W. Höfer: Menschengerechtes Weltbild
36 zu Architektur + Erkenntnis
W+B Agentur-Presseaussendung vom Dezember 1999 - Januar 2000
<< Werner Höfer: Wahrheit, Symbole, Raum, Material, Farbe>>
Ein architektur-filosofischer Essay; Selbst-Verlag; A-1080 Wien, Trautsongasse 3; 21 S.; 1999; EUR 15.-
Begegnungen
sind, wie in diesem Fall, sinn-entscheidend, ein Leben lang. Auch dann, wenn man sich räumlich und im Tätigkeitsfeld weit entfernt. 1965 sind Werner Höfer und der Rezensent, mit ihrem Architekturdiplom - der Meisterklasse des Architekten und visionären Stadtplaners Roland Rainer an der Akademie der bildenden Künste Wien - in der Hand und vielen Fragen im Kopf aufgebrochen, um ihre Vision von menschenwürdiger und demokratischer Architektur mit der Routine, dem Überleben im Alltag, zu verknüpfen. Bereits 1968 haben wir gemeinsam unsere Gedanken für ein bewohnergerechtes und multikulturelles Leitbild einer Stadt in der Schrift: "Die vierte Haut" festzuhalten. Inzwischen sind über drei Jahrzehnte Architektur und städtebauliche Routine und Ideen unverwirklicht geblieben, jedoch in Ansätzen, von vielen anderen mitverwirklicht worden: Höfer als Architekt und ich als Publizist. Nun nähern wir uns wieder im Diskurs, direkt und virtuell, als Zeitgefährten unser werdenden globalen Erdenstätte, mit allen Fragen und einigen Antworten, mit im Gepäck.
Wahrheit/en
"Ein wirklich menschen-gerechtes Weltbild wird frühestens nach gründlicher Erforschung unseres Gehirns möglich sein" schreibt Höfer und ich füge hinzu, wenn unsere Erkenntnisbereitschaft gegenüber Selbstüberschätzung, monomaner, pathologisch - ent-fesselter Fantasien, obsiegt. Wahr ist schliesslich, was dem Schönen und Guten dient, stellen wir fest: es braucht ethische Regeln für unser globales Vorhaben gegen Kasinokapitalisten und deren wohlfeile, karrieresüchtigen Wahngestalter. Gleich Chagall, der seine Verzücktheit darstellt, indem er seine Figuren auf den Kopf stellt, versteht es Höfer in seinen Titeln den Begriff Wahrheit, um 180 Grad zu drehen. Damit lenkt er aussersprachlich auf die Vielfalt der Wahrheitsbegriffe, ähnlich den Diskursen Sokrates und Platon folgend. Das lädt geradewegs zum Diskurs: Lieber Zeitgefährte Höfer!
Farbe
erscheint nicht im Titel, bestimmt aber die Schlussfolgerungen Höfers: Farben können Gefühle auslösen und sind daher wesentliche Gestaltungsmittel in der bildenden Kunst, schreibt er abschliessend, wodurch er sich unmerklich wieder den Künsten nähert, die einmal die Architektur beheimatete, wie Malerei und Skulptur. Es bleibt da viel Ungesagtes, das wieder zum Diskurs auffordert: Wie wiedervereinen wir unsere Künste?
Symbole
verlieren nach dem Mittelalter ihre religiösen Vordergründigkeit und den folgenden Jahrhunderten in ihrer profanen Präsentation des Herrschafts-prinzips immer mehr an Bedeutung, meint Höfer und folgert: Archetypen treten seit 1900 aufgrund der Traum-forschung an deren Stelle. Dabei widmet er der Zahl Vier und der Erhöhung, Aufrichtung / Turm- bis zur Hochhaus-gestaltung eine primäre Rolle zu (Von San Giminiano bis zu New York).
Raum
Die historisch gestaltete Stadt dokumentiert sich durch Gasse, Strasse einerseits und andererseits sich durch Platz (piazza) und Plätzchen (piazetta), stellt Höfer dazu fest: Es scheint, dass der Platz vollkommen verloren gegangen ist (Aktuelles Beispiel: Die sogenannte "Wiener Platte" vor dem Landhaus in der neuen Landeshauptstadt von Niederösterreich in St.Pölten. Kein Wunder, dass das missglückt, denn wir haben bereits virtuell - reale Plätze, weltweit im Internet, geschaffen, die rund um die Uhr als Forum für Begegnungen genutzt werden, geistig wie materiell.
Material
Gott ruht im Stein, schläft in der Pflanze, träumt im Tier und erwacht im Menschen, heisst es in einem arabischen Sprichwort, das Höfer zitiert und dabei den Verlust des Geistigen durch Material/ismus beklagt. Hinzu kommt durch die Ökologisierung der steigende Verzicht auf Naturstoffe in der Architektur, da der Raubbau an natürlichen Roh- und Baustoffen für die stets wachsende Erdbevölkerung dazu zwingen wird. Abschied von der Natur durch Naturschutz?
Zum Guten im Schönen
Was für eine Freude einer unversellen Sichtweise zu begegnen, wie der Höfers, mit ästhetischer Vorstellungskraft, bisweilen Durchsetzungsvermögen, schliess-lich einem Wiener Charme, der auch in der Stille bestehen kann.
Höfers Liebe zur Welt, zum Schönen, das durch das Erotische stimuliert wird, können Sie verehrter Leser am <www. kultur-punkt.ch> ab 2000 unter /Praesentation/ abrufen. Schauen Sie rein und geniessen Sie seine Aktzeichnungen, die das Wienerisch - Jugendstil - und Jungenhafte unverloren und alterslos wiedergeben.