Sprache und Diktatur - Formen des Sprechens, Modi des Schweigens - herausgegeben von Sarhan Dhouib
Passage I : Kunst und Widerstand, R. Triki
Tunesien, anonymes Kollektiv. Bild: Eva Kimminich
Diskurs PA4 A-Z > S
Sprache und Diktatur (S. Dhouib)
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Online-Publikation: Juli 2018 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Sprache und Diktatur - Formen des Sprechens, Modi des Schweigens - herausgegeben von Sarhan Dhouib >>
470 Seiten; broschiert; Fadenheftung; ISBN 9783958320826; € 49,90
Dieser Titel ist auch im Verlag Humanities Online als E-Book erhältlich: http://www.humanities-online.de
Velbrück Wissenschaft, D-53919 Weilerswist-Metternich; http://www.velbrueck-wissenschaft.de
Inhalt
Unter den Bedingungen einer Diktatur oder eines autoritären Regimes bildet sich ein spezifischer Sprachgebrauch heraus, in dem Machtverhältnisse gestützt, subversiv entlarvt, unterwandert oder offensiv kritisiert werden. Aufschlussreich ist dabei nicht nur, was, wann, wie, von wem, in welchem öffentlichen oder privaten Raum gesagt wird, sondern auch die Art und Weise, wie etwas nicht gesagt und wann, worüber und wie geschwiegen wird.
Der vorliegende Band untersucht den spezifischen Sprachgebrauch in und nach der Diktatur bzw. in und nach autoritären Regimen in einer deutsch-arabischen Perspektive und ist das Ergebnis einer dreijährigen interdisziplinären Zusammenarbeit deutscher und nord-afrikanischer Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen. Mit den gesellschaftlichen Transformationsprozessen, die viele arabische Länder begonnen und wenige fortgesetzt haben, ist die Thematik hochaktuell.
Die sprachphilosophischen, linguistischen, ethnologischen, literatur- und kulturwissenschaftlichen Untersuchungen wenden sich vier thematischen Schwerpunkten zu: Ein erstes Kapitel untersucht Sprache als Instrument der Macht. Ein zweites Kapitel wendet sich dem Gegendiskurs und der Subversion innerhalb der arabisch- und deutschsprachigen Literatur zu. Ein dritter Themenschwerpunkt liegt auf der Aneignung und Enteignung von philosophischen Begriffen im Kontext autoritärer Staaten. Ein vierter und letzter Fokus liegt auf den Wendepunkten, auf Protest und Öffentlichkeit, die sich in Demonstrationssprüchen, Protestliedern in Umbruchzeiten und Literatur ausdrücken.
Autor
Sarhan Dhouib, Dr. phil., ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Universität Kassel. Nach dem Studium der Philosophie an den Universitäten Sfax (Tunesien) und Paris 1 - Sorbonne wurde er an der Universität Bremen über Schellings Identitätsphilosophie promoviert. 2011 erhielt er den Nachwuchspreis für Philosophie des Goethe-Institutes. Seit 2013 ist er Mitglied der Arab-German Young Academy of Sciences and Humanities (AGYA). Arbeitsschwerpunkte: Deutscher Idealismus, Politische Philosophie, Arabisch-islamische Philosophie, interkulturelle Philosophie, Menschenrechtsdiskurse. Veröffentlichungen bei Velbrück: Demokratie, Pluralismus und Menschenrechte. Transkulturelle Perspektiven (Hg., 2014), Gerechtigkeit in transkultureller Perspektive (Hg., 2015)., Moez Maataoui, Dr. phil., ist Germanist und lehrt an der FLAH der Universität La Manouba (Tunesien). Ina Khiari-Loch, M.A., ist Ethnologin und lehrt am ISSHM der Universität Gabes (Tunesien).
Fazit, vorangestellt
"Sprache und Diktatur" gibt essentielle Auskunft zu Formen des Sprechens, Modi des Schweigens - herausgegeben von Sarhan Dhouib.
Ein ausgezeichneter Vergleich zu deutsch-arabischer Literatur und Sprache wird dabei beispielhaft entborgen - während und nach einem postkolonialen Staatsgebilde (Nordafrika; Ägypten, Tunesien.. und Syrien, retrospektiv auch DDR).. ist dank DAAD* die Zusammenarbeit überaus konstruktiv ermöglicht worden.
*) https://www.daad.de/de/
Inhaltlich:
> kennzeichnet sich der offizielle Diskurs als erschwert aus, und
> an den zivilgesellschaftlichen Orten wie Salons, philosophischen Cafés, Diskurspodien wirkt eine diskursive Reflexion gleichsam vorbestimmend (prädestiniert), ist so besonders geeignet.
> Hinzu kommen - im Rahmen der sub-kulturellen Übersetzung (Tabuthemen) - die Verwendung von Dialekten, politischen Witzen, oder Codes, und Geheimsprachen (in einer Diktatur), wobei die Dialektik von Sprechen und Schweigen in all ihren Facetten präsent ist (Dhoub)...
Wesentliche Erscheinungsmerkmale sind
> Angst und Wahrnehmungs-Bedeutung in der Sprache bei Herta Müller .(S. Schmidt)
> Figurationen und reale Enthumanisierung im zeitgenössischen ägyptischen Roman: Das Leben in der 'Warteschlange' (Milich)
> Gegendiskurs und Subversion.(Kramer, Aghsain)
> Schrift aus der Entfremdung befreien (Sefrioui)
> Sprechen im »Reich des Schweigens«
> Ästhetisch subversive Erzählstrategien syrischer Autoren (A. Aghsain)
> Desinformation, Neokolonialismus- und Autoritarismuskritik (Abdellah. Schmidt)
> Die widerständige Stimme und das Schweigen als Protest (Dhouib)
> Schreiben gegen Unrecht ( Milich, Tramontini)
> Um der ökonomisch-kulturellen Maschine des Konsumismus in Indifferenz und Instrumentalisierung ihrer vorgefertigten Indivationsmustern zu entgegnen oder zu entkommen können 'KünstlerInnen die Sinnfrage durch ihre transkulturelle Offenheit neu stellen (Triki)..
> Abschliessend dient eine 'Passage' als erläuternder, zusammenfassender und bildhafter Schlussteil als 'Kunst und Widerstand (Triki) für die umfassende Literatur- und Kunst-Strukturen im aktuellen Nahost- und Nordafrikanischen Kulturraum
Quintessenz: "Sprache und Diktatur" gestattet durch seine forschende Tiefe und Umsicht einen messerscharfen aktuellen Einblick in die kulturelle Struktur des nordafrikanischen wie syrischen Kulturraums m+w.p18-7
*
Inhaltsverzeichnis:
Sarhan Dhouib
Transformationen
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Teil I - III, Passage I
Teil I
Bettina M. Bock, Ina Khiari-Loch und Sarah Schmidt
Sprachnormierung, Macht und Kommunikationsstrategien.
Zur Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
1. Bettina M. Bock
Kommunikationsräume in der Diktatur
– zwischen Öffentlichkeit und Privatheit . . . . . . . . . 26
Sarhan Dhouib (Hg.)
Formen des Sprechens
Modi des Schweigens
Sprache und Diktatur
Unter Mitwirkung von
Ina Khiari-Loch und
Moez Maataoui
Aus der Reihe:
Unrechtserfahrung in
transkultureller Perspektive
2. Steffen Pappert
Sprach- und Informationslenkung in der DDR . . . . . . 49
3. Kristina Stock
Wir und die Anderen
Machtpolitische Dimensionen von Sprache unter besonderer
Berücksichtigung des Aspektes der Gruppenbildung in der
arabischen politischen Rhetorik . . . . . . . . . . . . 69
4. Ina Khiari-Loch
»Kīfāš lbistī?« – Über den sprachlichen Umgang mit
Tabuthemen in autoritären Staaten am Beispiel Tunesiens . . 99
5. Sarah Schmidt
»Die Angst ist der unheimliche Meister der Wahrnehmung«
Das System Angst und seine Bedeutung für Wahrnehmung
und Sprache bei Herta Müller . . . . . . . . . . . . . 124
6. Stephan Milich
Das Leben in der Warteschlange
Literarische Figurationen realer Enthumanisierung im
zeitgenössischen ägyptischen Roman am Beispiel von
Basma Abdelaziz‘ Die Warteschlange . . . . . . . . . . 148
Teil II
Sven Kramer und Abdellatif Aghsain
Gegendiskurs und Subversion. Zur Einführung . . . . . . . 177
1. Sven Kramer
Diktatur und Sprache
Konstellationen in den 1940er Jahren und
darüber hinaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182
2. Kenza Sefrioui
Die Zeitschrift Souffles (1966–1972):
Die Schrift aus der Entfremdung befreien . . . . . . . . 199
3. Moez Maataoui
Der Flüsterwitz im vorrevolutionären Tunesien als
widerständiger Diskurs . . . . . . . . . . . . . . . 223
4. Abdellatif Aghsain
Sprechen im »Reich des Schweigens«
Ästhetisch subversive Erzählstrategien syrischer Autoren
am Beispiel von Nihād Sīrīs und Zakarīyā Tāmir . . . . . 245
5. Andreas Jürgens
»daß ich an all diese Flußgötter denke«
Zur politischen Dimension anachronistischen
Imaginierens in Durs Grünbeins Grauzone morgens . . . . 266
6. Ibrahim Abdellah und Sarah Schmidt
Desinformation, Neokolonialismus- und
Autoritarismuskritik in Ṣunʿallāh Ibrāhīm Roman
Der Prüfungsausschuss (al-Lağna) . . . . . . . . . . . 275
Teil III
Sarhan Dhouib, Steffen Pappert und Mongi Serbaji
Wendepunkte: Protest und Öffentlichkeit.
Zur Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301
1. Ulla Fix
Der Sprachgebrauch als Möglichkeit öffentlichen
und halböffentlichen Protestes
Das Beispiel DDR der 1970/80er Jahre . . . . . . . . . 306
2. Sarhan Dhouib
Die widerständige Stimme und das Schweigen als Protest
Zu Muḥammad aṣ-Ṣāliḥ Flīs’ Zeitzeugenbericht
Häftling in meinem Heimatland . . . . . . . . . . . . 338
3. Stephan Milich und Leslie Tramontini
Schreiben gegen Unrecht
Protest und Engagement in der modernen syrischen
und irakischen Dichtung . . . . . . . . . . . . . . . 361
4. Azelarabe Lahkim Bennani
Kultur als Protest
Engagierte Literatur, Aufklärung und Ideologiekritik
in Marokko in den 1960er und 1970er Jahren . . . . . . 397
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5. Bettina Bock und Moez Maataoui
Form und Funktionen von Intertextualität in öffentlichen
Protestäußerungen während der Umbrüche in Tunesien (2011)
und in der DDR (1989) – eine Gegenüberstellung . . . . . 415
6. Steffen Pappert und Moez Maataoui
Protestlieder in Umbruchzeiten . . . . . . . . . . . . 441
Passage I
Rachida Triki
Kunst und Widerstand . . . . . . . . . . . . . . . . . 463
Die Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . 467
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