Städte machen krank - Diskurs: G. Scobel, Philosoph mit M. Adli, Stressforscher; M. Löw, Soziologin; M. Sauerbruch, Stadtgestalter

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Lebensraum - Luxusgut Stadt macht krank!
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INHALT
In wenigen Jahren wird die Mehrheit der Menschen in Städten leben. Neue Untersuchungen zeigen jedoch, dass das Leben in städtischen Räumen krank macht. Wie kann das verhindert werden?
2050 werden rund 70 Prozent der Weltbevölkerung in städtischen Räumen leben, so die neuesten Schätzungen der UN. Wir befinden uns aktuell in einem der bedeutendsten Veränderungsprozesse der Menschheitsgeschichte, einer weltweiten Urbanisierungsbewegung. Die Menschen drängen in die Städte - auf der Suche nach Arbeit und Wohlstand, nach einer besseren Infrastruktur und besseren Zugängen zu ärztlicher Versorgung, Bildung und Kultur.
Verdichtung und Flächenfraß
Auch wenn sich die Urbanisierungsprozesse unterscheiden: In den Megacities Asiens, Nordamerikas und den Großstädten Europas wird der Wohnraum knapp und teuer. Nach der Börsenkrise sind Aktien kein sicheres Geschäft mehr. Immobilien hingegen garantieren satte Renditen. Großinvestoren, Spekulanten und internationale Immobilienkonsortien befeuern den Ausverkauf der Städte und haben eine Preisspirale mit dramatischen Folgen in Gang gesetzt. Die Armut wächst, und der Unterschied zwischen Arm und Reich spaltet die Gesellschaften.
Städte reagieren aktuell auf den erhöhten Bedarf an Wohnraum mit Verdichtung, das gilt zunehmend auch für das Umland: Flächenfraß auch hier. Naturbelassene Lebensräume werden rar. Das Gros der städtischen Bevölkerung wird nicht in den großzügigen Vierteln der Privilegierten leben, sondern auf engstem Raum und in sozialer Isolation. Die Politik hat noch keine Konzepte und erst Recht keine Lösungen.
Städte im Wandel
Aktuell befinden wir uns in einem weltweiten Urbanisierungsprozess: Die UN schätzt, dass schon 2050 drei Viertel der Weltbevölkerung in Städten leben werden. (Skyline Shanghai)
Die Menschen drängen in urbane Zentren auf der Suche nach Arbeit, Wohlstand, Bildung und Kultur. Wohnraum wird daher immer knapper und teurer. (Skyline New York)
Städte im Wandel3/12
Der Anstieg des Meeresspiegels infolge des Klimawandels fordert besonders an Küstenregionen schnelles Handeln. (Computersimulation)
Durch erhöhten Bedarf an Wohnraum gibt es immer weniger Natur in den Städten. Öffentliche Parks tragen entscheidend zur Gesundheit der Bevölkerung bei. (Central Park, New York)
Zunehmende Dichte und ein Mangel an Natur erhöhen die Stressbelastung und Anonymität in den Städten. Immer mehr Menschen fühlen sich einsam und erkranken. (Wohnhochhäuser in China)
Architekten und Stadtplaner beginnen zunehmend damit, die Natur in die Stadt zu bringen, wie beim „bosco verticale“ von Stefano Boeri in Madrid.
Für die gesunde Stadt von morgen braucht es Natur, soziale Interaktion, aber auch private Rückzugsmöglichkeiten. (Städtische grüne Lunge in Singapur)
Der neue Flughafen „Jewel“ in Singapur entspricht genau dieser Konzeption.
Ein ideales Beispiel ist auch der New Yorker „High Line Park“. Die alte Hochbahntrasse bietet New Yorkern Natur, soziales Leben und Kreativität.
Ohne ein Umdenken, ohne Nachhaltigkeit werden wir nicht überleben. Das Pilotprojekt des deutschen Architekten Werner Sobek im schweizerischen Dübendorf ist komplett recyclebar.
Um Wohnungen schnell und günstig zur Verfügung zu stellen, könnten Häuser aus dem 3D-Drucker die Lösung sein.
Was brauchen wir überhaupt? Das ambitionierte Konzept amerikanischer Minimalisten: „Tiny Houses“ bieten mehr als das Nötigste auf kleinstmöglichem Raum.

Städte machen krank
Dabei weiß man seit Kurzem: Städte machen Menschen krank. Physisch und psychisch. Das belegen die Studien von zwei Wissenschaftlern: Professor Dr. med. Mazda Adli, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Charité Berlin, und Professor Dr. Andreas Meyer-Lindenberg, Direktor des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim untersuchen den Einfluss des Lebensraumes auf die menschliche Psyche und die Stressbelastung in Städten. Die Ergebnisse sind alarmierend: Die Stadt kann für Menschen toxisch sein.
Was das genau bedeutet, warum uns Städte krank machen, wie und warum man das verhindern muss, darüber spricht Gert Scobel mit seinen Gästen.

Gert Scobel
ist ein deutscher Journalist, Fernsehmoderator, Autor und Philosoph.
Gert Scobel studierte Philosophie und katholische Theologie zunächst an der Jesuiten-Hochschule St. Georgen in Frankfurt am Main, wo er 1983 das Diplom ablegte, sowie an der University of California, Berkeley, wo er ebenfalls einen Abschluss machte. Zurück in Frankfurt am Main, vertiefte er an der Johann Wolfgang Goethe-Universität seine Kenntnisse in Wissenschaftstheorie und Sprachphilosophie und lehrte drei Monate an der University of San Francisco. Parallel zu seiner durch ein Stipendium ermöglichten Forschung am Max-Planck-Institut für Neurobiologie in Martinsried bei München arbeitete Scobel als freier Mitarbeiter bei dem inzwischen eingestellten Magazin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sowie beim Hessischen und Westdeutschen Rundfunk.
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Gäste von Scobel
Mazda Adli
ist Psychiater und Stressforscher. Er ist Chefarzt der Fliedner Klinik Berlin und leitet an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité Berlin, den Forschungsbereich „Affektive Störungen“. Adli forscht zum Zusammenhang Stadt und Gesundheit und leitet das Interdisziplinäre Forum Neurourbanistik. Themen des Forums: die Wirkung von sozialem Stadtstress auf Emotionen und Verhalten sowie die psychische Gesundheit der Stadtbevölkerung. Ziel ist es, wissenschaftlich basierte Präventionsmaßnahmen und eine Public Mental Health Strategie für Städte zu entwickeln.
Martina Löw
ist Soziologin und Professorin für Planungs- und Architektursoziologie an der TU Berlin. Ihr Forschungsschwerpunkt: die Soziologie des Raumes. Ihre Themen: die Eigenlogik von Städten, ihre Veränderungen durch elektronische Netze, Public Health und Wellbeing in urbanen Räumen. Sie ist eine der führenden Stadtsoziologinnen Europas.
Matthias Sauerbruch
 ist Architekt. Er ist Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen und gehört der Stadtgestaltungskommission München an. Matthias Sauerbruch lehrte unter anderem an der Universität der Künste Berlin, der Harvard Graduate School of Design, der Architectural Association School of Architecture in London, der TU Berlin und der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Zurzeit ist er Direktor der Sektion Baukunst der Akademie der Künste, Berlin.
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