Peter Waldmann (Hg.) : Determinanten des Terrorismus

Diskurs Aktuell A-Z > T
Terrorismus - Determinanten
da-velbrueck116-10terrorismus


Online-Publikation: Oktober 2016  im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Peter Waldmann (Hg.) :  Determinanten des Terrorismus  >>
240 Seiten, broschiert ; ISBN 978-3-934730-01-4; 25,90 EUR
Dieser Titel ist auch im Verlag Humanities Online als E-Book erhältlich: http://www.humanities-online.de
Velbrück Wissenschaft, D-53919 Weilerswist-Metternich; http://www.velbrueck-wissenschaft.de;


Fazit, vorangestellt
Die Forschungsergebnisse des hervorragenden Autorenteams basieren auf Referaten, Diskussionen und internationale Tagungen. Ein hochdifferenziertes wie  systematisches Vorgehen prägt die Studie. Sie zeigt das ganze Ausmass wie Hintergründe und Wirkweise des Terrorismus.
Die vorliegende Ursachenforschung  weist die Art und Weise der  Radikalisierung aus - von den Neuankömmlingen im Gastland den Fremden in der Fremde ( Traumas des Weggangs , Kulturschock und Entfremdung im Aufenthalt).
Diese wertvolle Analyse zeigt die Radikalisierungsprozesse auf und gibt auch alternative Verhaltensweisen zum Terrorismus preis.
Quintessenz: Stetig geführter öffentlicher Diskurs, der sich bis zum nachbarlichen Einzelverhalten vollzieht, trotz der steten Gefahr, selbst Opfer zu werden. Doch - Leben beinhaltet im Prinzip immer das Risiko dem Tod zu begegnen, auch ohne Terrorismus. m+w.p16-10


Inhalt
 Diese vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung initiierte Studie richtet den Blick auf die Determinanten der Entstehung und Entwicklung terroristischer Organisationen. Wenngleich eine der Ausgangsfragen war, inwieweit Armut, soziale Ungleichheit und Analphabetismus in der Dritten Welt als mögliche Ursachen der Welle religiösen Terrorismus in Frage kämen, die in den Anschlägen vom 11. September 2001 gipfelte, wurden alsbald weitere Erklärungsfaktoren, insbesondere organisationsinterne Determinanten terroristischen Handelns in die Analyse mit einbezogen.
 Denn will man erfahren, wie es zur Bildung terroristischer Verbände und zur ständigen Neurekrutierung von Mitgliedern für sie kommt, so bleibt einem nichts anderes übrig, als sich auf die Ebene dieser Verbände und der einzelnen Terroristen selbst zu begeben: zu versuchen herauszufinden, aus welchem sozialen Milieu diese stammen, welche sukzessiven Schritte sie zu der Gewaltorganisation führten, aus welchen Motiven sie die Konfrontation mit dem Staat und der Gesellschaft suchen, warum sie die Strapazen eines Lebens im Untergrund auf sich nehmen, sich nicht scheuen, gegebenenfalls auch Unschuldige zu töten oder mit in den Tod zu reißen usf. Kurzum, es geht darum, die Vorstellungs- und Lebenswelt der terroristischen Akteure zu verstehen.
 In den einzelnen Untersuchungen wird prozessualen Aspekten der Vorrang vor einer statischen Analyse eingeräumt; das heißt, der Akzent wird auf sukzessive Entscheidungen der Akteure und Gruppen in Schlüsselsituationen gelegt, die den Gewaltkurs intensivieren oder abschwächen können. Dabei wird dem terroristischen Handeln prinzipiell eine bestimmte Rationalität zugestanden. Selbstredend handelt es sich dabei nicht um jene Rationalität, die man von sozialen Akteuren allgemein in »normalen« Situationen erwartet. Diese Rationalitätsprämisse findet auch ihren Niederschlag in der Behandlung des religiösen Terrorismus. Die Teilstudien sind von dem durchgehenden Bemühen geprägt, diesen zu demystifizieren und zu entdramatisieren, indem sie zeigen, daß selbst die Mehrzahl der gemeinhin als fundamentalistisch bezeichneten religiösen Bewegungen primär handfeste Interessen in dieser Welt verfolgt.
 Der Beitrag von Heinrich-W. Krumwiede ist eher strukturell ausgerichtet. Alle anderen Teilstudien konzentrieren sich auf die Gewaltakteure und ihr soziales Umfeld. Stefan Malthaner untersucht die Beziehung zwischen den Terroristen und ihren angeblichen und tatsächlichen Sympathisanten, ihrem »Unterstützungspotential«. Peter Waldmann geht auf das Zeitverständnis terroristischer Gruppen und generell die zeitliche Dimension des Terrorismus ein. Hamed Abdel-Samad schließlich befasst sich mit einem Teilaspekt der räumlichen Dimension des Terrorismus, nämlich der Gefährlichkeit der islamischen Diaspora in der BRD.


Inhaltsverzeichnis »
Peter Waldmann
Einleitung:
Determinanten der Entstehung und Entwicklung terroristischer Organisationen
Heinrich-W. Krumwiede
Ursachen des Terrorismus
1. Analyseansatz
a) Definition von »Terrorismus«
b) Bedingungen der Entstehung und Entwicklung von Terrorismus
2. Zur Ursachenanalyse des »reinen Terrorismus«: Die RAF als Studienobjekt
3. Guerilla und Terrorismus
a) Zur »klassischen Guerilla«
b) Die Tupamaros
c) Der Sendero Luminoso
4. Bürgerkriege und Terrorismus: Bemerkungen unter Bezug auf den Libanon und das
ehemalige Jugoslawien
5. Moderne Revolutionen und Terrorismus: Algerien, Iran, Nicaragua und die Philippinen im
Vergleich
6. Religion und Terrorismus
a) Der islamische Fundamentalismus: »Bedingungsfaktor« für Terrorismus?
b) Fallanalysen (Iran und Algerien)
Resümee und Perspektiven
Waldmann, Determinanten des Terrorismus © Velbrück Wissenschaft 2005
Stefan Malthaner
Terroristische Bewegungen und ihre Bezugsgruppen. Anvisierte Sympathisanten und
tatsächliche Unterstützer
1. Terroristische Bewegungen und ihre Bezugsgruppen
a) Die Perspektive der Akteure
b) Bezugsgruppen und tatsächliche Unterstützung
c) Aufbau, Thesen und Fallauswahl
2. Ethnisch-nationalistischer Terrorismus: Die Verteidigung der eigenen Gemeinschaft
a) Bezugsgruppen ethnisch-nationalistischer Terroristen
b) Interaktionsmuster
c) Resümee
3. Sozialrevolutionärer Terrorismus: Die Revolution im Namen einer »als interessiert
unterstellten« Drittgruppe
a) Bezugsgruppen sozialrevolutionärer Terroristen
b) Interaktionsmuster
c) Resümee
4. Religiöser Terrorismus: Die Verteidigung und Erneuerung der religiösen
Gemeinschaft
a) Bezugsgruppen und Ziele religiöser Terroristen
b) Der Prozeß der Nationalisierung im Fall der libanesischen Hizbollah
c) Die »religiös-revolutionäre« Variante im Fall des al-Dschihad
d) Resümee
e) Der Ausnahmefall: militante Sekten
5. Internationaler Terrorismus und seine Bezugsgruppen
a) Internationaler Terrorismus der PLO zur Beeinflussung der Weltöffentlichkeit
b) Globaler Terrorismus: Al Qaidas Bezug auf die Weltgemeinschaft der Muslime
6. Zusammenfassung
Waldmann, Determinanten des Terrorismus © Velbrück Wissenschaft 2005
Peter Waldmann
Die zeitliche Dimension des Terrorismus
Vorbemerkung
1. Zeitpunkte, Zeitschübe, Zeitstrategien
a) Schlüsselereignisse
b) Mobilisierungsschübe
c) Die strategische Alternative : Guerilla oder Terrorismus
2. Zielvision und Zeitverständnis der Hauptformen des Terrorismus
a) Die Geschichte wiederholt sich
b) Die Revolution erzwingen
c) Außergewöhnliche Zeiten erfordern extreme Maßnahmen
3. Die terroristische Organisation in der Zeit
a) Lebensdauer
b) Beendigung oder Transformation
Zusammenfassung
Hamed Abdel – Samad
Radikalisierung in der Fremde – Muslime in Deutschland
Vorbemerkung
1. Problemstellung, Hypothesen, Forschungsdesign und Vorgehensweise
2. Überprüfung von Attentäter-Biographien im Hinblick auf Faktoren, die möglicherweise zur
Radikalisierung beitrugen
a) Persönlichkeitsstrukturen
b) Empfänglichkeit für Radikalismus aufgrund der Bedingungen in der Heimat
c) Doppelte Entfremdung und Marginalisierung
d) Emotionale und soziale Isolierung
e) Die Nähe zu einer radikalen Gruppe oder einem charismatischen Führer
f) Anwerbung, Rekrutierung und Trainingslager
g) Die Rolle der Religion: Ist die »Radikalisierungsthese« berechtigt?
Waldmann, Determinanten des Terrorismus © Velbrück Wissenschaft 2005
3. Ergebnisse der Interviews: Migrationsspezifische Identitätsprobleme und
Radikalisierungsprozesse
a) Zur Situation der Befragten und ihrer auf den Westen und Deutschland bezogenen
Deutungsmuster
b) Die Konfrontation mit der westlichen Moderne in der Heimat
c) Kulturschock und Entfremdungsprobleme muslimischer Immigranten in Deutschland
d) Zwischenfazit: Potentielle Implikationen für den politischen Radikalisierungsprozess
4. Annahmen auf dem Prüfstand
a) Die Rolle der Religion (Ergebnisse der Interviews)
b) Islamische Gemeinden und Organisationen in Deutschland und das Problem der
Gewaltrhetorik
c) Die Generationenfrage
d) Einschätzung der Terrorismusgefahr in der Bundesrepublik
Resümee und Vorschläge für integrationspolitische Maßnahmen zur Vorbeugung des
Radikalismus bei Muslimen
 
HERAUSGEBER
Peter Waldmann, geb. 1937, ist Professor em. für Soziologie an der Philosophischen Fakultät I der Universität Augsburg. Arbeitsschwerpunkte: Kriminalsoziologie und Soziologie des abweichenden Verhaltens; Entwicklungssoziologie, vor allem bezogen auf Lateinamerika; ethnische Konflikte, Minderheitenprobleme, Nationalismus; Politische Soziologie, insbes. autoritäre Regime, aufständische Gewalt und Unterdrückungsgewalt; Rechtssoziologie, formelle und informelle Normensysteme, Situationen der Regellosigkeit (Anomie).
Link zum Herausgeber »

REZENSIONEN
»Seit dem 11.9.2001 erscheint zum Thema Terrorismus bständig neue Literatur, aus welcher der vorliegende Sammelband heraussticht. Vor allem deshalb, weil er ein dringendes Desiderat der Forschung erfüllt. Mittels eines mikrosoziologischen Forschungsansatzes beleuchten die Autoren die Hintergründe und Tiefenstrukturen des Terrorismus.(..) Der Sammelband ist (...) ein Muss für jeden, der sich wissenschaftlich mit dem Thema Terrorismus auseinandersetzt.«
Beiträge zur Internationalen Politik und Sicherheit Nr. 01/2007, Frank Sauer

»Für das Buch wurden in erster Linie die Ergebnisse der Forschergruppe, Referate, Diskussionen und internationale Tagungen herangezogen. Diese aktuelle Studie fördert neue Aspekte über das Wirkgefüge des Terrorismus zu Tage und liefert die Basis für Überlegungen zu Gegenmaßnahmen. Das Buch ist jedem mit der Materie Befassten zu empfehlen und bietet dem interessierten Leser tiefe Einblicke zum Verständnis des Terrorismus.«
W. Unger, Österreichische Militärzeitschrift (ÖMZ), Juni 2006

»Die Studie räumt mit einer Reihe von Simplifizierungen auf. (...) Komplettiert wird der Band durch Ausführungen zur zeitlichen Dimension des Terrorismus, die sich in seinen langfristigen Zielsetzungen grundsätzlich von dem durch Wahltermine bestimmten Denken der Politiker in Demokratien unterscheidet, und eine Analyse der Radikalisierungsprozesse unter jungen Muslimen in Deutschland.«
LB, Zeitschrift für Politikwissenschaft, 16. Mai 2006

»Die Autoren erweiterten diese Perspektive (Zusammenhang von Analphabetismus, Armut und Ungleichheit, Anm. der Redaktion) allerdings und fragten nach zusätzlichen Erklärungsfaktoren. Dabei entstanden analytisch und systematisch entwickelte Fallstudien mit einer Fülle beachtlicher Erkenntnisse.(...). Die Aufsätze des Sammelbandes unterscheiden sich in mehrfacher Hinsicht wohltuend von anderen Veröffentlichungen zum Terrorismus-Thema: Nicht nur die hohe Sachkenntnis und das systematische Vorgehen der Autoren, sondern auch deren analytisches Instrumentarium und die vergleichende Perspektive fallen positiv auf. Dabei werden auch weit verbreitete Auffassungen einer Analyse unterzogen und hinsichtlich ihrer einseitigen Persoeltive und irreführenden Annahmen kritisiert. Damit zerstört der Sammelband liebgewonnene Deutungsmuster und leistet einen Beitrag zur aufklärerischen Erkenntnis.«
Neue Politische Literatur, Armin Pfahl-Traughber, Jg. 50 (2005)

»Die Autoren um den Experten P. Waldmann gehen in dieser anspruchsvollen Studie differenziert vor und folgen 3 gemeinsamen Optionen: Sie treffen Definitionen, haben eine mikrosoziologische Sicht auf die Terrororganisationen und ihr Umfeld und untersuchen, ob es Alternativen zum Terrorismus bei der Durchsetzung der Ziele gegeben hätte, zumal die terroristischen Akteure reklamieren, für eine Ethnie, soziale Klasse oder religiöse Gemeinschaft zu handeln. Die Beiträge handeln von den möglichen Ursachen, vom Zeitverständnis, vom sozialen Umfeld und von der "Radikalisierung in der Fremde". (...) Für ein akademisch vorgebildetes Publikum.»
ekz Informationsdienst, Harald Pilzer, 36/05