Michael Gnehm: Stumme Poesie . Architektur und Sprache bei Gottfried Semper
Online-Publikation: April 2008 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
277 Seiten;17 x 24 cm, broschiert; 60 Abb. sw und farbig; Zürich 2003; ISBN 978-3-85676-127-1
gta – Verlag, Zürich; www.gta.arch.ethz.ch; books@gta.arch.ethz.ch
Inhalt
Bildende Kunst soll, so F. W. J. Schelling, «eine stumme Dichtkunst sein», die sich «nicht durch die Sprache, sondern wie die schweigende Natur durch Gestalt, durch Form» ausdrückt. Doch wie gestaltet sich dieser Vergleich, wenn – wie Gottfried Semper im Hinblick auf eine architektonische «Raumespoesie» sagt – Kunst «ihre besondere Sprache, bestehend in formellen Typen und Symbolen» hat?
In seiner Studie geht Michael Gnehm auf die Hintergründe ein, die diese «Raumespoesie» als geschichtlich Geformtes ausweisen, das nie in sich abgeschlossen ist. Sempers Anleihen bei verschiedenen «positivistischen» Wissenschaften, der Archäologie und der Sprachwissenschaft gewinnen ihnen künstlerische Momente ab, über die sich die Architekturgeschichte als Poetik der Architektur deuten lässt. Wenn später Le Corbusier die moderne Architektur im «espace indicible» – im unaussprechlichen Raum – ansiedelt und doch eine «éloquence souveraine», eine höchste Beredsamkeit architektonischer Formverhältnisse am Werk sieht, so kann man eine Aktualität Semperscher Gedanken verfolgen, die bis in Bereiche eines architektonischen Denkens führen, das in Jacques Derridas Bestimmung einer «Wahrheit der Architektur» Ausdruck gefunden hat: «Elle concerne une organisation articulée, mais une articulation muette.»
Fazit
Michael Gnehm gelingt es mit seinem Architektursprach-Werk " Stumme Poesie" die Architektur und Sprache bei Gottfried Semper detailgenau und geradezu liebevoll-behutsam sowie anschaulich, besonders durch die Faksimile-Handschriften von Semper zu analysieren und zu synthetisieren. Dabei schält er den Kern des Künstlersinns in Sprache und Bildsymbolik, die originäre Tektonik von Semper, dessen Vorbild Viollet-le-Ducs war , generös klar und überzeugend heraus.