Raoul Schrott : Die Kunst an nichts zu glauben

Diskurs PA4
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Online-Publikation: Januar 2016 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
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168 Seiten . Fester Einband mit Schutzumschlag & Motiv*: ISBN 978-3-446-24965-3; EUR 17,90
Hanser Verlag, München; http://www.hanser-literaturverlage.de; http://www.hanser.de; http://www.lyrik-kabinett.de; http://www.hanserbox.de;

Charakteristikum
*) Schutzumschlag - Motiv*: Landschaftsmarmor, Florenz 15x11x1cm, Kalkmergel mit submarin eingedrungenen Eisen- und Manganoxiden, 50 Mio. Jahre alt.

Inhalt
In Raoul Schrotts Gedichten geht es um Moral ohne Gott, um das Staunen über das Humane, um das Leben ganz im Diesseits: um und mit uns.
Nach über zehn Jahren der neue Gedichtband von Raoul Schrott: eine Feier der großen Kleinigkeiten des Lebens. Geschrieben in meisterlicher Leichtigkeit, ist „Die Kunst an nichts zu glauben“ ein Panorama des Allzumenschlichen. Die Gedichte werden von Sentenzen aus der ersten atheistischen Bibel gerahmt, dem „Manual der transitorischen Existenz“ aus dem 17. Jahrhundert. Dazwischen stehen Portraits einzelner Berufstätiger, vom Busfahrer bis zum Richter. Sie alle stellen ihre Fragen nach dem Gelingen des Lebens und finden Schönheit im Scheitern. Gedichte und Sentenzen erzählen so grundverschiedene und doch gleiche Geschichten: vom Kampf um jeden irdischen Moment. Und wie er manchmal beglücken kann.

Autor
Raoul Schrott, geboren 1964, erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u.a. den Peter-Huchel- und den Joseph-Breitbach-Preis. Bei Hanser erschienen u.a. Homers Heimat (2008) und seine Übertragung der Ilias (2008), Gehirn und Gedicht (2011, gemeinsam mit dem Hirnforscher Arthur Jacobs), die Erzählung  Das schweigende Kind (2012) sowie die Übersetzung von Hesiods Theogonie (2014). https://de.wikipedia.org/wiki/Raoul_Schrott


Fazit
Wer es versteht die Illias in ein aktuelles poetisches Deutsch zu übertragen wie Raoul Schrott jetzt  in seinem poetisch-noetischen Philosophie-Buch "Die Kunst an nichts zu glauben" ist ein Welt-Europäer durch und durch. Diesmal ist es allem voran Ravennas überzeitliche Kulturleistung ab dem 2.Jahrhundert, bis heute, die ihn  sprachlich veranlasst mit grosser lyrischer Wirkkraft statt der damals genutzten 'Steinstifte' (Mosaikteile) mit dieser Art der Bildschreibung in Figuren unserer Alltags-Welt zu verwandeln : ..Fotografin, Strassenbauarbeiter, Busfahrer, Reisende, Museumswächter, Dorfpolizist, Taucher, Forstarbeiter, Stahlkocher, Pizzabäcker, Schlachter, Ärztin, Kranke, Ornithologin, Maler, Primatologin, Kassiererin,  Liebespaar, Alleinstehende, Scheidender, Mauerbauer, ein Mann der Feder und ein Flüchtling, Soldat, Architekt, Dolmetscherin, Richter, Pfarrer, Gefängniswärter, Säulenheilige, Philosoph, Souffleuse, Schausteller, Schriftstellerin und eine Rückenschwimmerin ). Durchspickt wird diese bunte Menschenreihe mit Gleichnissen und dem Zeitraumumfeld*. Es geht um Gedankenlyrik  philosophischer Hochtrapezform. Und die Quintessenz: ' Die Kunst an nichts zu glauben bedeutet für Schrott - 'das absolute wirkt im nichts. Wir stimmen zu: es ist das Unum** / Dao statt Dada. m+w.p16-2
**)
http://www.kultur-punkt.ch/diskurs-platon-akademie-4-pa4/pa4-aktuell.html

Weitere Stimmen
Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.12.2015
Burkhard Müller scheint fasziniert von Raoul Schrotts "Kunst an nichts zu glauben", die nicht weniger will, als das gesamte melancholische Weltbild lyrisch und philosophisch zu umkreisen. Dafür führt Schrott jedes einzelne seiner eigenen Gedichte mit einer kurzen Passage aus der legendenumwobenen Schrift des im Jahre 1574 auf dem Scheiterhaufen verbrannten atheistischen Freigeists Geoffroy Vallee ein, informiert der Kritiker. Wie Schrott seine gottverlassene Welt aus der Sicht von Dorfpolizisten, Kassiererinnen, Bauarbeitern oder Souffleusen beschreibt und seine Idee einer "tapferen Trauer" vorträgt, gefällt dem Rezensenten ausgesprochen gut. Und auch die Entscheidung, die Gedichte in die Form füllungsfreier Knittelverse aus dem 16. Jahrhundert zu fassen, hat Müller überzeugt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.11.2015
Nein, den Atheisten nimmt Rezensent Harald Hartung Raoul Schrott nicht ganz ab. Zu sehr raunt es metaphysisch in den Reflexionen und Gedichten in diesem Buch. Die Momentphilosophien des Autors zur Gottesfrage findet Hartung impressionistisch und zahm und insgesamt wenig überzeugend. Besser gefallen ihm Schrotts lyrische Versuche, wenngleich sie recht prosaisch daherkommen und Reimen als Sahnehäubchen bzw. Pfefferkörner begegnen. Den ganzen Klimbim um eine angeblich authentische obskure Schrift aus Ravennas Biblioteca Classense hätte sich der Autor jedenfalls sparen können, findet der Rezensent.