Industrie- und Bodengeschichte . Zurück in die Zukunft
Architektur Lebensraum A_Z -> Urbane Muster - Bauen & Leben > Basel: Architektur & Lebensraum >
Klybeckplus - Industrie- & Bodengeschichte
.al-klybeckplus17-8industrie-bodengeschichte
Industrie- und Bodengeschichte . Zurück in die Zukunft
Die Chemie- und Pharmaindustrie prägt das Klybeckareal seit rund 150 Jahren. Im Gespräch
mit Fachleuten der Planungspartner Novartis und BASF werfen wir einen Blick zurück auf
die lange Industriegeschichte und erfahren, weshalb diese Vergangenheit auch bei der
künftigen Nutzung des Areals eine wichtige Rolle spielt.
Blick vom Klybeckareal nach Osten
© Pressefoto BASF
Walter Dettwiler, Leiter des Novartis-Firmenarchivs, zeigt mit ausgestrecktem Arm nach
Norden und beschreibt dann einen Bogen, der das ganze Klybeckareal vom Rheinufer bis zur
Wiese umfasst: «Um das Jahr 1850 sah die Umgebung hier noch rein ländlich aus. Das gesamte
Gelände war Überflutungsgebiet; das Niveau lag bis zu fünf Meter tiefer. Erst als die Stadt
Basel entschied, das Areal aufzufüllen, konnte es industriell genutzt und bebaut werden.»
«Genauso war das», bekräftigt der Umweltbeauftragte Ulrich Weber von Novartis. Gemeinsam
mit Livio Ulmann, der bei der BASF für das Altlastenmanagement verantwortlich ist, und dem
Novartis-Firmenarchivar begleitet er uns auf den Spuren der Vergangenheit. «Nach und nach
wurde ein Grossteil des Geländes durch die Stadt mit Bauschutt, Ofenschlacke, Haus-, Gewerbeabfällen
und anderem aufgefüllt», macht Weber klar. «Auf dieser Grundlage bauen weit
mehr als hundert Jahre Industriegeschichte.»
E-News_08-2017_Industrie- und Bodengeschichte, 29.08.2017, Seite 2/4
Ursprung der Chemie- und Pharmaindustrie
Vom Dach des Novartis-Hochhauses an der Dreirosenbrücke haben wir eine weite Sicht über
das Areal. Der Blick fällt unmittelbar auf eines der bekanntesten Gebäude, die ehemalige Ciba-
Verwaltung an der Klybeckstrasse. «Heute ist dieser Bau einer der ältesten erhaltenen auf dem
Gelände», sagt Dettwiler. «Die ersten im Auftrag von Clavel erbauten Betriebe lagen aber an
anderer Stelle, nämlich viel näher am Rheinufer.» Dort hatte der Seidenfärber 1864 ein Stück
Land erworben, wo er seine Farbenfabrik neu einrichtete, weil die Produktion im Stadtzentrum
nicht mehr geduldet war.
Mit Clavel und den ersten synthetisch hergestellten Farbstoffen nahm die industrielle Nutzung
des Klybeckareals ihren Anfang. «Basel war aus vielerlei Gründen ein besonders attraktiver
Standort», so der Firmenarchivar. «Entscheidend war zunächst einmal die Lage mitten im bedeutenden
Textilzentrum des Oberrheins.» Die Basler Seidenbandweberei sowie die zahlreichen
Textilfabriken und Stoffdruckereien in Südbaden und im Elsass benötigten Farben in
grossen Mengen. Auch aus einem anderen Aspekt war die Nähe zu Frankreich wichtig. «Von
dort kamen das Know-how und sehr viele Mitarbeiter», erklärt Walter Dettwiler. Und schliesslich
erwies sich der Rhein als grosser Pluspunkt: Er sorgte für den Anschluss ans Meer und
lieferte das Wasser, das für die Produktion notwendig war. Gleichzeitig liessen sich – wie
damals üblich – Produktionsabfälle im Fluss entsorgen.
Heute durchzieht ein weit verzweigtes System an Kanälen und Rohren – die so genannten
Energieleitungstunnel – das Areal. Durch diese kilometerlangen unterirdischen Bahnen kamen
Brauchwasser, Dampf und Strom an den Einsatzort in der Produktion, und das Abwasser wurde
zurück in die Kläranlage geführt. Jede einzelne der Abwasserleitungen kann auch separat
kontrolliert werden. «Ein Umweltbewusstsein hat sich über die Jahrzehnte erst herausgebildet
und ist später stark gewachsen», stellt Livio Ulmann fest. «Praktiken, die früher einmal gängig
und gesetzlich zulässig waren, sind heute längst überholt.» Gerade in den Anfängen der
Produktion sei es zu Verunreinigungen gekommen, da das Betriebsgelände nicht komplett
versiegelt und die Abwasserleitungen aus Ton leckanfällig waren.
Novartis und BASF stehen zu ihrer Verantwortung
Welche Arealteile besonders betroffen sind, wollen wir wissen. Livio Ulmann deutet auf eine
Parzelle jenseits der Klybeckstrasse im Areal 3. Dieses Gebiet wurde Anfang des 20. Jahrhunderts
ins Firmengelände einbezogen. Über viele Jahrzehnte wurden dort Textilfarbstoffe
hergestellt. «Aufgrund eines früheren Schadens haben sich an dieser Stelle organische
Lösungsmittel im Erdreich gesammelt,» erläutert Ulmann. «Novartis und BASF sind sich ihrer
Verantwortung bewusst und sind dabei, den Bereich zu sanieren. Selbstverständlich in enger
Abstimmung mit der zuständigen Behörde, dem Amt für Umwelt und Energie Basel-Stadt.»
Das gesamte Klybeckareal wurde bereits umfassend auf Altablagerungen im Boden untersucht:
Mit Ausnahme der laufenden Sanierungsmassnahmen im Areal 3 bewertet das Amt für Umwelt
E-News_08-2017_Industrie- und Bodengeschichte, 29.08.2017, Seite 3/4
und Energie (AUE) das Industriegelände äusserstenfalls als überwachungsbedürftig. «In den
Jahren 2014 bis 2016 haben wir in einer ergänzenden technischen Untersuchung zusätzlich
600 Bohrungen auf dem Gelände durchgeführt», fügt der Novartis-Umweltbeauftragte Weber
hinzu. «Diese Vielzahl an Bodenproben hat keine weiteren unliebsamen Überraschungen zu
Tage gefördert.» Die Untersuchungen bestätigen auch, dass von den Verunreinigungen keine
Gefahr für Mensch und Umwelt ausgeht.
«Bei der Umwandlung des Klybeckareals und der geplanten Veränderung von einer rein
industriellen zu einer Gewerbe- und Wohnnutzung wird auch die Altlastensituation betrachtet
», so Weber weiter. «Eventuelle Aufwände für die Entsorgung belasteten Untergrunds
werden im Projekt klybeckplus Berücksichtigung finden und unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit
geprüft werden müssen.» Denkbar sei beispielsweise, dass man eine Parzelle, auf der
belastetes Erdreich ausgehoben wird, für eine Tiefgarage nutzt.
Belastungen in der Bausubstanz schränken Nutzungsmöglichkeiten ein
Auch die mögliche zukünftige Nutzung von leerstehenden Gebäuden hängt davon ab, wie
stark sie mit Produktionsrückständen belastet sind und welche Baustoffe bei ihrer Erstellung
verwendet wurden. Livio Ulmann weist uns auf einen grossen, aufgrund seiner Querverstrebungen
auffälligen Bau an der Ecke Klybeck- und Mauerstrasse hin. Das Gebäude wurde um
1955 als Tageslichtfabrik und mit modernster Technik zur Herstellung von Farbstoffen für
Wolle und Textilien errichtet. «Die teilweise über mehrere Stockwerke offene Fabrik lässt Raum
für kreative Ideen. Es gibt einiges, was man sich in diesem Gebäude vorstellen könnte », meint
Livio Ulmann. «Ob dieser und die anderen Fabrikbauten weiter genutzt werden können, müssen
wir allerdings genauestens untersuchen – insbesondere, wenn dort gewohnt werden soll»,
erklärt der Altlastenspezialist. Eventuell müssten die Gebäude entkernt oder abgerissen
werden.
Wie viel von dem Charakter des Industriegeländes bewahrt werden kann und soll, ist also noch
offen. Der Firmenarchivar Walter Dettwiler schafft es, unseren Blick von der Vergangenheit zu
lösen und nach vorne zu lenken: «Ziel des Projektes klybeckplus ist es, etwas Neues für die
Basler Bevölkerung zu schaffen. Auch wenn ich mich von Berufs wegen mit der Geschichte
dieses Ortes beschäftige, bin ich doch mehr als gespannt darauf, welche Veränderungen und
zukunftsweisenden Entwicklungen das Klybeckareal in den nächsten Jahrzehnten durchleben
wird.»
Die Planungspartner
Kanton Basel-Stadt, BASF, Novartis
Basel, 29. August 2017
E-News_08-2017_Industrie- und Bodengeschichte, 29.08.2017, Seite 4/4
Bau- und Verkehrsdepartement Kanton Basel-Stadt
Anlaufstelle «klybeckplus»
Münsterplatz 11, 4001 Basel
Tel. 061 267 91 52,
mailto:info@klybeckplus.ch
http://www.klybeckplus.ch
klybeckplus – ein Stadtquartier entsteht
Das Klybeckareal wird von BASF und Novartis heute kaum mehr für die industrielle Produktion benötigt. Die
Grundeigentümerinnen haben sich 2016 mit dem Kanton Basel-Stadt zusammengeschlossen, um die Zukunft
dieser Fläche von rund 300‘000 Quadratmetern gemeinsam zu planen. Der breite Gürtel zwischen Rhein und
Wiese wird sich allmählich öffnen und zu einem vielfältigen, durchmischten und vernetzten Stadtquartier
wandeln, das Raum für Wohnen, Arbeit, Freizeit und Kultur bietet. In den langen Planungsprozess ist die
Öffentlichkeit mittels Beteiligung von Anfang an als Gesprächspartnerin und Impulsgeberin einbezogen.
***