Basel: Der Grosse Rat verlangt die sofortige Abschaltung des AKW Fessenheim


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Grosser Rat Basel: AKW-Fessenheim abschalten
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Fessenheim: der Unfall, der keiner war

Am 4. März 2016 meldete der Westdeutsche Rundfunk (WDR) in Köln zum französischen Kernkraftwerk Fessenheim im Elsass: «Atom-Unfall offenbar vertuscht». Inzwischen hat die französische Aufsichtsbehörde dazu Stellung genommen. Weder handelt es sich um einen Unfall, noch ist irgendetwas vertuscht worden. Jetzt verlangt "Der Grosse Rat" die sofortige Abschaltung des AKW Fessenheim. Er hat auf Antrag des Grünen Bündnisses mit 76 zu 11 Stimmen eine Resolution verabschiedet, in der er den Regierungsrat auffordert, alles in seiner Macht stehende zu unternehmen, damit der Atommeiler endlich vom Netz genommen wird.
Das Kernkraftwerk Fessenheim (französisch Centrale Nucléaire de Fessenheim, Kürzel FSH) ist das älteste und leistungsschwächste noch in Betrieb befindliche französische Kernkraftwerk. Seine zwei Druckwasserreaktoren leisten zusammen 1760 MW (netto). Das Kraftwerk liegt etwa zwei Kilometer südöstlich des Ortes Fessenheim (Haut-Rhin/Oberelsass) am Rheinseitenkanal (Grand Canal d’Alsace), einen Kilometer westlich der Grenze zu Deutschland, 25 Kilometer südwestwestlich von Freiburg im Breisgau (D), 23 Kilometer südöstlich von Colmar, 24 km nordöstlich von Mülhausen (F) und 40 km nördlich von Basel. In einem Umkreis von 30 km leben 930.000 Menschen, im Ballungsraum Basel 830.000 Menschen und im Ballungsraum Straßburg 770.000 Menschen. 
Das Kernkraftwerk Fessenheim und der kürzlich bekannt gewordene Störfall im April 2014 waren auch Gegenstand einer dringlichen Interpellation im Grossen Rat. Der Regierungsrat unterstrich bei deren Beantwortung, dass er von der französischen Regierung noch in diesem Jahr einen unmissverständlichen Stilllegungsbeschluss fordert und diesbezüglich auch an den Bundesrat gelangen wird. Der Regierungsrat hat dies auch in einer Mitteilung kommuniziert.

Fessenheim: der Unfall, der keiner war
Am 4. März 2016 meldete der Westdeutsche Rundfunk (WDR) in Köln zum französischen Kernkraftwerk Fessenheim im Elsass: «Atom-Unfall offenbar vertuscht». Inzwischen hat die französische Aufsichtsbehörde dazu Stellung genommen. Weder handelt es sich um einen Unfall, noch ist irgendetwas vertuscht worden. Die Betriebsmannschaft hat bei einem betrieblichen Zwischenfall der Ines-Stufe 1 am 9. April 2014 alles richtig gemacht und den Reaktorblock 1 im Rahmen der normalen Betriebsvorschriften heruntergefahren. Eine Gefahr für Mensch und Umwelt bestand zu keinem Zeitpunkt.
Die Autorité de sûreté nucléaire (ASN) hält zu den Vorwürfen fest:
•Der Zwischenfall ist von der Betreiberin Electricité de France (EDF) sofort der Aufsichtsbehörde gemeldet worden. Am Tag nach dem Zwischenfall hat die ASN vor Ort eine Inspektion durchgeführt.
•Am 17. und 24. April 2014 hat die Behörde ihre Erkenntnisse auf dem Internet aufgeschaltet.
•Im Juni und September 2014 ist die lokale Aufsichtskommission der umliegenden Gemeindebehörden über den Vorfall informiert worden. Im Mai und September 2014 wurde der Vorfall in der Deutsch-französischen Kommission zur Reaktorsicherheit (DFK) vorgelegt; im September 2014 wurde auch die Gemischte Kommission Frankreich-Schweiz für die nukleare Sicherheit und den Strahlenschutz (CFS) informiert.

Was ist passiert?
Am Nachmittag des 9. April 2014 ist im Block 1 ein Kühlwassertank in der Turbinenhalle übergelaufen. Das dafür vorgesehene Ablaufrohr war jedoch am unteren Ende durch Schmutz verstopft, sodass sich das Wasser seinen Weg durch das Betriebsgebäude suchte, in die Schaltschränke des A-Strangs des automatischen Reaktorschutzsystems drang und dieses ausser Betrieb setzte. Zudem fielen Anzeigen zur Lage der Steuerstäbe im Reaktor aus. Die Operateure fuhren den Reaktor daraufhin langsam unter Zugabe von Bor herunter. Da gleichzeitig im Stromnetz die Nachfrage nach Leistung stieg, unterschritt die Kühlmitteltemperatur im Primärkreislauf den für diese Situation vorgesehenen Temperaturwert von 286°C während 14 Minuten um 4°C. Wäre die Temperatur deutlich unterschritten worden, hätte das eine automatische Schnellabschaltung über den Strang B ausgelöst. Wäre auch Strang B nicht zur Verfügung gestanden, hätte eine Schnellabschaltung immer noch manuell ausgelöst werden können.
Keine Schnellabschaltung nötig
Die ASN hält zur sicherheitstechnischen Bedeutung dieses Vorfalls fest:
•Das Reaktorschutzsystem ist doppelt ausgelegt. Der B-Strang hätte jederzeit für eine allfällige Schnellabschaltung zur Verfügung gestanden.
•Eine Schnellabschaltung war zur Beherrschung des Vorfalls nicht nötig.
•Das langsame Herunterfahren mit Bor ist zwar wenig üblich, aber sie ist im Rahmen der normalen Betriebsprozeduren zulässig.
•Für Mensch und Umwelt hat zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr bestanden. Da jedoch das Schutzniveau des Reaktors durch den Ausfall des Strangs A reduziert war, hat die ASN den Vorfall auf der internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (Ines) auf der Stufe 1 klassiert.
Die schweizerische Kernenergieverordnung definiert die Stufe 1 wie folgt: «Anomalie ausserhalb der vorgeschriebenen Betriebsbedingungen. Sie kann auf Versagen von Ausrüstungen, menschliche Fehlhandlungen oder Verfahrensmängel zurückzuführen sein. Ereignis oder Befund ohne direkte Sicherheitsbedeutung, aber mit bedeutenden Unzulänglichkeiten in der Organisation oder in der Sicherheitskultur.»

Überprüfungen in allen französischen KKW
In der Folge hat die EDF analysiert, warum das Wasser ins Betriebsgebäude einsickern konnte und entsprechende Gegenmassnahmen getroffen. Im Laufe des Jahrs 2014 hat die EDF das in Fessenheim aufgetretene Problem interner Überschwemmungen in allen ihren Kernkraftwerken überprüft. Wo angezeigt, wurden Sanierungen durchgeführt.
Die ASN kommt zu folgender Gesamtwertung: «Beim Vorfall vom 9. April 2014 hat sich der Reaktor jederzeit innerhalb des Anwendungsbereichs der Regeln für den Normalbetrieb befunden. Zu keinem Zeitpunkt war das Auslösen von Prozeduren bei Unfällen nötig, und es wurde kein einziges der Systeme für den Reaktorschutz aktiviert, obschon alle verfügbar waren.»
Die Resolution des Grossen Rates im Wortlaut:
Resolution betreffend sofortiger Abschaltung des AKW Fessenheim
"Der am Freitag, den 4.3.2016 bekannt gewordene Beinahe-GAU im AKW Fessenheim vom 9. April 2014 verlangt ein sofortiges und konsequentes Handeln. Dieser weitere Störfall in Fessenheim zeigt einmal mehr, dass das AKW veraltet und äusserst pannenanfällig ist. Immer wieder ist es bei diesem AKW-Dinosaurier in den letzten Jahren zu Störfällen und Pannen gekommen. Der diesen Freitag öffentlich gewordene Vorfall zeigt eindrücklich, dass wir alle im Umfeld von Fessenheim auf einer tickenden nuklearen Zeitbombe sitzen. Das AKW weiter betreiben zu lassen, ist fahrlässig und unverantwortlich. Das Gebot der Stunde lautet, Fessenheim ist sofort vom Netz zu nehmen.
Nun haben Taten unmittelbar zu folgen! Präsident François Hollande muss seine Ankündigungen wahrmachen und die sofortige Abschaltung des Uraltmeilers Fessenheim zeitnah bekannt geben. Unsere Regierung wird aufgefordert, alles in ihrer Macht zu unternehmen, damit das AKW Fessenheim jetzt abgeschaltet wird!"
Resolutionen benötigen ein Zweidrittelmehr. Die letzte Resolution hat der Grosse Rat im letzten April verabschiedet; er forderte den raschen Einsitz von Basel-Landschaft im Schweizerischen Hochschulrat.

2016-03-13 europaticker
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