Julian Valentin Möhring : Vertraute Stabilität . Zur trügerischen Ruhe des Vertrauens im Prozess sozialer Verflechtung
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Stabilität- Vertraut? . J.V. Möhring
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Online-Publikation: März 2020 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Julian Valentin Möhring : Vertraute Stabilität . Zur trügerischen Ruhe des Vertrauens im Prozess sozialer Verflechtung >>
360 Seiten; Broschur; 22.2 x 14 cm; ISBN 9783958322110; 44,90 €
Dieser Titel ist auch im Verlag Humanities Online als E-Book erhältlich:
Velbrück Wissenschaft, D-53919 Weilerswist-Metternich; http://www.velbrueck-wissenschaft.de;
Inhalt
Das Verhältnis zwischen Vertrauen und Stabilität steht in sozialen Beziehungen unter Spannung. Im Vertrauen rücken stabile Erwartungen an die Stelle einer offenen Zukunft. Das Vertrauen schafft als Ausdehnung der Gegenwart zukünftige Vertrautheit. Gleichzeitig steht das Vertrauen für die Überformung fest institutionalisierter Strukturen. Auch als verwundbares Moment in Beziehungen steht Vertrauen eher für Instabilität.
Der Zusammenhang zwischen Vertrautheit und Vertrauen wurde von Niklas Luhmann als ein Verhältnis gegenseitiger Stabilisierung richtig erfasst. Das subjektive Verständnis von und die persönliche Erfahrung mit Vertrauensverhältnissen fließt in die Gestaltung sozialer Vertrauensprozesse ein und treibt den sozialgeschichtlichen Wandel an, hin zu einer Expansion des Vertrauens in immer weitere Gesellschaftsbereiche.
Im Spiegel der Kritik an Komplexitätsreduktion und sozialem Mechanismus werden jedoch Verkürzungen an der Komplexität von Vertrauensbeziehungen selbst sowie an Vertrauensprozessen deutlich. Die Formel der »trügerischen Ruhe des Vertrauens« steht für eine Stabilität und Sicherheit suggerierende Dynamik, die Vertrauensprozessen immanent ist und die sozialtheoretisch selten durchschaut wird.
Erst die relational wie prozessual verstandene Verflechtung von und durch Vertrauensbeziehungen führt über die verengte Perspektive auf Vertrauensmechanismen hinaus. Mit ihr werden die Figurationen und die Affektlagen deutlich, die für stabiles Vertrauen notwendig sind. Spezifische zivilisatorische Anforderungen an unsere heutige Vertrauenspraxis sowie die Rolle von geteilten Symbolen für vertraute Stabilität werden erst als Verflechtung des Sozialen deutlich.
Autor
Julian Valentin Möhring promovierte am Fachbereich Soziologie der Goethe-Universität Frankfurt mit einem Aufenthalt an der École des Hautes Études en Sciences Sociales (EHESS, Paris). Derzeit ist Möhring in einem interdisziplinären Projekt und als Dozent an der Justus-Liebig-Universität Gießen tätig.
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Fazit, vorangestellt
Der Soziologe Julian Valentin Möhring hat sich in seinem Diskursbuch "Vertraute Stabilität" mit der ' trügerischen Ruhe des Vertrauens im Prozess sozialer Verflechtung tiefgehend auseinandergesetzt.
So forschte er dabei über die Begriffspaare Vertrautheit und Beharrlichkeit und ihren Gegenpart Angst und Entfremdung als Prozess des Vertrauens und deren Erwartungshaltungen.
Dabei distanziert er sich letztenendes von der Theorie von Vertrauensbeziehung bei Luhmann*..
Nach einer schlüssigen Untersuchung des Zusammenhangs von Verflechtung und trügerischer Ruhe des Vertrauens (historisch im Bedeutungswandel, subjektiv in der Symbolfunktion und sozial in der Verflechtung.
Seine Quintessenz lautet: Vertrauen im normativen Sinn erliegt dem naiven Glauben (der trügerischen Ruhe).
'Eine Theorie des Vertrauens, so Möhring schliesslich, muss dementgegen in der Lage sein, die versichernde Binnenperspektive zu verlassen und einen empirischen Anker auswerfen, der Anhaltspunkte für die gesellschaftliche Bedeutung stabiler Vertrauensbeziehungen liefert'.
m+w.p20-4
*) Niklas Luhmann
(* 8. Dezember 1927 in Lüneburg; † 6. November 1998 in Oerlinghausen) war ein deutscher Soziologe und Gesellschaftstheoretiker. Als wichtigster deutschsprachiger Vertreter der soziologischen Systemtheorie und der Soziokybernetik zählt Luhmann zu den Klassikern der Soziologie im 20. Jahrhundert.
https://de.wikipedia.org/wiki/Niklas_Luhmann
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Inhaltsfolge
Vorbemerkung 9
Einleitung : Die Verflechtung von
Vertrauen und Stabilitat . . . . . . . . . . . . . . 11
Vertrauen aus gesellschaftstheoretischer Perspektive 18
Soziale Stabilität als Verflechtung im Prozess 24
1.Es soll nicht aufhören! Vertrauen als Prozess 32
1.1 Über die Ruhe des Vertrauens 32
1.1.1 Vertrautheit und Beharrlichkeit 39
1.1.2 Angst und Entfremdung . . . . . . . . . . 43
1.2 Prozesse des Vertrauens in der gegenwärtigen
Forschung 49
1.3 Résumé 52
2.Die Erwartung des Vertrauten 55
2.1 Grundlagen einer Systemtheorie des Vertrauens –
Komplexität und Mechanismus . . . . . . . . . 56
2.2 Quellen des Vertrauens 63
2.3 Aspekte des systemtheoretischen Vertrauens . . .66
2.3.1 Zeit, Schwellen und Gabe des Vertrauens . . . 66
2.3.2 Verwaltung des Vertrauens – Selbstdarstellung,
Kontrolle, Symbol und Risiko . . . . . . .71
2.3.3 Vertrauen oder Vertrautheit? . . . . . . . . 75
2.3.4 Spaltung und Zivilisierung des Vertrauens . . . 80
2.4 Fortsetzungen der systemtheoretischen Betrachtung
des Vertrauens . . . . . . . . . . . . . . . . 85
2.4.1 Vertrauen und Angst in der Moderne . . . . . 86
2.4.2 Spielräume und Überforderungen des Vertrauens . 93
2.4.3 Zur Differenz zwischen Vertrautem und Fremdem . 96
2.4.4 Stabiles Vertrauen innerhalb eines
ordnungstheoretischen Ansatzes . . . . . .98
2.5 Résumé . . . . . . . . . . . . . . . . . .105
3. Ambivalenz und Wandel der Vertrauenssemantik .108
3.1 Vertrauenstheorie und Vertrauensgeschichte . . .109
3.2 Zur Karriere des Vertrauensbegriffs . . . . . . . 111
3.3 Kein Stilwandel – die Bedeutung von Vertrautheit
in der Spätmoderne . . . . . . . . . . . . .127
3.4 Résumé . . . . . . . . . . . . . . . . . .128
4. Akzeptierte Verletzbarkeit und Praxis des Vertrauens . 131
4.1 Von stabilen Erwartungen zu akzeptierter
Verletzbarkeit in gefestigten sozialen Netzen . . . . 131
4.2 Vertrauen als soziale Praxis – ein Überblick . . . . 144
4.3 Kritik an einer individualistischen Praxisauffassung .166
4.4 Die Anerkennung des Vertrauens . . . . . . . . 167
4.5 Résumé . . . . . . . . . . . . . . . . . .170
5. Vertrauen im Prozess der Zivilisation . . . . . . . 172
5.1 Vertrauen – stabilisiert zwischen Ich und Wir . . . 172
5.2 Vertrauen als Verflechtung –
das figurative Prozessmodell . . . . . . . . . . 174
5.3 Zivilisiert vertrauen . . . . . . . . . . . . .186
5.4 Vertrauen als fehlender Mosaikstein im Prozess
der Zivilisation . . . . . . . . . . . . . . .193
5.5 Gruppencharisma und Gruppenschande als
vertrauensrelevantes Komplementärphänomen . .207
5.6 Zentrale Aspekte des Vertrauensbegriffs aus
zivilisationstheoretischer Perspektive . . . . . .214
5.7 Norbert Elias und seine Kritiker . . . . . . . .223
5.8 Informalisierung und Verflechtung durch Vertrauen .225
5.9 Résumé . . . . . . . . . . . . . . . . . .233
6. Die symbolische Stabilität des Vertrauens . . . . . 236
6.1 Das Symbol aus vertrauenstheoretischer Perspektive . 237
6.2 Der Beginn des Vertrauensprozesses
in der Symbolbildung . . . . . . . . . . . . . 241
6.3 Symbol und Gesellschaft . . . . . . . . . . .264
6.4 Résumé . . . . . . . . . . . . . . . . . .271
7. Ausblick: Vertrauen im Umgang mit
Angst und Entfremdung . . . . . . . . . . . . 274
7.1 Angst und Vertrauen . . . . . . . . . . . . . 274
7.2 Die Vertraute Entfremdung . . . . . . . . . .283
7.2.1 Aspekte der Entfremdung . . . . . . . . . 284
7.2.2 Vertrautheit als notwendiges Element
einer relationalen Entfremdungstheorie . . . . 288
Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292
Appendix Materialien . . . . . . . . . . . . . 298
Anhang 1: Perspektiven auf Vertrauen und Stabilität . . 298
Anhang 2: Elemente sozialer Prozesse . . . . . . . . 301
Anhang 3: Quellen des Vertrauens bei Niklas Luhmann . 308
Anhang 4: Vertrauen und Institution . . . . . . . .322
Anhang 5: Riskantes Vertrauen . . . . . . . . . .325
Anhang 6: Stabilität und Kooperation . . . . . . . . 328
Anhang 7: Die Freiheit anderer . . . . . . . . . . . 334
Anhang 8: Grenzen der Gemeinschaft – Kultur und
Zivilisation . . . . . . . . . . . . . . . . . 336
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339
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