der Staat>>
Alain, Carolle, Marga, Walter;
Quellen: PA4 25.06.00; Butterwegge 07.03.04 SWR2; Platon, Politeia 420b ff, 473e, 519ff, 564a, 576c
Kennzeichnend für die Gesprächsführung bei Platon und für die PA4 ist die Enthaltung
Jeglicher Festlegung auf irgendeinen dogmatischen Standpunkt.
Diese Einstellung bildet den Rahmen, in dem all unsere Diskurse sich gestalten.
Apollinische En-stase
Die Ethik der Väter, der alten Dichter und der Religion setzt sich für die Gerechtigkeit ein wegen dessen, was ihr folgt: guter Status in der Gesellschaft, Hochschätzung in der Meinung der anderen, Belohung durch die Götter im Jenseits bzw. in dieser Welt mittels vieler Nachkommen
unbefangene Sittlichkeit, jedoch keine Reflexionen über das, was Sittlichkeit und Gerechtigkeit ihrem Wesen nach eigentlich sind
objektivistisch-utilitaristische Auffassung: die Gerechtigkeit ist kein unmittelbares Gut, sondern nur wegen ihrer Folgen erstrebenswert
vom Subjekte entfernt, konstituiert von anderen als ihm, d.h. von der Gesellschaft bzw. von den Göttern:
Was diese als gerecht setzen, gehört befolgt, denn auf die Belohnung kommt es an
Bewusstsein, gerecht und fromm das Leben verbracht zu haben ist ein wichtiger Garant für ein friedliches und hoffnungsvolles, ein heiteres Alter
Allgemein-verbindlich und objektivitätskonstituierend |
Platonische Eu-stase
Annahme einer Homologie von subjektivem (←) und objektivem (→) Geist, von Individuum und Polis
In der individuellen Seelen („der kleingeschriebene Staat“) wie im Staate („der grossgeschriebene Mensch“° sind die gleichen ontologischen Gesetze konstitutiv
Indem die Seele sich unmittelbar und wahrhaft selbst verwirklicht, schafft sie zugleich einen gerechten und vernünftigen Staat
Die Gerechtigkeit wird immanent, rein aus dem (in sich geordneten) Subjekt erklärt, und zwar aus dem Zusammenspiel der drei Seelenteile
Wie der Staat ist auch die Seele eine Einheit, die zugleich Vielheit ist:
Aufgabe des philosophischen Pädagogen ist es, die Gerechtigkeit als Einheit in dieser Dreiheit bzw. Vielheit sich entwickeln zu lassen:
Sind die drei anderen Kardinaltugenden Besonnenheit, Tapferkeit und Weisheit jeweils besonders einem Seelenteil zugeordnet, kommt der Gerechtigkeit deshalb der Primat zu, weil sie die verschiedenen Seelenteile in das Seelenganze integriert, indem sie auf die Funktionserfüllung eines jeden Seelenteils achtgibt.
|
Dionysische Ex-stase
Pseudoliberalität und hemmungsloser Subjektivismus der damaligen ‚progressiven’ Sophisten
Gerecht ist, was dem selbstbewussten Starken unmittelbar und ohne Rücksicht auf andere Freude macht
Im subjektiven Hedonismus liegt der Ursprung dessen, was gerecht ist
der Utilitarismus der alten vorsophistischen und vorsokratischen Polis – für die Gerechtigkeit nur um eines mit objektiven Kategorien faßbaren Guten willen erstrebenswert ist – ist überwunden
Verlagerung der Gerechtigkeit ins Subjekt und deren Emanzipation von einem relativen zu einem absoluten, um seiner selbst willen erstrebenswerten Gut
Fortschritt, der erkauft ist um den Preis eines Verlustes an Substanzialität und an innerem Wert der Tüchtigkeit (Arete)
Brutaler Machtpositivismus, in dem jede politische Meinung gleichermassen akzeptabel erscheint
Dem Subjekt genehm, aber die Allgemeinheit zersetzend |
Fazit:
Platons Staat will den Bürger wahrhaft befreien – von sophistischer Kontingenz des Willens hin zu einem ‚guten Leben’, in dem die Seele – in deren Idealität der Staat gründet – wahrhaft sich selbst findet