Zeitgenössische Landschaftsarchitektur in Europa
84<<Natur als Kult und Status: Neu-Berlin grüsst Versailles>>
W+B Agentur-Presseaussendung vom Februar 2001
<<Thies Schröder: Inszenierte Naturen>>
Mit einem Vorwort von Christoph Girot
Birkhäuser Verlag für Architektur, Basel; 200; 184 Seiten mit 100 Farb- und 220 sw-Abbildungen; gebunden mit Schutzumschlag; DEM 118,-/ ATS 862,- / SFR 98,-/ EUR 63,20
www.birkhauser.ch
An der TU-Berlin erlernte Thies Schröder, 35, Landschaftsplanung, ist da Fachjournalist im Bereich Landschaftsgestaltung, wobei ihn Filosofie und die Ideenlehre mit Schwerpunkt Natur interessieren, im vorliegenden Werk zu sehen.
"Ideal und Material", wie "Teile des aktuellen Diskurses über unsere Zukunft" bewegen Schröder.
Christoph Girot , 43, hat Landschaftsarchitektur in Berkely studiert, hält Gastvorlesungen in Europa und ist derzeit Partner eines Planungsbüros in Versailles.
Nach der Soziologie und Ökologie der Landschaft "sind wir heute möglicherweise auf dem Weg zu einer neuen Art von Landschaftsgesellschaft" sagt Girot mit Bedacht.
Aus acht Ländern werden grösstenteils realisierte Projekte vorgestellt.
Batle i Roig (ES), Agence Ter (D), ILEX (F), Bet Figueras (ES) Langenbach-Ivancics (D), Müller-Wehberg(D), Rotzler Krebs Partner (CH): Klassische Moderne, besser, anonymes, betonhartes Kalkül-Design beherrschen den a-sozialen Rasen mit Bäumen im Schachbrettsystem und ihrer Einkerkerung in Betonmauern (Wir haben wirklich genug vom Plattenbau, wozu noch platte Grünflächen und Beton-Manie in der Kultnatur / Grüsse von Franco und Speer und andere mehr (Anm.d. Rez.). Darüber können auch provokative Experimente von GROSS.MAX (GB), West 8 (NL) nicht hinwegtäuschen, dass sie zum vorgenannten Modernismus neigen.
Stig L. Andersen (DK): poetische Aquarell-Entwürfe sind da schon ein weit bessere Vor-bereitung zur Realisierung, immerhin werden neben dem kalther-zigen Betonmobiliar. Büro Kiefer(D) immerhin, ist des öfteren auf Fugen mit Grün bedacht und dieses kann sich selbst, grüppchenweise gelockert entfalten.
Latz und Partner(D): Grosswerke lassen auch Kleinflächen zu, die aufgrund von Termindruck der Planung beinahe zufällig zu kleinen Ökoreservaten heranwachsen können.
Der isometrischer Entwurf für Shell in Thornton (GB) ist leider völlig unscharf, wirkt dadurch ungewollt wie Shan Shui (chinesische Landschaftsmalerei, aber ohne deren Prägnanz und Universalität).
Desvigne & Dalnoky (F): Grossräumigkeit und Grossfrau-/manns-Sucht äussert sich durch ihr Kredo:
"Misstraut den naiven Gärten" und so kommen sie auch zu ihren Resultaten: unbegehbares Grün und russische Birkenidylle (Tschechow und Malevitch grüssen Paris, Anm.d.Rez.). Dekonstruktion ist lediglich eine Erweiterung des Funktionalismus, mit verrenktem Antlitz.
Guido Hager (CH): bleibt im gärtnerisch-floralem Ausgangspunkt stehen und erstarrt blicken wir auf geometrisierende Beete in Grün eingesperrt. Viel-leicht ist das ein aktueller Ausdruck, ein visuelles Syndrom des innersten Zustandes dieser Landschafts-Region in Europa. Die Ansätze zu einer Poesie im Sinne einer globalen These: Shan : Shui / Land : Wasser, verpuffen in der Geometrie einer mecha-nistisch determinierten Funktionsgesellschaft, allzeit bereit zur Massen-Natur-Haltung. Ist diese Chiffre des Komplexen" vielleicht gar ein absolutistisches Erbe des preussischen Berlin und des egomanen Versailles? Die Gen-Techniker arbeiten hart daran.
Hinzu kommt noch die Verschleierung der Skulptur, die sich dem Betrachter massiv offenbart und mit keinem Wort als solche gekennzeichnet werden. Hier haben wir es eindeutig mit der Präpotenz der bald 100-jährigen Architektengeneration zu tun, die Skulptur selbstsüchtig in Angriff genommen hat und es den Skulpteuren und instinktiven Gestaltern entrissen hat und damit die Inhärenz der Künste monoman unter den Tisch wischt: Bauhütte ade!
Auch das Buchmachen ist etwas Wunderbares.
Sorgfältige ausgewählte Foto, leider mehrfach unscharf (ist deren niedere Auflösung bereits digital bedingt?) und solide Entwürfe, ergänzt durch detaillierte Hinweise, souveräne Charakterisierungen sowie ein bemerkenswertes Essay von Ch. Girot ermöglichen eine faszinierendes Bild der europä-ischen Landschaftarchitektur von heute. Was zu einem Gesamtbild fehlt sind anonym-naive Gestaltungsansätze von grösseren privaten und öffentlichen Vorhaben, die als Ergänzung zu einem Gesamtbild führen, was das Thema für ein neues Buchvorhaben sein kann.
Das vorliegende, bibliofil hervorragend erarbeitete Buch ist für an Landschafts-Skulptur Interessierte, Lernende wie Lehrende der Landschaftsgestaltung eine ausgezeichnete Diskurs-Grundlage