Peter Hächler: Die erste Monografie über einen der radikalsten Schweizer Bildhauer der Nachkriegszeit

Kunst Ereignis  GestalterInnen H
P. Hächler . Skulpturen . Monografie
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Online-Publikation: Januar 2016 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
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Herausgegeben von Gabrielle Hächler und Sabine Schaschl, Museum Haus Konstruktiv, Zürich
96 Seiten ;gebunden;Deutsch und Englisch; 52 farbige und 35 sw Abbildungen; 20 x 30 cm; ISBN 978-3-85881-505-7; CHF 49.00 | eur 48.00
Verlag Scheidegger & Spiess, CH-8001 Zürich; http://www.scheidegger-spiess.ch


Zum Protagonisten
Peter Hächler (1922–1999) gehört zu den renommiertesten und formal radikalsten Bildhauern der Schweiz. Sein Œuvre zeichnet sich gleichermassen durch ein streng geometrisches Formenvokabular wie durch intuitive Verspieltheit aus. Nach über 20 Jahren erscheint nun wieder ein Buch über den Künstler, das sein Werk aus heutiger Perspektive würdigt. Hächlers Arbeiten bestechen durch ihre Materialvielfalt. Ab den 1970er-Jahren begann er, mit neuen, in der Industrie verwendeten Materialien zu experimentieren. So entstanden Grossplastiken aus Beton, Kunststoff, Eisenguss oder Chromstahl, die noch heute im öffentlichen Raum zu sehen sind. Viele dieser Arbeiten sind als architekturbezogene Kunst-am-Bau-Projekte entstanden.
Mehr als drei Dutzend von Hächlers Skulpturen sind von Valentin Jeck für diese Monografie eigens neu fotografiert worden. Der Kunsthistoriker Martino Stierli stellt das Schaffen des Bildhauers in den Kontext der Schweizer Nachkriegskunst und die Kuratorin Sabine Schaschl geht im Gespräch mit Peter Hächlers Witwe und Tochter dessen Inspirationsquellen und Lebensumständen nach.
Das Buch erscheint anlässlich einer Ausstellung im Museum Haus Konstruktiv in Zürich im Herbst 2015.
 
Autoren & Herausgeber
Eva Hächler
ist die Witwe von Peter Hächler und studierte mit ihm zusammen im Atelier der französischen Bildhauerin Germaine Richier.
Gabrielle Hächler
(* 1958) ist Architektin und führt seit 1995 zusammen mit Andreas Fuhrimann ihr eigenes Büro in Zürich. Studium der Kunstgeschichte an der Universität Zürich und der Architektur an der ETH Zürich. 2001–2014 Professorin an der Universität der Künste in Berlin, 2009–2011 auch Gastprofessorin an der ETH Zürich.
Sabine Schaschl
ist Kunsthistorikerin und Direktorin des Haus Konstruktiv in Zürich. Direktorin des Kunsthaus Baselland 2001–2013. Auszeichnung mit dem französischen Orden «Chevalier de l'ordre des Arts et des Lettres» 2010.
Martino Stierli
(*1974) ist SNF-Förderprofessor für Kunstgeschichte an der Universität Zürich und Philip Johnson Chief Curator of Architecture and Design am Museum of Modern Art, New York.

Fazit
Der Skulpteur Peter Hächler* ist ein Zeitgefährte des aufkeimenden Konstruktivismus im zentralen Europa der ersten Stunde, im besonderen nach dem Sturz des Faschismus, der diese Gestaltungsprinzipien als entartet  brandmarkte. Ein Zeitgefährte von Peter Hächler, die einander in ihrer Schaffenszeit nie begegnet sind, zeigen die gleichen konstruktiv dichten Strukturmerkmale und Linienzüge in Skulptur bei Hächler und in der Malerei von Walter Bodmer** wie der Druckgrafik bei Franz Herberth (1) in der Mitte des 20.Jahrhundert in der Schweiz wie in Österreich. Beide sind somit unvergessene Wegbereiter konstruktiven Schaffens. m+w-p16-1

*) http://www.kunstbreite.ch/Kuenstlerwerdegaenge_aargau_haechler_peter.htm
**) https://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Bodmer_(Maler)

(1) Franz Herberth
wurde 1907 in Wien geboren und studierte ab 1924 an der Wiener Kunstgewerbeschule bei Franz Cizek, Erich Mallina, Anton Kenner, Rudolf Larisch und Berthold Löffler. Herberth verblieb nach Beendigung seines Studiums an der Schule, wo er ab 1930 als Lehrer in der Werkstätte für Druckverfahren tätig war. 1939 wurde er wegen seiner Ehe mit der Nichtarierin Bettina Freund in den Ruhestand zwangsversetzt, nachdem er schon im Jahr zuvor aus dem Bund Österreichischer Gebrauchsgrafik ausgeschlossen und zur Hilfsarbeit verpflichtet worden war. 1940 erhielt er endgültig Berufsverbot. Nach Beendigung des Krieges wurde Herberth zum Leiter der Werkstätte Druckverfahren an der nunmehrigen Hochschule für Angewandte Kunst bestellt und nach 20-jähriger Tätigkeit zum Hochschulprofessor ernannt. Herberth verstarb 1973 in Pulkau/Niederösterreich.
Während das Werk der "Wiener Kinetisten" der zwanziger Jahre um die Klasse Franz Cizek ('die einzig existente Schule des Futurismus' - Oswald Oberhuber), wie Erika Giovanna Klien, Otto Erich Wagner, L. W. Rochowansky, Friederike Nechansky, Elisabeth Karlinsky oder Marianne Ullmann in verschiedenen Publikationen breit rezipiert und auch in Museumsausstellungen gewürdigt wurde, wird Franz Herberth z.B. in dem Buch "Wiener Kinetismus - Eine bewegte Moderne" nicht einmal mit Namen erwähnt. Dies mag dem Umstand geschuldet sein, daß sich Herberth zu seiner Studienzeit (die sich mit derjenigen von Erika Giovanna Klien teilweise überschnitt) und in den dreißiger Jahren danach nicht der Abstraktion sondern dem deutschen Expressionismus verpflichtet fühlte. Erst Anfang der fünfziger Jahre wandte sich Herberth der Abstraktion zu und tat dies dann nicht nur mit Ausschließlichkeit sondern auch mit einer Experimentierwut, die in der österreichischen Nachkriegs-Abstraktion ihresgleichen sucht.
Hierbei beschränkt sich Herberth zwar technisch auf den Linolschnitt und ab Anfang der sechziger Jahre auf den Holzstich (hier verbunden mit einem dem Material geschuldeten stilistischen Wandel), schöpft dabei aber alle drucktechnischen Finessen bis zum Rande aus. Wenn auch Herberth das stilistische Vokabular des Kinetismus aufgreift, so ist er - vermutlich schon aufgrund einer vollkommen anders gearteten Mentalität - dennoch weit entfernt von einem agitatorischen Furor à la Marinetti. Im Gegensatz dazu verdanken seine in sich ruhenden und eher "kinetisch" als "kinetistisch" zu nennenden Anordnungen ihre Wirkung neben dem Experiment vor allem auch genauer Planung und dem Wissen um die technischen Möglichkeiten sowie dem exakten, bis zur Virtuosität gehenden Ausloten derselben.
"Herberth erzeugt in seinen  Kompositionen räumliche Wirkung nicht nur durch die Linienführung. Speziell das Überdrucken ein- und derselben Platte mit einer zweiten lasierenden Farbe, wobei der Überdruck leicht verschoben ist, wird zu einem fast bezeichnenden Element seiner Arbeiten. Ausgehend von parallelem Verschieben finden sich auch Blätter, bei denen der lasierende Überdruck leicht verdreht ist. Weitere Komplexität erlangen seine Kompositionen durch das Überdrucken ein- und derselben Platte um 180° gedreht. In weiterer Folge mischt und variiert Herberth diese Möglichkeiten. Die Erweiterung der Darstellung um die Dimension Farbe bedeutet eine stärkere Konzentration auf das Zusammenspiel verschiedener Platten und Farbschichten. Das Einmischen von Transparentweiß erlaubt Herberth das Spiel mit Farbtönen, so gelingt im optisch der Tausch zwischen Vorder- und Hintergrund..." (Michael Schneider)
Bemerkenswert ist auch die konsequente Anwendung des Irisdrucks: "Herberth schafft Farbverläufe, indem er den Verlauf nicht auf der Platte erzeugt, sondern auf der Walze. Durch Auswalzen der Farbe auf dem Litho-Stein zum gewünschten Verlauf wird dieser auf die Walze übernommen." (Michael Schneider). Um verschiedene Farbverläufe auf einer Platte zu erzeugen, zerteilte Herberth kurzerhand die Platten, walzte sie getrennt ein und setzte sie für den Druck wieder zusammen.
Am Erstaunlichsten an Herberths Farblinolschnitten ist vielleicht der Umstand, daß sie eine Erinnerung an ein wesentlich jüngeres Phänomen wachrufen. Was Grafikdesigner heute aus dem Rührtopf von Photoshop holen, hat Herberth in den Fünfzigern längst ganz analog zustande gebracht. 
http://www.galeriehochdruck.com/Kuenstler/franz_herberth.html
https://www.wien.gv.at/wiki/index.php/Franz_Herberth