«Im Neubau steckt viel Herzblut von mir» sagt Kunstmuseums-Direktor Bernhard Mendes Bürgi
Kunst Ereignis
Kunstmuseum - Neubau - Konzeption
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Kunstmuseums-Direktor Bernhard Mendes Bürgi über den Erweiterungsbau und die Neukonzeption des Hauses
Von Raphael Suter
BaZ:
Ist der Bau eines Museums für den
Direktor ein Traum oder ein Albtraum?
Bernhard Mendes Bürgi: Das ist
genau die Ambivalenz. Sowohl Traum
wie auch Albtraum. Ich habe mich
nicht um diese Bauaufgaben gerissen,
weil ich natürlich dadurch meine
eigentlichen Museumsaufgaben etwas
zurückstellen musste. Aber schon als
ich nach Basel gekommen bin, war
klar, dass der Hauptbau von 1936
ein Sammlungshaus ist, das nicht so
gut für Wechselausstellungen gerüstet
ist. Heute muss ein Museum sowohl
Sammlungs- wie auch Ausstellungshaus
sein und über die entsprechende
Infrastruktur verfügen. Deshalb
drängte sich eine Erweiterung auf.
Wie weit sind Sie in die Bauplanung
einbezogen gewesen?
Da habe ich viel Einfluss gehabt,
bereits für die Grundkonzeption des
Neubaus. Darin wurden Fragen wie
Raumproportionen und Lichtverhältnisse
definiert. Für mich waren auch
neue Depots sehr wichtig und eine
Eventzone, wo grosse Vernissagen
möglich sind. Und schliesslich habe
ich auch der Anlieferung grosse Bedeutung
zugemessen. Nachdem diese
Vorgaben einmal gemacht waren, war
ich stark in die Detailplanung involviert,
habe viel mit Christ & Gantenbein
diskutiert und mit ihnen teilweise
auch um Lösungen gerungen.
Aber das war ein sehr wichtiger und
konstruktiver Prozess. Im Neubau des
Kunstmuseums steckt viel Herzblut
von mir.
Und wie sind Sie jetzt mit dem Resultat
zufrieden?
Sehr. Ich finde den Bau wirklich toll.
Beim Hängen der Kunstwerke habe
ich jetzt festgestellt, wie einem diese
Räume entgegenkommen. Es funktioniert
alles. Für mich ist dieses Vorhaben
sehr gut aufgegangen. Nicht
zuletzt auch im Einklang mit dem
Hauptbau.
Die Architektur stellt sich eindeutig
in den Dienst der Kunst. War das die
Vorgabe?
Ja, ich habe von Anfang an die Forderung
formuliert, dass in bestimmten
Kernbereichen die Kunst dominiert.
Christ & Gantenbein haben das problemlos
aufgenommen.
Klar definiert sind auch die räumlichen
Anordnungen auf den Stockwerken.
Das führt zu einem logischen Rundgang.
Auch dies ein Wunsch von Ihrer Seite?
Genau. Wir haben lange an diesen
Räumen und ihrer Abfolge geschliffen.
Am Anfang gab es viel mehr
Räume mit unregelmässigem Grundriss,
was ich ablehnte. Ich war für rein
orthogonale Räume. Die Ausstellungsräume
werden erst richtig gut,
wenn sie in sich stimmen und ihre
Abfolge einen Organismus bildet. Im
Hauptbau haben wir ja diese wunderbaren
Enfiladen, die wir im Neubau
bewusst nicht wollten. Aber die Bildung
von Ausstellungsorganismen
war wichtig.
Wir sprechen jetzt immer vom Neubau.
Aber auch der Altbau ist aufwendig
saniert worden. War das eine zusätzliche
Belastung?
Schon meine Vorgängerin hatte
grosse Sanierungsarbeiten vorgenommen.
Das hat man ihr nie so recht
verdankt. Es ist eben auch eine
undankbare Aufgabe. Im Zuge des
Neubaus hat man dann den bestehenden
Bau unter die Lupe genommen
und dabei einen grossen Sanierungsbedarf
festgestellt. Der Aufwand,
etwa im Bereich der Erdbebenertüchtigung,
war enorm. Das hat uns schon
überrascht. Ursprünglich wollten wir
die notwendigen Anschlussarbeiten
des Neubaus ohne Schliessung des
Hauptbaus ausführen. Doch dann
mussten wir einsehen, dass es ohne
Schliessung nicht gehen wird. Die
Alternative wäre gewesen, den Neubau
zu eröffnen und wenige Monate
später den Hauptbau zu schliessen.
Das wollten wir aber nicht.
Dann musste alles sehr schnell gehen?
Ja, plötzlich waren wir unter grossem
Zeitdruck, weil wir für heikle Fragen
wie die Lagerung und Evakuierung der
Sammlung zuerst Lösungen suchen
mussten. Wir hatten dafür unglaublich
wenig Planungszeit. Trotzdem bin ich
froh, dass wir diesen Weg gewählt
haben.
Sie sind vom Schliessungsentscheid
überrascht worden. Trotzdem konnten
Sie in kurzer Zeit vier Ausstellungen mit
Werken der Sammlung, zwei in Basel
und zwei in Spanien, stemmen, die auch
beim Publikum viel Anklang fanden.
War dies eine grosse Herausforderung?
Als wir von der Schliessung wussten,
wollten wir nicht vorschnelle Versprechungen
machen, was in dieser
Zeit ausstellungsmässig passieren
soll. Zuerst ging es mir darum, wie
wir die Kunst sicher aufbewahren
können. Dann erst sind wir an die Planung
von Alternativausstellungen
gegangen. Das war schon sehr stressig.
Wir wollten ein gutes Programm
machen und schlussendlich ist es ja
auch gut gekommen.
Sie konzipieren ja eigentlich alle drei
Häuser des Kunstmuseums neu. Wie
stellen Sie sich diese Ordnung vor?
Der Auslöser für den Neubau war die
für grosse Ausstellungen fehlende
Infrastruktur im Hauptbau. Zusätzlich
sollten neue Sammlungsräume
geschaffen werden. Das Museum für
Gegenwartskunst sollte erhalten bleiben.
So entstand die Idee, dass im
Hauptbau die europäische Kunst vom
15. Jahrhundert bis Picasso und Giacometti
gezeigt wird. Im Kunstmuseum
Basel Gegenwart wird das
Schaffen ab den Neunzigerjahren bis
heute ausgestellt. Und im Neubau
steht die Kunst ab 1950 bis 1990 im
Mittelpunkt mit einem starken
Gewicht auf der amerikanischen
Kunst. In diesem Zeitabschnitt ist viel
passiert, doch man konnte davon bislang
wenig im Hauptbau sehen. Dabei
haben wir einige Erwerbungen getätigt
und Schenkungen in diesem
Bereich erhalten, die die Kraft der
Öffentlichen Kunstsammlung weiter
stärken. Neben der Klassischen Moderne
können wir jetzt auch die
zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts
mit unseren Beständen sehr stark im
Erweiterungsbau ausspielen.
Bekommt auch die Schweizer und die
Basler Kunst mehr Gewicht?
Das war seit Längerem ein Wunsch.
Wir zeigen jetzt im Erdgeschoss des
Hauptbaus in den Gartensälen eine
Präsentation mit Künstlern wie
Niklaus Stoecklin, Paul Camenisch,
Albert Müller bis zu Marcel Schaffner,
Samuel Buri und Werner von Mutzenbecher.
Ich finde es schön, dass wir
jetzt regelmässig Platz für diese
Bestände haben werden.
Die Dauerausstellung wird wohl für die
nächsten Jahre Bestand haben. Wie
stark trägt sie Ihre Handschrift?
Ich habe über die Jahre hinweg viele
Erfahrungen bei der Einrichtung der
Sammlung gemacht. Aber natürlich
ist klar, dass es bei einem Direktionswechsel
auch andere Gewichtungen
geben kann. Josef Helfenstein kann
anders entscheiden als ich. Das ist
völlig legitim. Aber ich hoffe schon,
dass meine Einrichtung etwas länger
Bestand haben kann, weil ich mich
sehr lange mit ihr beschäftigt habe.
Das kann man aber durchaus auch
alles anders machen und es ist ja auch
das Grundprinzip des Neubaus, dass
er eine flexible Nutzung von nicht flexiblen
Räumen erlaubt. Damit kann
man das Museum immer wieder neu
begreifen.
Ist Josef Helfenstein ebenfalls in diese
Planung einbezogen worden?
Nein. Er bereitet sich im Stillen auf
seine Direktion vor. Es geht ja jetzt
dann alles auch schnell. Nach meiner
Sonderausstellung «Sculpture On
The Move» kommt eine Schau zum
figurativen Pollock von Nina Zimmer,
die dann schon in die Direktionszeit
von Josef Helfenstein fallen wird.
Werden Sie dem Haus noch weiterhin in
einer Form zur Verfügung stehen, beispielsweise
als Gastkurator?
Kaum. Ich habe mich in den letzten
15 Jahren im Kunstmuseum Basel
genügend ausgetobt, formuliert und
gebaut. Ich denke nicht, dass es
opportun wäre, in einer anderen
Form, etwa als Kurator, im Haus wieder
aktiv zu werden.
Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf
Ihre Direktion zurück? Bei unserem ersten
Interview haben Sie das Bild eines
grossen Dampfers gebraucht, der sich
eben nicht so leicht lenken lässt wie eine
kleine Jacht.
Hatten Sie bis zuletzt mit
dieser Schwere zu kämpfen?
Als ich von der Kunsthalle Zürich, wo
die Infrastruktur sehr leichtfüssig
war, nach Basel gekommen bin, bin
ich schon etwas erschrocken. In
Zürich habe ich mit einem kleinen
Stab gearbeitet, das war wirklich ein
wendiges Segelboot. Und ein Haus
wie das Kunstmuseum Basel ist eben
ein schwerer Ozeandampfer. Ich bin
aber in diese Aufgabe hineingewachsen.
Doch in den letzten Jahren ist es
nochmals komplizierter geworden,
ein solches Museum zu leiten. Es wird
immer anspruchsvoller, gerade im
juristischen Bereich, wo zum Beispiel
höchst anspruchsvolle Provenienzfragen
anstehen. Aber es gibt auch
ganz andere Herausforderungen bei
der PR und dem Marketing.
Das Museum wird immer mehr zum
Eventlokal.
Es war mir stets extrem wichtig, dass
die Kunst in einer wissenschaftlichen
Dimension im Mittelpunkt steht. Das
wollte ich aufrechterhalten bis zu
meinem Abgang. Doch die Dinge verändern
sich. Ich habe diese Arbeit
jetzt 15 Jahre gemacht und es ist gut,
dass nun der Nächste kommt.
Sie hatten offenbar damit Mühe, dass
sich der Ausstellungsbetrieb immer
mehr zum Eventbetrieb wandelt.
Das stimmt. Aber gerade deshalb ist
es notwendig, dass Häuser wie der
Louvre, der Prado oder eben das
Kunstmuseum Basel die künstlerische
Qualität aufrechterhalten und
nicht einfach den schnellen Erfolg
beim Publikum suchen. Das scheint
mir sehr wesentlich zu sein. Gerade
im Zeitalter der Social Media ist das
Erlebnis des Originals wichtig. Da hat
das Museum eine grosse Aufgabe, das
andere ist einfach die Begleitmusik.
Finden Sie es ungerecht, dass das
Kunstmuseum immer wieder mit der
Fondation Beyeler verglichen wird?
Es sind extrem verschiedene Institutionen,
die beide sehr gut geführt
sind. Ich bin mit Sam Keller befreundet
und habe manchmal Mühe
gehabt, dass man uns gegenseitig
auszuspielen versucht. Uns beiden ist
völlig klar, dass es verschiedene Häu-
ser sind. Die Fondation Beyeler hat
sich ganz für das Ausstellungswesen
entschieden. Bei uns steht die Sammlung
im Mittelpunkt. Das führt zu
ganz anderen Herausforderungen.
Doch gerade die Sammlung als kollektives
Gedächtnis hat mich immer
fasziniert und inspiriert. Das ist für
die Gemeinschaft von besonderem
Wert und das hat eben seinen Preis.
Die Londoner Times hat das Kunstmuseum
zum fünftbesten Museum der Welt
erklärt. Ist das für Sie auch persönlich
eine Auszeichnung?
In Basel selber wird die unglaubliche
Kraft dieses Museums immer wieder
unterschätzt. Die Basler sind zu wenig
stolz auf dieses Haus, und wenn ihnen
von aussen gesagt wird, wie gut es ist,
glauben sie es eher. Deshalb hat mich
dieses Rating schon gefreut. Das korrigiert
vielleicht die Wahrnehmung von
gewissen Leuten und stärkt die Wertschätzung
für ein solches Museumsmodell.
Wir Museumsleute geben uns
da bescheidener und sprechen nicht
ständig von einem weltberühmten
Museum. Unter dem PR- und Marketing-
Aspekt wird man heute stärker gezwungen,
ständig aufzutrumpfen. Für
mich persönlich ist die Wertschätzung
von Kollegen bedeutender Museen
wichtiger und sie macht mich stolz.
www.kunstmuseumbasel.ch
Rückblick ohne Zorn.
*
29. März 2016
*
Seit 2001 leitet der Kunsthistoriker Bernhard Mendes Bürgi das Basler Kunstmuseum.
ende September tritt er in den Ruhestand.
*
Partner
Credit Suisse unterstützt das
Kunstmuseums Basel
zu den Feierlichkeiten
zur Eröffnung des Neubaus.
Feiern auch Sie mit uns!
Die Partnerschaft mit dem Kunstmuseum
Basel zeigt unsere
Verbundenheit mit der Region
und steht in der Tradition des
Engagements der Credit Suisse
für die Schweiz.