Museum Künstlerkolonie: Ornament im Quadrat . Die Jugendstilfliesen-Schenkung Inge Niemöller . Kuratorin: Stefanie Patruno . 12.03.2017 - 28.05.2017
Online-Publikation: Februar 2017 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
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Institut Mathildenhöhe, Darmstadt: http://www.mathildenhoehe.eu;
Sein vertiefender Hinweis zum Topos > Ornament:
http://www.kultur-punkt.ch/architektur-design/design-topoi-4-0/design-ueberblicke/design-ornament.html
Inhalt
Ob in öffentlichen oder privaten Räumen, in Bibliotheken und Hauseingängen, Fabriken und Läden, Küchen und Bädern: Um 1900 erlebte die Fliese eine wahre Blütezeit. Die Ornamentfreude des Jugendstils, der den Lebensraum als ein Gesamtkunstwerk zu gestalten versuchte, spiegelt sich in einer unerschöpflichen Fülle neuer Bildmotive auf Wand- und Bodenfliesen wider. Da sie dank moderner Produktionsmethoden kostengünstig und in Serie hergestellt werden konnten, aber auch aufgrund ihrer hygienischen und ästhetischen Vorzüge, fanden die Ornamentträger nahezu in jeden Haushalt Einzug und waren um die Jahrhundertwende in ganz Europa en vogue.
Wichtige Impulse für die Entwicklung der Jugendstilfliese gingen seit Mitte des 19. Jahrhunderts vom wirtschaftlich aufstrebenden England aus, wo die Arts-and-Crafts-Bewegung unter der Führung von so bedeutenden Künstlern wie William Morris, Charles Rennie Mackintosh und Edward Burne-Jones den Weg für die Herstellung qualitativ hochwertiger Massenprodukte bereitete. Im Spannungsfeld von maschinellen Fertigungsmethoden und künstlerischem Design wurden nicht nur Wandflächen, sondern auch Zier- und Gebrauchsobjekte - wie Kamine, Waschtische, Schränke, Spiegel oder Blumenübertöpfe - in großer Zahl mit den farbig dekorierten Platten im „Modern Style“ ausgestattet.
Dem „Ornament im Quadrat“ geht das Institut Mathildenhöhe Darmstadt in einer rund 150 Arbeiten umfassenden Ausstellung nach. Im Zentrum der Schau steht eine Auswahl englischer Jugendstilfliesen, die im Jahr 2015 durch eine umfangreiche Schenkung der verstorbenen Sammlerin Inge Niemöller in den Besitz der Städtischen Kunstsammlung Darmstadt gelangte und nun erstmals öffentlich präsentiert wird. Die Nichte des bekannten Theologen und NS-Widerstandskämpfers Martin Niemöller trug während ihres zwanzigjährigen Aufenthalts in London rund 600 Einzelstücke aus der Zeit zwischen 1890 und 1914 zusammen, auf denen die bewegte Linie in Form von abstrahierten Ornamenten und Pflanzenformen das dominierende Element darstellt. Darunter sind Beispiele von William de Morgan, aber auch von den damals führenden englischen Fliesenproduzenten, wie Minton´s China Works oder Craven Dunhill & Co., die mit namhaften Künstler-Entwerfern wie Charles Voysey oder Mackay Hugh Baillie Scott zusammengearbeitet haben.
Daneben sind in der Ausstellung Werke von Mitgliedern der Künstlerkolonie Darmstadt zu sehen, die im gleichen Zeitraum eine erstaunliche Bandbreite an Fliesen hervorgebracht haben. So entwarfen Joseph Maria Olbrich, Peter Behrens, Hans Christiansen, Patriz Huber und Jakob Julius Scharvogel Fliesen für die Künstler- und Atelierhäuser auf der Mathildenhöhe, aber auch für namhafte Firmen wie Gail oder Villeroy und Boch.
Die Ausstellung stellt die unterschiedlichen Produktionsstätten aus vielen wichtigen englischen sowie einigen europäischen Fabriken in den Zusammenhang mit der immensen Fliesenkonjunktur zur Zeit des Jugendstils.
Die ausgewählten Beispiele zeugen in der Ausstellung zusammen mit einigen Entwurfszeichnungen, Tapeten, Stoffen und Möbeln von den vielfältigen Einflüssen und der Verbreitung der Jugendstilornamentik. Diese verdeutlicht in ihrem Variationsreichtum zugleich die Entwicklung vom anfänglich floral orientierten Jugendstil bis hin zu geometrischen Varianten, die bereits auf den Art déco und das Bauhaus verweisen.
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