Zur DIALEKT KULTUR von Tier - Mensch und zum SOZIALEN GEHIRN


SWR2 Wissen: Aula Ralf Caspary mit Karsten Brensing : Faszination Tiere - wie sie fühlen und denken .Über Affen, Meisen und Delfine
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VORSPANN-AUSZUG:

ZUR  DIALEKT KULTUR von Tier - Mensch
Was man mit dem Orca getestet hat, ist die Fähigkeit für vokales Lernen. Und da gibt es tatsächlich gar nicht so viele Tiere, die das können. Man weiß es bei den Orcas schon sehr lange, dass sie dazu fähig sind, weil man vor 20 Jahren bei ihnen so etwas wie einen Dialekt entdeckt hat. Das ist auch eine Form der Kultur. Und dieser Dialekt ist mit großer Wahrscheinlichkeit angelernt. Der Beweis steht zwar noch aus, aber vermutlich ist es eine angelernte Tradition, auf eine bestimmte Art und Weise die Geräusche zu erzeugen.


ZUM SOZIALEN GEHIRN
Caspary:
Jetzt haben wir noch einen Aspekt abzuarbeiten, das ist die Kooperationsfähigkeit von bestimmten Tieren: das Verhalten in der Gruppe, die Zusammenarbeit. Es gibt ja in der Philosophie eine Richtung „philosophy of mind“. Das ist das Konzept eines „social brain“, eines sozial agierenden Gehirns. Das ist doch in der Tierforschung auch so?
Brensing:
Ganz genau. Es ist eine Hypothese, und viele Forscher gehen davon aus, dass die Größe und Komplexität unseres Gehirns nicht durch unsere Umwelt geformt wurde, sondern durch unser immer komplexer werdendes Sozialleben. Dass wir also letztlich unsere Gehirne haben, um unser Sozialleben zu managen, und nicht, um Flugzeuge zu bauen oder so, sondern das ist nur ein Nebenprodukt oder ein Abfallprodukt sozusagen Die Idee, die dahintersteckt, ist, dass man sich Netzwerke von Tieren angeschaut hat. Wenn das Tier in einer Herde lebt, spielt das Individuum keine so große Rolle. Bei einem Fisch-Schwarm ist das beispielsweise so. Niemand würde Fisch Nr. 324 vermissen, wenn der plötzlich fehlt. Anders ist es, wenn das Tier in einem Netzwerk lebt, wo es jedes Individuum kennt. Das hat man bei Delfinen in Australien sehr gut erforscht, die haben Tausende von Bekannten und darunter haben sie Freunde, mit denen sie klarkommen müssen. Sie müssen wissen, auf wen sie sich verlassen können und auf wen nicht. Das müssen sie sich merken und in ihrer Biografie wegspeichern, weil das von großem Vorteil ist, wenn später mal ein Problem auftaucht. Und deswegen gilt die Hypothese, dass die komplexen Gehirne letztlich dazu da sind, um unser Sozialleben zu managen.
Caspary:
Wir sehen das ja an uns Menschen. Ich schätze, dass wir zu 90 Prozent versuchen herauszufinden, wie andere zu uns stehen?
Brensing:
Absolut. Es gibt dazu ein tolles Experiment aus Leipzig von Professor Tomasello, der das Verhalten von Menschen und Schimpansen in der Gruppe untersucht hat. Dabei ist herausgekommen, dass Menschen sich selbst gerne unterordnen. Ein Schimpanse würde das nie machen.
Caspary:
Was heißt das: unterordnen?
Brensing:
Es war ein Experiment mit Kindergartenkindern. Ein Kind kennt einen Trick, wie es ein Bonbon bekommen kann. Was macht das Kind mit dem Wissen? Nimmt es sich einfach das Bonbon und lutscht es vor den anderen und ist damit aus der Gruppe ausgegrenzt, weil es ja das einzige Kind ist mit dem Bonbon. Oder stellt es seinen Wunsch zurück? Ein Schimpanse würde sich sofort das Bonbon nehmen. Wir Menschen nehmen uns zurück und holen das Bonbon erst, wenn wir uns unbeobachtet fühlen.
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