W. Kersting: Platons Staat
27 zu Filosofie+Lebensführung
W+B Agentur-Presseaussendung vom Oktober-Mitte November 1999
<<Filosofie pur - als aktuelle Lebensführung>>
Wolfgang Kersting: Platons Staat>>
Werkinterpretationen, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt; 1999; 385 S.; DEM 58.00 / CHF 52.50 / ATS 423.00
www.wbg-darmstadt.de
Zwei Jahre nach dem Diskursbuch "Platon: Politea" von Otfried Höffe mit fünfzehn Autoren, das 1996 an der Uni - Tübingen entstand, liegt nun die erste vollständige Interpretation von Platons Hauptwerk vor uns.
Wolfgang Kersting ist Professor für Filosofie an der Uni - Kiel. Sein Veröffentlichungs - Schwerpunkt umfasst schon seit langem den Begriff der Gerechtigkeit, u.a. bei Kant, Machiavelli, Hobbe und Rawls.
Er stellt in vergleichender Weise zu diesen Denkern das platonische Denken exakt nach der Originaltext-Folge vor. Dabei ist es ihm gelungen, eine profunde Übersichtlichkeit in die sehr komplexe, ja hintergrundreiche, zwischenzeilige Diskurstechnik Platons zu bringen.
Kersting erörtert in geradezu bestechender Klarheit die geläufigen Gerechtigkeitsvorstellungen, definiert diese Entwicklung und den Aufbau des Gemeinwesens, analysiert in präziser, detailtreuer Weise die Verwirklichung des Idealstaates durch Regeln und Gleichnisse (Sonnen-, Linien-, Höhlengleichnis, wobei er im letzteren die herabsteigende Wiederkehr des Filosofen von dessen Erkenntnis- bis zur Meinungs-stufe dialektisch darstellt.
Im letztem Teil analysiert Kersting Platons Gerechtigkeits- und Glücksweisen in dessen Staatsmodellreihe auf anschauliche Weise: Timokratie (in der leidenschaftlich - ehrbegieriger Mut statt Vernunft herrscht); Oligarchie (Herrschaft der Geldgier der Reichen durch Vermögenszensus), Demokratie ( Durch schrankenlose Freiheit und Individualisierung entsteht eine Trödelbude von Verfassung, 557 d; Recht und Ethik verlieren alle Verbindlichkeit).
Schliesslich frägt Kersting, auf den Spuren Sokrates, wie entsteht aus der Demokratie eine Tyrannis als Herrschaft der Triebe und ungehemmter Machtlust?
Hier bezieht der Autor sowohl den bemerkenswerten Diskursbeitrag von Dorothea Frede über "Die ungerechten Verfassungen und die ihnen entsprechenden Menschen" in O. Höffe, S. 251ff. und auch das Freudsche Es mit in seine Analyse. Statt eines gerechten Menschen, der handlungsmächtig, einsichtig, selbstkontrolliert denkt und handelt, tritt uns im tyrannischen Menschen ein Bodensatz von Unberechenbarkeit und Gewaltbereitschaft entgegen.
Platons Antimodelle von der Staatsseele und der Menschenseele, ihr Selbst und andere zerstörerisches Treiben, werden eindrucksvoll und ausgewogen vordiskutiert. Was dabei in diesem Diskurs etwas zu kurz kommt, ist der dritte Seelenbegriff des Einen, Kosmischen, Göttlichen, der bei Platon als Überbegriff, meist verborgen, jedoch stets immanent ist.
Tröstlich wird abschliessend die Unsterblichkeit der Seele und der Lohn für die Gerechten im Diesseits wie im Jenseits verhandelt. Auch hier lässt Platon dem Menschen die Wahl, zwischen Schlimmen und Gutem zu wechseln. So sind es, zusammenfassend gesagt, Platons Gleichnisse, die filosofische Kompetenz als wissensbegründende und meinungüberlegene Ideen-Erkenntnis notwendig und möglich erscheinen lassen.
"Platons Staat" stellt uns damit heute und hochaktuell ein Wahlprogramm vor, für eine gerechte Lebens-führung in uns, in der Staatengemeinschaft und in einer universal wirkenden Gesetzmässigkeit aktiv tätig zu werden.