Elmar Altvater: Das Ende des Kapitalismus, wie wir ihn kennen . Eine radikale Kapitalismuskritik

Online-Publikation: Februar 2009 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Elmar Altvater: Das Ende des Kapitalismus, wie wir ihn kennen . Eine radikale Kapitalismuskritik >>
240 Seiten -ISBN 3-89691-627-0 ; 14,90 € - SFR 26,80
Verlag Westfälisches Dampfboot, D-48155 Münster 2005; www.dampfboot-verlag.de

Inhalt
"Der Kapitalismus, davon bin ich ... überzeugt, kann nicht durch einen 'endogenen' Verfall zugrundegehen; nur ein äußerer Stoß von extremer Heftigkeit im Verein mit einer glaubwürdigen Alternative könnte seinen Zusammenbruch bewirken..." Dieses Wort des großen französischen Historikers Fernand Braudel begreift Elmar Altvater in seinem neuen Buch als Untersuchungsauftrag, als eine Herausforderung.
Die Dynamik der modernen Gesellschften verdankt sich der „Dreifaltigkeit“ von europäischer Rationalität der Weltbeherrschung, kapitalistischen sozialen Formen und fossilen Engerigen. Diese Buch legt Grundlagen einer solidarischen Ökonomie und ökologisch nachhaltiger Gesellschaft dar.
Der Kapitalismus, davon bin ich ... überzeugt, kann nicht durch einen 'endogenen' Verfall zugrundegehen; nur ein äußerer Stoß von extremer Heftigkeit im Verein mit einer glaubwürdigen Alternative könnte seinen Zusammenbruch bewirken..." Dieses Wort des großen französischen Historikers Fernand Braudel begreift Elmar Altvater in seinem neuen Buch als Untersuchungsauftrag, als eine Herausforderung, der er in vier Schritten Rechnung trägt. Zunächst stellt er die Entwicklungsdynamik von kapitalistischer Produktions- und Aneignungsweise in der Geschichte dar. Dabei geht es ihm auch um die Transformation der "geoökonomischen" Globalisierung in einen "geopolitischen" neuen Imperialismus und um Ursachen und Folgen einer neuen historischen Allianz von marktgläubigem Neoliberalismus und auf militärische Macht setzenden Neokonservativismus. Danach identifiziert er die "äußeren Anstöße von extremer Heftigkeit". Da kapitalistisches Wachstum wesentlich von fossiler und nuklearer Energie angetrieben wird, sind deren absehbare Begrenztheit und die desaströsen Folgen der Emissionen für die Natur des Planeten Erde ein Anstoß, der dem Kapitalismus wie wir ihn kennen, ein Ende bereiten kann. Innere Widersprüche finden vor allem in den Krisen der Finanzmärkte ihren Ausdruck. Die globalen Finanzmärkte sind nicht nur höchst instabil, auf ihnen spekulieren innovative Fonds mit neuen Finanzinstrumenten, um extrem, ja absurd hohe Renditen für Geldvermögensbesitzer zu Lasten breiter Bevölkerungsmassen herauszuschlagen. Man wird sich also angesichts dieser äußeren und inneren Grenzen des Kapitalismus (wie wir ihn kennen) auf die intellektuelle und zugleich politisch-praktische Suche nach den im Innern der Gesellschaft heranreifenden "glaubwürdigen Alternativen" machen müssen. - Und es gibt sie: die Ansätze der Praktizierung von Solidarität und Nachhaltigkeit überall in der Welt, besonders aber in den lateinamerikanischen Ländern, die von den Finanzkrisen des vergangenen Jahrzehnts hart in Mitleidenschaft gezogen wurden. Der Autor zeigt, dass eine solidarische Ökonomie nur mit erneuerbarer Energie funktionieren wird und umgekehrt erneuerbare Energien nur dann breit angewendet werden können, wenn die Ökonomie solidarisch organisiert wird. Solidarität und Fairness verlangen eine neue Art der politischen Regulation auf lokaler, nationaler und globaler Ebene

Fazit
Elmar Altvater rät in seiner umfassenden Analyse " Das Ende des Kapitalismus, wie wir ihn kennen " und seiner radikalen Kapitalismuskritik abschliessend zum Nachdenken über Alternativen, bei der genauen Beobachtung der Transaktionen innerhalb des gesellschaftlichen Naturverhältnisses und dabei werden wir auf die nützlichen Instrumente der politischen Ökonomie und der thermodynamischen Ökonomie nicht verzichten können. Und wir setzen anders als Altvater weniger auf eine "konkrete Utopie" mehr auf eine "realisierfähige Vision" , die Profit, Sozialabbau und Umweltzerstörung in den Griff bekommt. w.p.09-2
Erweiternder Diskurshinweis: www.kultur-punkt.ch/akademie4

Klaus Woltron: Die Perestroika des Kapitalismus. Ein Aufruf zum Systemwechsel

Online-Publikation: Februar 2009 im Internet-Journal <<kultur-punkt>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Klaus Woltron: Die Perestroika des Kapitalismus. Ein Aufruf zum Systemwechsel >>
208 Seiten, 140x220 Klappenbroschur, ISBN: 9783701731312; EUR 17,90 / sFr 32,00
Residenz Verlag, A-3100 St. Pölten 2008, www.residenzverlag.at;  

Inhalt
Frisst das Kapital seine Kinder? Wohin steuert die Wirtschaft und wie können wir ihren Kurs ändern?
Die jüngste Finanzkrise zeigt es überdeutlich: Der Kapitalismus ist an seine Grenzen gestoßen, das neoliberale System befindet sich im Wandel. Selbst die überzeugtesten Anhänger der freien Wirtschaft erkennen, dass sie ihre Strategien überdenken müssen, und rufen den Staat zu Hilfe.
Aber nicht nur Spekulation und Betrug haben den Neoliberalismus unterminiert. Die Wurzeln der Krise liegen viel tiefer: in der Natur des Menschen, alle Grenzen überschreiten zu wollen; dem ungeregelten globalen Wettbewerb; in der rastlosen Ausbeutung der Ressourcen. Das Problem ist erkannt, doch die weltweite Diskussion über Lösungsmöglichkeiten hat den Charakter eines Glaubenskrieges angenommen, ohne bislang überzeugende Lösungsangebote bieten zu können.
Statt Untergangsszenarien zu beschwören, bringt Klaus Woltron Licht in das Dickicht der Wechselwirkungen, zeigt wirksame Gegenstrategien auf und prüft sie auf ihre praktische Umsetzbarkeit: Wie lässt sich ein neues Gleichgewicht herstellen? Wie können die Fehlentwicklungen des Kapitalismus und der Globalisierung ausgeglichen werden, ohne zum totalen Zusammenbruch des Systems zu führen? Auch ein freies Spiel der Kräfte braucht weltweit gültige, klare Regeln. Die Systemkrise muss die Chance sein, um einen Systemwechsel herbeizuführen.
Aus seiner klugen Analyse der Mechanismen des Marktes und der wirtschaftlichen, politischen, gesellschaftlichen Zusammenhänge entwickelt der Autor sinnvolle Maßnahmen für einen umwälzenden und gleichzeitig friedlichen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft. Seine „Empfehlungen für Verantwortungsträger

Autor
Klaus Woltron
geboren 1945 in Wels (OÖ), studierte Metallurgie und absolvierte eine Karriere als Techniker und Manager, die ihn an die Spitze international tätiger Konzerne führte. Heute ist er Besitzer einer Beteiligungsholding, Mitglied in Aufsichtsräten im In- und Ausland und Autor zahlreicher Beiträge in Presse, Funk und Fernsehen, in denen er für mehr Ethik in der Wirtschaft und langfristiges Denken plädiert. Lebt in Ternitz (NÖ).

Fazit
Klaus Woltron ist mit seinem Diskursbuch " Die Perestroika des Kapitalismus" ein Aufruf zum Systemwechsel gelungen, im Minimum in seiner Streitschrift. Sie beinhaltet: "das liebe Geld, die Zwiespältigkeit des Kapitalismus, die Tektonik der Macht, ... Spekulation und Finanzkrisen, ... die Tragik der Demokratie, den Neoliberalismus als Wurzel alles Übels, Peristroika als Zähmung", fordert die Verantwortungsträger auf den Paradigmawechsel voranzutreiben, plädiert hoffnungsfroh für ein neues Miteinander in Solidarität und ökologischer Vernunft mit Altruistik und persönlicher Verantwortung. Wünschen wir uns mit Woltron, es werde sich so entfalten. w.p.09-2

André Comte-Sponville: Kann Kapitalismus moralisch sein?

Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< André Comte-Sponville: Kann Kapitalismus moralisch sein? Aus dem Französischen von Hainer Kober >>
detebe 24063 Broschur, 336 Seiten; ISBN 978-3-257-24063-4; € (D) 11.90 / (A) 12.30, sFr 19.90
Diogenes Verlag AG, Zürich; www.diogenes.ch

Inhalt
Aus dem Kalten Krieg ist 1989 der Kapitalismus als Sieger hervorgegangen. Doch wozu war dieser Sieg gut? Und was ist seither aus dem Sieger geworden?
Kann Kapitalismus moralisch sein? Diese Frage geht uns alle an. Und zwar nicht nur in Zeiten der Rezession. Denn ob wir es wollen oder nicht: Mit unserer Arbeit, unseren Wertschriften und Bankkonten und mit unserem Konsum sind wir Teil eines ökonomischen Systems, das die einen zu Gewinnern, die anderen zu Verlierern macht. André Comte-Sponville geht den unterschiedlichen Einstellungen zum Thema Unternehmungsführung nach und unterzieht die Mechanismen der Wirtschaft sowie der Moral einer Analyse. André Comte-Sponville stellt die brisanten und fundamentalen Fragen.

Stimmen
»André Comte-Sponville geht eine ganze Reihe von aktuellen ökonomischen Fragen an, oft humorvoll und immer klar und anschaulich. Als Philosoph versucht er, der Wahrheit, die sich hinter dem Zeitgeist und den Modeströmungen verbirgt, auf die Spur zu kommen. Das alles macht dieses Buch interessant für jeden!«Le Monde

Autor
André Comte-Sponville (* 12. März 1952 in Paris) ist ein französischer Philosoph. Er war bis 1998 Professor an der Sorbonne und arbeitet heute als freier Schriftsteller.
http://de.wikipedia.org/wiki/Andr%C3%A9_Comte-Sponville

Fazit
Der zeitgenössische Philosoph Comte-Sponville ver/führt uns denkend wie fühlende Zeitgefährten mittels der direkten Ansprache zum Weiterfragen in seinem Diskursbuch "Kann Kapitalismus moralisch sein?" Er sieht Politik und Tragik aneinander gekettet und hält es mit Freud, dass die Welt keine Kinderstube ist. Unter Tragik meint er, dass unsere unbefriedigende Wirklichkeit im Denken nicht ausgeklammert wird und Mut wie Erkenntnis gleichermassen voraussetzt. Seine utopisch-ironische These: "Wäre die Ethik eine Profitquelle,...wir brauchten keine Arbeit, keine Unternehmen, keinen Kapitalismus". Wir haben diesen nun mehr als weniger!? Ein sehr eindrücklicher Diskurs. m+w.p11-8

Michael Opoczynski: Die Blutsauger der Nation - Wie ein entfesselter Kapitalismus uns ruiniert

 

W+B Agentur-Presseaussendung Januar 2008
Buchbesprechung
<< Michael Opoczynski: Die Blutsauger der Nation - Wie ein entfesselter Kapitalismus uns ruiniert - Ist der Kapitalismus noch zu zähmen?>>
272 S., Klappenbroschur, ISBN: 3-426-27380-2, ISBN-13: 978-3-426-27380-7; EUR (D) 16,90,
Droemer Knaur - München 2005; www.knaur.de

Inhalt
WISO-Moderator Michael Opoczynski nennt Ross und Reiter. In einer scharf formulierten Streitschrift zeigt er, wie entfesselte Kapitalisten das Land hemmungslos zugrunde richten.
Was ist dran an der Kapitalismus-Debatte? Mit dem objektiven Blick und dem kühlen Verstand des Wirtschaftsjournalisten analysiert Michael Opoczynski die herrschenden Verhältnisse. Seine Nahaufnahme der Wirtschaft belegt: Rücksichtsloses Renditestreben, überzogene Managergehälter, gezielte Arbeitsplatzvernichtung, fehlende Unternehmensethik – das sind die unbestreitbaren Symptome einer massiven Fehlentwicklung, die nicht nur zur Entmenschlichung unserer Gesellschaft führt, sondern letzten Endes auch in den ökonomischen Ruin.
Ein faktenreiches, leidenschaftliches Buch, das den Brutalo-Kapitalisten die Leviten liest – zugleich ein engagiertes Plädoyer für die Umkehr zu einer verantwortlichen und sozial fundierten Wirtschaft.

Autor
Michael Opoczynski
ist als Leiter und Moderator der ZDF-Sendung WISO, die jeden Montagabend Millionen von Menschen vor den Bildschirm lockt, Deutschlands bekanntester Wirtschaftsjournalist. Unter seiner Regie ist WISO zu einem kritischen Verbrauchermagazin geworden, das bereits zahllose Missstände und Skandale aufgedeckt hat und über seine mediale Vernetzung zu den Leitmedien der Wirtschaft zählt. Geboren wurde er 1948 in Berlin, er studierte Politikwissenschaft in Frankfurt a.M. und war dann Assistent beim späteren Bundesfinanzminister Hans Matthöfer. Seit 1980 ist er beim ZDF, 1986 wurde er Redakteur beim Magazin WISO, dessen Leitung er 1992 übernommen hat.

Fazit
Michael Opoczynski sagt es mit Elan und Deutlichkeit in seinem Buch "Die Blutsauger der Nation" - wie ein entfesselter Kapitalismus uns ruiniert und ob der Kapitalismus noch zu zähmen ist. Zugleich werden Wege aufgezeigt wie eine sozial ambitionierte und gerechte Ökonomie entstehen und verwirklicht werden kann

 

Sahra Wagenknecht : Freiheit statt Kapitalismus . Was zählt, ist der Mensch

Online-Publikation: Mai 2013 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Sahra Wagenknecht : Freiheit statt Kapitalismus . Was zählt, ist der Mensch >>
400 Seiten; ISBN 978-3-423-34783-9; EUR 12,90 [D] 13,30 [A] SFR18,90 [CH]
Deutscher Taschenbuch Verlag, München; www.dtv.de

Inhalt
Wettbewerb oder Leistung sind nicht mehr die zentralen Merkmale und Perspektiven unserer Wirtschaft, so die Autorin. Wenn Ökonomie die Kunst des Anreizesetzens ist, wirken heute die falschen, denn sie belohnen abstrakte Renditeziele und Jobvernichtung statt Erhalt und Ausbau von Arbeitsplätzen, Umweltschonung und Unternehmenswachstum. Sahra Wagenknecht nimmt die Theoretiker der Sozialen Marktwirtschaft wie Walter Eucken und Ludwig Erhard beim Wort und beschreibt es als dringlichste Herausforderung an die Wirtschaft, wieder produktiv und innovativ zu sein. Denn es muss nicht nur gerechter verteilt werden, es muss auch wieder mehr zu verteilen geben

Autorin
Sahra Wagenknecht, geboren 1969 in Jena, ist Politikerin und Publizistin. Sie ist Mitglied der Partei Die Linke. Von Juli 2004 bis Juli 2009 war sie Mitglied des Europaparlaments. Seit Oktober 2009 ist sie Abgeordnete des Deutschen Bundestages, seit Mai 2011 stellvertretende Parteivorsitzende und seit November 2011 Vize-Vorsitzende ihrer Fraktion. 2012 hat sie ihre Dissertation ›The Limits of Choice. Saving Decisions and Basic Needs in Developed Countries‹ erfolgreich abgeschlossen. Diverse Veröffentlichungen, zuletzt: ›Wahnsinn mit Methode - Finanzcrash und Weltwirtschaft‹ (2008).
http://de.wikipedia.org/wiki/Sahra_Wagenknecht

Fazit
Das Zitat von Roger de Weck (1) trifft es im Kern, darin heisst es: "Der flexible Mensch, den der Turbokapitalismus miss*braucht, ist überall, nur nicht bei sich." Diese Sichtweise findet
sich konzentriert im Diskursbuch von Sahra Wagenknecht "Freiheit statt Kapitalismus" widerspiegelt . Und sie fügt schlussfolgernd hinzu, dass dieser Kapitalismus zum wichtigsten Hinderungsgrund geworden ist . Daher gilt heute immer noch : "Was zählt, ist nicht* der Mensch".
Das Diskursbuch gibt in glasklarer Sprache Auskunft über vergessene Ideale, die Eurokrise und unsere Zukunft. Auch die zu recht anvisierte Utopie fehlt darin nicht: Kreativer Sozialismus ist einfach, produktiv und gerecht. Aber die Vermögen werden derzeit "hinter" den Schulden verwahrt. Der Ausweg wird von Wagenknecht in der Umverteilung der Einkommen von oben nach unten gesehen. Dieser Hintergrund charakterisiert die reale Nichtutopie, die als Monster den Ausweg versperrt. Wagenknecht hält dagegen: "Kreativer Sozialismus hat sich von der Idee des planwirtschaftlichen Zentralismus verabschiedet. Er will "mehr Wettbewerb (statt mono- und oligo-polen Pseudowettbewerb), nicht weniger, in Richtung Marktwirtschaft ohne Kapitalismus und Sozialismus ohne Planwirtschaft". Diese visionär-utopischen Sichtweise ist zukunftsoffen, weil geistig erhellend zuzustimmen. m+w.p13-5<*=Einfügungen in Zitaten

(1) http://de.wikipedia.org/wiki/Roger_de_Weck

Hans-Ulrich Wehler : Die Deutschen und der Kapitalismus

..Online-Publikation: Februar 2014 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
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<< Hans-Ulrich Wehler : Die Deutschen und der Kapitalismus . Essays zur Geschichte >>
(Beck`sche Reihe: bsr;6137) : 174 S . Broschiert . ISBN 978-3-406-65945-4 . 14,95 €
Verlag C. H. Beck; 80703 München ; www.chbeck.de http://www.facebook.com/CHBeckLiteratur

Inhalt
Hans-Ulrich Wehler hat mit seinem Buch „Die neue Umverteilung. Soziale Ungleichheit in Deutschland“ im vergangenen Frühjahr Stoff für Diskussionen geliefert und einen Bestseller vorgelegt. Der Historiker, dessen Deutsche Gesellschaftsgeschichte zu den herausragenden Werken der jüngeren Geschichtsschreibung gehört, versammelt in regelmäßigen Abständen seine wichtigsten Essays und Aufsätze. Einen Schwerpunkt des neuen Bandes bildet die Frage nach den historischen Erfahrungen der Deutschen mit dem Kapitalismus. Aber auch die Sarrazin-Debatte, die Zukunft der Sozialgeschichte und ein kritischer Rückblick auf die Generation 45 gehören zu den Themen, denen sich Wehler diesmal widmet.

Autor
Hans-Ulrich Wehler, geb. 1931, war bis zu seiner Emeritierung Professor für Allgemeine Geschichte an der Universität Bielefeld.
Geboren am 11. September 1931 in Freudenberg bei Siegen, ist ein deutscher Historiker. Seine fünfbändige Deutsche Gesellschaftsgeschichte zählt zu den Standardwerken der deutschen Geschichtsschreibung für die Zeit von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis 1990.
http://de.wikipedia.org/wiki/Hans-Ulrich_Wehler

Fazit
Der emeritierte Professor für Allgemeine Geschichte Hans-Ulrich Wehler hat mit seinen 20 hervorragenden Essays in seinem Buch zur Geschichte " Die Deutschen und der Kapitalismus" den Nagel auf den Kopf getroffen und kassandrische in die Wand der Zeit geschlagen. Sein Blick richtet sich auf den Nachfolger Kants, auf Christian Jacob Kraus, der Adam Smith bereits 1776 übersetzte und damit den 'Wohlstand der Nationen' (Kapitalismus pur) einflussreich machte.
Im folgenden kommt er auf das Hitlerregime fragend zu unüberlegt, ob es sich um eine charismatische Herrschaft oder ein manipulierte Propagandaprodukt handelt. Beides wohl. Schliesslich widmet sich Wehler der aktuellen Sozialgeschichte (... Spiegelaffäre, Sarazin-Debatte, Fritz Stern, die Mauer und danach, Alys Irrweg...) und im Kern kommt er auf die neue wachsende Ungleichheit innert der neuen Umverteilung in Deutschland, zu sprechen, wobei der 'Sozialneid' und das 'auserwählte Volk auf jüdischer als auch auf nazistischer Seite' eine sozio-pathologischer Dauerbrenner sein kann und sein wird. Er schliesst mit der unbewältigten Reformfähigkeit (Angst vor Endlichkeit? wie bei F. Zorn, CH) der Bundesrepublik, was zum End-Spiel neigen kann. Dem ist voll zuzustimmen. m+w.p14-2

 

Paul Nolte: Riskante Moderne . Die Deutschen und der neue Kapitalismus

Online-Publikation: Juli 2008 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
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<< Paul Nolte: Riskante Moderne . Die Deutschen und der neue Kapitalismus >>
313 S.: In Leinen; ISBN 978-3-406-54084-4; 19,90 €
C.H.Beck'Verlagsbuchhandlung, München, 2006; http://rsw.beck.de

Mehr zum Buch
Der Traum von der Postmoderne ist endgültig ausgeträumt: Das Leben im 21. Jahrhundert wird nicht immer bequemer, lässiger, freier, sondern anstrengender. Das liegt weniger an Terrorgefahr und neuen Kriegen als an jenen Spannungslinien, die wir im Innenraum unserer Gesellschaft verspüren – und selber produzieren: von der demographischen Krise zur Massenarbeitslosigkeit, von der Bildungsmisere bis zur Scheu vor Innovationen. Staunend stellen wir fest, daß anderswo – von China über Osteuropa bis Nordamerika – jene Moderne weiter vorwärtsdrängt, die wir in Deutschland immer wieder einzuhegen und stillzulegen versucht haben. Aber klar ist heute auch: Die Dynamik dieser Moderne führt nicht in das konfliktfreie Paradies. Wohlstand und Risiko gehören mehr denn je zusammen – das ist das Kennzeichen der „riskanten Moderne“.
Paul Nolte, der sich mit Generation Reform als einer der wichtigsten Vordenker des gesellschaftlichen Wandels in Deutschland etabliert hat, analysiert die Wege und Irrwege einer Gesellschaft, die auf praktisch allen Feldern ihr Handeln einer veränderten Realität anpassen muß – im Verhältnis der sozialen Klassen, der Generationen und der Geschlechter zueinander ebenso wie in den globalisierten Strukturen von Kapitalismus, Erwerbsarbeit und Mobilität. Sein Konzept der Investiven Gesellschaft stellt auch eine neue Ordnung der Werte jenseits des Konsums zur Diskussion. Es bietet Stoff für die dringend notwendige intellektuelle Debatte über die langfristigen Ziele unserer Gesellschaft.

Autor
[Prof. Dr.] Paul Nolte, geb. 1963 in Geldern. Professor für Neuere Geschichte/Zeitgeschichte an der Freien Universität Berlin.
Studium der Geschichtswissenschaft und Soziologie in Düsseldorf, Bielefeld und Baltimore, Md.; German Kennedy Memorial Fellow, Harvard University, 1993/94; Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin 1998/99.
Arbeitsschwerpunkte: Derzeitige Arbeitsgebiete u.a.: Geschichte der Marktgesellschaft im 19. Jahrhundert; Geschichte von Intellektuellen und politischen Ideen im 20. Jahrhundert.
Veröffentlichungen: Buch- und Aufsatzveröffentlichungen zur deutschen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, zur US-amerikanischen Geschichte und zu Theoriefragen der Geschichtswissenschaft; Essays und Rezensionen in diversen Zeitungen und Zeitschriften.

Fazit
Paul Nolte führt in seinem Buch " Riskante Moderne - Die Deutschen und der neue Kapitalismus" aus, dass Wohlstand zugleich Risiko, auf dem Weg zugleich Irrweg zu globalisierten Strukturen beinhaltet und damit auch für die Deutschen vermehrte Anstrengungen und Stolpersteine auf den Krüppelpfaden der Zukunft auf sie warten. Nolte erwartet von ihnen mehr Selbstbewusstsein auf dem Weg zu einer Weltbürgergesellschaft - merito... w.p

George Soros: Die Krise des globalen Kapitalismus

48 zu Weltbürgertum+Finanzstrategie
W+B Agentur-Presseaussendung Januar 2000
<<George Soros: Die Krise des globalen Kapitalismus>>
Offen-refexive Gesellschaft in Gefahr. Aus dem Amerikanischen von Klaus Binder, Meinhard Büning, Tatjana Eggeling, Jeremy Gaines und Bernd Leineweber
Alexander Fest Verlag, Berlin, 300 S., 1998; DEM 39,80,- / CHF 37,- /ATS 291,- Bestellung über
www.s-fischer.de Verlag.
Der erfolgreichste Börsenspekulant der letzten 30 Jahre, George Soros, erklärt auf eine überzeugende, fesselnde und geradezu geniale Weise die Gesetze des globalen Raubkapitalismus, der die Beteiligten blind an eine selbstregulierende Kraft glauben und handeln lässt. Dabei führt er glänzende Argumente, auf der Grundlage Poppers Theorie, vor, die von der Instabilität des globalen kapitalistischen Weltfinanzsystems künden. Die Folgen sind äusserste soziale Ungerechtigkeit und Verelendung.
Er warnt vor dem grossen Kollaps, dass nicht nur Asien, oder Russland, auch Frankfurt, London und New York betroffen sein werden, wenn die bestehende Unein-sichtigkeit, seiner von ihm entwickelten Strategie gegenüber, anhält.
Im ersten Teil entwickelt er den begrifflichen Rahmen zu seiner These. Seine Schlüsselbegriffe umreisst er mit der Fehlbarkeit und offener Gesellschaft. Darüber hinaus baut er eine reflexive Geschichtstheorie auf, wobei die Finanzmärkte als Labor betrachtet, in dem er seine Theorie interaktiv zwischen Denken und Wirklichkeit gegenprüft. Er unterscheidet in diesem Vorgang zwei Arten von Fehlbarkeit, die eine ist offiziell-gemässigt, die andere persönlich-radikal. Auf letzere hat er sein Leben leitend ausgerichtet. Erstere entspricht dem kritischen Denken einer offenen Gesellschaft, das im Sinne Poppers
strukturiert ist. Insbesondere, abweichend von Popper, betrachtet Soros die radikale Fehlbarkeit als Eckstein seiner Weltsicht: Vollkommenheit und Unsterblichkeit sind unerreichbar. Kontinuität findet sich nur im Tod. Aber gerade, weil das Leben unvollkommen ist, liefert es
uns eine Chance und Raum, uns selbst und damit die Welt zu verbessern. Geradezu fasziniert meint er: Es macht
Vergnügen, Fehler zu finden.. das Haar in der Suppe..wer weiss wo der Fehler steckt, ist den anderen einen Schritt voraus. Im Unterschied zu Poppers rigorosem Prüfmodell in der Wissenschaft, ist der Wert einer Hypothese auf den Finanzmärkten mühelos am Ertrag zu messen.
Soros ist geradezu angetan von fehlerhaften finanziellen Hypothesen, sogenannten fruchtbaren Irrtümern, voraus-gesetzt er findet den Fehler und kann so rechtzeitig verkaufen. Denn die Ideengeschichte ist als Folge solcher Irrtümer zu bezeichnen, stellt er fest.
Um einen von ihm vorausgesagten Kollaps zu verhindern, fordert er den Rückfluss von Kapital aus der Periferie ins Zentrum zu stoppen. Dies bindet die Periferie dauerhaft an das Kapitalsystem und beruhigt so das Zentrum. Dabei müssen allerdings, auf dem Weg zu einer reflexiv-offenen Weltgesellschaft, der Markt und der sozial-gesell-schaftliche Wert rückgekoppelt werden. Es braucht dazu einen geopolitischen Realismus, der Altruimus und Kooperation, entgegen dem Raubkapitalismus, wieder-kehrt.
Dabei setzt Soros hinzu, dass es in einer offen-reflexiven Gesellschaft keine endgültigen Lösungen gibt, es braucht dazu aber universal-gültige Regeln für das Verhältnis Staat zu Gesellschaft, die die Rechte der Einzelnen schützen und garantieren, denn Staaten haben keine Prinzipien, nur Interessen. Soros schliesst, und wir schliessen uns ihm inhaltlich an, es sind offen-reflexiv agierende Führungskräfte erforderlich, die eine Koalition gleichgesinnter Staaten in einer offen-reflexiven Welt-gesellschaft entstehen lässt.

Alex Demirović / Christina Kaindl (Hrsg.) : Gegen den Neoliberalismus andenken

Online-Publikation: August 2012 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Alex Demirović / Christina Kaindl (Hrsg.) : Gegen den Neoliberalismus andenken . Linke Wissenspolitik und sozialistische Perspektiven >>
232 Seiten, Paperback, ISBN 978-3-89965-523-0; EUR 16.80
VSA - Verlag, D-20099 Hamburg : www.vsa-verlag.de

Überblick
Positionsbestimmungen gegen den Versuch, eine neoliberale Hegemonie zu verfestigen.

Inhalt
Sozialistische Intellektuellenpolitik, organisiertes Denken gegen Kapitalismus, Imperium und Reichtum findet in der Bundesrepublik an Gegen-Orten statt: in prekärer Ankopplung an wenige plurale Fachbereiche, als Selbstorganisation wie im Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, in gegenhegemonialen Think Tanks wie dem Institut für Gesellschaftsanalyse der Rosa Luxemburg Stiftung, in internationalen Dialogen und Vernetzungen linker Zeitschriften.

Rainer Rilling hat diese Orte über viele Jahre mitgestaltet, Verknüpfungen gestiftet. WeggefährtInnen nehmen seinen Übergang in den Unruhestand zum Anlass, die Vielfalt der Analysen und Kontroversen zu beleuchten und einige Fäden aufzunehmen.

HerausgeberIn-Team
Alex Demirović
lehrt z.Zt. Politische Theorie an der Technischen Universität Berlin. Er ist Mitglied im Vorstand der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Redaktion der Zeitschriften »Prokla« und »LUXEMBURG«, des Beirates des BdWi und des Wissenschaftlichen Beirats von Attac.
Christina Kaindl
ist leitende Redakteurin der Zeitschrift »LUXEMBURG«.


Inhaltsfolge
Heinz Vietze/Florian Weis
Rainer Rilling und die Rosa-Luxemburg-Stiftung –
Anstelle einer Einführung ........................................................................ 7
Michael Brie
Vor-, Nach- und Andersdenken – Zusammen-Denken .......................... 10
Georg Fülberth
Ein Verband ........................................................................................... 19
Torsten Bultmann
»Organisatorische Hülle einer Notwendigkeit…« ................................ 26
Rainer Rilling und der Bund demokratischer
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi)
Ulrich Brand
Kritische Intellektualität als komplexes Projekt ................................... 37
David Salomon
Die Intellektuellen, die Institutionen und die (Ohn)Macht ..................... 43
Zu Rainer Rillings Bestimmung des Intellektuellen
Lothar Peter
Für einen Typ der »Intellektuellen von unten« ....................................... 51
Wolfgang Fritz Haug
Don’t they do Empire? ............................................................................ 65
Für Rainer Rilling, Imperialitätsforscher
Elmar Altvater
Deepwater Fukushima .......................................................................... 71
Mario Candeias
Hello..., does anybody rule? ................................................................... 82
Die (Un)Fähigkeit der herrschenden Klassen
und führenden Gruppen
Dieter Klein
Entkopplungen –
Aktuelle Erinnerungen an eher kuriose Erlebnisse ............................. 101
Richard D. Wolff
Die Geschichte zweier Plünderungen der US-Wirtschaft ................... 109
William K. Tabb
Amerikaner haben Rainer Rilling lange nicht zugehört,
aber nun tun es 99% ............................................................................ 114
Barbara L. Epstein
Was ist mit der amerikanischen Linken geschehen? .......................... 133
Manfred Lauermann
Common Sense als revolutionäre Denkweise:
Kissinger mit Nixon in der V.R. China .................................................. 149
Alex Demirović
Drei Sinngeneratoren:
Kapitalismus – Demokratie – Sozialismus .......................................... 156
Hans-Jürgen Urban
Mosaiklinke Akteure und Aufgaben im volatilen
Finanzmarkt-Kapitalismus ................................................................... 169
Richard Detje/Horst Schmitthenner
Wirtschaftsdemokratie neu einbringen ............................................... 182
Sabine Nuss
»Panzerproduktion eingestellt – Belegschaft jubelt« ........................... 189
Plädoyer für eine öffentliche Produktion
Rainer Fischbach
Die leidigen Produktivkräfte ............................................................... 195
Mühen um die Sensibilisierung eines Blinden Flecks
im Auge der Linken
Hans-Jürgen Krysmanski *
Über die Befreiung aller Planungsdaten aus den kapitalistischen
Computernetzen mithilfe der historisch-materialistischen
Entwicklungstheorie ........................................................................... 205
Ingrid Lohmann
Revolucion .......................................................................................... 217
Frank Deppe
»... nämlich die Systemfrage stellen« .................................................. 221
Autorinnen und Autoren ................................................................. 228

Fazit
Einen hochaktuellen und zugleich weltbürgerlichen Diskurs haben Alex Demirović und Christina Kaindl eingeleitet, um " Gegen den Neoliberalismus andenken " zu können. Linke Wissenspolitik und sozialistische Perspektiven werden hellsichtig und radikal analysiert. Was in diesem Diskurs besonders hervorsticht ist der Beitrag von Krysmanki* :Über die Befreiung aller Planungsdaten aus den kapitalistischen Computernetzen mithilfe der historisch-materialistischen Entwicklungstheorie, mit seinen Überlegungen, in einem dialektischen Kontinuum ansiedelbare hierarchische Struktur von Kategorien klarzulegen:
                                            Gesellschaftsformationen _ Weltsystem
                                   Produktionsweisen _I_ Überbauten
                            Produktivkräfte _I_ Produktionsverhältnisse
                   Produktionsmittel _I_ Arbeitskräfte
       Arbeitsgegenstände _I_ Arbeitsmittel
Naturgegenstände _I_ Rohmaterialien

Kurz gesagt, Krysmanki, und andere Diskurs-Beitragende, sehen das Ziel (die Vision ist eher Utopie, Anm. d. R.) einer linken, einer sozialistischen Politik, diese aus dem tätigen Geflecht (von Krisen- und Problemfeldern) funktionierender Eliten herauszulösen (wie bitte, soll das real möglich sein ?) und ihr wissenschaftliches Potential (wo verweilt dabei das Emotionale?) auf die Bedürfnisse der Multitude/Vielfalt, der Volksmassen (aus mehrheitlich im Selbst gefesselten, bildungsfernen und mediengesteuerten Mitläufern basierend ? ) zu lenken. Ein Spiel mit Spass?
Quintessenz: Das kann, wird wieder mal, blutig (in Revolucion) enden. m+w.p12-9
Weitere Hinweise:
www.kultur-punkt.ch/akademie4/diskurs/vs-08-8butterweggelöschptakengartner-neoliberalismuskritik.htm
www.kultur-punkt.ch/akademie4/diskurs/residenz09-2woltron-perestroikakapitalismus.htm            

Ilija Trojanow : Der überflüssige Mensch . Unruhe bewahren . Ein Essay zur Würde des Menschen im Spätkapitalismus

Online-Publikation: August 2013 im Internet-Journal <<kultur-punkt>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Ilija Trojanow : Der überflüssige Mensch . Unruhe bewahren . Ein Essay zur Würde des Menschen im Spätkapitalismus >>
96 Seiten, 140x220, Klappenbroschur; ISBN: 9783701716135; EUR 16,90 / sFr 23,90
ISBN ebook: 9783701743582 ; EUR 16,90 / sFr 23,90
Residenz Verlag, A-3100 St. Pölten, www.residenzverlag.at;

Inhalt
Wer nichts produziert und nichts konsumiert, ist überflüssig – so die mörderische Logik des Spätkapitalismus. Überbevölkerung sei das größte Problem unseres Planeten – so die internationalen Eliten. Doch wenn die Menschheit reduziert werden soll, wer soll dann verschwinden, fragt Trojanow in seiner humanistischen Streitschrift wider die Überflüssigkeit des Menschen. In seinen eindringlichen Analysen schlägt er den Bogen von den Verheerungen des Klimawandels über die Erbarmungslosigkeit neoliberaler Arbeitsmarktpolitik bis zu den massenmedialen Apokalypsen, die wir, die scheinbaren Gewinner, mit Begeisterung verfolgen. Doch wir täuschen uns: Es geht auch um uns. Es geht um alles.

Autor
Ilija Trojanow, geboren 1965 in Sofia, wuchs in Kenia auf und lebt heute in Wien. Trojanow wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Adelbert-von-Chamisso-Preis 2000, dem Preis der Leipziger Buchmesse 2006, dem Berliner Literaturpreis 2007. Neben seinem umfangreichen literarischen Werk publizierte Trojanow Essays und Reportagen zu globalen politischen und kulturellen Themen. Zum Bestseller wurde „Der Weltensammler“ (2006), zuletzt erschien sein Roman „Eistau“ (2011).

Fazit
Der Essayist Ilija Trojanow beschreibt in seinem Diskursbuch " Der überflüssige Mensch" wie es dazu gekommen ist, dass die Würde des Menschen im Spätkapitalismus vor die Hunde geht, und zu einem völlig ausgelieferten, anarchischen Zustand geraten ist, was dem Aufenthalt auf dem Floss der Medusa (1) sowie der Quintessenz von Malthus (2) gleichkommt. Es entstehen so "Ein-Euro-Reservisten" und die "Unter-uns-Oligarchen" die zur "Apokalypse-soon" führen. Immerhin gibt es Auswege aus Krise des fortgeschrittenen Wachstums "das uns deprimiert", so Trojanow, dazu gehören Visionen und konkretes, gemeinschaftliches Handeln, mit Empathie und Glücksempfinden zu "Wasser und Internet ...." Wir stimmen zu, wenn er feststellt: Unruhe bewahren !. . m+w.p13-8

(1) Floss der Medusa
- 1816 hatte England die während der Napoleonischen Kriege besetzte westafrikanische Kolonie Senegal an Frankreich zurückgegeben.
Vier Fregatten mit Infanteristen wurden zum Schutze des überseeischen Besitzes sowie Verwaltungsbeamten und Forschern nach Afrika entsendet.
Die Fregatte Méduse gehörte diesem Konvoi an. Unter den annähernd 400 Personen an Bord des Schiffes befand sich auch der neue Gouverneur des Senegal, der Royalist Julien-Desiré Schmaltz. Die Medusa stand unter dem Kommando des Kapitäns Hugues Duroy de Chaumareys, der, vor Napoleon geflohen, seine Karriere nicht auf See, sondern 25 Jahre lang in Emigrantensalons von Koblenz und London gemacht hatte.
Nachdem das Schiff auf Grund gelaufen und ein Freikommen nicht möglich war, ordnete der Kapitän Hugues Duroy de Chaumareys an, ein Floß aus den Masten und Rahen der Medusa zu bauen, da für die 400 Menschen an Bord nur 6 Boote vorhanden waren. Das Floß mit den beachtlichen Ausmaßen von 8 × 15 Meter musste 149 Menschen aufnehmen. Die Boote sollten das Floß an Land ziehen. Nach kurzer Zeit kappte man die Seile. Auf dem Floß brach schnell Kannibalismus aus, so dass nur noch 15 Personen gerettet werden konnten.
http://de.wikipedia.org/wiki/Das_Flo%C3%9F_der_Medusa
- Medusa (griechisch Μέδουσα)
ist in der griechischen Mythologie eine Gorgone, die Tochter der Meeresgottheiten Phorkys und Keto sowie die Schwester von Stheno und Euryale. Sie besaß als einzige der drei Gorgonen eine sterbliche Natur.
http://de.wikipedia.org/wiki/Medusa

(2) Malthus (London 1798) Modell > Bevölkerungswachstum : Arbeit
Quintessenz:
Bei gegebener Produktionsfunktion, d.h. statischer Technologie, führt ein aus Bevölkerungswachstum resultierender steigender Arbeitseinsatz zu einem Absenken des Grenzprodukts der Arbeit unter das Subsistenzniveau

Maria Backhouse; Olaf Gerlach; Stefan Kalmring; Andreas Nowak (Hrsg.): Die globale Einhegung - Krise, ursprüngliche Akkumulation und Landnahmen im Kapitalismus

Online-Publikation: November 2013 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Maria Backhouse; Olaf Gerlach; Stefan Kalmring; Andreas Nowak (Hrsg.): Die globale Einhegung - Krise, ursprüngliche Akkumulation und Landnahmen im Kapitalismus >>
340 Seiten. Broschur, ISBN: 978-3-89691-942-7; € 29,90
Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster; www.dampfboot-verlag.de

Inhalt
Der Kapitalismus befindet sich in einer weltweiten Krise. Diese könnte so weitreichend und fundamental sein, dass sie ähnliche grundsätzliche Umstrukturierungen hervorbringt wie die Krise in den 1930er Jahren und die Krise des Fordismus in den 1970er Jahren. Im Zusammenhang mit den Krisenbearbeitungsstrategien des Kapitals wird im vorliegenden Band diskutiert, welche Rolle hierbei Prozesse einer so genannten ursprünglichen Akkumulation spielen. Prominente Protagonisten der Debatte um die gegenwärtige Krise – z.B. Elmar Altvater, Joachim Bischoff, Klaus Dörre, Reinhart Kößler, Birgit Mahnkopf, Raul Zelik – fragen, inwieweit zur Bearbeitung der aktuellen kapitalistischen Krise auch Prozesse innerer und äußerer Landnahmen, der Inwertsetzung oder einer fortgesetzten ursprünglichen Akkumulation in Gang gesetzt werden.

Inhaltsverzeichnis
http://www.dampfboot-verlag.de/download/inh-backhouse-ua-942.pdf

Autorenteam
Maria Backhouse,
geb. 1978, Dipl.-Soziologin, derzeit wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lateinamerika-Institut der FU Berlin. Arbeitsschwerpunkte Politische Ökologie, Entwicklungstheorie und Postkoloniale Kritik. Regionaler Schwerpunkt: Brasilien.
Olaf Gerlach,
geb. 1967, Dipl.-Volkswirt, Referent für Sozialpolitik bei der Fraktion DIE LINKE im Hessischen Landtag. Arbeitsschwerpunkte: Weiterentwicklung Marxscher Theorie, Entwicklungstheorie, gewerkschaftliche Erneuerung, Sozialpolitik.
Stefan Kalmring,
geb. 1972, Dr. der Soziologie, Diplom-Volkswirt, arbeitet als Referent für politische Weiterbildung bei der Rosa-Luxemburg Stiftung in Berlin, Arbeitsschwerpunkte: Weiterentwicklung Marxscher Theorie, Entwicklungstheorie, Dialektik des Antikapitalismus.
Andreas Nowak,
geb. 1969, Dipl. Soziologe. Mitarbeiter einer Bundestagsabgeordneten, Organisationsberater und Aktivist. Arbeitsschwerpunkte: antirassistische Arbeit und Theorie, Geschichte der kritischen Theorie und Bewegungsforschung.

Fazit
Ein ausserordentlich engagiertes Autorenteam, bestehend aus Maria Backhouse; Olaf Gerlach; Stefan Kalmring; Andreas Nowak (Hrsg.) hat sich mit dem Diskursthema in Buchform "Die globale Einhegung - Krise, ursprüngliche Akkumulation und Landnahmen im Kapitalismus" befasst.
Darin geht es um 'globale Einhegung', 'die (all)gegenwärtige Krise', 'fortgesetzte Akkumulation (1)', 'ökologische Krise, 'Landnahme und Inwertsetzung der Natur' und schliesslich 'die Kluft zwischen Akkumulationstheorie und -geschichte' , und wie diese überwindet werden kann. Im Rahmen ihrer Kritik des Dependenzansatzes (2) und ihrer Verknüpfung mit der Regulationstheorie (3) werden politisch-ökonomische Ansätze konstruiert, bei denen versucht wird, Phasen der Stabilität inmitten der immanent krisenhaften Produktionsweise des Kapitalismus zu erklären, die aber aktuell unlösbar erscheinen. Ja es geht die Verschleierung, Verkehrung der Realität der Protagonisten des Kapitalismus soweit, dass z.B. 'die Zerstörung des Regenwalds durch die armutsgetriebene Brandrodungswirtschaft der ansässigen Kleinbauern klischeehaft und vordergründig publiziert wird, um die eigenen generalmassstäblich zerstörenden Vergehen zu übertünchen. Analytisch hervorragend, aber keine schlüssig-pragmatische Antwort ist derzeit in Sicht. m+w.p13-11

(1)
Akkumulation ist im Kern (nach Marx ) ein Prozess, der auf einer mit politischen und ökonomischen Mitteln durchgesetzten (zumeist verschleiert) gewaltsamen Enteignung der Arbeitsmittel von den eigentlichen Produzenten basiert...
http://de.wikipedia.org/wiki/Urspr%C3%BCngliche_Akkumulation
(2 )
Dependenztheorie, auch Entwicklungstheorie genannt, die die Existenz hierarchischer Abhängigkeiten (Dependenzen) zwischen Industrie- (Metropolen) und Entwicklungsländern (Peripherien) betonen und die Entwicklungsmöglichkeiten der Dritten Welt durch dieses Hierarchieverhältnis als begrenzt, ja armutshäufend, sehen.
Dependenztheorie (von span. dependencia - Abhängigkeit, Unterordnung; Filiale bzw. port. dependência – Abhängigkeit) ist der Oberbegriff für eine Mitte der 1960er Jahre ursprünglich in Lateinamerika entstandene Gruppe von in ihren Grundannahmen eng verwandten Entwicklungstheorien, die die Existenz hierarchischer Abhängigkeiten (Dependenzen) zwischen Industrie- (Metropolen) und Entwicklungsländern (Peripherien) betonen und die Entwicklungsmöglichkeiten der Dritten Welt durch dieses Hierarchieverhältnis als begrenzt sehen.
Die Dependenztheorien entstanden in kritischer Auseinandersetzung mit den Modernisierungstheorien und gehen anders als diese davon aus, dass nicht eine aufgrund endogener Faktoren wie Kapitalmangel, kulturellen Einstellungsmustern und traditionalen Prägungen ausgebliebene oder nur unzureichend erfolgte Modernisierung nach westlichem Muster für Unterentwicklung verantwortlich ist, sondern dass im Gegenteil äußere Faktoren den Entwicklungsländern dauerhaft eine strukturell stabile, nachrangige Position in der Weltwirtschaft zuweisen.
Historisch verantwortlich gemacht wird die Epoche des Kolonialismus...
http://de.wikipedia.org/wiki/Dependenztheorie
(3)
Als Regulationstheorie werden politisch-ökonomische Ansätze bezeichnet, die auf die französische Regulationsschule um Michel Aglietta zurückgehen und versuchen, Phasen der Stabilität inmitten der immanent krisenhaften Produktionsweise des Kapitalismus zu erklären.
Die ab Mitte der 1970er Jahre entstandenen Ansätze basieren auf dem neomarxistischen Strukturalismus Louis Althussers, versuchen diesen aber zu dynamisieren. Prägenden Einfluss hatte hierbei die Theorie kultureller Hegemonie Antonio Gramscis, die soziohistorische Tradition der Annales-Schule sowie institutionalistische Strömungen. Seit den 1970ern hat sich die Regulationsschule in zwei wichtige Strömungen auseinanderentwickelt. Während der stärker institutionalistisch geprägte Zweig um Robert Boyer Anschluss an den Mainstream der französischen Institutionenökonomik fand, nahm der aus den frühen Vertretern Michel Aglietta und Alain Lipietz hervorgegangene Zweig einen wichtigen Einfluss auf die marxistische Theoriebildung und wird heute in Deutschland von Joachim Hirsch, in Großbritannien von Bob Jessop vertreten.
http://de.wikipedia.org/wiki/Regulationstheorie

Robert Kurz: Weltkrise und Ignoranz. Kapitalismus im Niedergang

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Online-Publikation:Juli 2014 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Robert Kurz: Weltkrise und Ignoranz. Kapitalismus im Niedergang . Ausgewählte Schriften 1992 – 2012 . Hrg. Roswitha Scholz & Claus Peter Ortlieb >>
Critica Diabolis 204 : Broschur, 240 Seiten; ISBN: 978-3-89320-173-0; 16.- Euro
Edition Tiamat / Verlag Klaus Bittermann, Berlin; http://www.edition-tiamat.de

Inhalt
Der Kapitalismus steuert auf eine Weltwirtschaftskrise zu. Damit gewinnen die bereits in den achtziger Jahren entwickelten krisentheoretischen Thesen und Analysen von Robert Kurz, die von der vereinigten Restlinken wie vom bürgerlichen Wissenschaftsverständnis stets grundsätzlich zurückgewiesen wurden, weit mehr als bisher an Realitätsgehalt. Das angeblich Unmögliche beginnt wahr zu werden, auch wenn sich das herrschende Bewusstsein gegen die Einsicht sträubt, dass es um etwas anderes geht als um eine bloß zyklische Abwärtsbewegung, die nach ein paar Monaten oder höchstens einem Jahr glücklich überstanden sein wird.
Diese auf Ignoranz basierende Zuversichtlichkeit eines irre gewordenen positiven Denkens steht in eigenartigem Kontrast zu den Aussagen der meisten Konjunkturforscher, die an ihrer eigenen Prognosefähigkeit zweifeln. Und auch der offizielle akademische und politische Diskurs sieht die systemischen Grundlagen in Gefahr.

Autor
Robert Kurz, geboren 1943, war Redakteur und Mitherausgeber der Theoriezeitschrift EXIT! (www.exit-online.org) und lebte als freier Autor in Nürnberg. Seine Arbeitsgebiete umfassten die Modernisierungs- und Krisentheorie, die kritische Analyse des kapitalistischen Weltsystems, die Kritik der Aufklärung und das Verhältnis von Kultur und Ökonomie. Robert Kurz starb am 18. Juli 2012 an den Folgen eines Operationsfehlers. Buchveröffentlichungen u.a.: "Der Kollaps der Modernierung" (1991), "Feierabend. Zwölf Attacken gegen die Arbeit", "Weltordnungskrieg" (2003).

Vertiefender Hinweis
Der letzte Marxist. Robert Kurz ist tot.
Robert Kurz war einer der letzten Marxisten, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht hatten, Marx ökonomische Analysen weiterzuentwickeln. Ob ihm das gelungen ist, darüber gehen die Meinungen selbstverständlich weit auseinander, denn Robert Kurz galt im linken Milieu, in dem Neid und Mißgunst häufig eine erstaunliche Rolle spielen, für die einen als Apokalyptiker, der mit seiner Zusammenbruchsprognostik nur die Sehnsucht der Menschen nach Weltuntergang bediente, für die anderen als unermüdlicher Werttheoretiker und kategorialer Kritiker des Kapitalismus. Er mußte sich mit dem Vorwurf auseinandersetzen, daß er seit über zwanzig Jahren das Platzen der Spekulations- und Finanzblase vorausgesagt hat, ohne daß dies zu dem ebenso gewünschten wie gefürchteten Ende des Kapitalismus beitrug. Robert Kurz hat jeden Fehdehandschuh aufgegriffen und in der Regel mit einer „gepfefferten Polemik“ reagiert. Er begriff sich nicht nur als stiller Wertschöpfer der Marxschen Theorie, sondern wich keinem Handgemenge aus, wenn ihm eine Debatte strategisch und taktisch wichtig genug erschien.
In Nürnberg und Erlangen der siebziger Jahre noch in einer der zahlreichen K-Gruppen aktiv, die der jüngeren Generation erklärten, wie die Partei- und Organisationsfrage richtig zu beantworten sei, überwarf er sich irgendwann mit seiner Partei und spaltete sich mit einigen Gleichgesinnten ab. Den Ort der internen Diskussion verließ er in den Achtzigern, als er in dem Nürnberger Stadtblatt „Plärrer“ eine geharnischte Polemik gegen die entpolitisierte Jugend vom Stapel ließ, die sich nur selbst bemitleidete.
Damals wurde ich auf ihn aufmerksam, und als die Wiedervereinigung ihren Lauf nahm und jeder dachte, daß der „deutsche Imperialismus“ durch die Einverleibung der DDR quasi außer Kontrolle geraten würde, widersprach Robert Kurz und wies nach, daß die marode DDR-Volksökonomie nicht zu Machtzuwachs, sondern zu extremen Bauchschmerzen in der BRD-Ökonomie führen würde.
Noch vor der Wiedervereinigung hatte er an seiner Studie „Der Kollaps der Modernisierung“ gearbeitet, die er mir zur Veröffentlichung anbot, als ich ihn um eine Analyse der ökonomischen Wiedervereinigungsprobleme bat, die dann auch unter dem Titel „Honeckers Rache“ erschien. Ich empfahl ihm „Die Andere Bibliothek“, weil diese Studie bei mir nicht die Aufmerksamkeit gefunden hätte, die sie dann durch die Herausgabe Enzensbergers fand. Raddatz lobte Robert Kurz in der „Zeit“ über den grünen Klee und machte Robert Kurz weit über die Kreise des linken Milieus hinaus bekannt. Sein Buch erschien u.a. in Brasilien, er wurde von dortigen Gewerkschaftskreisen zu Vortragsreisen eingeladen und er hatte eine monatliche Kolumne in einer großen Tageszeitung. Heiner Müller war ein Fan von ihm und lud Robert Kurz in die Volksbühne ein. Er wurde zum begehrten Gast auch von Unternehmern und Managern, die wahrscheinlich sein Werk mißverstanden hatten und nun glaubten, von ihm ein Rezept erfahren zu können, wie man die Krise meistern und dem Kollaps entgehen könnte.
Robert Kurz hat diesem „Rummel“ um seine Person immer mißtraut, weil er wußte, daß sein „Ruhm“ auch wieder verblassen würde. Solange es seine Gesundheit zuließ, arbeitete er zweimal in der Woche in der Nachtschicht beim Vertrieb des „Kicker“-Magazins, um finanziell unabhängig zu bleiben. Er rief zusammen mit anderen Leuten die Theorie-Zeitschrift „Krisis“ ins Leben, scharte Anhänger auch aus dem Ausland um sich, bis die Gruppe der Entwicklungslogik einer Gruppe folgte und sich spaltete mit allen unangenehmen Begleiterscheinungen, die ein Familienzwist eben hervorruft. Unverdrossen gründete Robert Kurz mit dem ihm verbliebenem Anhang die neue Theorie-Zeitschrift „Exit“.
Robert Kurz war ein ebenso manischer wie gewissenhafter Theorieproduzent, der aus dem Stegreif und stundenlang Vorträge halten konnte oder erklären, welche Kapitel in seinem neuen Buch noch fehlten, welche sich verändert hatten und welche neuen dazukamen. Das konnte er jahrelang tun, wie bei einem Buch, dessen Erscheinen sich um sechs Jahre verzögerte. Und er hatte einen sympathischen Hang zu einer gewissen Hybris. Karl Marx hatte „Das Kapital“ geschrieben, Robert Kurz „Das Weltkapital“. Im Unterschied zu Marx hatte Kurz nur sechs Jahre dazu benötigt, seine Manuskripte befanden sich jedoch ebenfalls im Unterschied zu Marx in perfektem Zustand, als ob er sich auch formal von der Unordnung der Welt abgrenzen wollte.
Auch in der letzten großen Debatte innerhalb der Linken positionierte er sich. Er kritisierte die Antideutschen und deren Hang, vorbehaltlos der amerikanischen Politik zuzustimmen. Die traditionalistische Linke haßte er, und ihren Antisemitismus, wie er in der „jungen Welt“ manchmal gepflegt wird, verachtete er. Zuletzt schrieb er eine Kolumne im „Neuen Deutschland“, und auch als Gutachter und Wirtschaftsexperte in der neuen Finanzkrise betätigte er sich für „Konkret“, mit der er sich zwischenzeitlich zerstritten hatte. Auch wenn der Zusammenbruch des Systems auf sich warten läßt, trotz ständig neuer Krisenherde und ernsthafter Versprechen, daß jetzt wirklich alles den Bach runtergehen wird, Robert Kurz gingen nie die Argumente aus, wenn er darauf hinwies, daß das Ende des Systems einer logischen Entwicklung folgen würde und es nur eine Frage der Zeit sei, bis es soweit wäre. Und damit hatte er ja auch irgendwie Recht. Am Mittwoch, den 18. Juli, ist der im Dezember 1943 geborene Robert Kurz an einem Operationsfehler, wie seine Frau mitteilte, gestorben, und mit ihm vermutlich der letzte linke Dino, der sich um eine globale Weiterentwicklung der marxschen Theorie und um ihre Rettung vor den Kommunisten bemüht hat und bei dem die marxsche Werttheorie einen so großen Stellenwert eingenommen hat.

Buchveröffentlichungen in der Edition Tiamat:
- Das Weltkapital. Globalisierung und innere Schranken des modernen warenproduzierenden Systems, Berlin 2005
- Die Welt als Wille und Design. Postmoderne, Lifestyle-Linke und die Ästhetisierung der Krise, Berlin 1999
- Der Letzte macht das Licht aus. Zur Krise von Demokratie und Marktwirtschaft, Berlin 1993
- Honeckers Rache. Zur politischen Ökonomie des wiedervereinigten Deutschlands, Berlin 1991

Pressestimmen
•»Der linke Publizist und Philosoph Robert Kurz war einer der wichtigsten zeitgenössischen linken Theoretiker in Deutschland.« (Spiegel-Online)
•»Robert Kurz war in seiner Kritik unerbittlich und unbestechlich. Er hat viele, die mit dem Linkssein nichts anfangen konnten, wieder die Kritik am Kapitalismus gelehrt.« (der Freitag)

Fazit
Bereits im Februar 2013 haben wir dem damals verstorbenen Marxisten und Publizisten Robert Kurz eine Rezension gewidmet .Wir finden es aktuell von grossem Nutzen zur Kapitalismusfrage zum Diskurs zu bringen da er es zu seiner "Lebensaufgabe gemacht hat - wie es der Verlag zu Recht formuliert - Marx ökonomische Analysen weiterzuentwickeln, was im diesem Buch " Weltkrise und Ignoranz. Kapitalismus im Niedergang" zu tage tritt. Und damit trägt es umsomehr zum Erkenntnisgewinn bei - siehe Platon's Höhlengleichnis *- und so den Gegensatz umso mehr deutlich macht dass im Gegenteil zum Nebentitel 'Kapitalismus' sich nicht 'im Niedergang' sieht sondern sich psychopathisch aktuell sogar je im global-regionalen Aufwärtsgang sieht und mehrheitlich befindet. Insofern ist auch die Ignoranz ein Teil der Psychopathologie der herrschenden Reichen und ihrer Helfershelfer / Manager und Sophistiker. Mit diesem Werk hat sich Robert Kurz zeitlebens als Aufklärer und Platoniker im Sinne der Gerechtigkeit und Erkenntnis bewährt. m+w.p13-3

*) http://archiv.kultur-punkt.ch/akademie4;
http://archiv.kultur-punkt.ch/akademie4/diskurs-runden/pa-06-3hoehlengleichnis-sloterdijk.htm

Achtsame Nachhaltigkeit statt Degradation, Degeneration und Barbarei

W+B Agentur-Presseaussendung April 2002
<< Achtsame Nachhaltigkeit statt Degradation, Degeneration und Barbarei>>
Buchbesprechung
220<<Saral Sakar: Die nachhaltige Gesellschaft>>
Eine kritische Analyse der Systemalternativen
456 S.; Broschur; EUR 20,00
Rotpunkt Verlag
, Zürich; 2001 / www.rotpunktverlag.ch

Saral Sakar, 66, Inder, Germanist und Deutschlehrer, beschäftigt sich arbeitszeitlebens mit Fragen der Zeit. Er publiziert seit 1982 in Köln.
Sakar ist sowohl ökologisch- als auch friedensbewegt und gegen die neoliberale Globalisierung und beschäftigt sich regional mit der grün-alternativen Politik in Deutschland.
Sakar stellt in seinem Buch klipp un klar fest, dass sowohl das sowjetische Modell des Sozialismus als auch der westlich-globale Kapitalismus unnachhaltig ist.
Denn in beiden Systemen ist es eine Illusion zu glauben, dass sie ökologisch verträglich seien, weil die Verwertungslogik des Kapitals einer real nachhaltigen Entwicklung entgegensteht.
So entwirft Sakar ein Konzept, eine Vision zu einer neuartigen sozialen Ordnung.
Sein Öko-Sozialismus lässt weder materiellen Überfluss noch Konsumwahn zu.
Wie analysiert Sakar dieses Problemfeld:
Die Grenzen des Wachstums und die ökologische Degradation haben zum Scheitern der Sowjetgesellschaft geführt. Sakar fasst zusammen: "..wo soll das Land von besserer Qualität herkommen? Die Bodenqualität ist ein gegebener Faktor.... die neuen russischen Juniorpartner versuchen sich am Westen und ihre moralische Degeneration bereiten sie auf den Übergang zum Kapitalismus vor".
Unter realer Nachhaltigkeit verstehen Sakar und The Friends of The Earth Netherlands, dass jedes Land Recht auf die gleiche Menge Umweltraum pro Kopf hat. Daraus folgt, dass der derzeitige Verbrauch von natürlichen Ressourcen in den Industrieländern um mindestens 70% reduziert werden muss.
Sakar folgert daraus seine Theorie des von ihm anvisierten Öko-Sozialismus. Er gibt aber keine Garantie. "Viele Gesellschaften sind bereits zusammengebrochen und versinken in Chaos und Barbarei."
In der Vision von Sakar werden sicher kulturelle und intellektuelle Möglichkeiten etwas eingeschränkt sein, da der international-reale Austausch von Kultur-persönlichkeiten und -veranstaltungen aus Kostengründen zurückgeht. Statt Flug- wird der Schiffsverkehr zunehmen müssen, was auch die Langsamkeit und damit Achtsamkeit auf Zeit und Weg kulturell verändern wird. Dies ist durchaus eine reale Alternative zum gegenwärtigen Holz- und Krüppelweg der Industrieländer.

Robert Kurz: Schwarzbuch Kapitalismus

135<< Marktwirtschaft oder Emigrant im eigenen Land>>
W+B Agentur-Presseaussendung: A, D, CH, Juli 2001
< Robert Kurz: Schwarzbuch Kapitalismus>>
Ein Abgesang auf die Marktwirtschaft
Eichborn Verlag, Frankfurt am Main; 1999;
DEM 68,- / ATS 496,- / SFR 62,-; 820 S., gebundenmit Schutzumschlag.
www.eichborn.de
Robert Kurz, 58, freier Publizist, bekennender 68er, Mitgründer des Instituts für kritische Gesellschafts-theorie in Nürnberg sowie Herausgeber der Zeitschrift Krisis. Sein Schwerpunktthema ist die kritische Analyse des kapitalistischen Weltsystems und das Verhältnis von Kultur und Ökonomie.
In diesem Buch zieht der Autor eine provokante Bilanz, der unheilvollen Geschichte des Kapitalismus.
Acht Kapiteln umfasst die umfangreiche Recherche:
1 Modernisierung und Massenarmut
2 Die schwarze Utopie der totalen Konkurrenz
3 Die Geschichte der ersten industriellen Revolution
4 Das System der nationalen Imperien
5 Die Biologisierung der Weltgesellschaft
6 Die Geschichte der dritten industriellen Revolution
7 Das System der totalitären Weltmarkt-Demokratien
8 Die Geschichte der dritten industriellen Revolution.
"Die meisten Menschen sind überrascht, wenn sie zufällig auf einen objektiven dokumentarischen Beleg ihrer Vergangenheit stossen und dann feststellen müssen, wie sehr sich die einstige Realität oft von dem Bild unterscheidet, das sie in ihrem Kopf davon gespeichert haben". So beginnt Kurz im Prolog die in uns vor sich gehende Verdrängungs-Beobachtung einzuleiten. Das geschieht privat wie kollektiv.
In seinem Epilog fasst er zusammen, wie wir Menschen unter dem Diktat der kapitalistischen Selbstverantwortung jeder Selbstbestimmung über das eigene Leben beraubt und nur noch nach Rezept leben. Kurz kommt zum Schluss: "Am wahrschein-lichsten ist es gegenwärtig allerdings, dass die Zukunftsmusik wirklich ausgespielt hat, weil der Bewusstseinssprung nicht mehr vollzogen wird, der für eine neue sozial Emanzipationsbewegung erforderlich wäre." und folgert: "Es ist immer noch besser, Emigrant im eigenen Land zu werden, als in den inhaltslosen Plastikdiskurs der demokratischen Politik einzustimmen."
Kurz sieht schwarz und das mit Beleg und nicht von ungefähr

Vision zu einer Weltbürgergesellschaft - Arbeit wird zur Tätigkeit> Ulrich Beck: Schöne neue Arbeitswelt

7 Zum Thema Zukunft+Tätigkeit
W+B Agentur-Presseaussendung vom August 1999
<Vision zu einer Weltbürgergesellschaft - Arbeit wird zur Tätigkeit> Ulrich Beck: Schöne neue Arbeitswelt
Idee, Konzeption und Realisierung von Peter Felixberger der Buchreihe zur EXPO 2000, Band 2: Campus Verlag, Frankfurt / New York; 255 S. 1999; sFr 35.- http://www.campus.de

Neben Ulrich Beck's Hauptbeitrag zum Modell Bürgerarbeit mit zwölf Thesen tragen vier weitere Autoren dazu bei, die europäisch-globale Sicht zu erweitern.
Gerd Mutz analysiert die amerikanische Veränderung von der Wagenburgmentalität zur Inszenierung eines neuen Gemeinsinns, der weniger ein Schub zur Solidarität, vielmehr ein wirtschaftliches Kalkül beinhaltet, denn <jeder Jugendliche, der den falschen Weg geht, kostet der Gesellschaft auf sein ganzes Leben hochgerechnet etwa eine Million Dollar an Gerichts- und Nothilfekosten.> Mobilität, Freiwillig-keit, Stiftungsbereitschaft Besserverdienender sind Garanten für die weltweite Übertragbarkeit.
Die Zukunft Afrikas visiert Ruth Bamela Engo-Tjega an. Dabei haben zurzeit die Frauen eine ungleich höhere Belastung zu tragen als die Männer. Sie sind jedoch führend in der Schlüsselrolle gegen Hunger und Armut. Im informellen Sektor, der in der volks-wirtschaftlichen Gesamtrechnung nicht erfasst wird, liegt ein BIP-Potential, zwischen ca. 7 (Zaire, Somalia, Mali..) und 35 (Liberia) Prozent, das ausserhalb der Geldwirtschaft ist. Neben dem ehelichen Zusammen-leben eines Mannes mit mehreren Frauen ist es auch zulässig, dass Frauen andere Frauen heiraten. Dies alles ist in der Regel ökonomisch-sozial bedingt. Ziel und Hoffnung geben eine verstärkte Vernetzung der informellen Frauenwirtschaft in die volkswirtschaft-liche Gesamtrechnung.
Baharuddin Shamsul sucht den Schlüssel zur Zukunft der Arbeit und findet: auch wenn die Südostasiaten, die moderne Konsumgewohnheiten angenommen haben, bleiben sie Muslime. Schliesslich aber hat sich noch nirgends im Islam oder der Volksglaube dem Profit entgegengestellt.
Hing Ai Yun stellt sich die Frage: wer ist Asien? Antwort: Es ist Musterschüler in Sachen Kapitalismus. Nur kein Streik, produktive und reproduktive Arbeit, Eindämmen der Vetternwirtschaft, schliesslich - die kürzliche Krisenfolgerung zwingt zu mehr demokra-tischen Reformen.
Ulrich Beck selbst beginnt mit der Analyse der Un-sicherheit der politischen Ökonomie. Immer mehr Menschen leben im Zwiespalt von arm und reich. Arbeit macht unfrei, heisst seine Polis-These. In 11 Szenarien macht er Hoffnung (1,3,5,7) und Verfall (2,4,6,8,) deutlich: 1. Von der Arbeits- zur Wissensgesellschaft; 2. Kapitalismus ohne Arbeit. 3. Der Weltmarkt - das neo-liberale Arbeitswunder; 4. Die lokale Bindung der Arbeit - ein Globalisierungs-risiko; 5. Nachhaltiges Arbeiten - das ökologische Wirtschaftswunder; 6. Globale Apartheid, 7. Der Selbst-Unternehmer - die Freiheit der Unsicherheit; 8. Individualisierung der Arbeit - Zerfall der Gesellschaft.
Das führt in der Gesellschaft von der Vollbeschäftigung zur pluralen Tätigkeitsgesellschaft. Daraus schliesst er auf drei weitere Zukunftsszenarien zur Existenzsicherung: 9. Der Abschied in der Gesell-schaft von der Arbeit zu pluralen Tätigkeiten; 10. Zur Musse verdammt: die Freizeitgesellschaft; 11. Die postnationale und zugleich politische Bürgergesel-lschaft: ein europäisches Gesellschaftsmodell.
Facit: Nur wenn es gelingt alles passive Schuften auf Maschinen abzuschieben, werden die menschlichen Schöpferkräfte frei, fasst er zusammen und führt weiter aus, um sich den grossen Fragen der Zweiten Moderne zuzuwenden. Schade nur, dass er selbst grosse Zweifel zu hegen scheint, wenn er, wie oben, vom Zwang zur Musse spricht, der bei schöpferischen Kräften zum Alltag gehört, ja sogar die Besonderheit ihrer Kreativität ausmacht und abschliessend Nietzsche zitiert, der die Menschen nicht liebt, sich heimatlos fühlt und im Teutschdumm wühlt, - so im 19. Jahrhundert vereist. Doppelt schade, denn die schöpferischen Kräfte formieren sich, informell noch zwar, doch für genaue Beobachter - praktisch und präsent für unser kom-mendes Jahrtausend. Ein anregendes und visionäres Konzept liegt vor uns. Diskutieren wir es und setzen es um. Stück für Stück - freizeitlich und gemeinsinnlich

Fritz Reheis: Entschleunigung . Abschied vom Turbokapitalismus

Online-Publikation: April 2008 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Fritz Reheis: Entschleunigung . Abschied vom Turbokapitalismus >>
Originaltitel: Entschleunigung. Originalverlag: Riemann Verlag, München 2003; Verlag: Goldmann
Taschenbuch, 320 Seiten, 12,5 x 18,3 cm, 15 s/w Abbildungen, ISBN: 978-3-442-15380-0, € 9,95 [D] | € 10,30 [A | SFr 18,90
Riemann Verlag, München; www.riemann-verlag.de; v-goldmann-Fr.Grünbeck: susanne.gruenbeck@randomhouse.de

Inhalt
Schnell einsteigen, schnell ausrangiert werden! Und zwischen
Einstieg und Ausstieg liegt ein Leben, das weitgehend vom Diktat
der Uhr bestimmt ist. Dieses Diktat macht den meisten von uns
zu schaffen. Kein Wunder also, dass vier von fünf Deutschen klagen,
alles verändere sich zu rasch. Wir leiden an der Beschleunigungskrankheit.
Immer mehr Menschen spüren, wie ihr Körper
und ihre Psyche, wie Partnerschaften, Familien und soziale Netze
im Hamsterrad gesellschaftlicher Dynamik Schaden nehmen, wie
natürliche Rhythmen verloren gehen. Vor diesem Hintergrund
zeigt Fritz Reheis Alternativen und individuelle Ausstiegsmöglichkeiten
auf, vom Sabbatical bis zur bewussten Auseinandersetzung
mit Situationen, in denen wir uns besonders unter Druck fühlen.

Autor
Fritz Reheis, Jahrgang 1949, studierte Deutsch, Geschichte, Sozialkunde, Pädagogik und Philosophie. Er promovierte in Soziologie. Seit 1983 unterrichtet er als Gymnasiallehrer in Neustadt bei Coburg. Zusätzlich ist er seit zwölf Jahren nebenamtlich als Lehrbeauftragter für Politik, Zeitgeschichte, Soziologie und Pädagogik an mehreren Hochschulen tätig.

Fazit
Der Autor Fritz Reheis nutzt in grossartiger Weise die " Entschleunigung ", um Abschied vom Turbokapitalismus zu nehmen. Das "Wie" gliedert Reheis in Symptome und Prognosen, Diagnosen und Entstehungsgeschichte der Beschleunigungskrankheiten..Dagegen bietet er Therapie und Prävention mit zeitgemässem Wirtschaften (Halt Mass: Dürer *Rez.) Synergien der Entschleunigung mit kluger Lust (Entspannt loslassen, gelassen werden.., Rez.) und "was wir tun und was wir lassen können."

Paul Hawken, Amory & Hunter Lovins: Öko-Kapitalismus

67 ÖKO ? Logisch !
W+B Agentur-Presseaussendung vom Oktober-November 2000
Paul Hawken, Amory & Hunter Lovins: Öko-Kapitalismus
Die Revolution des 21. Jahrhunderts - Wohlstand im Einklang mit der Natur
Riemann Verlag / Verlagsgruppe Bertelsmann 512 S. 2000; DEM 48.-, ATS 350,- SFR 44,50.-
www.bertelsmann.de
Paul Hawken, Amory und Hunter Lovins entwickeln hier, parallel zu E. U. v. Weizsäcker's Faktor Vier eine Lösungsstrategie, um die sich ständig verschlimmernde Weltproblematik, neben der Scheinheiligkeit der Milliardäre an den "Erdgipfeln" den immer grösser wachsenden Naturverbrauchs zu bändigen und zugleich den Wohlstand zu erhöhen. Zentrale Antwort gibt dazu der von den Autoren definierte Faktor vier. Dabei soll das Wachstum, den Wohlstand vom Naturverbrauch abkoppeln, um das vernetzte System Erde ins Gleichgewicht zu bringen. Dabei kann bei einer jährlichen Abkoppelung von 5% die Ressourcenproduk-tivität gleich hoch steigen und so nach 28 Jahren der Faktor vier erreicht werden.
Der Faktor Vier allein ist hauptsächlich auf Effizienz ausgerichtet, meinen die Autoren.
Dazu sind weitere Prinzipien, die sich gegenseitig bedingen und verstärken erforderlich, führen die Autoren überzeugend, in fünfzehn Kapiteln, vor.
Die vier Strategien des Öko-Kapitalismus sind:
1 Radikale Ressourcenproduktivität
Diese verlangsamt den Ressourcenabbau am Ende der Wertekette, mindert Umweltschäden und trägt zu einer weltweiten Vermehrung sinnvoller Arbeit bei. So werden gesellschaftliche Bindekräfte verstärkt.
Praktisch heisst dies - eine Kilowattstunde oder ein Raummeter sind zehn- bis hundertmal so produktiv wie zur Zeit.
2 Biomimikry
Biologische Kriterien gestalten die bestehenden Industriesystem um und ermöglichen so die beständige Wiederverwendung von Materialien in geschlossenen Kreisläufen und die dadurch zunehmende Entgiftung reduzieren den müllintensiven Materialverbrauch.
Praktisch bedeutet das - statt dem Hexengebräu von 80,000 Chemikalien, deren Funktionen von der Stratosphäre bis zu unseren Spermien reichen (Donella Meadows) können biologisch abbaubare und natürlich vorkommenden Verbindungen viel effizienter geschaffen und eingesetzt werden.
3 Service - und Flow - Wirtschaft
Die Beziehung zwischen Hersteller und Verbraucher verlagern sich von der bestehenden Wirtschaft von Gütern und Konsum hin zu einer von Service und Flow: Dies bedeutet eine neue Wertesicht, in der der kontinuierliche Erhalt von Qualität , Nutzen und Leistung für die Gesellschaft gefördert wird, auf der Grundlage der Ressourcen-produktivität und von Biomimikry.
Praktisch heisst das - in einer Dienstleistungsgesellschaft ist das Produkt Mittel und nicht Zweck. Hersteller wie Verbraucher erarbeiten ein neues Muster - Leasen, Zurücknehmen, der Vermögenswert bleibt bestehen, Verbrauch minimieren, Produkthaltbarkeit maximieren, erleichterte Wartung. Beide haben daher einen Anreiz und haben eine neue Beziehung geschaffen.
4 Investitionen in natürliches Kapital
Diese arbeiten durch Neuinvestitionen zur Wiederherstellung, dem Erhalt und für die Ausdehnung des Vorrats an natürlichen Kapital hin, so dass die Biosphäre reichhaltigere Ökosystemdienste und natürlicher Ressourcen produzieren kann.
Dieses Buch gibt nicht nur einen erstaunlichen Überblick zu bestehenden Technologien und ist zugleich ein praktisches Manual für Techniken und Methoden, die von Einzelnen kleinen wie mittleren Unternehmen angewandt werden könen. Darüber hinaus gibt es darin Ansätze wie Grossunternehmen, Industriezweige und öffentliche Institutionen vorgehen können. Lasst uns zupacken und dieses ökologisch-ökonomisches Leitbild umsetzen

Alain Badiou : Philosophie und die Idee des Kommunismus

Online-Publikation: August 2013 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Reihe Passagen Gespräche 1: Alain Badiou : Philosophie und die Idee des Kommunismus . Im Gespräch mit Herausgeber Peter Engelmann und Marie-Christine Baratta . Übersetzt von Erwin Steinbach >>
112 Seiten, kartoniert, 208 x 122 mm; ISBN 9783709200445; 14,90 EUR
Passagen Verlag = 25 Jahre*, Wien; www.passagen.at

Inhalt
Im ersten Band der Reihe Passagen Gespräche entfaltet Alain Badiou im Gespräch mit Peter Engelmann vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftlicher Krisenszenarien seine Argumente, warum er trotz negativer historischer Erfahrungen an der Idee des Kommunismus festhält. Zentrale Themen sind dabei die Antizipation eines Kommunismus ohne Staat, die Problematik des Begriffs der Demokratie und die Analyse des Kapitalismus als pathologisches System. In der Erörterung seiner politischen Philosophie geht Badiou auch auf aktuelle gesellschaftspolitische Phänomene und Entwicklungen wie den „Arabischen Frühling“ oder die Situation in China ein. Das Gespräch liefert nicht nur einen hoch aktuellen Beitrag zur Frage nach den Möglichkeiten alternativer Gesellschaftsorganisation, sondern bietet auch eine Einführung in Badious philosophisches Denken und erläutert seine zentralen Begriffe im Kontext zeitgenössischen Denkens.

Diskursteam6
Alain Badiou,
geboren 1937 in Rabat, Marokko, lebt als Philosoph, Mathematiker und Romancier in Paris.
Seine politischen Aktivitäten drücken sich in der von ihm 1985 mitbegründeten, aus Teilen der Union des communistes de France marxiste-léniniste (UCFML) hervorgegangenen Organisation politique aus, einer Bürgerrechtsorganisation, die sich insbesondere mit Themen wie Einwanderungspolitik, Asylrecht, Arbeit und Gewerkschaften beschäftigt. Alain Badiou war lange einer der führenden Köpfe des französischen Maoismus.
http://de.wikipedia.org/wiki/Alain_Badiou
Peter Engelmann
(* 30. April 1947 in Berlin) ist Philosoph, Herausgeber und Verleger. Engelmann gründete 1985 die Wiener Edition Passagen und 1987 den Wiener Passagen Verlag.
http://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Engelmann_(Verleger)


Wichtige Begriffe und Protagonisten
Kommunismus, Demokratie, Hegel , Kierkegaard, Nietzsche , Ahrendt, Heidegger, Althusser, Levi-Strauss, Derrida, Lacan, Sartre, Merlau-Ponty und Husserl ...

Fazit
In dem Passagen* Gespräch zwischen dem Mathematiker und Poeten Alain Badiou und dem Verleger Peter Engelmann wird im besonderen die gegenwärtig wirkende " Philosophie und die Idee des Kommunismus" in einem handlichen Band diskutiert.
Dabei wird, neben der negativen Wirkung der Idee des Kommunismus - weil repräsentativ und der geradezu tragischen Verwechslung zwischen Individuum ist eine "Gegebenheit" und Subjekt (als Konstrukt im ständig wirkenden Wahrheitsverfahren und ist nicht wiederherstellbar / irreduzierbar) entsteht in der Realität, im Ereignis - wie Badiou sagt. Denn Individuen werden "zu Subjekten aufgerufen": politisch, künstlerisch wie liebend.. . Denn die Individuen bezeichnet er als "menschliches Tier" (wir, als "vegetative Wesen/heit", m+w.p). Er sieht den "Kapitalismus als Krankheitszustand" und die real wirkende "Demokratie ist keine Spur demokratisch".
Schliesslich erklärt er dass Repräsentation eine Fiktion ist und nur so der Begriff des Universalen/Utopischen missverstanden wird. Denn die in der Utopie innewohnende Schwierigkeit des "Nochniedagewesenen" sieht er bereits im Staat von Platon (1), Buch IX, die Diskursteilnehmer zu Sokrates ".. das gibt es nicht und wird es nie geben", darauf Sokrates: "aber vielleicht anderswo...". Dem stimmen wir zu, und diesem tiefgründigen Diskurs der beiden Protagonisten Engelmann und Badiou. m+w.p13-8
(1) www.kultur-punkt.ch/akademie4/
http://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Wilhelm_Friedrich_Hegel
http://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%B8ren_Kierkegaard
http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Nietzsche
http://de.wikipedia.org/wiki/Hannah_Arendt
http://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Heidegger
http://de.wikipedia.org/wiki/Louis_Althusser
http://de.wikipedia.org/wiki/Levi_Strauss
http://de.wikipedia.org/wiki/Jacques_Derrida
http://de.wikipedia.org/wiki/Jacques_Lacan
http://de.wikipedia.org/wiki/Jean-Paul_Sartre
http://de.wikipedia.org/wiki/Maurice_Merleau-Ponty
http://de.wikipedia.org/wiki/Edmund_Husserl

***

Norbert Bolz: Gewinn für alle . Soziale Gerechtigkeit im 21. Jahrhundert

SWR2 AULA – Prof. Norbert Bolz: Gewinn für alle . Soziale Gerechtigkeit im 21. Jahrhundert
Autor: Professor Norbert Bolz *
Redaktion: Ralf Caspary, Susanne Paluch
Sendung: Sonntag, 28. Februar 2010, 8.30 Uhr, SWR 2
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt.
Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen
Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

ÜBERSICHT
Das große Thema dieses noch jungen Jahrhunderts ist die Produktion sozialen Reichtums, der jetzt schon im Internet sichtbar wird. Dort kommunizieren Wissensarbeiter, die sich miteinander verknüpft haben, um im Spiel zu bleiben und ihre Ideen vermarkten zu können. Ihnen geht es nicht so sehr um absolute soziale Gerechtigkeit, sondern um den Profit für alle, um die Hinwendung zur Kraft des Einzelnen, der sich im Netz mit anderen solidarisiert, um etwa ein Projekt auf die Beine stellen zu können. Norbert Bolz, Professor für Medien und Kommunikation an der TU Berlin, zeigt, wie man soziale Gerechtigkeit neu denken muss.

Zum Autor
Prof. Norbert Bolz, geb. 1953, ist Medien- und Kommunikationswissenschaftler, der an der TU Berlin lehrt. Er entwickelte eine Medientheorie, die sich an Nietzsche, Benjamin und McLuhan anlehnt. Kommunikation ist für Bolz in erster Linie ein Religionsersatz, das Göttliche zeigt sich für ihn heute etwa in der neuen Netzwerkkultur, die das Internet möglich gemacht hat. In seinen Büchern reflektiert er über den Konsumismus, die soziale Gerechtigkeit, die digitalen Medien und neue Arbeitsformen.
Bücher (Auswahl):
- Diskurs über die Ungleichheit - ein Anti-Rousseau. Wilhelm Fink Verlag. 2009.
- Profit für alle - Soziale Gerechtigkeit neu denken. Murmann Verlag. 2009.
- Das ABC der Medien. Wilhelm Fink Verlag. 2007.
- Die Helden der Familie. Wilhelm Fink Verlag. 2006.



INHALT
Ansage:
Mit dem Thema: „Gewinn für alle – Soziale Gerechtigkeit im 21. Jahrhundert“.
Nein, es geht jetzt nicht um die Äußerungen von Westerwelle zu den Hartz IVEmpfängern,
es geht um eine Frage jenseits der Parteipolitik und des Streits darüber,
ob Hartz IV-Empfänger Schmarotzer sind oder nicht.
Norbert Bolz ist Professor für Medien und Kommunikation an der TU Berlin; und in
der SWR2 Aula versucht er zu beantworten, welches Konzept von sozialer
Gerechtigkeit überhaupt noch zukunftsfähig ist. Dabei spielt für Bolz der Sozialstaat
eine untergeordnete Rolle, ihm geht es auch nicht um eine neue Verteilungspolitik,
die die Kluft zwischen Arm und Reich überwindet. Für Bolz sind ganz andere
Kategorien wichtig, welche, erläutert er in der SWR2 Aula.
Norbert Bolz:
Das große Thema des 21. Jahrhunderts, das sich hinter dem Streit um die soziale
Gerechtigkeit verbirgt, ist die Produktion des sozialen Reichtums. Am Ende des 20.
Jahrhunderts hat unsere Gesellschaft erkannt, dass sie eine äußere Balance mit der
Natur finden muss. Ökonomie und Ökologie galten bisher immer als unvereinbare
Interessengebiete. Wir haben dann aber Aug’ in Aug’ mit der drohenden
Klimakatastrophe gelernt, dass umweltbewusstes Handeln wirtschaftlich profitabel
sein kann. Das Bündnis von Ökonomie und Ökologie ist vielleicht noch nicht wirklich,
aber wir wissen heute, dass es möglich ist. Am Anfang des 21. Jahrhunderts erkennt
unsere Gesellschaft, dass sie nun auch eine innere Balance finden muss – und das
Stichwort lautet eben: soziale Gerechtigkeit. Es geht jetzt um die Versöhnung von
Profitmotiv und sozialer Verantwortung.
Die Produktion des sozialen Reichtums wird heute möglich, weil es einen neuen
Geist des Kapitalismus gibt. Romane und Filme transportieren noch den
amerikanischen Traum, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ausphantasiert
wurde. Es war die Verheißung der Chance, vom Tellerwäscher zum Millionär zu
werden: Jedem, der tüchtig ist, steht die Tür zum Erfolg offen. Die älteren unter den
Hörern werden sich noch an das deutsche Wirtschaftswunder mit dem Versprechen
des Wohlstands für alle erinnern. Das war die goldene Zeit der 50er und 60er Jahre,
die der Nachkriegsgeneration plötzlich unglaubliche Konsumchancen geboten hat.
Und heute haben wir es mit einer neuen konkreten Utopie des Kapitalismus zu tun.
Das Internet-Zeitalters produziert den sozialen Reichtum.
Das wird diejenigen überraschen, die überall nur Zeichen der Krise sehen. Und in der
Tat muss man ja nur eine Zeitung aufschlagen oder den Fernseher einschalten, um
das große Jammern zu hören. Täglich gibt es neue Nachrichten über die
Klimakatastrophe und die Erschöpfung der natürlichen Ressourcen, über die
skandalöse Armut in der Dritten Welt und über die entwürdigende Arbeitslosigkeit in
unserer Welt. Wir sehen Bilder der großen Wanderung: hoffnungslos überladene
Boote verzweifelter Migranten, die über das Mittelmeer ins gelobte Land Europa
streben.
In diesem gelobten Land selbst scheinen himmelschreiende Ungerechtigkeiten zu
herrschen – die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer. Die
globalisierte Welt wird heute aber nicht nur durch den Gegensatz von Arm und Reich,
sondern auch durch den Gegensatz zwischen den Vernetzten und den Nicht-
Vernetzten geprägt. Die Zukunft der Informationsrevolution durch das Internet wird
zeigen, dass der Gegensatz zwischen "vernetzt“ und „nicht vernetzt" sogar noch
folgenreicher ist als der zwischen Arm und Reich. Und über allem schwebt die
Drohung der Bankenkrise des Jahres 2008 und ihrer unberechenbaren Folgen. Das
Finanzkapital hat sich nicht nur von der Realwirtschaft, sondern auch von unserem
Verständnis abgekoppelt.
Viele haben das dumpfe Gefühl, dass das alles zusammenhängt und niemand es
steuern kann. Man lässt sich dann gerne von populistischen Parolen ansprechen, die
die Sündenböcke der Krise als Turbokapitalisten, Marktradikale, Neoliberale,
Heuschrecken und Monster bezeichnen. Gab es zu viel Freiheit für das Kapital?
Muss nun Vater Staat für Ordnung sorgen? Sind die Liberalen schuld am Chaos?
Weil diese Welt für alle undurchschaubar ist, erscheint die Krise als Katastrophe.
Und uns bleibt nur das Zuschauen. Die Katastrophenberichterstattung der
Massenmedien macht uns hilflos und wütend, auch wenn wir persönlich gar nicht
betroffen sind. Prinzipiell ist es ja so, dass man lernt, sich hilflos zu fühlen, wenn man
andere beobachtet, die unkontrollierbaren Ereignissen ausgesetzt sind – z.B. einem
Tsunami. Denn die Massenmedien reduzieren uns Zuschauer, Hörer und Leser auf
das bloße Erleben: Wir müssen zusehen, wie andere entscheiden, genießen und
leiden. Und wenn andere entscheiden, werden wir zu Betroffenen. Wenn andere
genießen, halten wir uns für benachteiligt. Wenn andere leiden, ist uns das
unerträglich.
Wer nicht Zeitung liest und fernsieht, müsste aber einen ganz anderen Eindruck
bekommen. Wir leben im Goldenen Zeitalter und merken es nicht: Seit dem Zweiten
Weltkrieg hat sich der Lebensstandard im Westen verdreifacht. Wir sind gesünder
denn je, leben länger denn je, genießen eine unerhört lange Zeit des Friedens, sind
weltweit mobil und haben märchenhafte Bildungschancen. Aber offenbar ist es sehr
schwer, sich daran zu erfreuen. Seit Jahren dominiert in den Medien der Klageton,
das Jammern über soziale Ungerechtigkeit, über den Werteverfall – und neuerdings
wieder einmal die Prophezeiung des Endes des Kapitalismus.
Pessimismus ist die Krankheit eines Zeitalters, das nicht mehr an den Fortschritt zu
glauben wagt. Optimismus ist der Glaube, dass die Situation, in der man steckt,
einen guten Sinn hat. Der Optimist verleugnet nicht die Realität, sondern macht sie
überhaupt erst möglich. Das Hoffen ist für das Handeln, was das Wissen für die
Erkenntnis ist. Hoffen heißt zwar nicht wissen, aber die Hoffnung nimmt doch einen
entscheidenden Einfluss auf unser Denken. Zu einem gesunden Geist gehören
deshalb Mut, Hoffnung und Vertrauen.
Wenn wir uns mit dieser Freude am Gestalten der Welt zuwenden, die scheinbar aus
den Fugen ist, dann eröffnen sich zwei Aufgabenfelder mit verschiedenen
Grundfarben. Die moderne Gesellschaft muss eine äußere Balance in ihrem
Verhältnis zur Umwelt, zur Natur finden, die ausgebeutet und verschmutzt wird. Grün
ist die Farbe für die Suche nach dem ökologischen Gleichgewicht. Diese ökologische
Beschreibung der Welt hat in den letzten Jahrzehnten aus der Menschheit wieder
eine Schicksalsgemeinschaft gemacht.
Die innere Balance betrifft das Verhältnis der gesellschaftlichen Gruppen zueinander;
und hier herrscht eine extreme Ungleichheit der Lebenschancen. Rot ist die Farbe für
die Suche nach dem sozialen Gleichgewicht. Wir können also formelhaft
zusammenfassen: Nachhaltigkeit ist die Utopie der äußeren Balance: die
Versöhnung von Ökonomie und Ökologie. Soziale Gerechtigkeit ist die Utopie der
inneren Balance: die Versöhnung von Profit und Verantwortung. Wir fragen nicht
nach den Grenzen des Wachstums, sondern nach einem neuen Reichtum, der sich
mit den klassischen Begriffen der Ökonomie nicht fassen lässt.
Kein Missverständnis, bitte! Wir befinden uns damit natürlich immer noch in der Welt
des modernen Kapitalismus. Wenn wir immer mehr von Non-Profit-Organisationen
und Nicht-Regierungs-Organisationen hören, dann bedeutet das nicht, dass keine
Profite gemacht und keine Entscheidungen gefällt würden. Im Gegenteil. Heute ist
Non-Profit das Portal zum neuen Profit, und Nicht-Regierungs-Organisationen wie
Greenpeace haben den direktesten Zugang zur Macht.
Man könnte es auch so sagen: Der marxistische Umbau des Kapitalismus hat längst
stattgefunden. Der Kapitalismus hat den Marxismus verinnerlicht. Nicht erst seit die
Deutschen die soziale Marktwirtschaft mit friedlichen Tarifpartnern erfunden haben,
sondern eigentlich schon seit Henry Ford kennen wir einen gebenden, sorgenden
Kapitalismus. Ford schenkte Massachusetts eine Autobahn und kam auf die
großartige Idee, den Arbeitern nicht so wenig wie möglich, sondern so viel wie
möglich zu zahlen. Auch können wir seit Jahr und Tag einen gebenden, sorgenden
Kolonialismus beobachten, der Entwicklungshilfe leistet und einen „fairen Handel“ mit
den unterentwickelten Ländern propagiert.
Der gute Sinn des Begriffs der Selbstverwirklichung liegt darin, dass er unterscheidet
zwischen Menschen, die einfach nur leben, und Menschen, die ihr Leben führen. Für
eine bewusste Lebensführung ist aber wesentlich, was man wollen muss. Erkenne
dich selbst! Diese klassische Forderung stellt mich vor die Frage: Was muss ich
wollen? Ich habe die Pflicht, mein besseres Selbst zu kultivieren. Das, was ich liebe,
stellt Ansprüche an mich, denen ich entsprechen muss.
Es genügt deshalb vielen heute nicht mehr, einen Job, Geld und Freizeit zu haben.
Der Beruf soll wieder nach Berufung schmecken. Natürlich wollen wir bekommen,
was wir uns wünschen, aber mehr noch wollen wir herausfinden, was wir wirklich
wollen. So können wir das Leben heute als Erforschung eines Wertefeldes
betrachten. Mit dem Sieg des Kapitalismus wurde nämlich der Blick wieder frei auf
die nicht-ökonomischen Kräfte, also die sozialen und moralischen Werte. Unser Blick
wurde aber auch wieder frei für die andere Seite der Vernunft, also für Gefühle und
Geschichten.
Die Leute interessieren sich immer mehr für das gute Leben, öffentliche Güter,
gerechte Verfahren, ethisches Einkaufen, freiwilliges Engagement und die soziale
Dynamik der Non-Profit- und Nicht-Regierungs-Organisationen. Je mehr sich der
Kapitalismus als der große Gleichmacher der materiellen Lebensbedingungen
bewährt, um so mehr drängen sich die nichtmateriellen Aspekte des guten Lebens in
den Vordergrund der Aufmerksamkeit: Prestige und Privileg. Das hat unmittelbare
Auswirkungen auf das Verhältnis von Einkommen und Status. Es geht primär um den
Wunsch, anders zu sein und die Ungleichheit zu genießen, also um die Aneignung
differenzierender Merkmale, auf die das eigene Selbstwertgefühl gestützt werden
kann.
Die Leute lieben es, ihre eigenen Fähigkeiten zu stimulieren und zu trainieren. Da
sich mein Selbstwertgefühl in der Vorstellung bildet, wie andere mich beurteilen, ist
das wichtigste Motiv meines Handelns, etwas zu tun, worauf die anderen
angemessen reagieren. Ich will einen Unterschied machen, der für andere zählt. Ich
bringe mich ein. Hier geht es um die Rettung der Bürgerlichkeit in einer Kultur der
Freiwilligen und Ehrenamtlichen. Es geht um die Freude, eine Ursache zu sein.
Hinter jedem Anspruch auf die Achtung der eigenen Würde steht der Wunsch, etwas
erkennbar zu bewirken, eine Ursache zu sein, einen für alle sichtbaren Unterschied
zu machen.
Die Leute sind also überhaupt nicht „politikverdrossen“. Sie haben nur keine Lust
mehr, in den klassischen Organisationen ihre Zeit zu vergeuden. Statt Mitglieder
werden sie Spender, d. h. Konsumenten der guten Sache. Deshalb finden wir die
Gutmenschen heute nicht mehr bei Rotary, sondern bei Greenpeace. Und im
Internet.
Das Internet, genauer gesagt: das World Wide Web, ist für normale Bürger und
Nutzer nicht älter als fünfzehn Jahre. Aber schon diese kurze Geschichte hat uns
gezeigt, dass die Fixierung auf Informationsverarbeitung eine moralische Blindheit
der Techniker war. Heute sehen wir, dass es im Cyberspace um Kommunikation,
Partizipation und Gemeinschaft geht. Die Netzwerke werden als Produktionsstätten
des sozialen Reichtums erkennbar. Die Netzbürger interessieren sich nicht mehr nur
für Informationsmedien, sondern vor allem für Beziehungsmedien.
Das Internet ist heute das öffentliche Gut schlechthin. Um seine Dynamik und sein
schöpferisches Potential zu verstehen, muss man vor allem begreifen, dass es hier
um die Bildung von Sozialkapital geht. Sozialkapital besteht aus Verknüpfungen,
Beziehungen und Positionen. Wer heute sinnvoll über soziale Gerechtigkeit sprechen
möchte, darf sich nicht mehr von der „sozialen Frage“ des 19. Jahrhunderts blenden
lassen. Wir müssen das neue Soziale denken, das sich heute über Prozesse der
Selbstorganisation in Netzwerken bildet.
Facebook, StudiVZ und Xing sind eindrucksvolle Beispiele dafür, wie sich heute
„soziale Graphen“ bilden, und zwar durch die einfache Frage: Wen kennst du, und
wer kennt dich? Darin steckt aber auch ein völlig neues Potential für politisches
Linking. Dafür braucht man heute nicht mehr als eine führende Idee, eine
Kommunikationsplattform für das gemeinsame Interesse und das Bedürfnis der
Zugehörigkeit.
Neue Medien und Kommunikationstechnologien gestalten den sozialen Raum, in
dem wir leben. Und es ist längst nicht mehr die Frage, ob man das Internet nutzt oder
nicht. Die entscheidende Frage lautet vielmehr: Nutzt du noch das Internet oder lebst
du schon im Cyberspace? Gehörst du zu denen, die den Computer benutzen, als sei
er eine bessere Schreibmaschine, und die das Internet benutzen, als sei es eine
bessere Bibliothek? Oder gehörst du zu denen, die ihre Existenz in den neuen
sozialen Medien aufbauen, privat wie geschäftlich?
In traditionellen Gesellschaften gab es wenige Optionen und starke Bindungen. In
der modernen Gesellschaft gibt es viele Optionen und schwache Bindungen. Die
starken Bindungen schließen aus. Sie knüpfen dichte Netzwerke zwischen
Verwandten und intimen Freunden. Das stärkt die Ich-Identität und den
Zusammenhalt der eigenen Gruppe. Hier herrscht blindes Vertrauen.
Schwache Bindungen dagegen schließen ein. Sie verknüpfen entfernte Bekannte
und bilden Informationsnetzwerke. Die Verbreitung von Informationen wird deshalb
nicht durch starke Bindungen, sondern gerade durch schwache Bindungen
gesteigert. Das ist die wichtigste Lektion der Netzwerklogik: Nicht starke, sondern
schwache Bindungen machen neue Informationen zugänglich und verbinden
verschiedene Gruppen. Das ist das Geheimnis von Geschäftsmodellen wie eBay und
von Business-Netzwerken wie Xing. Menschen interessieren sich nämlich vor allem
für Menschen, und der Einzelne glaubt am ehesten dem Kollegen, dem Bekannten
und dem Netz-Nachbarn.
Warum gibt es so viele Menschen im Internet, die teilen, schenken und sich sorgen?
Warum gibt es unzählige Autoren, die unbezahlt und anonym Beiträge für eine
Online-Enzyklopädie schreiben oder Probleme anderer Leute lösen? Warum sind so
viele Kunden bereit, Empfehlungen für andere Kunden zu formulieren und auf die
Aufforderung von Amazon oder eBay, „Bewerten Sie Ihren Verkäufer“, zu reagieren?
Die Antwort denkbar einfach. Die Leute tun das, weil es ihnen Freude macht. Und
Freude ist ein Indikator für Effizienz.
Wer hätte noch vor zehn Jahren an die Produktivität des Teilens geglaubt? Wer hätte
geglaubt, dass eine Strategie des Teilens, Schenkens und Vertrauens in der
kapitalistischen Welt überlebensfähig ist? Aber die Open-Source-Software Linux hat
es eindrucksvoll gegen den Monopolisten Microsoft bewiesen. Wikipedia hat es allen
Befürchtungen von Kulturkritikern zum Trotz gegen die Encyclopaedia Britannica
bewiesen. Und die frechen Jungs, die File-Sharing-Systeme wie Napster und
Gnutella entwickelt haben, lassen Sony Music noch heute zittern.
Hobbyprogrammierer, Laien und Piraten haben den Kapitalismus in ein neues
Entwicklungsstadium getrieben.
Weil alle Welt von Heuschrecken, Finanzmonstern und gierigen Managern spricht,
wird leicht übersehen, dass es noch nie so viel gelebten Idealismus gab wie heute.
Idealistisch gesinnte Menschen gab es natürlich schon immer und durchaus auch in
Massen. Aber die Lebensbedingungen, unter denen diese Gesinnung florieren
konnte, waren selten gegeben. Heute haben Idealisten nicht nur eine realistische
Überlebenschance, sondern auch gute Geschäftschancen. Das Internet macht den
Idealismus zum Realismus. Das zeigt sich in Amerika natürlich am deutlichsten. Aber
auch hierzulande ist es kein Widerspruch mehr, Millionär und zugleich Sympathisant
von Attac zu sein. Dass sich Kapitalismus und Idealismus, Profitorientierung und
Gerechtigkeitssinn in der Produktion des sozialen Reichtums ergänzen – das ist der
neue Geist, der uns optimistisch stimmen sollte.
SWR2 AULA vom 28.02.2010
Gewinn für alle – Soziale Gerechtigkeit im 21. Jahrhundert
Von Prof. Norbert Bolz
7
Die wichtigsten und zukunftsfähigen Unternehmen arbeiten heute an einem
Kapitalismus mit gutem Gewissen. Idealismus verkauft sich nämlich gut.
Konsumartikel sollen ethischen Standards entsprechen; an die Stelle von
Ausbeutung soll der faire Handel mit den Entwicklungsländern treten. „Grüner Punkt“
und das Siegel "umweltfreundlich" genügen schon längst nicht mehr – es entstehen
Ethik-Marken.
Alles, was hier geschieht, kann man auf einen einfachen gemeinsamen Nenner
bringen: Das Politisch-Soziale wird zum Schauplatz des Marketing. Im
gemeinnützigen Engagement tritt jede Firma als Großer Bürger auf. Ein erfolgreiches
Unternehmen muss ein Gesicht haben. Es geht hier um Kreditwürdigkeit, Ansehen
und Vertrauenswürdigkeit. Und die kann ein Unternehmen des 21. Jahrhunderts nur
noch gewinnen, wenn es sich erkennbar an der Produktion des sozialen Reichtums
beteiligt.
Das hat nichts mit Menschenfreundlichkeit, aber sehr viel mit der Vernetzung der
Weltwirtschaft zu tun. Je komplexer nämlich das Wirtschaftssystem ist, desto mehr
hängt der eigene Erfolg vom Erfolg des anderen ab. Zusammenarbeit und
Wettbewerb sind dann kein Gegensatz, sondern die zwei Seiten derselben Medaille.
Open-Source-Software ist dafür ein gutes Beispiel: Jeder nutzt es, keinem gehört es,
jeder kann es verbessern. Die Gelegenheiten, die Netzwerke bieten, erzeugen die
nötige Motivation. Erfolgreich bin ich demnach nicht durch Schwächung des anderen,
sondern durch die Stärkung der gegenseitigen Interessen. Mit einem Wort: Erfolg
hat, wer mit Erfolgreichen kooperiert.
Auf der Ebene des Konsums sind wir ja schon gewohnt, dass Kunden Ethik-Marken
konsumieren und mit gutem Gewissen genießen wollen. Heute sehen wir, dass auch
die Unternehmen und großen Organisationen Profitorientierung und moralisches
Handeln nicht mehr als Gegensatz, sondern als wechselseitiges
Steigerungsverhältnis verstehen.
Die sozialistische Forderung nach einer Umverteilung des Reichtums kontert der
neue Sozialkapitalismus mit dem Angebot der Teilhabe am Wachstum der Wirtschaft.
Gewinn für alle! Durch robustes wirtschaftliches Wachstum wird die Lage jedes
einzelnen positiver verändert, als das durch Umverteilung möglich wäre. Alles ist gut,
solange es demjenigen, dem es am schlechtesten geht, ein wenig besser geht.
Abraham Lincoln hat einmal den großartigen Satz formuliert: Man kann die
Schwachen nicht stärken, indem man die Starken schwächt. Die Anwendung dieser
Einsicht auf unser Thema liegt auf der Hand. Soziale Gerechtigkeit gibt es nicht
durch Umverteilung, sondern durch die Produktion des sozialen Reichtums; nicht
durch Sozialismus, sondern durch soziale Netzwerke und die Kraft des Einzelnen.
Mehr staatliche Intervention, Konsumkontrolle und Begrenzung des Wachstums –
das ist der falsche, phantasielose Weg. Eine Gesellschaft, die keinen positiven
Begriff von Wachstum hat, geht unter. Nur der Profit gibt der Moral Stabilität. Soziale
Gerechtigkeit muss deshalb heißen: Profit für alle.
Das erfolgreiche Unternehmen des 21. Jahrhunderts muss deshalb selbstbewusst
Profit und Profil verbinden. Dem protestantischen Geist des Kapitalismus war das
einmal gelungen. Und die große Krise gibt uns heute die Chance, über einen neuen
Geist des Kapitalismus nachzudenken.
Jeder große Wandel setzt die Allgemeinheit einer großen Not voraus. In der Not
steckt die Chance, dass großen Ideen wichtiger werden als das große Geld. Erst
kommt das Profil, dann der Profit. Von den Linken ist hier nichts zu erwarten.
Natürlich breitet sich heute wieder ein Salonsozialismus in den Medien aus, aber
darin liegt weder eine Hoffnung noch eine Bedrohung. Wenn unsere Gesellschaft die
Werte, die sich nicht in Preisen ausdrücken lassen, ernst nimmt, verschwindet das
Gespenst des Sozialismus.
Wie könnte nun der staatliche Rahmen für den neuen Geist des Kapitalismus
aussehen? Hier kann man viel von der jüngeren deutschen Geschichte lernen. Ich
meine die Geschichte von Bismarcks Sozialgesetzgebung bis zu Gerhard Schröders
Agenda 2010. Die deutsche Sozialdemokratie hat alles verwirklicht, was am
Sozialismus vernünftig war. Man kann es auch so sagen: Das
Jahrhundertexperiment des Sozialismus ist gescheitert, und gleichzeitig sind alle
seine vernünftigen Forderungen vom Kapitalismus selbst erfüllt worden. Die Arbeiter
sind als Bürger anerkannt, die Konservativen akzeptieren den Wohlfahrtsstaat, und
die meisten Linken sind Reformer geworden.
Deshalb geht es heute gar nicht um „mehr“ oder „weniger Staat“. Vielmehr geht es
um das rechte Verständnis des sozialen Rechtsstaats. Wir müssten begreifen, dass
das Wort „sozial“ selbst keinen juristischen Sinn hat, sondern ein rein politischer
Zielbegriff ist, der vor allem auf die Güterverteilung bezogen ist. Der Kern des
Rechtsstaats ist die Verfassung, die gewährleistet, der Kern des Sozialstaats ist die
Verwaltung, die gewährt.
Eine sinnvolle Kritik des modernen Staates darf es sich heute nicht mehr so leicht
machen, wie es jene Liberalen immer noch tun, die „weniger Staat“ fordern.
Betreuung ist heute nicht mehr das einfache Gegenteil der Selbständigkeit.
Modernes Leben steht heute nämlich unter dem Motto: je freier, desto abhängiger.
Um selbst mehr leisten zu können, macht sich heute jeder von fremden Leistungen
abhängig. Ich mache mich sehenden Auges von Dienstleistern, Sekretärinnen und
Beratern abhängig, um das, was ich eigentlich kann und tun will, effektiver und
souveräner tun zu können. Man verzichtet auf Herrschaft, um besser steuern zu
können. Und das gilt eben nicht nur in privaten Zusammenhängen. Die Abhängigkeit
von staatlichen Leistungen und Spielräume der Existenz wachsen miteinander.
Im Prozess der Moderne schrumpft der beherrschte Lebensraum, in dem der
Einzelne eine gewisse Autarkie hat, also als Herr auftreten kann. Gleichzeitig
erweitert sich der effektive Lebensraum durch Technik und Medien ganz enorm. Je
moderner man lebt, um so größer wird die Abhängigkeit von staatlichen
Versorgungsapparaturen, von Leistungen der Daseinsvorsorge. Im effektiven
Lebensraum gewährleistet uns der Staat die Existenz. Immer mehr wird der Staat
tatsächlich Vater Staat – schützend, versorgend und vorsorgend.
Der Grundgedanke des vorsorgenden Sozialstaates ist folgender. Wenn es um
Gesundheit, Bildung und Altersvorsorge geht, hilft es den Menschen nicht, wenn man
ihnen eine Fülle von Wahlmöglichkeiten anbietet. Je komplexer die Lage ist, desto
wichtiger wird ein benutzerfreundliches Design des Sozialen, das die Bürger und
Kunden in die richtige Richtung schubst. Die Leute, die nicht wissen, was gut für sie
ist, brauchen „Wahl-Helfer“ im wortwörtlichen Sinne, also kompetente Menschen, die
ihre Entscheidungen wohltätig beeinflussen. Der Staat greift heute also auf den
ganzen Menschen zu, auf Leib und Seele. So wird der klassische Wohlfahrtsstaat
präventiv. Aus Sorge wird Vorsorge. Geholfen wird also auch denen, die gar nicht
hilfsbedürftig sind. Und seither heißt Wohlfahrt „Service“.
Nur Narren verkennen die welthistorische Leistung, die der Wohlfahrtsstaat erbracht
hat: nämlich die Integration aller Menschen in die moderne Massendemokratie. Aber
wir haben einen hohen Preis dafür zahlen müssen. In seinem Gedicht „Leviathan“
nennt Hans Magnus Enzensberger uns Bürger des modernen Staates die „hörigen
Angehörigen“. Unser Hauptproblem ist ein geistiges. Es geht um die
Betreutenmentalität, die man „erlernte Hilflosigkeit“ nennt. Diese Mentalität ist der
Todfeind von Mut und Initiative des Einzelnen.
Ein neuer Geist braucht einen Charismatiker, der ihn verkörpert, und eine
Gefolgschaft, also die Partisanen der Idee. Es geht wohlgemerkt um Gefolgsleute,
nicht um Angestellte. Es geht um Führer, nicht um Manager. Es geht um Charisma,
nicht um Bürokratie. Das ist die eindrucksvolle Lektion, die uns der Wahlkampf Barak
Obamas erteilt hat. Man kann die Menschen nur mit Ideen und Leidenschaft führen.
Der erfolgreiche politische Führer ist nicht einfach von Beruf Politiker, sondern hat
den Beruf zur Politik. Sein Wille zur Führung zeigt sich darin, dass er etwas in Gang
setzen will, dass er einen Unterschied machen will. Oder um es mit dem
Lieblingsausdruck der Berliner Politiker zu sagen: Er will etwas „auf den Weg
bringen“. Dazu braucht man Spannkraft, um reagieren zu können,
Kommunikationsfähigkeit, um antworten zu können, und Mut, um die Initiative
ergreifen zu können. Den Beruf zur Politik hat eigentlich nur jemand, der den
Glauben an eine Idee und eine Gemeinschaft hat – die Grünen haben uns das vor
zwanzig Jahren noch einmal vorgeführt. Aber hinzu kommen muss die
Kommunikation einer Leidenschaft. Und dafür sind die Leute heute Obama dankbar:
Change. Yes, we can. Das ist eine der erfolgreichsten Kommunikationen aller Zeiten.

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Online-Publikation: Dezember 2011 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< David Harvey. Marx' "Kapital" lesen . Ein Begleiter für Fortgeschrittene und Einsteiger . Aus dem Amerikanischen von Christian Frings >>
416 Seiten; Paperback; ISBN 978-3-89965-415-8; EUR 24.80 sFr 37.90
VSA-Verlag; D-20042 Hamburg; www.vsa-verlag.de
 

Überblick
Ein Glücksfall für die Marx-Rezeption im 21. Jahrhundert: Der weltweit bekannte marxistische Wissenschaftler David Harvey führt durch den klassischen Text zur Kritik der politischen Ökonomie.

Inhalt
Die größte Finanz- und Wirtschaftskrise seit der Großen Depression und der Versuch, die Ursprünge dieses aktuellen Dilemmas zu verstehen, hat das Interesse an Karl Marx‘ Werk – quer durch die politischen Lager – beträchtlich ansteigen lassen.
David Harvey, marxistischer Humangeograph und Sozialwissenschaftler, forscht und unterrichtet seit fast 40 Jahren zum »Kapital«. Hervorgegangen aus seinen Vorlesungen zur Kapitallektüre, denen große internationale Aufmerksamkeit zuteil wurde, zielt dieser Band darauf, die Substanz dieser Lektionen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.
Das »Kapital«, Band 1, vollständig zu erschließen und es in Marx‘ eigenen Begrifflichkeiten verständlich zu machen – das ist das Ziel von David Harvey. Seine Darstellung richtet sich zum einen an Neu-LeserInnen von Marx, die einem faszinierenden und zutiefst lohnenden Text begegnen. Denjenigen wiederum, die bereits mehr oder weniger intensiv in Marx‘ Werk eingestiegen sind, bietet sein Wegweiser originelle und kritische Interpretationen eines Buches, das den Lauf der Geschichte geändert hat und sich, wie Harvey zu verstehen gibt, erneut anschickt, dies zu tun.

Autor
David Harvey ist Dozent am Graduate Center der City University of New York und Autor zahlreicher Bücher. Bei VSA erschienen von ihm: »Der neue Imperialismus« (2005), »Räume der Neoliberalisierung« (2007) sowie sein Gespräch mit Giovanni Arrighi in »Die verschlungenen Pfade des Kapitals« (2009).

Fazit 1
kultur-punkt , m+w11-12
David Harvey , Dozent an der CityUni-New York, empfiehlt seinen geist-erfrischenden Begleiter für Fortgeschrittene und Einsteiger <<"Marx' "Kapital" lesen>> und den Diskurs dazu aktuell fortzuführen. In 12 Kapiteln werden "Waren und Austausch, Geld, Kapital und Arbeits-kraft, -tag, -prozess und Produktion von Mehrwert (+ relativer) , Technologie-Enthüllung, Maschinerie und Grossindustrie, Gesamt-Mehrwert zur Verwandlung in Kapital und dessen kapitalistische Akkumulation , schliesslich das Geheimnis der ursprünglichen Akkumulation mit Reflexionen und Prognosen." Nach seiner Vorlesungs-Videoserie dazu kommt nun dieses Diskursbuch zur aktuellen massiven globalen Krise zur rechten Zeit.
In seiner beachtlichen Analyse kommt er zum Schluss, dass wir Marx in seiner eigenen Begrifflichkeit lesen versuchen sollten. Darunter versteht Harvey die Möglichkeit zu einer eigenen Interpretation und Deutung zu gelangen, distanziert von den vielen Kritikastern und nachplappernden Dogmatikern. Diskurs ist angesagt und schliesst mit dem Brechtzitat:
,,wieviel nötig ist, die Welt zu verändern; Zorn und Zähigkeit, Wissen und Empörung, schnelles Eingreifen, tiefes Bedenken, kaltes Dulden, endloses Beharren, Begreifen des Einzelnen und Begreifen des Ganzen: nur belehrt von der Wirklichkeit, können wir die Wirklichkeit ändern". Mit dieser Würze in Kürze gewappnet bitten wir zum sich lohnenden Diskurs dem Neoliberalismus und Kasinokapitalismus die Stirn zu bieten. m+w.p11-12

Fazit 2
SWR2 Forum Buch
13.11.2011 /// 17.05 Uhr
Redaktion: Wolfram Wessels
David Harvey. Marx' "Kapital" lesen.
Von Barbara Eisenmann

INHALT

O-TON (24.14)
You know if you say you have been teaching the same book for 40 years people kind of think oh my god how boring (lacht) this person must be (lacht), and you know I guess I am, but on the other hand to me I have been astonished by what new things I see in Marx everytime I read it in relationship to the situation as it exists right now, because I am always thinking about well how does this read in this context right now. (1.55) Well I think if you are curious about daily life and you try to understand the dynamics of daily life then you have to have some framework to try to understand what is happening to people, right now around foreclosures, unemployment, and try to figure out why it is happening in the way it is happening. So for me Marx provides a method of inquiry, I don´t like to think of him as providing a set of propositions that we apply to the world, but as a method of inquiry to try to understand our contemporary situation. So when I am teaching Capital f.ex. I try to do it in such a way as to open up ways of thinking about contemporary circunstances rather than teaching it as fixed body of doctrin.
ÜBERSETZER
Wenn man sagt, dass man dasselbe Buch seit 40 Jahren unterrichtet, denken die Leute: Oh Gott, was muss das für ein Langweiler sein, und wahrscheinlich bin ich das ja auch. Aber auf der anderen Seite hat es mich immer wieder überrascht, wie viel Neues ich jedes Mal in Marx entdecke, wenn ich die Lektüre in Beziehung setze zur Gegenwart. Wenn man sich für das Alltagsleben interessiert und dessen Dynamik verstehen möchte, dann braucht man irgendeine Art von Rahmenwerk, das es einem erlaubt zu verstehen, was den Leuten passiert, beispielsweise jetzt gerade die Zwangsversteigerungen oder die Arbeitslosigkeit, und das es einem auch erlaubt herauszufinden, warum es auf diese Art und Weise passiert. Marx hat aus meiner Sicht eine Untersuchungsmethode zur Verfügung gestellt und nicht ein Set von Aussagen, die man einfach auf die Welt appliziert. Wenn ich also Das Kapital unterrichte, versuche ich es so zu tun, dass ich Denkweisen öffne, wie man über die gegenwärtigen Umstände nachdenken kann, und nicht einen festgelegten doktrinären Korpus vermittle.
AUTORIN
Das ist David Harvey. Er ist ein in linken Kreisen bekannter britischer Humangeograph, der am Graduate Center der City University of New York unterrichtet. Auf seiner Webseite kann man sich die populären Kapital-Vorlesungen als Video herunterladen; eine Million Leute haben das bereits getan.
O-TON (12.54)
Well it is not that big when you think of it, it would have been nice if it was 10 million you know, I mean it´s great that it is a million, but that does tell you something also. ... I think this is a moment where, you know, in the 1930ies there was a crisis and a lot of new ideas came out of that, and in the 1970ies there was a crisis and a lot of new ideas came out of that, we are going through this crisis and no new ideas have appeared at all, and I think people are looking, and one of the places they are looking is well may be Marx has something to say about it.
ÜBERSETZER
Nun, so viele sind das auch wieder nicht, es könnten ja auch 10 Millionen sein! Aber das zeigt doch schon etwas. So wie in den 1930er Jahren, als es eine Krise gab und eine Menge neuer Ideen aufkamen, oder in den 70ern, als es auch eine Krise gab und neue Ideen entstanden sind, so gehen wir gerade wieder durch eine Krise, neue Ideen sind zwar noch keine aufgetaucht, aber die Leute suchen danach, und ein Ort, an dem sie suchen, ist bei Marx; vielleicht hat er ja etwas dazu zu sagen.
AUTORIN
Eine schnelle Abfolge von Krisen hat die Weltwirtschaft in den letzten 20 Jahren immer wieder aufs Neue heftig erschüttert, und aus nicht-marxistischer Sicht ist nicht auszumachen, ob sie irgendeiner unsichtbaren Vernunft gehorchen oder schlicht Verrücktheit widerspiegeln. Jetzt ist auf Deutsch Harveys Lektüre von Band 1 des Kapitals erschienen. Sein Buch fußt auf den Vorlesungen, und die sind ein Mix aus chronologischem close-reading, es wird also an ausgewählten Textstellen gearbeitet, und Zusammenfassungen. Außerdem flicht Harvey historische Informationen zur Entstehungszeit des Werks ebenso wie Verweise auf die Gegenwart ein. Seine Lektüre verfährt in Marx´ eigener Begrifflichkeit, um deren Verständnis es ja geht, aber das wird auf eine saloppe Art und Weise getan, die den Zuhörern bzw. Lesern auch die Angst vor dem ehrfurchterheischenden Riesenwerk nimmt und einen ersten, ziemlich
guten, d.h. verständlichen Einblick in Marx´ dialektische Methode vermittelt. Ausgegangen wird vom berühmten ersten Satz:
ZITATOR
Der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint als eine ungeheure Warensammlung, die einzelne Ware als seine Elementarform. Unsere Untersuchung beginnt daher mit der Analyse der Ware.
AUTORIN
Harvey zeigt mit Marx, wie sich der in der Ware selbst enthaltene Grundwiderspruch, Gebrauchswert auf der einen, Tauschwert auf der anderen Seite, in x weiteren, immer komplexeren Widersprüchen artikuliert, wie jeder neue Widerspruch eine scheinbare Auflösung früherer Dichotomien ist und sich so ein immer umfassenderes Verständnis des Kapitalismus als „Ausweitung der Widersprüche“ entwickeln lässt. Harvey gelingt es, die ungeheure Abstraktion der Marx´schen Großargumentation Schritt für Schritt aufzuschlüsseln. Sein Buch versteht sich als Einführung, als Lesehilfe; selbstverständlich sollte sie die Lektüre des Originaltextes nicht ersetzen, aber sie funktioniert auch ohne das Original. Und das ist außerordentlich hilfreich, von nicht zu unterschätzendem Gebrauchswert, rettet es einen doch vor erschöpfender Hermeneutik, die in Kapital-Lesekreisen häufig anzutreffen ist, und damit vermutlich vorm Scheitern, weil man die Lektüre entweder schnell wieder abgebrochen oder gar nicht aufgenommen hätte. Das Kapital sagt Harvey
O-TON
it´s open for all kind of things, but I think we have to be very adaptable, we have to be prepared to take on all sorts of new ideas. I mean the audience in 1970 was very political, you didn´t have to persuade them politically, it was very often rather doctrinaire. During the 1990ies in this country in particuar there was a lot of what we call identity politics, everything was about race or gender or sexuality you know and again I had to negotiate with a lot of that and I again each time if you negotiate with something you also have to absorb some of it as well, so in a way my marxism became much more flexible in relationship to many of those dimensions as result of those encounters, it became much more flexible around questions of cultural, around the postmodern turn kind of thing, in a way my marxism has been evolving depending upon the circunstances around and the nature of the situation. And of course with the crisis that came out just in the last 2 or 3 years again it is an opportunity to reestablish a political-economic reading of the situation, but to do it in a way that is much more nuanced I think than would have been possible for me to do 20 or 30 years ago. So I think yeah my reading of Marx has also changed.
ÜBERSETZER
ist offen für alles Mögliche, und wir müssen anpassungsfähig sein und neue Ideen aufnehmen. In den Siebzigern waren die Zuhörer extrem politisch, man musste sie von nichts überzeugen; allerdings ging es da oft auch sehr doktrinär zu. In den Neunzigern drehte sich dann alles um Identitätspolitik, um Rasse, Gender, Sexualität, und ich habe eine Menge davon absorbiert. Mein Marxismus ist durch die Postmoderne viel flexibler geworden. Aber natürlich ist die Krise der letzten 2, 3 Jahre eine Gelegenheit, wieder eine politisch-ökonomische Lektüre der Situation vorzunehmen, das allerdings auf eine differenziertere Art und Weise zu tun, als es mir vor 20 oder 30 Jahren möglich gewesen wäre.
AUTORIN
Harvey zeigt Marx als eine Art Dekonstruktivist, zeigt, wie dieser sich im ersten Band des Kapitals die ebenfalls höchst abstrakten Thesen der klassischen, der bürgerlichen politischen Ökonomie seiner Zeit, von Adam Smith, David Ricardo u.a., vorgeknöpft hat. Rekonstruierend ist Marx vorgegangen, um nachzuweisen, dass deren liberale Vorstellungen einer perfekten Marktgesellschaft, in der rechtlich gleiche Warenbesitzer gleichwertige Waren tauschen, nur eine Utopie ist, die zuallererst schon einmal verschleiert, Marx nennt das Fetischisierung, dass die Natur nicht Geldbesitzer auf der einen und Lohnarbeiter auf der anderen Seite produziert hat. Eine Utopie, die darüber hinaus nicht erklären kann, wo der Mehrwert, der Profit, das Charakteristische der kapitalistischen Produktionsweise, denn eigentlich herkommt. „Das Geheimnis der Plusmacherei muss sich endlich enthüllen“, schreibt Marx. Der Mehrwert, und das ist seine bahnbrechende Erkenntnis, wird erzeugt von der Arbeitskraft, die in einem historischen Prozess selber eine Ware geworden ist, die auf dem Markt ver- und gekauft wird, allerdings eine Ware mit einer einzigartigen Fähigkeit, nämlich der, dass sie mehr Wert produzieren kann, als sie selbst besitzt. „Der Wert der Arbeitskraft ist der Wert der zur Erhaltung ihres Besitzers notwendigen Lebensmittel“, heißt es im Kapital. Es ist ihr Tauschwert. Der Wert aber, den der Kapitalbesitzer
abschöpft, die allseits bekannte Wertschöpfung, ist der nicht bezahlte Überschuss, gezogen aus ihrem Gebrauchswert, um den in vielen Arbeitskämpfen erbittert gestritten worden ist und immer noch gestritten wird. Marx zeigt, dass die Dogmen der liberalen Vision vollkommener Märkte nicht zu einem vorteilhaften Resultat für alle führen, dass vielmehr der tatsächlich existierende Kapitalismus wenige sehr reich macht und die meisten anderen in die Armut stürzt.
Harvey schlägt immer wieder den Bogen zum Neoliberalismus, der auf die klassischen liberalen Dogmen zurückgreift, dessen Rezepte seit den 70er Jahren angewendet werden. Alle haben gewiss noch die erst kürzlich verstummte Lobeshymne auf das neoliberale Gespenst der „unsichtbaren Hand“ im Ohr, die auf wundersame Weise, deregulierend, also ganz auf entfesselte Märkte setzend, das Gemeinwohl gleichsam automatisch herstellen würde. Entstanden sind dabei allerdings weltweit Bedingungen, die den von Marx beschriebenen englischen der 1850er und 1860er Jahre nicht unähnlich sind, sagt Harvey.
Weil, und auch das legt seine Kapital-Lektüre schlüssig dar, Kapitalismus „Akkumulation um der Akkumulation, Produktion um der Produktion willen“ ist, wie es bei Marx heißt, weil das Kapital sich immer in sich selbst verwertender Bewegung, sprich Zirkulation befindet, es aus Geld mehr Geld macht, ist Wachstum ein nicht zu hinterfragender kapitalistischer Imperativ.
O-TON (6.10)
I can imagine the end of capitalism fairly easily, ... and in fact not only can I imagine it now, I think it is becoming increasingly necessary, because capital is about growth, (9.00) a compound rate of growth of nearly 3% for 200 years, and it has now got at a point where
it is increasingly difficult to maintain that compound rate of growth.
ÜBERSETZER
Ich kann mir das Ende des Kapitalismus vorstellen, ziemlich gut sogar. Und nicht nur kann ich es mir vorstellen, ich glaube sogar, dass es zunehmend notwendiger wird. Kapital hat mit Wachstum zu tun, seit 200 Jahren haben wir es mit einer etwa 3-prozentigen kumulierten Wachstumsrate zu tun. Wir sind jetzt aber an einem Punkt angelangt, wo es zunehmend schwieriger wird, ein derartiges Wachstum zu gewährleisten.
AUTORIN
Wer überhaupt erst einmal verstehen will, wie der Kapitalismus funktioniert, kommt um Das Kapital wohl nicht herum. David Harvey kann einem dabei mit seinem A Companion to Marx´s Capital, wie

Karen Horn : Die Stimme der Ökonomen

 Online-Publikation: Januar 2013 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Karen Horn : Die Stimme der Ökonomen . Wirtschaftsnobelpreisträger im Gespräch >>
Buch: 376 Seiten . Fester Einband, ISBN 978-3-446-43208-6; 24,90 € (D) / 34,90 sFR (CH) / 25,60 € (A)
E-Book: im ePUB-Format, 376 Seiten; ISBN 978-3-446-43305-2; 18,99 € (D) / 28,00 sFR (CH) / 18,99 € (A)
Hanser Verlag, München; www.hanser-literaturverlage.dewww.hanser.de

Inhalt
Neue Ideen fallen nicht vom Himmel - das gilt nicht nur für technische Erfindungen, sondern auch für wissenschaftliche Erkenntnisse. Woher stammen neue Ideen? Wann setzen sie sich durch? Wie wird jemand ein herausragender Wissenschaftler, der Bahnbrechendes leisten kann? Karen Horn hat für dieses Buch Gespräche mit zehn Wirtschaftsnobelpreisträgern geführt: unter anderem mit Paul A. Samuelson, der die Wirtschaft in mathematische Formeln packte; mit James M. Buchanan, der die ökonomische Analyse auf den Staat übertrug; mit Robert M. Solow, der die Wachstumstheorie entscheidend prägte, und mit Reinhard Selten, der die Spieltheorie weiterentwickelte. Die Interviews haben doppelten Reiz: Sie machen das Werk dieser herausragenden Denker in knapper und lesbarer Form verständlich - und sie zeigen, wie stark es vom persönlichen und zeitgeschichtlichen Hintergrund geprägt ist.

Autorin
Karen Ilse Horn ist Geschäftsführerin der "Wert der Freiheit GmbH" in Berlin. Bis März 2012 leitete sie das Hauptstadtbüro des Instituts der deutschen Wirtschaft. Von 1995 bis 2007 war sie Mitglied der Wirtschaftsredaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Sie ist Dozentin für ökonomische Ideengeschichte und Vorsitzende der Friedrich-August-von-Hayek-Gesellschaft.

Fazit
"Die Stimme der Ökonomen" werden wird dank Karen Horn im Gespräch mit den Wirtschaftsnobelpreisträger deutlich präsentiert. Es sind dies Samuelson*1915, lag im stänigen Zwist mit Friedman; Arrow*1921, enträtselte die Fragen der anderen; Buchanan*1919 pflegte eine tiefe Abscheu vor Beherrschung und Diskriminierung; Solow*1924, enträtselte das wirtschaftlichen Wachstum; Becker*1930, beleuchtet das menschliche Leben, statt negativ; North*1920 behauptet: "Ich bin niemals zufrieden mit dem, was ich weiss "; Selten*1930,sagt von sich: "Ich habe immer der Mehrheitsmeinung misstraut" ; Akerlof*1940, der jüngste Nobelpreisträger, entpuppt sich als ein Menschenfreund im englischen Garten"; Smith*1927, ist der Effizienz der Märkte auf der Spur; und schliesslich Phelps*1933 fand, nachdem er sich aus seiner Starre gelöst hatte, "die Wahrheit unterhalb der makroökonomischen Aggregate*, meint, dass die auch das Mikroökonomische einbeziehen " was soviel heisst, dass Phelps für seine Analyse von intertemporalen Zielkonflikten in der gesamten Politik zusätzlich noch 2006 den schwedischen Wirtschaftswissenschafts-Preis erhielt. Sein Credo: Kapitalismus ist Hayek-Land (Österreich).
Aufgrund dieser Gespräche, besonders des letzteren, ist dieses Diskursbuch ein Nachschlagewerk für alle Beteiligten in unserer Lebenswelt von unglaublichen Nutzen zum Durchdenken für Neues. m+w.p13-2

*) makroökonomischen Aggregate
Die Makroökonomik
ist die Lehre von den gesamtwirtschaftlichen Größen . Ihre Objekte sind damit :
•das Produktionspotential,
•die Arbeitslosigkeit,
•das Preisniveau,
•das Volkseinkommen,
•das Wirtschaftswachstum und
•die Konjunktur, um nur einige der zentralen Größen zu nennen.
Alternativ ließe sich die Makroökonomik als Institution oder Methode definieren. Im ersten Fall würde man danach fragen, wer Makroökonomik betreibt. Zu nennen wären in erster Linie Wirtschaftsforschungsinstitute, der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage, Lehr- und Forschungseinheiten an Hochschulen und die volkswirtschaftlichen Abteilungen in Banken. Im zweiten Fall wäre danach zu fragen, welche Vorgehensweise für die Makroökonomik bezeichnend ist. Das lässt sich leider nicht so kurz und knapp beantworten wie in der Mikroökonomik, aber wer auf den folgenden Seiten weiter liest, wird bald einen Eindruck von der (üblichen) Methodik gewinnen.
http://makroo.de/Einleitung/Was%20ist%20Makro_oekonomik.htm
Aggregate
Zusammenfassung mehrerer Einzelgrößen hinsichtlich eines gleichartigen Merkmals, um Zusammenhänge zu gewinnen, z.B. Zusammenfassung der Nachfrage der einzelnen Haushalte zur Gesamtnachfrage des betreffenden Marktes.
http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/aggregation.html

**) http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_August_von_Hayek