Wahlverwandtschaft - Affinität

 

http://archiv.kultur-punkt.ch/akademie4/diskurs/pa4-07-2wahlverwandtschaft-wendel.htm < Bildzugang

Affinität (affinitas) Verbundenheit aufgrund ähnlichen Wesens, seelisch-geistig-sozial-synästhetisch grosso modo zustimmungsbereit
Wahlverwandt im Wesenähnlich, seelisch-geistig-sozial-synästhetisch verbunden, grosso modo zustimmungsbereit…

http://archiv.kultur-punkt.ch/akademie4/ Platon Akademie 4

Wahl, bei Platon, des eigenen Lebens im Jenseits , Politea 617d/e Vorgedanken: Das Licht ist das Band des Himmels-Gewölbe..an ihm hängt die Spindel der Notwendigkeit. =..Wirtel ( Quirl, Scheibe, Kugel, Schwungrad, Spulenring (mhd) > Wendel = Lebenszeitraum (* w.prankl) = drehen, wenden (< lt. vertere …) = wirt-lich (< aktiv) (passiv > gastlich ..der Mensch ..Gast dieser Welt in Wendelbewegtheit *) …die Spindel dreht sich im Schoss der Notwendigkeit (Bedingt-, Gegebenheit*) … oben steht und tönt Sirene, sich mitdrehend, rundum sitzen und singen die Töchter der Notwendigkeit / Moiren: Lachesis (von zeit zu zeit eingreifend bald da oder dort..), Klotho (rechts drehend und Atropos links drehend)…Götterherold stellt sie auf und verkündet: Nicht euch wird ein Daimon erkiesen, sondern ihre wählt euren Daimon (Übertragung  der Selbstverschuldung auf den Menschen, Platon’s Lehransatz..)… Des Wählenden ist Schuld, Gott ist schuldlos… Vollkommenheit ist herrenlos…Lose entscheiden über Lebensbilder…
http://www.klassikerwortschatz.uni-freiburg.de/Beispiel/Wahlvw.htm

Jean Paul: Siebenkäs (Drittes Bändchen, Zwölftes Kapitel; 1796)

Ich habe jetzt nicht Zeit, Leibgebers eigenmächtige Mitteilung fremder Papiere an eine Freundin mit langen Druck-Seiten gegen Leser zu verteidigen, welche in dergleichen außerordentliche Delikatesse [Takt, Feingefühl] begehren und beobachten [einhalten, folgen]; es sei genug, wenn ich sage, daß Leibgeber jedem, der ihn lieben wollte, zumutete, er müßte ihm auch seine andern Freunde mit lieben helfen, und daß Siebenkäs, ja sogar Natalie in seinem kühnen Mitteilen nichts fanden als ein freundschaftliches Rundschreiben und seine Voraussetzung dreiseitiger Wahlverwandtschaft.

Bedeutung: 'innige Freundschaft', 'aus freier Wahl gewordene Verwandtschaft'

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Johann Wolfgang von Goethe: Wahlverwandtschaften (Theil 1, Capitel 4; 1809) [GW I, 20, S.53]

Hier ist eine Trennung, eine neue Zusammensetzung entstanden und man glaubt sich nunmehr berechtigt, sogar das Wort Wahlverwandtschaft anzuwenden, weil es wirklich aussieht, als wenn ein Verhältniß dem andern vorgezogen, eins vor dem andern erwählt würde. Chemie

Bedeutung: In der heutigen Chemie wird der Terminus 'Affinität' gebraucht, 'Aufgabe einer Verbindung zugunsten einer stärkeren'. ------- Geschichtliche Bewegungen   http://www.dhm.de/ausstellungen/wahlverwandtschaft/wahlverwandt.htm Skandinavische Bewegung Wahlverwandtschaft – dieser Begriff für chemische Prozesse stammt von dem Schweden Torbern Bergman aus dem Jahre 1775. Goethe greift ihn in seinem Roman Die Wahlverwandtschaften 1809 auf – seither hält er sich auch als Bezeichnung für menschliche und kulturelle Verbindungen und Abstoßungen. Diese sind Gegenstand der Ausstellung: die Begegnungen im 19. Jahrhundert zwischen Dänemark, Norwegen und Schweden auf der einen und Deutschland auf der anderen Seite. 

  Nach der Französischen Revolution und den Napoleonischen Kriegen begann in Europa die Suche nach der jeweiligen nationalen und kulturellen Identität. In den deutschen Landen glaubte man die ›germanische‹ Kultur in der nordischen Mythologie und Literatur zu entdecken – eine Kulturgemeinschaft mit dem Norden wurde konstruiert. Gleichzeitig fühlten sich die Skandinavier mit der deutschen Kultur verbunden. Fridtjof Nansen und Sven Hedin

Als erstem Menschen gelang dem Norweger

Fridtjof Nansen

im Sommer 1888 die Überquerung des grönländischen Binneneises. Er überwinterte in Grönland und wurde bei seiner Rückkehr zum Nationalhelden. Die Nordpolexpedition Nansens dauerte von 1893 bis 1895. Fridtjof Nansen und Fredrik Hjalmar Johansen waren von der im Eis festsitzenden Fram mit 28 Hunden und Proviant für 100 Tage aufgebrochen. Am 8. April 1895 gaben sie es jedoch auf, noch zum Nordpol zu gelangen – weiter nördlich war vor ihnen noch niemand gewesen.

Der schwedische Geograph und Forschungsreisende

Sven Hedin

hatte seine Ausbildung u. a. in Berlin erhalten. Mit seinen Entdeckungsreisen nach Zentralasien wurde er berühmt. Die Bücher über seine Reisen wurden auch in Deutschland zu Bestsellern.  ----- Wotan, Thor und Freia

Mit Richard Wagner’s Zyklus Ring des Nibelungen wurde 1876 das Festspielhaus in Bayreuth eröffnet. Für die Handlung verwendete Wagner Motive aus altnordischen Mythen, die er in deutschen Ausgaben der Edda und isländischer Sagas fand. Seither lieferten seine Opern die einprägsamsten Bilder, aus denen die Germanen-, aber auch die Norden-Vorstellungen zusammengesetzt sind. Die Götter der nordischen Mythologie sind zu germanischen geworden.

Auch in Skandinavien kam es zu einer wahlverwandtschaftlichen Begegnung mit Wagner. In Schweden etwa schrieb der Wagner-Epigone und Nationalromantiker Wilhelm Peterson-Berger die Oper Arnljot. Der Popularität Wagners in Deutschland wie in Skandinavien tat sein Antisemitismus keinen Abbruch – eher im Gegenteil: Viele Anhänger der völkischen Bewegung begeisterten sich für ihn und seine Schriften.
1912 wurde anläßlich Wagners 100. Geburtstages die Nibelungenhalle eröffnet. Der von den Architekten Hans Meier und Werner Berendt entworfene Rundbau mit Apsis und Vorhalle barg unter einer Eisenbetonkuppel mit den ›Sternen des nordischen Himmels‹ zwölf Gemälde von Hermann Hendrich, der sich insbesondere mit der Verbindung von norwegischer Natur und ›germanischer Mythologie‹ einen Namen gemacht hatte. Sowohl das hakenkreuzartige vierfache ›F‹ rechts (›frisch, fromm, fröhlich, frei‹ – dieses Symbol benutzte der wegen seines ›Arierparagraphen‹ 1889 aus der deutschen Turnerschaft ausgeschlossene Deutsche Turnerbund seit 1907) als auch der Judenstern rücken den Kultbau in den Zusammenhang von völkischer Ideologie und Antisemitismus ( Davidstern). Das ›Nordische‹ kommt auf dem Plakat außerdem in der Verwendung von Drachenstilmotiven zum Ausdruck. Heute wird die Nibelungenhalle als Reptilienzoo genutzt.

Kat.-Nr. 122: Hermann Hendrich, Die Nibelungenhalle zu Königswinter a. Rh., 1913, Plakat, 20,8 x 31 cm (Königswinter, Marlies Blumenthal, Nibelungenhalle Königswinter) ----- Soziale Gerechtigkeits-Bewegungen

  Kennzeichnend für die Sozialgeschichte Skandinaviens ist die Massenemigration nach Amerika und die relativ späte Industrialisierung. Daher traten dort weniger soziale Spannungen auf als in anderen Ländern.

Die durch Europa wandernden Handwerksgesellen trugen die sozialistischen Ideen vor allem aus Deutschland über Dänemark ins übrige Skandinavien. Der Marxismus spielte in der pragmatischen Alltagspolitik kaum eine Rolle.

Die Politik der sozialistischen Parteien Skandinaviens gestalteten vor allem Handwerker und Intellektuelle der Oberschicht wie Hjalmar Branting, erster sozialdemokratischer Minister und Regierungschef Schwedens. Er unterhielt enge Kontakte zum gemäßigten Flügel der deutschen Sozialdemokratie und bezeichnete seine sozialistische Erziehung als eine deutsche.

­­­---- Reform-Bewegungen: Luft, Licht, Sonne Lebensreform und nordische Helden

Befreiung vom Muff der vollgestellten Bürgerwohnung, eine neue Ernährung, Bewegung an der frischen Luft, Freikörperkultur: eine Reform des Lebens forderten gegen Ende des 19. Jahrhunderts verschiedene Gruppen in Deutschland. Einzelne Impulse, wie die ›schwedische Gymnastik‹, wurden aus Skandinavien aufgenommen, der Sera-Kreis um den Verleger Eugen Diederichs feierte die Mittsommernacht mit schwedischen Volkstänzen, und der Maler Fidus verherrlichte den ›nordischen‹ Menschen.

Viele Deutsche begeisterten sich für die abenteuerlichen Reisen der nordischen Entdecker Fridtjof Nansen und Sven Hedin sowie für die Reformpädagogik der schwedischen Schriftstellerin Ellen Key. --- In zahlreichen Publikationen engagierte sich Richard Ungewitter für die Verbreitung der ›Nacktkultur‹, die er als Allheilmittel gegen den körperlichen und seelischen ›Niedergang‹ des modernen Großstadtmenschen propagierte. Gleichzeitig trat er für eine bewußte ›Rassenzüchtung‹ ein, da durch die christliche und sozialistische Verbrüderung eine gefährliche Mischung der Rassen entstanden sei. Die Skandinavier stellte er als einzige noch ›reine Rasse‹ als Vorbild dar, die außerdem auch das ›Nacktbaden‹ kultivierten. Schon die Mischehen zwischen dem ›nordischen‹ und dem ›alpinen‹ Menschen hätten zum körperlichen ›Niedergang‹ geführt. »Aus Gründen der gesunden Zuchtwahl fordere ich deshalb die Nacktkultur, damit Starke und Gesunde sich paaren, Schwächlinge aber nicht zur Vermehrung kommen«, – so sei es laut Ungewitter schließlich schon bei den alten Germanen gewesen, die »neben ihrem Waffen- und Jagdhandwerk gleich den Hellenen das Nackttanzen zwischen Schwertern und Spießen« geübt hätten.

Kat.-Nr. 634: Richard Ungewitter (Hrsg.), Die Nacktheit in entwicklungsgeschichtlicher, gesundheitlicher, moralischer und künstlerischer Beleuchtung, Stuttgart 1909 (Berlin, Uwe Puschner)

 Die mit der Lebensreform verbundene Kleiderreform propagierte ein dauerndes ›Freiluftgefühl‹ des Körpers und damit das Ablegen geschnürter Kleidungsstücke. Besonders gegen das Korsett, das bei extremer Anwendung zu anatomischen Deformationen führen konnte, richteten sich die Einwände. In der Auffassung des für die lebens-reformerische Nacktkultur werbenden Heinrich Pudor war das Korsett für die Prostituierten erfunden worden und kein »anständiges Weib« sollte ein Korsett tragen. Mit dem ›schwedischen Busenheber‹, dem Vorläufer des heutigen Büstenhalters, vermochte man nun die Forderung nach einer zwangsloseren Kleidung zu realisieren.
Das Lichtgebet, das Fidus in immer neuen Variationen gestaltete, war die Ikone der Lebensreformbewegung. Als Postkarte, Kohledruck oder großformatiger Farbdruck hing es in zahlreichen Wohnzimmern von ›Wandervögeln‹ oder sonstigen Jugendbewegten. Voller Inbrunst reckt sich der nackte, ›reine‹ Jüngling dem segenspendenden Licht entgegen – eins mit dem Kosmos. Der Felsen ähnelt denen vom Moldefjord und verstärkt die nordische Stimmung. Das quasi-religiöse Motiv entsprach außerdem den Bestrebungen der religiösen Erneuerungsbewegungen, eine ›arteigene Religion nordisch-germanischen Ursprungs‹ als Ersatz für das ›jüdisch-undeutsche Christentum‹ zu begründen.
--- Die ›nordische Wiedergeburt‹ –

Völkische Bewegung und Rassenbiologie

Mit ›völkisch‹ meinte man seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts einen ethnisch exklusiven, meist antisemitischen Nationalismus. Die völkischen Bewegungen vertraten die Auffassung, daß die Kultur aus dem Norden gekommen sei. Die rasch fortschreitende Industrialisierung verunsicherte viele Menschen und ließ sie nach einfachen Lösungen suchen – da kam das konstruierte Ideal einer nordischen Vorzeit gerade recht: Der nordische ›Barbar‹ wurde zum Vorbild erklärt, und als ›legitimer Nachfolger‹ forderte man das Recht auf Weltgeltung.

Enge Kontakte bestanden auch zwischen deutschen und schwedischen Rassenbiologen. Sie klassifizierten ›Rassentypen‹ und stellten eine Hierarchie der Völker auf: ganz oben natürlich die ›reinrassigen‹ Skandinavier und Deutschen. ----- Anthropometrische Bewegungen Nur wenige Wissenschaften vereinen so deutlich gelehrte und ungelehrte Triebkräfte wie die Rassenforschung der Jahrhundertwende. Der Vormarsch der Naturwissenschaften trug allgemein zu einer Sicht auf den Menschen bei, die auf Beobachtungen baute. Alle Eigenarten des Menschengeschlechts zu messen und zu beschreiben, wurde für viele Anthropologen und Rassenbiologen zur Forschungsaufgabe per se. Indem sie Individuen in abgrenzbare ›Rassentypen‹ klassifizierten und unter ihnen eine Rangordnung aufstellten, legitimierten die Rassentheorien auch eine spezifische Gesellschaftsordnung. Es war eine Ordnung, in der der Europäer mit gutem Gewissen den Afrikaner ausbeutete, in der man der Frau unter Verweis auf die Größe ihres Gehirns Rechte verweigerte und in der man Kriminalität als angeborene Eigenschaft betrachtete. Die Rassenforschung war nur in dem Grade genau, wie man ihre Ergebnisse immer als Bestätigung der Vorherrschaft des weißen Mannes interpretieren konnte.

Kat.-Nr. 278: Ein Stündchen bei den Schädelmessern, in: Daheim, 1879, Beilage 29, Zeitschrift (Berlin, Staatsbibliothek)

 Die schwedische Rassenforschung zeichnete sich lange Zeit durch Kartographieprojekte aus. Messungen an 45.000 Rekruten in den Jahren 1897/98 folgte zu Beginn der 1920er Jahre eine an 100.000 Schweden vollzogene Studie. Das staatliche rassenbiologische Institut in Uppsala, gegründet von Hermann Lundborg, zeichnete damals Körperlänge, Haarfarbe, Nasen- und Ohrenbreite sowie eine Reihe anderer Daten auf. Jahrzehntelang vermaß man die schwedischen Samen. Die gigantischen Kartographierungen der menschlichen ›Rassentypen‹ erscheinen heute unbegreiflich, aber sie beruhen auf Vorstellungen, die im Gegensatz zur rassenbiologischen Forschung nicht ausgestorben sind.
Anthropometrische  Design- und Therapie-Bewegungen
Ein frühes Beispiel: http://www.dhm.de/ausstellungen/wahlverwandtschaft/15katalog.htm Kat.-Nr. 623: Schwedischer Busenheber, in: Anna Fischer-Dünckelmann, Die Frau als Hausärztin, Stuttgart 1913, S. 158 (Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin)

Mit dem ›schwedischen Busenheber‹, dem Vorläufer des heutigen Büstenhalters, vermochte man nun die Forderung nach einer zwangsloseren Kleidung zu realisieren.
Corbusier
: Architektur-Modul Dreyfuss: Anthropometric Charts Berdel: Soziales Design Prankl: Sitzhöhenmodul, Urbaner Modul Elfriede Bender, Annette Marx, Ergotherapeutinnen:
Vom Behandeln zum Handeln
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Imaginärer Diskurs zu Teil 4 Letzter Abschnitt Lesch, Schmid + PA4 : Heribert, Marga und Walter - Zu Innenarchitektur-Ansichten vom Kosmos oder Naturwissen : Kunstwissen - heute

BRIEFWECHSEL >
http://archiv.kultur-punkt.ch/akademie4/diskurs/pa4-07-4natur-kunstwissen-imaginaererdiskurs.htm > Bildzugang

Das Bild von Heribert Heere

zeigt links oben die Waage aus dem ptlomemäischen Himmelsatlas. Der dicke gelbe Klecks ist die 6200 fache Vergrößerung der Zelle eines Mooses, begleitet von einer Kolonie von Volvox-Einzellern. In der Bildmitte schweben zwei kleinere Planeten.
Das Ganze ist mit Öl auf Leinwand gemalt, misst 160 x 200 cm und firmiert unter dem Überbegriff MIKRO MAKRO.

-----Ursprüngliche Nachricht----- > Von: "Kultur-Punkt" <prankl@kultur-punkt.ch> > Gesendet: 10.04.07 14:05:18 > An: "Heribert Heere" <Heribert_Heere@web.de> > Betreff: Re: Treffen nächsten Sonntag wenn möglich, gegen 11 Uhr?
> Lieber Heribert, nach langem Hin und Her der Gedanken bin ich sind Marga und > ich zu diesem (und für Dich allweil) aktuellen Thema sozusagen > hingestossen....wir konzentrieren uns auf Teil 4 Schlussteil betreffend ( > ansonsten für unser Treffen zu langwierig aber bemerkenswert...) > > Unser Diskurs lautet: > Zu Innenarchitektur-Ansichten vom Kosmos oderNaturwissen : Kunstwissen - heute > Diskurs auf der Grundlage von PLATON, Der Staat und von > SWR2 Wissen (Aula) Ernst Peter Fischer und Harald Lesch: Die Geburt der > modernen Wissenschaft  insbesonders Teil 4: > SWR2 Wissen (Aula) Ernst Peter Fischer und Harald Lesch:  Die Geburt der > modernen Wissenschaft > (Von der Antike bis Heute, 1-4) QUELLEN > 1 > http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/wissen/-/id=2005456/property=download/nid=660374/w99oi4/swr2-wissen-20070401.rtf > 2 > http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/wissen/-/id=1959468/property=download/nid=660374/1ephvie/swr2-wissen-20070406.rtf > 3 > http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/wissen/-/id=1959662/property=download/nid=660374/1lcor7m/swr2-wissen-20070408.rtf > 4 > http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/wissen/-/id=1959732/property=download/nid=660374/2sl24d/swr2-wissen-20070409.rtf
----- Original Message -----

From: "Heribert Heere" <Heribert_Heere@web.de>

To: "Kultur-Punkt" <prankl@kultur-punkt.ch>

Sent: Thursday, April 12, 2007 9:21 AM

Subject: Re: Treffen nächsten Sonntag wenn möglich, gegen 11 Uhr?

Lieber Walter,
du hast ein ebenso faszinierendes wie umfassendes Programm ausgearbeitet und mit umfangreichen Materialien begleitet. Ich möchte dazu nur noch ein neues großes Ölbild beisteuern (siehe Anlage). Es zeigt links oben die Waage aus dem ptlomemäischen Himmelsatlas. Der dicke gelbe Klecks ist die 6200 fache Vergrößerung der Zelle eines Mooses, begleitet von einer Kolonie von Volvox-Einzellern. In der Bildmitte schweben zwei kleinere Planeten. Das Ganze ist mit Öl auf Leinwand gemalt, misst 160 x 200 cm und firmiert unter dem Überbegriff MIKRO MAKRO. Ich bringe einen Ausdruck davon mit. Ich werde am Sonntag etwas vor 11 Uhr bei euch sein. Ich freue mich schon auf euch.
Liebe Grüße Heribert
Imaginärer Diskurs zu Teil 4 Letzter Abschnitt Lesch, Schmid + PA4 : Heribert, Marga und Walter INHALT .... Lesch:

Ich würde das genauso bestätigen. Letztlich drängt es uns doch immer zu der Frage nach der Ursache von etwas. Wir lassen uns ja heute nicht mehr so ohne weiteres davon abhalten, nach Ursachen und Anfängen zu fragen. Und der Big Bang oder der Urknall drückt auch ein bisschen Hilflosigkeit aus, was am Anfang gewesen ist, wissen wir nämlich auch nicht so genau. Es ist interessant, die Reaktionen der Menschen zu beobachten, wenn man ihnen sagt, die Welt hatte einen Anfang. Allen steht sofort die Frage ins Gesicht geschrieben: Und was war davor? Oder wenn ich sage, das Universum dehnt sich aus, werde ich regelmäßig mit der Frage konfrontiert, wohin dehnt es sich denn aus. Ich antworte dann, Kosmologie ist Innenarchitektur. Wir können immer nur über die inneren Eigenschaften des Universums reden, mehr können wir nicht sagen. Letztlich sind unsere Standardmodelle Resultate einer sehr langen, teilweise extrem detailreichen gegenseitigen Stützung, wo die Experimente und theoretischen Vorhersagen sich in einem großen Netzwerk gegenseitig stützen. Und was bleibt, ist die Möglichkeit der Verneinung, dass wir zu einem Ergebnis sagen können, nein, das glaube ich nicht. Oder die Frage, was war denn davor? Das heißt, wir haben auf der einen Seite ein gewisses Zufriedenheitsgefühl, aber auf der anderen Seite immer wieder den nagenden Zweifel, den Descartes zur Methode in der Wissenschaft gemacht hat. Das müssen wir akzeptieren. Ich würde das übrigens nicht die „Nachtseite der Wissenschaft“ nennen, sondern die „wirkliche Wissenschaft“.

Fischer:

Mit Nachtseite meine ich nicht etwas Negatives, sondern einfach etwas, das nicht im Bewusstsein greifbar ist, was sich uns auf andere Weise mitteilt, zum Beispiel als Einfall oder als plötzlicher Gedanke, dessen eigentliche Herkunftsquelle ich nicht kenne. Aber ich habe noch eine andere Frage. Wenn ich Bücher über die moderne Kosmologie oder Elementarteilchenzusammenhänge lese, dann wird immer davon gesprochen, dass man eine Sache nicht übersehen darf, nämlich dass unsere beiden grundlegenden Theorien, die Relativitätstheorie in ihrer allgemeinen Form, die man auch Feldtheorie nennen könnte und die von einem Kontinuum in der Welt ausgeht, und die Atomtheorie nicht vereinbar seien. Die Atomtheorie ist ja die Theorie, die im wesentlichen von Quantensprüngen ausgeht, die also sozusagen Lücken und gerade kein Kontinuum hat. Aber wenn ich den Anfang der Welt verstehen will, dann muss ich das Lückenhafte und das Kontinuierliche, also sozusagen die Zahl und die Linie zusammenbringen. Das geht aber schon in der Mathematik nicht. Wie wollen Sie das in der Physik machen? Es haben sich zwei Lager gebildet, von denen das eine sagt, alle einzelnen Theorien werden wir auflösen in einer umfassenden Quantengravitationstheorie, das andere dagegen meint, das brauchen wir gar nicht, weil wir ohnehin immer von einem dualen Verständnis ausgehen, wir haben wahrscheinlich immer eine Kontinuumsdarstellung und zugleich eine partikuläre Darstellung, so wie wir wissen, dass das Licht zugleich Welle und Teilchen ist. Wird sich Ihrer Meinung nach in der Zukunft möglicherweise eine Einheitstheorie bilden?

Lesch:

Ich habe mir schon oft vorgestellt, jemand hätte sie gefunden an einem Samstag Abend und hätte sie dann am Sonntag versucht, seiner Frau zu erklären. Dann frage ich mich, was macht er wohl am Montag? Wird das überhaupt jemand verstehen, und wenn ja, wird dadurch etwas verändert? Natürlich haben wir das Ziel, diese große vereinigte Theorie zu entwickeln. Mir scheint nur das immense Problem zu sein, dass diese großen vereinigten Theorien immer schwieriger und schwieriger zu überprüfen sind. Die Naturwissenschaften können zwar nie herausfinden, ob eine Theorie richtig ist, aber sie können durch Experimente feststellen, ob sie falsch ist. Das ist ja immerhin etwas. Aber das wird in der Tat immer schwieriger. Wir kommen jetzt schon mit den großen Beschleunigern an einen Punkt, wo man gerade noch etwas messen kann, wo auch die Gesellschaft noch bereit ist, Mittel für auszugeben. Aber wenn wir jetzt sagen würden, wir brauchen 3 Milliarden, um einen größeren Beschleuniger zu bauen, der mindestens die Größe der Milchstraße haben müsste, um den Anfang der Welt rekonstruieren zu können, dann würden uns alle den Vogel zeigen! Das wäre vielleicht interessant, aber nicht mehr relevant, weil es wohl kaum noch zu vermitteln wäre. Deswegen wird, glaube ich, die Physik, wenn sie sich da verläuft, einen großen Teil ihres Potentials im Grunde genommen gar nicht ausnutzen. Es gibt nämlich andere Bereiche in der Physik, die im 20. Jahrhundert immer mehr an Bedeutung gewinnen, nämlich die Beschreibung von Lebenssystemen, von Neurosystemen. Das wird viel zuwenig von den Physikern beachtet. Es könnte sein, dass auf lange Sicht die Entwicklung der großen vereinigten Theorien eine Sackgasse ist und dass man wieder zurückkehren muss, um sich anzuschauen, was ist denn wirklich um uns herum. Denn wenn Physiker anfangen Aussagen zu machen, wie das Universum vor dem Urknall gewesen ist, dann wende ich mich mit Grauen ab und möchte davon nichts mehr wissen.

Fischer:

Ein Markenzeichen der Wissenschaft ist, dass Aussagen durch Experimente überprüft werden müssen. Man könnte monatelang darüber philosophieren, ob Fliegen wohl ein Bewusstsein haben. Aber jetzt machen Sie mal ein Experiment dazu. Das ist das, was zählt. Es hat ja schon lange gedauert, bis ein Experiment gemacht wurde, um zu zeigen, dass Fliegen etwas lernen können. Also charakteristisch für die Wissenschaften ist das Experiment. Ihre Idee ist also, dass Physiker sich jetzt neue Betätigungsfelder suchen, weil sie mittlerweile in Sphären abgewandert sind, die durch Experimente nicht mehr überprüfbar sind, es sei denn, eine Regierung baut einen Beschleuniger von der Größer der Milchstraße. Diesen Wechsel der Physik hat es ja schon einmal gegeben. Ich möchte darauf hinaus, dass die moderne Molekularbiologie, die jetzt massiv voranschreitet und über die Gentechnik und Gendiagnostik und das Genomprojekt ganz neue Ausblicke auf die Evolution und das Verständnis des Lebendigen und des Menschen liefert, dass diese Molekularbiologie das Werk von Physikern ist. Das fängt übrigens schon im 19. Jahrhundert an: der Erfinder der Erbgesetze, Gregor Mendel, war zwar Mönch, aber studiert hat er Physik. Er hat die Statistik gut beherrscht und tatsächlich war sein Grundgedanke der Vererbungslehre ein statistischer Gedanke. Die ganze Genetik ist statistisch. Mendels Vorgänger haben bei einer Pflanze möglichst viele Eigenschaften angeschaut, Mendel hat an vielen Pflanzen eine Eigenschaft angeschaut. Und dadurch konnte er Statistik machen und Wahrscheinlichkeiten angeben, mit deren Hilfe Gesetze aufgestellt werden konnten. Dieser Schritt hat sich im 20. Jahrhundert wiederholt, und zwar in den 1940er Jahren von Max Delbrück und Salvadore Luria. Delbrück und Luria wollten verstehen, wie Bakterien bei bestimmten äußeren Bedingungen sich ändern können. Es ist ihnen gelungen anhand einer statistischen Analyse, die von Fluktuationen in der Bakterienpopulation ausging, auf die Gene der Bakterien und die Mutationsfähigkeit dieser Bakterien zu schließen. Am Anfang der modernen genetischen Wissenschaften standen statistische Überlegungen von Wissenschaften wie überhaupt die Molekularbiologie, wie ich schon sagte, das Werk von Physikern ist und sie auch heute noch so verstanden wird. Wir haben zwar ein wunderbares Standardmodell des Lebens, das heißt zwar nicht so, aber es wird so verstanden: Wir haben am Anfang ein Molekül namens DNS, das Informationen enthält, aus denen kleine molekulare Werkzeuge entstehen, die die Reaktionen der Zelle ermöglichen. Die Zellen schließen sich zusammen zu Verbänden, die als Organe funktionieren und sich zu Organismen zusammenfügen. Das ist ein ganz klarer, systematisch festgelegter Apparat, der sogar durch ein molekulares Dogma der 60er Jahre bestimmt ist, an dem man eine Menge Reparaturen vorgenommen hat, das aber im Grundsatz noch bestehen bleibt, so dass uns die Biologie ein offenbar durchgängig kausales Erklärungsmodell des Lebens bietet. Ich persönlich verspüre dabei aber ein gewisses Unwohlsein. Denn am Anfang steht ja nicht eine Kausalität, sondern am Anfang steht eine Form und den Schluss bildet wieder eine Form. Ich bin fest davon überzeugt, dass weder Ihr noch mein Ohrläppchen kausal erklärt werden kann, auch wenn sicherlich darin eine Menge Kausalität enthalten ist. Wenn man wirklich ein biologisches Verständnis von den Qualitäten, die wir doch vor Augen haben, erreichen will, muss man sich doch an dem orientieren, was Formentstehung zulässt. Das Beispiel, das ich in diesem Zusammenhang gerne benutze, ist:
Ein Bild, das Sie vielleicht in einer Galerie oder auch zuhause anschauen, hat natürlich eine Menge Kausalität – Sie brauchen eine Leinwand und Farben, Sie müssen die Farben anrühren, sie müssen trocknen, Sie müssen einen Rahmen um das Bild spannen – das ist Kausalität. Aber das Bild selbst ist nicht kausal. Also ist immer eine andere Entstehungsweise zu suchen als die der Kausalität, und das wäre dann die Frage nach der Formentstehung. Ich könnte mir vorstellen, dass die Physik dazu auch etwas zu sagen hätte, denn schließlich arbeitet sie ja mit Formen. Die Spiralen am Himmel, die Bahnen der Planeten, die wir sehen, das alles sind Formen, die uns schön vorkommen. Ganz am Anfang hatten wir gesagt, die *Lust auf Wissen kommt aus der Ästhetik, und die hat etwas mit Formen zu tun. Erklärt die Physik die Entstehung der Formen?

*PA4:  Derzeit verkommt die Lust auf Wissen in der Ästhetik und hat etwas mit Ablehnung der Formen zu tun….

Lesch:

Manchmal ja, manchmal leider nicht. Z. B. die Formen von Galaxien kann man tatsächlich physikalisch verstehen. Andere Dinge aber wieder nicht. Ich benutze gerne ein Bild: Wenn ich eine Schallplatte habe mit meiner Lieblingsmusik drauf, dann wird der Physiker aus der Breite und der Tiefe der Rille niemals das Erlebnis der Lieblingsmusik in mir rekonstruieren können. Er wird nur gewisse Strukturen in den Rillen feststellen, die damit zusammenhängen, dass Musik erklingen kann.

Fischer:

Einstein hat ja gesagt, man kann die 9. Sinfonie von Beethoven auch als Luftdruckkurve darstellen.

Lesch:

Das kann man auch, ja. Aber das wäre wirklich arm. Wenn man Physik in dieser Weise anwenden würde, wäre das eine echte Übertreibung. Ich meine, Physik ist ein Instrument zur Erklärung von Weltbeschaffenheit. Sie hilft beim Weltverständnis, aber sie hilft nicht bei der Lebensbewältigung. Das muss man ganz klar sagen. Es gibt sehr viele Dinge, die sich nicht mit Physik erklären lassen. Eigentlich gibt es nur ein paar wenige Sache, aber die sind dafür ganz ordentlich. Ich glaube, dass gilt für alle Richtungen der Naturwissenschaften. Dieser reduktionistische Ansatz, der sich seit Descartes durchgesetzt hat, dass wir eben diese Teilprobleme lösen, hat leider auch ein bisschen zur Unfruchtbarkeit der Naturwissenschaften geführt, weil sie sich den ganz großen Fragen – was ist die Welt, wie muss ich sie deuten – völlig entzogen haben. Wir stehen heute vor Problemen, die aber ganz stark nach Deutung verlangen, nach Orientierung. Wie sollen wir den Klimawandel deuten? Wir können ihn messen, dabei helfen uns alle Naturwissenschaften. Aber wie müssen wir ihn deuten? Wir haben in der Astronomie z. B. ein ganz neues Feld, was hoffentlich in den nächsten Jahren noch wichtiger wird, weil wir, so hoffe ich wenigstens, im Universum noch Planeten entdecken, auf denen möglicherweise auch Leben zu finden ist, nämlich das Feld der Astrobiologie. Es gibt ökonomische Fragen, die Frage der Endlichkeit von Energieressourcen, alles das sind ja Gebiete, in denen Physik nur noch eine Disziplin unter vielen ist. Und jetzt komme ich wieder zu meinem Lieblingsbegriff der Wechselwirkung. Wir brauchen nicht nur Wechselwirkung, wenn wir über Einzelteilchen reden, wir müssen auch Wechselwirkung unter Wissenschaften haben. Wir brauchen eigentlich z. B. in Universitäten einen völlig anderen Begriff von Zusammenarbeit, weg von den Fakultäten hin zu Projekten, an denen alle, die daran interessiert sind, teilnehmen können, wo es nicht mehr darum geht, dass ein Direktor den einzelnen Fakultäten Geld zuordnet, sondern es muss um den Inhalt gehen. Und da könnte Physik, glaube ich, viel lernen von den organischen Wissenschaften, dass man nämlich aus der Morphologie*, aus den Formen erfahren kann, welche Funktion dahintersteckt.
PA4: …*Erlebniswelten…Lebensbewältigung...

Fischer:

Wir sind ja der kartesischen Methode gefolgt und haben dabei Ebenen des Lebens entdeckt, aber dabei gar nicht bemerkt, dass wir die zwar finden können, wenn wir das Leben gemäß Descartes von oben nach unten zerlegen, aber wenn wir von unten nach oben erklären wollen, dann müssen wir auf jeder Ebene eine neue Qualität auftauchen lassen, also eine neue Form. Die Zelle ist eine neue Form, die ist etwas anderes als ein Molekül, das Gewebe ist wieder eine neue Form. Das wird gerne mit dem feinen Ausdruck Emergenz zur Seite geschoben. Uns bleibt das Gefühl, wir haben etwas erklärt. Das Verrückte ist ja, dass der Aufbau der Welt in diesen Ebenen oder Schichten völlig eindeutig ist, aber nicht erklärt wird, man müsste nämlich nicht nur eine Kausalerklärung finden, sondern vielleicht eine Art Kreativitätserklärung, die ja nicht kausal ist, gar nicht kausal sein kann. Das ist übrigens auch ein uralter Gedanke der Romantik, dass ich kein physikalisches Gesetz für Kreativität habe. Im Moment der Kreativität bin ich ja gerade außerhalb der Naturordnung, weil ich etwas Neues schaffe. Um das zu fördern, da haben Sie völlig Recht, müssen die Fakultäten zusammenfinden. Das nennt man ja manchmal Interdisziplinarität. Es ist merkwürdig, dass Interdisziplinarität überall gefordert, aber nicht besonders gefördert wird. Man hat zwar z. B. den Erwin Schrödinger-Preis ausgelobt für interdisziplinäre Forschung. Aber kaum jemand weiß, wer den bekommt, und die Leute, die ihn bekommen, kommen z. B. aus der Physik und der Chemie. Das ist ja nicht wirklich interdisziplinär, wenn sie physikalische Chemie machen, was es schon immer gegeben hat. Für mich ist Interdisziplinarität, dass man, um bei unserem Beispiel zu bleiben, tatsächlich die Frage der Formentstehung in so einen biologischen Entwicklungsprozess integriert, denn die Gene alleine liefern diese Antworten nicht unbedingt, auch das Modell des genetischen Programms würde nicht viel weiterhelfen, sondern es muss etwas anderes hinzukommen, vielleicht die Ästhetik. Die Frage ist, wie kann man mehr Leute zur Interdisziplinarität ermutigen und in einen solchen Kontext bringen. Ich hab ja mal versucht vorzuschlagen, dass der Nobelpreis sich umorientieren sollte, denn in der Öffentlichkeit stehen die Nobelpreisträger als Stars da, aber sie sind nach Standards des 19. Jahrhunderts ausgewählt. Nobel kannte ja nur die Wissenschaft des 19. Jahrhunderts. Jetzt über 100 Jahre später im 21. Jahrhundert gibt es wichtigere Wissenschaften. Vielleicht ist die Klimaforschung eine Richtung, die den Nobelpreis bekommen sollte, oder die Ernährungsforschung, nicht mehr unbedingt eine Biologie, die irgendwelche Hormone in Pflanzen analysiert. Diese *Interdisziplinarität kann ein Einzelner natürlich nicht machen, dazu gehört eine bestimmte Sozialstruktur, also das sind ganz neue Aufgaben. Was dahintersteht ist die zunehmende Komplexität des Lebens, wir brauchen neue Formen der Wissenschaft, um komplexeren Systemen genauer auf die Spur kommen zu können.

*PA4: Transdisziplinarität ist angesagt (Humboldt, PA4….)

Lesch:

Ja, unbedingt, und zum Glück fürchten wir uns nicht mehr davor. Wir haben sowohl die mathematischen als auch die technischen Methoden, komplexe Systeme zu untersuchen und richtige, vernünftige Erklärungsschemata abzuliefern, was an Komplexität in einem System enthalten ist. Wir können sogar teilweise Vorhersagen treffen, welcher Grad von Komplexität in einem System auftritt. Dazu gibt es wunderbare Beispiele, wie erfolgreich interdisziplinäre Forschung sein kann, dass man nämlich über Zeitreihenanalysen von Ausbrüchen auf der Sonne etwas darüber lernen kann, wie das Herzkammerflimmern funktioniert. Beides sind chaotische Systeme mit nicht vorhersagbaren Elementen und das lässt sich mathematisch gut fassen. Damit sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Gebieten befasst. Ich glaube, dass diese Art von Forderung nach interdisziplinärer Forschung, weil die Probleme auch immer größer werden, sich z. B. in so etwas wie dem Alternativen Nobelpreis niederschlägt, wo Menschen belohnt werden für neue Ansätze. Da ist ein Riesenpotential, weil die neuen Probleme sind nicht die Probleme des 19. oder 20. Jahrhunderts, sondern es sind die Probleme des 21. Jahrhunderts. Was mich eigentlich daran besonders freut, ist, wenn es denn gelänge, mehr interdisziplinäre Projekte ins Leben zu rufen, dann würde man Wissenschaft wieder auf etwas zurückbringen, was sie einmal war und was sie meinem Gefühl nach sein wollte, nämlich ein Gespräch zwischen Menschen. Interdisziplinäre Forschung funktioniert nämlich nur dann, wenn die Beteiligten sich auch tatsächlich verstehen.

Fischer:

Und es ist ein offener Prozess, der sich im Gespräch entwickelt. Ich möchte jetzt nochmal ganz an den Anfang zurück zu den Griechen, mit denen wir ja angefangen haben. Damals galt die Grundüberzeugung, dass die Welt verstanden werden kann, wenn ich nur das geeignete Ordnungsschema, die Zahl, anwende. Wir reden inzwischen schon von unvorhersagbaren Dingen, von uneindeutigen Strukturen. Und es könnte ja sein, dass die Welt selbst gar nicht weiß, wie sie in fünf Minuten aussieht, dass sie soviel Unbestimmtheiten, soviel Schwankungen unterworfen ist. Das würde natürlich ein ganz anderes Gottesverständnis nach sich ziehen. Denn wenn die Welt selbst nicht weiß, wie sie in fünf Minuten aussieht, dann kann es auch niemanden geben, der über der Welt thront. Welche Glaubensrichtung wird dadurch ermöglicht? Denn ich bin ja überzeugt, dass wir Menschen sowohl religiös als auch wissenschaftlich tätig sind. Sie als Astrophysiker müssten sich doch Gedanken darüber gemacht haben.

Lesch:

Ich kann Ihnen nur eine ganz persönliche Antwort geben. Egal wie viel man weiß, die Uneindeutigkeit dieser komplexen Welt lässt sich nicht wegforschen. Die bleibt immer. Ich bin aber sehr optimistisch. Ich bemerke, je mehr man weiß, desto großzügiger wird man dem gegenüber, was man nicht weiß. Ein Satz aus dem Neuen Testament trifft es ganz gut, der sagt: Fürchte dich nicht. Und ich setze dazu: Das wird schon irgendwie werden, die Welt ist nicht klar und eindeutig, jeder hat seine Möglichkeiten, und wer weiß, was die Welt noch mit jedem einzelnen von uns vorhat. In diesem Sinne würde ich sagen, *Wissenschaft ist ein offenes Projekt. Die Romantiker haben meiner Ansicht nach viel mehr Recht als die rationalen Wissenschaftler. Und wir können Wissenschaft nur machen mit *Hirn und mit Herz. *PA4: Wissenschaft und Kunst ist ein offenes Projektdiskutiert transdisziplinär und mit apollinischem Hirn und mit dionysischem Herz.. mit OFFENEM ENDE (siehe Diskurstafel PA4 Naturwissenschaft: Kunstwissenschaft > http://archiv.kultur-punkt.ch/akademie4/diskurs/pa4%2D07%2D4naturwissen%2Dkunstwissen.htm PS.: Heribert, Marga, Walter: Wahrheit erScheint...(Weiss, Die Ästhetik des Widerstands, Habermas, Heidegger)... noch aber ist die kafkaeske Maschine unperfekt aber perfide...aufklärerische Technik (Apollinisches) wird als Waschmittel zum Verwischen, Verschwinden des Romantikbegriffes (Dionysisches) genutzt.... Marga, trifft die Kernaussage:  Der Verfall darf nicht sichtbar werden...