Pragmatisches Aufsteigen statt rigoroses Sanktionieren bewirkt unsere euro-demokratische Zukunft < k. >

Nord-Stream-Explosionen
Quelle: Badische Zeitung
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Aufsteigen statt Sanktionieren
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< Pragmatisches Aufsteigen statt rigoroses Sanktionieren bewirkt unsere euro-demokratische
Zukunft < k. >

Quelle:
Richard David Precht im Gespräch mit dem Autor und China-Experten Frank Sieren.
https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/china-weltmacht-terrax-frank-sieren-kolumne-
100.html

Frank Sieren ...
... ist Chinaexperte, Journalist und Politologe. Seit 1994 lebt er mit seiner Familie in China
und nimmt in seinen Publikationen bewusst die Perspektive Chinas ein, um zu
verdeutlichen, welches Welt- und Menschenbild das Land beherrscht und in welchen
Punkten es von unserem europäischen Denken abweicht.

INHALT
Der Aufstieg Chinas zur Weltmacht verschiebt die Koordinaten der Welt. Wie damit
umgehen? Darüber spricht Richard David Precht mit dem Autor und China-Experten Frank
Sieren.
https://www.zdf.de/gesellschaft/precht/precht-richard-david-precht-im-gespraech-mit-frank-
sieren-100.html

Jahrhundertelang konnte eine Minderheit – erst Europa, dann die USA – die Spielregeln der
Welt bestimmen. Nun geraten nicht nur abendländische Werte wie Demokratie und
Menschenrechte mehr und mehr in die Defensive, sondern auch unser Wirtschaftssystem.

Ein immer mächtigeres China
Frank Sieren sieht in der gegenwärtigen politischen Weltlage eine historische Parallele zur
Überwindung der Adelsgesellschaft im 19. Jahrhundert. Die Mehrheit der Bürger wollte sich
damals von der Minderheit des Adels nicht mehr die Spielregeln diktieren lassen. Ebenso
weigert sich heute die Mehrheit der Weltbevölkerung – allen voran China –, sich auf globaler
Ebene der Hegemonie des Westens weiter unterzuordnen.

Doch wie soll Deutschland mit einem immer mächtigeren China umgehen? Auf der einen
Seite ist die Volksrepublik nach den USA der wichtigste Handelspartner, auf der anderen
Seite erfordert eine wertegeleitete Außenpolitik, dass man Peking mit der Verletzung der
Menschenrechte konfrontiert. Kann man Milliardeninvestitionen Chinas in die heimische
Infrastruktur zulassen und gleichzeitig die Verfolgung der Uiguren, die Drohungen gegen
Taiwan und den gravierenden Mangel an Rechtsstaatlichkeit anprangern?

Terra X - die Wissens-Kolumne
:Wie der Westen mit China Schritt halten kann
von Frank Sieren
Datum:
05.02.2023 07:57 Uhr
Eine Wirtschaft ohne China ist heutzutage undenkbar. Durch eine Fusion von Markt und
Plan ist das Land eine Weltmacht. Aber der Westen könnte seinen Abstieg noch verhindern.

Auf dem 20. Parteitag der chinesischen Kommunistischen Partei im vergangenen Oktober
hat der chinesische Präsident Xi Jinping die Bevölkerung auf harte Zeiten eingeschworen
und von großen Problemen gesprochen, die China bevorstünden. Damit will Xi die Chinesen
nicht darauf vorbereiten, dass es mit China bergab geht. Er will sie aufrufen, sich weiterhin
anzustrengen. Er sagt damit: Es ist noch nicht alles erreicht. Nach 40 Jahren rasanter
Aufwärtsentwicklung ist man erst den halben Weg gegangen auf dem Weg zur Weltmacht.

700 Millionen Menschen aus absoluter Armut befreit
Dieser halbe Weg war allerdings bereits unglaublich erfolgreich: Über 700 Millionen
Menschen sind in den letzten 30 bis 40 Jahren aus der absoluten Armut befreit worden.
Noch in den 90ern war dieses Maß an Wohlstand, das China heute hat, unvorstellbar für
viele Menschen.

Für sie bedeutet das mehr Freiheit, mehr Geld, bessere Ausbildung, bessere
Gesundheitsversorgung und damit eine höhere Lebenserwartung. Gleichzeitig sind
persönliche Freiheiten in China noch stark eingeschränkt.

Wir im Westen müssen lernen, diese Widersprüche gleichzeitig zu sehen und zu denken.
Wenn wir das nicht tun, schätzen wir China falsch ein und entwickeln falsche Strategien im
Umgang mit dem wichtigsten Aufsteiger der neuen Weltordnung.

Der Einfluss des Westens in der Welt schwindet
Was bedeutet der Aufstieg Chinas für uns in Europa? Weltpolitisch betrachtet geht gerade
eine Epoche zu Ende, in der die Minderheit des Westens die Spielregeln der Mehrheit der
Welt bestimmen konnte. In den vergangenen Jahrhunderten hat dem Westen der Tisch
gehört, an dem diese Regeln vereinbart wurden, und wir haben entschieden, wer dort sitzen
darf. Erst waren es die Europäer als Kolonialmächte, dann haben Mitte des 20. Jahrhunderts
die US-Amerikaner die Führung übernommen.

Inzwischen haben die geschwächten Europäer nicht mehr automatisch einen Platz an diesem
Tisch. Militärisch spielt Europa keine Rolle. Das bedeutet: Nur wenn wir wirtschaftlich stark
sind, werden wir überhaupt noch mitreden, wenn es darum geht, die Werte der neuen
Weltordnung mit festzuschreiben.

China hat industrielle Revolution unterschätzt
Es zeichnet sich ab: Die Welt bewegt sich in Richtung einer multipolaren Weltordnung, die
sich immer enger vernetzt. Dass ausgerechnet ein kommunistisches System dabei so
erfolgreich ist, verunsichert uns sehr. Es mag erstaunen, aber am Ende handeln die
chinesischen Kommunisten doch eher pragmatisch denn ideologisch. Das Wichtigste für sie
und am Ende für alle Chinesen ist, dass China nach 150 Jahren Pleiten, Pech und Pannen
wieder "das Reich der Mitte" und eine Weltmacht wird.

Sie waren viele Jahrhunderte die erfolgreichste Nation der Welt. Doch zu Beginn des letzten
Jahrhunderts sind sie so borniert und überheblich gewesen, dass sie die industrielle
Revolution in Europa völlig unterschätzt haben.

turevolution." Millionen von Menschen sind dabei gestorben, viel mehr noch hungerten.

Sein Nachfolger Deng Xiaoping hatte dann erst einmal eine bittere Nachricht für sein Volk:
Wir sind zu schwach und müssen uns von den "Imperialisten", von den "Kapitalisten" helfen
lassen.

Der Pragmatismus hat sich seitdem durchgesetzt: Eine gesteuerte Marktwirtschaft ist
entstanden. Eine Fusion aus Markt und Plan. Das ist eines der Erfolgsgeheimnisse Chinas.

Globale Kompromisse als Lösung
Inzwischen hat China wieder 19 Prozent Anteil an der Weltwirtschaft und wir können die
Chinesen nicht mehr zwingen, das zu tun, was wir wollen. Wenn wir das dennoch tun, wird
es als Arroganz ehemaliger Kolonialmächte wahrgenommen.

Was wir aber tun können und müssen, ist, China und andere von unseren Werten zu
überzeugen, also einen Dialog zu führen mit dem Ziel einen Kompromiss zu finden. In
Demokratien gilt das als eine wichtige Tugend unseres Wertsystems. Auf globaler Ebene
sollte das nun langsam auch so sein.

Gefahr: Ohne Offenheit droht Abstieg
Nicht hilfreich dabei ist die Sichtweise: "Der Westen ist gut - China ist schlecht." An solchen
Simplifizierungen sollten wir nicht länger festhalten. Denn damit schaden wir nur uns selbst.
So geraten wir womöglich in die gleiche Lage wie die Chinesen im 19. Jahrhundert, die auch
geglaubt haben, sie müssten die industrielle Revolution nicht beachten und dann in eine
große Krise gefahren sind.

Das ist meine große Sorge: Wenn wir die Offenheit verlieren, uns und andere realistisch
einzuschätzen, dann beschleunigen wir unseren Abstieg. Ein wenig dieser Offenheit haben
wir schon verloren. Aber es ist noch nicht zu spät.

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