Jonas Heller : Mensch und Maßnahme . Zur Dialektik von Ausnahmezustand und Menschenrechten
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Menschenrecht - Massnahme (J. Heller)
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Online-Publikation: Oktober 2018 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Jonas Heller : Mensch und Maßnahme . Zur Dialektik von Ausnahmezustand und Menschenrechten >>
350 Seiten; 22.2 x 14 cm; Hardcover; ISBN 9783958321410: 34,90 €
Dieser Titel ist auch im Verlag Humanities Online als E-Book erhältlich: http://www.humanities-online.de
Velbrück Wissenschaft, D-53919 Weilerswist-Metternich; http://www.velbrueck-wissenschaft.de
Inhalt
Ausnahmezustand und Menschenrechte sind ohne Frage einander entgegengesetzt: Wo ein Ausnahmezustand erklärt wird, werden grundrechtlich garantierte Menschenrechte eingeschränkt oder ausgesetzt. Das vorliegende Buch entwickelt die These, dass dieser Gegensatz erst vor dem Hintergrund einer grundlegenden Gemeinsamkeit verständlich wird, die zugleich konstitutiv für das Funktionieren des modernen Rechts ist.
Bislang wurden Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Phänomenen vor allem darin gesehen, dass sie den Menschen jeweils auf seine bloße Körperlichkeit reduzieren. In diesem Sinne hat Giorgio Agamben anknüpfend an Hannah Arendt in Ausnahmezustand und Menschenrechten dieselbe, Souveränität konstituierende Logik vermutet: die Hervorbringung eines ›nackten‹ Lebens, das jeder politischen Qualität beraubt und nur noch Körper ist.
Der Autor verfolgt einen entgegengesetzten Ansatz: Der Zusammenhang von Ausnahmezustand und Menschenrechten wird nicht in der Konstitution eines entrechteten Körpers, sondern in der Rolle der berechtigten Person verortet. Dem Konzept der Rechtsperson, Kern der Idee der Menschenrechte, wohnt eine grundlegende Ambivalenz inne. Sie liegt darin, ein staatliches Handeln, wie es spezifisch im Ausnahmezustand in Erscheinung tritt, nicht nur zu begrenzen, sondern auch zu ermöglichen. Die Dialektik von Berechtigung und Entrechtung, die das Verhältnis von Ausnahmezustand und Menschenrechten demnach kennzeichnet, wird auf diese Weise einer kritischen Reflexion unterzogen. Sie zielt darauf, das positive Potential der Menschenrechte gegen ihre negativen Effekte in Stellung zu bringen und gegenüber einer Logik der Maßnahme zu verteidigen.
Während sich der erste Teil des Buches der Frage der souveränen Person und des Subjekts des Rechts in Auseinandersetzung mit der Theorie von Souveränität und Ausnahmezustand bei Carl Schmitt und Giorgio Agamben widmet, steht im zweiten Teil das für die Menschenrechtsidee konstitutive Konzept der Rechtsperson im Zentrum. Die philosophische wird dabei mit einer historischen Analyse verbunden, die bei der konstitutiven Rolle der Rechtsperson für den frühneuzeitlichen Territorialstaat ansetzt.
Autor
Jonas Heller ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Praktische Philosophie mit Schwerpunkt Politische Philosophie und Rechtsphilosophie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Er studierte Philosophie, Geschichte, Religionswissenschaft und Germanistik in Basel, Berlin und Freiburg im Breisgau. 2017 wurde er an der Universität Frankfurt promoviert.
Und wurde für seine Dissertationsschrift »Mensch und Maßnahme. - Zur Dialektik von Ausnahmezustand und Menschenrechten« mit dem Werner Pünder-Preis 2018 ausgezeichnet.
Zwei Sichtweisen zum Topos Menschenrecht
1)
Giorgio Agamben zum 'Recht des „bloßen Lebens“ '
(* 22. April 1942 in Rom) ist ein italienischer Philosoph, Essayist und Buchautor. Er lehrt an der Universität Venedig[1] und am Collège international de philosophie in Paris.
Zur Selbstbestimmung:
'Agamben betrachtet das „bloße Leben“ zuallererst von seiner formalen – und damit auch ästhetischen – Seite her: also nicht als zivilisatorisch unterentwickelt, nicht als freigegeben zur Vernichtung, sondern als wesentliche Voraussetzung kultureller Selbstbestimmung. Gegen den Totalitarismus der Bio-Politik sucht Agamben Zeugen, die er in den Künsten, aber auch im Poetischen selbst findet: Sein Anspruch ist es, Zeugen zu finden und als Schriftsteller selbst Zeuge zu sein für das „bloße Leben“.
Mit seiner stark individualisierten Schreibweise klagt Agamben das Recht des „bloßen Lebens“ auf Selbstbehauptung ein. Die Form des Essays erlaubt Agamben im Horizont der Künste eine mutige Verschränkung von historischer Vergegenwärtigung und politischen Schreckens-Bildern, Prognosen und dezidierten Wünschen. Dazu kommt eine Vernetzung der Philosophie mit der Entwicklung der Wissenschaften und der Künste.'
https://de.wikipedia.org/wiki/Giorgio_Agamben
2)
Carl Schmitt zur „Freund-Feind-Unterscheidung“
Als Jurist prägte er eine Reihe von Begriffen und Konzepten, die in den wissenschaftlichen, politischen und allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen sind, etwa „Verfassungswirklichkeit“, „Politische Theologie“, „Freund-Feind-Unterscheidung“ oder „dilatorischer Formelkompromiss“.
Schmitt wird heute wegen seines staatsrechtlichen Einsatzes für den Nationalsozialismus als Gegner der parlamentarischen Demokratie und des Liberalismus und als „Prototyp des gewissenlosen Wissenschaftlers, der jeder Regierung dient, wenn es der eigenen Karriere nutzt“, weithin abgelehnt. Allerdings wird er aufgrund seiner indirekten Wirkung auf das Staatsrecht und die Rechtswissenschaft der frühen Bundesrepublik[3] mitunter auch als „Klassiker des politischen Denkens“ bezeichnet.
Prägende Einflüsse für sein Denken bezog Schmitt von politischen Philosophen und Staatsdenkern wie Thomas Hobbes,Niccolò Machiavelli, Aristoteles Jean-Jacques Rousseau, Juan Donoso Cortés oder Zeitgenossen wie Georges Sorell
und Vilfredo Pareto. Sein antisemitisches Weltbild war von den Thesen Bruno Bauers geprägt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Schmitt
Fazit
Jonas Heller, politischer Rechtsphilosoph, setzt sich in seiner Untersuchung "Mensch und Maßnahme" auf grundlebende Weise mit der 'Dialektik von Ausnahmezustand und Menschenrechten' auseinander.
Im ersten Teil geht er der Frage nach der Einheit von Recht und Politik auf der Basis (Nomos https://de.wikipedia.org/wiki/Nomos_%28Antike%29) der Theorie der juristischen Form nach Agamben (1) und Schmitt (2).
Im zweiten Teil wird 'Körper und Person zur Dialektik von Ausnahmezustand und Menschenrechten (Berechtigung und Entrechtung) im Kapitalismus und Totalitarismus (Neumann) und die Freiheit als Mittel des Rechts diskursiv erklärt.
Heller schliesst mit der Dialektik von Berechtigung und Entrechtung, zusammen mit dem Aktionscharakter des modernen Rechts.
Was für ihn bedeutet, dass die Auffassung und Umsetzung in die Menschenrechte nicht selbst eingeschrieben (kodifiziert) werden kann, sondern nur politisch zu gewinnen und zu verteidigen ist. Und sich das Postulat (Berechtigung und Entrechtung) mit der Dialektik die Rechte nicht zum Mittel zu machen, sich als Mittel - politisch - einsetzen lässt. Nach grundlegendem Diskurs - ein kluger Erkenntnisgewinn. m+w.p18-10
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